Zweite Fortsetzung

Es ist weder mein Beruf, noch mein Wille, zu den Fürsten unseres Volks zu reden. Die Weisheit und Eintracht, die sie im Kriege zur Rettung des Vaterlandes führte, wird sie auch nach beendigtem Kampf bei Gestaltung des Ganzen, bei dem Wiederaufbau des mit Mühe den zerstörenden Flammen Entrissenen leiten. Die edelsten, aufgeklärtesten Männer, und was das Höchste ist, deutschen Herzens und Sinns, arbeiten mit ihnen an dem großen Werk. Es wäre anmaßend, eigne Ansichten und Wünsche denen aufdringen zu wollen, die das Gute leichter und sicherer sehen, und die Kraft und Mittel haben, es auszuführen. Aber welche Gestalt auch unser Vaterland bekommen mag, so viel ist nicht zu bezweifeln, dass es ein Völker- und Staatenverein bleiben wird, zwar wieder zu einem Ganzen zusammengeschlossen, und dem ausländischen Einfluss entrissen, aber doch nicht, Nachbarstaaten gleich, einer einzigen unumschränkten Obergewalt unterworfen. So sehr auch dies um der Macht und Herrlichkeit des deutschen Volks willen von vielen gewünscht wurde, so wenig ist es ohne die furchtbarsten Umwälzungen möglich, ja es scheint dem Geist und Charakter der germanischen Völker gerade entgegen, und selbst mit ihrer höheren Bestimmung nicht vereinbar zu sein. Sie sind einmal, wie einst die Griechen, ein wunderbares Volk, verschieden in mancherlei Zügen und Eigenheiten, wie des Körpers, so des Geistes, eifersüchtig auf die Ehre und das Bestehen der besonderen Namen, der Unterabteilungen, um Vorzüge sich streitend, und um die edelsten wetteifernd, aber doch alle eine schöne, kräftige, gebildete Sprache redend, und stolz auf den allgemeinen Namen der Deutschen und des deutschen Volks und Reichs, und empört, wenn dieses angefochten, oder von frevelnden Händen zertrümmert, von arglistigen Buben verraten werden soll. Man möchte sie mit dem menschlichen Köper vergleichen. So viele verschiedene Glieder bilden das schöne Ganze, von einem unsichtbaren Geist bewegt. Gieße sie unnatürlich zusammen, und du wirst eine rohe, plumpe, untätige Fleischmasse haben. Schneide ein Glied ab, und alle werden den Schmerz mit empfinden, das Ganze wird erkranken um das verletzte eine. Lösche den Geist aus, und zerstörender Tod wirft das göttliche Gebäude in Staub zusammen. So lasst uns der natürlichen Ordnung folgen. Mögen die kleinen Scheidungen bleiben, wenn nur die Gelenke, die Muskeln, die Verbindungen nicht abgeschnitten werden, die Glied an Glied unauflöslich fesseln; mögen die Adern sich durch alle fortziehen, und den Lebenssaft nach allen Teilen regelmäßig verbreiten, und um das große schlagende Herz sich vereinen; und möge der Geist frisch und lebendig bleiben zu seiner wirkenden, schaffenden Kraft durch die Gesundheit und die Übereinstimmung und harmonische Tätigkeit aller Teile und Glieder. Weg mit dem unseligen Hass und Neid, weg mit dem unnatürlichen Krieg der Glieder, weg mit den zerstörenden Ablösungen und Ausschneidungen. Arbeite und schaffe jedes an der Stelle, wo es sieht, und der Körper wird in frischen Schönheit blühen. Wenn dieser sich bewegen, sich erhalten, sich schützen soll, dann rege sich alles rasch und gleichmäßig, und folge der Seele, die in einem Blut mit ihren Feuerteilen durch die geringste Nerve rollt; so wird der volle, reife Mensch da stehen, der König der Welt, der Liebling Gottes. Ich habe im Bilde gesprochen; die Deutung liegt am Tage. Lasst uns Namen haben, welche wir wollen, und im Kleinen gebaut sein, wie der höhere Werkmeister es für gut fand; aber nie und nimmermehr lasst uns das Eine vergessen, dass wir alle Deutsche eines Stamms, eines Samens sind, dass eine Spreche aller Geist einigt, dass ein Bestehen, ein, Wohlsein alle beglückt, und alte ein Untergang bedroht. So werden wir in Uns selbst groß und mächtig, dem äußern Feind immer furchtbar sein. Aber um diesen Endzweck zu erreichen, müssen die kleinlichen Leidenschaften des Neids Und dir Eifersucht, so wie zwischen den größeren und kleineren Provinzen, so auch zwischen den Religionsparteien und den Standen aufhören; und wann wäre dazu eine bessere Vorbereitung geschehen, als jetzt? Die mächtigsten Staaten unsers Vaterlandes haben in dem nun glorreich geendigten Kampf angeführt; von ihnen ist der Geist und die Kraft ausgegangen, sie haben den deutschen Waffen den Glanz Und das Übergewicht gegeben, das ihnen immer gehört hätte, wenn früher solche Vereinigung gewesen wäre. Aber welches deutsche Volk, welches Land, ja welche Stadt, welches Dorf hat nicht tätigen Anteil genommen? Aus allen sind Männer ausgezogen in den Streit, und haben entweder auf dem eignen Boden, als um dessen Befreiung gefochten wurde, oder in des Feindes Land, als seine Demütigung und Bezwingung notwendig war, ihr Blut vergossen; alle ohne Unterschied haben der großen Sache große Opfer gebracht, und konnten sie selbst nicht die Waffen tragen, sie ihren Kindern, Brüdern und Verwandten in die Hand gegeben, Vermögen und Erwerb freudig für sie auf den allgemeinen Altar niedergelegt, und die Abwesenden durch gehäuftere Arbeit übertragen. Wehe über den Einzelnen, der solches vergessen könnte! Es kann und darf hinfort nichts unter uns sein, als eine innige Herzensverbindung durch gegenseitige Dankbarkeit, durch wahre Bruderliebe, gegründet auf gemeinschaftliches Verdienst; die Völker werden sichtlich folgen, wo die Fürsten das schöne Beispiel geben. Und was soll ich von der Spaltung sagen, die durch Verschiedenheit des Glaubensbekenntnisses unter uns gekommen war? Die Zeiten des schwärmerischen Hasses sind vorbei. Es ist ein und derselbe Gott, der uns wunderbar errettet, der uns Mut und Kraft und Sieg gegeben, der uns Frieden und Ruhe wiedergebracht hat; es ist ein und dasselbe Kreuz, zu dem die Völker wiedergekehrt sind, das vor unsern Heeren herzog, und das Zeichen des Heils, so wie der ganzen Welt, so auch unserem Vaterland war; es ist eine Sprache und Rede, in der wir alle dem Herrn im Himmel Lieder singen, und um Rettung flehten, und jetzt Dankopfer bringen; eine Hoffnung, ein Glaube, eine Erlösung; also auch eine Liebe und Duldsamkeit auf dem Wege zu demselben Ziele, wenn er uns gleich in kleinen Abweichungen aufwärts führt. Und trennen uns Ländergrenzen und Verschiedenheit der Gottes-Verehrung nicht mehr, wie sollten uns kleine Unterschiede in Gesetzgebung, oder in Waffengattung, oder in Staatsverfassung, oder in ständischen Einrichtungen trennen können? Gearbeitet wird gewiss von oben herab an größerer Einheit auch hierin, und wir wollen den Einsichten der Obern nicht vorgreifen; aber wir wollen unserer Seits auch im Kleinen dazu mithelfen. Ein Volk, das so gerechte Ursache hat, auf seine Bildung, auf seine Volkserziehung, auf die hohe Stufe stolz zu sein, auf der es in Wissenschaften, in Künsten, in allen Bestrebung gen der geistigen und körperlichen Kraft steht, das muss seine wahre Größe in dem gemeinschaftlichen Vorzug, in dem gemeinnützigen Verdienst finden; es muss der einen großen Familie gönnen, was sie voraus hat, und sich mit dem trösten, was dem nähern Geschlecht wiederum eigentümliches Lob ist; daraus wird ein edler Wetteifer unter allen und in Allem werden, und desto kräftiger und tätiger wird die Arbeit zum Ruhm und zum Gedeihen des Ganzen sein.

Du hast ein Vaterland, deutscher Jüngling, und du hast ein einziges, großes Vaterland, und du darfst stolz darauf sein, zu diesem Volk zu gehören und zu keinem andern. Denkst du an das Alter der Germanen, an ihre alten und neuen Waffentaten, an die Kraft, die Fülle und Hoheit ihrer Sprache, an alles Große und Gute, was sie gearbeitet und hervorgebracht haben, und was sie noch täglich schaffen und wirken; so wärst du ein Thor, wenn du vor dem Jüngling irgend einer andern Nation zurücktreten, wenn du, deiner edlen Bestimmung vergessend, ein demütiger Bewunderer oder ein knechtischer Nachahmer des Fremden sein wolltest; du sollst und musst einen deutschen Stolz haben auf deine Deutschheit, aber einen wahrhaft deutschen Stolz. Bescheidenheit und Mäßigung und Selbstaufopferung sind so sehr eigentümliche Tugenden unsers Volks, dass sie endlich zu unseren Hauptfehlern geworden sind, das sie endlich uns die Verachtung und den Missbrauch derer zugezogen haben, die das wahrhaft Große nicht zu achten und zu schätzen wissen. Aber um der Verirrung willen musst du die Tugend selbst nicht verleugnen und verwerfen. Dein Stolz sei nicht das kindische Prahlen der Eitelkeit, nicht der lächerliche Dünkel der Oberflächlichkeit, nicht das kalte Zurückstoßende der Rohheit; er zeige sich nicht durch Verachtung, durch Beleidigung, durch Angriff und Gewalt, durch Selbstsucht und Übermut. Das sind die Laster, die uns in Harnisch gebracht haben, und wir wollen nicht nachahmen, was uns noch jetzt an den Besiegten empört. Nein darein setze deinen Wert und deinen Stolz, dass du dir Verdienst erwirbst, und nicht darum, dass man dich ehre und achte und lobpreise, sondern damit das Wohl und der Ruhm deines Volke immer größer und herrlicher werde. Lass anderen die Kunst, die ersten zu sein in Erfindung von Spielwerk und Tand; äffe ihnen nicht nach in Meinungen, Sitten, Grundsätzen, Gebräuchen, Kleidung, sondern übe, fertige, trage geschickt, was Natur und Bedürfnis und Würde und Anstand dich üben, fertigen, tragen lehrt, und verachte die ausländische Narrheit, wenn man deiner vaterländischen Natürlichkeit, deines heimischen Wesens lacht. Aber, was dem Vaterland und den Menschen ersprießlich und heilsam ist, das lerne mit Eifer, und treibe es mit väterlichem Fleiß, und bilde es aus zur Vollkommenheit, und gebrauche deinen Geist und Mut zum Segen des gegenwärtigen Geschlechts und des kommenden. Und behaupte den Ruhm, den Deutschland auch in der Zeit der Schmach nicht verlor, in aller Kunst und Wissenschaft und Gelehrsamkeit Bahn zu brechen, und Wege zu zeigen, und Schwierigkeiten mit Ausdauer zu überwinden, und Muster und Lehrmeister auch den Fremden zu sein, die das Gründliche achten und lieben, die das Gute und Reife Verstehen, und nach dem Vorzüglichen selbst verlangen. Aber gehe nicht unter in der Masse des eitlen Wissens, und denke, dass es ein Höheres gibt, als viel gesammelt und gelernt zu haben; der Geist sei dir immer mehr, als das Wort, und die Tat und das Leben größer, als die tote Weisheit der Schule und der Schriften. Vor allen Dingen bewahre Frömmigkeit und alte Treue öffentlich in deinem Haus, in allen Gestalten und Verhältnissen; bewahre Gerechtigkeit und Tapferkeit. Gott hat unserem Volk durch seine Lage und uralte Einrichtung die große Bestimmung gegeben, dass wir nie Eroberer, nie Zerstörer des Menschenfriedens und des Menschenglücks sein sollten. So wollen wir uns nicht zu einem Ruhme drängen, der in unseren Geschichten schön klingen würde, aber den die Verwünschungen der Mitwelt übertönen, und dessen blutige Denkmäler der Fluch der Nachwelt zerstört. Im Frieden müssen die Deutschen denken und treiben, was der Welt zum Frieden dient. Aber wehe dem, und wehe ihm durch die Deutschen, der den Krieg predigt und die Gewalt und die Ungerechtigkeit. Darum gedenke fleißig der Römerschlachten und des gestürzten Römerreichs, gedenke der Niederlagen aller einbrechenden Barbaren, gedenke der früheren Siege und des letzten Werks. Wo ein fremdes Volk dem deutschen Namen Hohn spricht, wo der Ehrgeiz die Dämme durchbricht, über die Grenzen strömt, und seine verwüstenden Fluten über die Fluren ergießt; da sollen die Deutschen ein Felsendamm, eine feste Wehr und Schutzmauer sein. Dazu hat sie Gott gemacht; an ihrer ruhigen, frommen Tapferkeit muss jeder Angriff der Raubsucht und der wahnsinnigen Ruhmbegierde scheitern; sie wollen sicher wohnen in dem Lande, das ihnen der Himmel gegeben hat, und sie werden es, wenn sie ein Volk bleiben, das nicht gern kriegt, aber auch den Krieg nicht fürchtet, wenn er mit Gott geführt werden kann; sie wollen das Fremde nicht, aber das Eigne, Wohlerworbene soll ihnen Welt und Hölle nicht nehmen; sie mögen den Schwachen nicht antasten; aber sie wollen auch selbst nicht der gehöhnte Schwache sein; ja sie wollen freudig und gern jedem die Hände bieten, der ihre Hilfe sucht wider Frevel und Unrecht, und keinen Lohn haben, als den Ruhm, ihre Pflicht getan zu haben, aber an diesen Ruhm auch alles daran setzen, Gut und Blut, und Kraft und Leben, und das alles mit starkem Glauben und getreuer Zuversicht. Denn einer ist ihr Herr und König: Gott, und eins ihre Losung: Das liebe deutsche Vaterland.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Vaterland
Anklam 1615 aus der Stralsunder Bilderhandschrift

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Bad Freienwalde, Konzerthalle St. Georg

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Barth, adliges Fräulein Stift

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Barwice, ehemaliger Bahnhof

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Belgard, Hohes Tor

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Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert (2)

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Bergen, ältestes Fachwerkhaus von 1538 am Markt, Marienkirche

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Bergen, Arndt-Turm bei

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Bergen, Marktplatz (2)

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Cammin in Pommern, Dom St. Johannes

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Mönchguter Fischerpaar

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Ostseebad, Misdroy

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Putbus auf Rügen Schloss

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Rügen Bauer

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Sassnitz 2011

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Sassnitz, Rathaus

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Stargard, Rathaus

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Stettin, Hansabrücke um 1900

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Rügen Bauer (2)

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Rügischer Fischer

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Tribsees

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Stubbenkammer, vom Strand aus betrachtet

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Stubbenkammer, von der Seeseite

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Swinemünde, Stadthafen

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