Abschnitt 1

II. De Festung M


Kapitel 7


Von minen Herrgott un minen Snider sin Makwark. Worüm von einen Gefangenen 'ne Schildwacht för 'ne Taschenklock anseihn ward, worüm dat allgemeine Ihrenteiken vör en Pund Toback tau Schan'n warden kann, un wat Dr. Martin Luther perßöhnlich in den deipen Snei tau stahn hadd.

Den annern Dag kemen wi nah M., un't was grad de höchste Tid, süs wiren wi woll för't irste nich henkamen, denn nu föll dat grugliche Sneiweder in, wat Anno 1837 in de irsten Dagen von den April in Nurddütschland alle Weg' un Steg' verslot.

Wi führten tau'n Platzmajur, de up de Zitadell wahnen ded. Hei was vör mine Tiden Platzmajur tau S. west, von wo ick eigentlich herkamm, ick müßt em denn vertellen, woans dat dor utseg, un dorbi kek ick ut dat Finster, woans dat hir woll utseg. As hei dit sach, schüddelte hei den Kopp un säd: »Hier bleiben Sie nicht, Sie kommen in das Inquisitoriat.«

Dat was bös! 'ne Festung mag so slimm sin as sei will, einer hett doch Rum in de ollen Kasematten, wo doch notdürftige Bewegung mäglich is, einer kriggt doch af un an en Minschen tau seihn, un dat Ganze is doch nich utdrücklich dortau bugt, üm en Gefangenen nah alle Kanten tau schurigeln; äwer so'n apartig ingericht't Gefangenhus nimmt einen ok noch dat beten Luft un Licht un Bewegung un Ogenweid', wat einen von Rechts wegen taukümmt. Wi wiren tau Festungsstraf verurtelt; äwer wat kihrte sick de preußische Staat doran, wenn't in sinen Kram paßte, uns in en Zellengefängnis unnertaubringen.

Wi gungen nah dat Inquisitoriat un dor dörch mihrere Häw' bet nah den letzten Flügel, de mit sine Finstern grad nah Nurden lagg; hei was dreistöckig un hadd gegen twintig Zellen un drei lange Korridurs, de langs dat ganze Gebüd' lepen, un up jeden 'ne Schildwach.

As mi nu de Platzmajur in min niges Quartier afliwert hadd un gahn was, stunn ick in den Inspekter sine Stuw', un dese Herr un sin Handlanger, de Slüter D....mann, stunnen vör mi un keken mi an, un wil dat nich verbaden was, kek ick sei wedder an. – »Jetzt müßte ich Sie aber bitten...«, säd de Inspekter un höll in. – »Wat?« frog ick. – »Es ist Vorschrift vom Kommandanten...«, stamerte hei wider. – Ick wüßt nich, wat hei von mi wull, un kek em un D....mannen an. – »Daß Sie sich nackt ausziehen«, säd de Slüter, un as ick em dorup ankek, wil dat noch nahrends, sülwst in den Unnersäukungs-Arrest nich, von mi verlangt was, blänkerte den Kirl von sin dummdristes Gesicht so'n sures, fettes Grifflachen, as wir em dat Mul mit sur Gaus'smolt insmeert. – Wat Fettiges hett des' Ort äwerall un ok wat Sures; des' hadd ok noch wat Freches, wil hei wüßt, dat hei vördem bi den Herrn General Grafen H., den irsten Kummandanten, Uneformen putzt hadd un dat »allgemeine Ehrenzeichen« in't Knoplock drog, wat hei mal wegen sine Verdeinste üm den preuß'schen Staat un üm de Stäwel von den irsten Kummandanten kregen hadd.

Wat hülp dat all? – Ick müßt ehr wisen, woans ick erschaffen wir, un as sei minen Herrgott sin Makwark besichtigt hadden, fisentierten sei ok minen Snider sin, indem dat sei all mine Taschen in de Kledaschen ümkihrten un de Näd unnersochten, ob ick dor nich Pistolen un Metzers un Dinger oder gor Geld in hadd.

As dit besorgt was, kunn ick mi wedder antrecken, un nu föllen sei äwer minen Kuffert los. – 'ne olle eingehüsige, sülwerne Taschenklock, de all so lang' still stahn hadd, as ich satt, wil ick meindag' nich dat Geld taum Reparieren hadd upbringen kunnt, mi ok an de Tid up Stun'ns gor nicks gelegen was, würd tauirst mit Beslag beleggt. Dorup kamm en ollen Pipendeckel, so'n ollen Klemmdeckel, taum Vörschin. – »Ist das Silber?« frog de Inspekter. – »Ja«, säd ick, denn mi fohrte dat so dörch den Sinn, dat dese sülwerne Pipenbeslag en Glanz von Wollhabenheit up mi smiten kunn, un leigen ded ick dorbi ok nich, denn hei was würklich von Sülwer, äwer man von Nisülwer. Un as sei mi nu noch 'ne lütte goldne Dauknadel afnamen hadden, de ick von min Swester taum Wihnachten kregen hadd, un min Schriw- un Teikengeschirr, un as sei dit allens sauber tau mine Personalakten leggt hadden, kunn ick jo nu mit den Slüter nah mine Nummer gahn.

Sei lagg in den ündelsten Stock un was in den ganzen Hus' dordörch bekannt, dat de Sünn un de Man, so vel Mäuh sei sick ok gewen, noch meindag' nich dat Glück hatt hadden, en flüchtigen Blick up de innere Inrichtung tau smiten. Dat was äwerst jo ok ganz natürlich; dat lütte Lock von Finster, wat annerthalw Faut hoch un annerthalw Faut breit ganz baben unner den Bähn satt, sach nah Nurden, rechtsch un linksch wiren breide Schuklappen von Bred' anbröcht, dormit wi un de beiden Himmelsstirn doch bileiw' nich üm de Eck kiken künnen, un wenn in de langen Sommerdag' de Sünn dat doch binah dörchsetten ded un so wid herüm kamm, denn schow sick de hoge Mur von den Hof un de Festungswall vör ehr leiwes Angesicht, un unsern Herrgott sin schönstes Makwark müßte vör so'n snödes Minschenwark schamrod versacken. Wenn ick minen Hüker up den Disch stellen ded an dor denn ruppe klattert was, hadd ick 'ne frie Utsicht up en lütten virkantigen Hof, 'ne rendliche, witte Mur un en swart un witt angestrekenes Schillerhus, un de einzigste Afwesselung in dese Einfachheit was, dat bi slicht Weder en Soldat in dat Schillerhus stunn un bi gauden Weder dor vör up un dal gung.

Min Nummer, un so wiren sei all, kunn en twölf Faut lang un söß breit wesen; en Aben stunn dor nich in, indem wi mit 'ne Luftheizung bedacht wiren, de warme Luft strömte dörch en Lock in de Wand von baben, un de kolle dörch en anner von unnen in, so dat wi ümmer kolle Fäut un en rechten warmen Kopp hadden, wat för de Gesundheit sihr taudräglich sin sall. Äwer wer kunn dor wat för? Dat was 'ne nige Erfindung von en sihr gelehrten Bumeister, de sick ganz besonders up den Gefängnis-Bu smeten hadd, un üm de Gesundheit von de Sak uttauprobieren, kunnen sei jo gor keine passendere Lüd' finnen as uns; wi hadden 'ne schöne Reih von Johren vör uns, un wenn wi't uthöllen, denn was de Sak probat. In de Dör was en lütt virkantig Lock mit 'ne Klapp; tau mine Tid is de, Gott sei Dank! nich mihr upmakt worden; äwer mine Kammeraden vertellten, dat de frühere tweite Kummandant Oberst von B....stein, de nahsten wegen schamlose Niderträchtigkeiten sülwst up de Festung kamm – allerdings nich up dörtig Johr –, sick oft dat Provat-Vergnäugen makt hett, sei dörch de Klapp sick tau bekiken, ok gaude Frün'n mitbröcht hett, üm sei de tau wisen. – Dit Kiken- un Klappen-Plesier hett so lang durt, bet mal de Mann von den beschränkten Unnerdahnen-Verstand, de Herr Minister von Rochow Exellenz, sülwst up 'ne Dörchreis' up den Infall kamen is, sick de natürlichen Folgen von sine kräftige Regierung tau beseihn, un as hei dörch so'ne Klapp sin schönes Kunstwark seihn ded, wo hei dörch 'ne gründliche virjöhrige Bearbeitung ut en rodbackigen, frischen Burßen en bleikes Steinbild fabriziert hadd, dunn hett hei sick vör sin eigen Makwerk schämt un hett dese Klappen-Kikeri verbaden, un de Oberst von B....stein hett sick tworst nich schämt, hett't äwer auf »höhern Befehl« instellen müßt.

Ja! bleike, witte, grise Steingestalten wiren sei worden, dese frischen, gesunnen Lüd', dörch de ehre jungen Adern dat Blaud so lustig flaten was, de ehre jungen Glieder nu stiw worden wiren as bi steinolle Lüd', up de ehren Geist de Gefängnisqual lasten ded un de menschliche Nidertracht und de Hoffnungslosigkeit von de Taukunft.

As ick von de Visitierung bi den Inspekter mit den Slüter nah min Nummer gung, stunn en ollen leiwen Bekannten up den Korridur vör sine Dör – sin Lock würd just utfegt –, ick hadd em seihn un em kennt in alle Pracht, de dat Minschen-Frühjohr einen reinen un schönen jungen Mann üm Höwt un Schullern un Lenden leggt; wat was hei nu? – De utbrennte Kahl, de Asch von sinen vorigen Lewen! – Wat säd hei tau mi, as hei mi wedder sach? – »Unselige Minsch! wo kümmst du hir her?«

Dat was de Empfang, den ick von min besten Frün'n kreg. Ach, ick kunn woll lachen, denn ick hadd't doch beter hatt, äwer mine Frün'n hir! – Sei seten all äwer drei Johr so, un nicks was beter worden in ehre Lag'.

As ick nah min Lock herin kamm, kek ick mi üm: vir kahle, witte Wän'n, en Disch, en Schemmel, en Beddgestell un dorup 'ne Seegras-Madratz un ganz baben in de Wand dat lütte Finster. Dat äwrige was mi all bekannt, blot wat von't Finster ut tau seihn was, kennt ick noch nich, ick set'te also den Schemmel up den Disch un kletterte up minen Kikut ruppe. – Snei, vir Faut hogen Snei up den lütten Hof un dorin en Schillerhus un dorin en grises Worm von Schildwacht, de so still stunn as mine Taschenklock. Un för den Gefangnen sünd de Schildwachten würklich Taschenklocken, de bi Dag' un bi Nacht de Tid angewen un alle twei Stun'n frisch uptreckt warden. Bi Dag' sünd sei ganz plesierlich; äwer bi Nacht sünd sei en beten unbequem, wenn sei »Wer da?« schrigen un up de Korridurs de Gewehr fallen laten un sick en Lid fläuten, üm sick den Grugel tau verdriwen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid