Abschnitt 2

II. De Festung M


Kapitel 10


De lütte Br., de olle lütte fidele Br., hadd ut reine Fründschaft för W. sine Friheit, de hei knapp hadd geneiten kunnt, wedder wagt, üm sinen Fründ fri tau maken. Wat dat heit, kann jedwerein inseihn, äwer vollständig kann so'ne Daht blot einer taxieren, de nah Johren mal fri kamen is un weit, wo säut denn de Friheit smeckt. – Hei verlet Vader un Vaderland, würd en Flüchtling in de Welt, set'te sine ganze Taukunft up't Spill; äwer hei set'te dat dörch, hei makte den Fründ fri. Em sall't gaud gahn sin, hei sall einer von de beleiwtsten Schriftstellers in Wien sin, un dat freut mi recht von Harten, dat hei för gaude Daht gauden Lohn funnen hett. Hei hadd sick bi sine Anwesenheit de Släd' in Waß afdrückt, hei hadd mit 'ne Waschfru, de för den einen Kumpani-Gregorius waschte, Bekanntschaft makt un hadd sei dortau bröcht, dat sei unner ehr Wäsch en por Uneformen un wat dortau hürte för de beiden rinne smuggeln ded, un an desen Dag, von den ick red', was hei ut Berlin kamen un was just dorbi west, de Dör uptaudidrichen, as de Platzmajur för den einen von uns en Breiw brächte. – Knapp sall hei man Tid hatt hewwen, sick up de Retürad' tau retürieren, un dor sall hei denn so lang seten hewwen, bet de Luft rein worden is; dat heit buten.

As de Platzmajur weg west is un allens schön hett tausluten laten, hett hei de Dör wedder upslaten, de annern beiden hewwen sick fix in 'ne Uneform smeten, un so sünd sei denn ganz gemächlich, de ein as Attollerileutnant, de annern beiden as Kumpani-Gregoriussen, ut den Dur rute gahn; up den Mark hett 'ne Extrapost parat hollen, un dormit sünd sei denn nah Hamburg kutschiert un nahsten tau Water wider nah Helgoland. – Dit allens vertell ick blot von Hürenseggen, un't kann sick mägliche Wis' ok en beten anners verhollen hewwen; äwerst wat nu kümmt, heww ick wedder sülwst mit anseihn.

Den annern Morgen würd dat unner uns in de grote Stuw' all sihr tidig hellschen lewig, un ein von uns, de dat Mul nich recht hollen kunn un ümmer Hans vör allen Hägen was, de Baukhändler Cornelius ut Stralsund, makte unnen dat Finster up un röp nah uns, nah baben ruppe. – Wi keken ut: »Wat?« – »De sünd weg!« röp hei. – »Wer?« – »W. un R.«, säd hei. – »Na, denn lat sei, Schapskopp. Wat hest du hir tau raupen?« säden wi un makten dat Finster wedder tau.

Äwer't müggt jo doch woll noch wer anners hürt hewwen, denn't was noch lang nich Tid taum Upsluten, as de Inspekter all mit de Slätels lep. Un't wohrte nich lang', dunn würd dat en Upstand un en Rönnen un Lopen, Wachtmannschaften un Upwohrers un Inspekter un Unteroffzierers, allens lep dörchenanner, un mit de Wil kamm denn ok de Präses von de Lazarettkummischon, de olle Oberstleutnant von H....ch, wat de öllste Offzierer von de ganze preußische Armee was, denn hei was all Leutnant bi den ollen Fritz west, herannewackelt, un unner uns würd dat nu sihr lud, denn de olle Herr towte för sin Öller nich slicht. As hei unnen farig was, kamm hei nah uns ruppe: »Meine Herrn, zwei von Ihren Kameraden sind zum Deuwel gegangen.« – »Schön«, säden wi. – »Den Deuwel schön!« säd hei. »Wenn ick dat den General Grafen H. sage, denn trampelt er mir ja uf de Bene rum.« – Je, säden wi, wi künnen bi de Sak ok wider nicks nich dauhn. – Hei kennte uns, meinte hei, wi wiren ebenso as de, de weglopen wiren, wi wiren mitschüllig. – Dat wiren wi nich, säden wi. Sei fasttauhollen, dortau wiren wi nich set't, un mitlopen wiren wi jo ok nich. Wat uns de ganze Sak angüll? – Nu würd de olle Herr äwerst hellschen kratzböstig: »Dat Mitlopen will ick Ihnen woll verpurren: hier in de Stube werde ick Ihnen Dag un Nacht 'ne Schildwacht rinner setzen.« – Nu lep mi ok de Lus äwer de Lewer. Hei künn dauhn, säd ick, wotau hei en Recht hadd, hei künn uns buten Schildwachen hinnen un vören hensetten; äwer in de Stuw' brukten wi sei nich tau liden. – Na, nu äwer de olle Herr! Wo lodderte hei up mi los! Un wer weit, wat noch passiert wir, wenn nich de Stabsarzt kamen wir – ok uter Pust un Aten. – De röp em nu tau: »Herr Oberstleutnant, Herr Oberstleutnant, übereilen Sie sich nicht! Die Sache ist schon in Richtigkeit, ich habe eben dem General den Fall mitgeteilt. Alle Gefangenen bis auf drei, bei denen ein Transport lebensgefährlich wäre, werden heute abend ins Inquisitoriat zurückgebracht.« – Na, nu gaww sick de oll Herr, denn nu brukte hei jo nich mihr tau den General tau gahn un sick up sine ollen ihrwürdigen Beinen rümmertrampeln tau laten.

Mit de Wil was denn nu ok de Platzmajur un de Auditöhr kamen, un all uns' Kammeraden würden tau uns ruppe bröcht, dat de Herren unnen fri Feld behöllen, an Urt un Städ' tau unnersäuken, wo de Kirls dat Stück anfungen hadden. Wi künnen äwer all ehre Unnerhollung mit anhüren, ja ok ehr Hes'wesen mit anseihn, wil de Bähn keinen Windelbähn hadd un de Delenritzen wid utenanner stunnen. Ick will bi dese Gelegenheit vertellen, dat unse drei dodkranken Lüd' up dese Stuw' nahsten blewen, ok dunn, as unnen en Choleralazarett inricht't würd, un dat sei Dag un Nacht dat Stähnen, dat Günsen, de Krämpfen un dat Starwen von de unglücklichen Minschen hewwen mit anseihn un anhüren müßt. Ok en lütt Stückschen von de Humanität!

Dat irste, worup sei verföllen, was ok dat Einfachste, nämlich sei wiren dörch de Dör gahn, dorgegen stred äwerst de Platzmajur, wil dat hei den Abend vörher sülwst in Person bi't Tausluten taugegen wesen was; dat tweite wiren de Finstern, äwer de ollen Finstergardinen wiren noch all vör, un tüschen dörch kunn sick keiner klemmen, dat drüdde was denn nu natürlich de Schorstein. De Herr Auditöhr gung denn nu sülwst eigenhändig bi un makte den Kamin up, was äwerst dorbi vel ungeschickter as min Fründ H....mann, denn knapp hadd hei em up, dunn schot em ok de ganze künstliche Buddeltorm entgegen, un nu würd dat unnen en dull Lachen, blot de oll Oberstleutnant schull mit den Lazarettinspekter, wo dat hei so 'ne Unregelmäßigkeit hadd liden kunnt. Äwer ok hir smet sick de Stabsarzt tüschen un makte den ollen Herrn begriplich, dat de Buddeln jo all leddig wiren, un dat 'ne leddige Buddel keinen Schaden bi en Kranken anrichten kunn. Dat müßt de oll Herr denn jo ok woll inseihn, un as sei tauletzt in gauden Freden utenanner gungen, dunn was en jeder von ehr grad so klauk, as hei west was.

Wi, de wi gahn kunnen, würden gegen Abend all wedder in't Inquisitoriat taurügg bröcht, un hir – ach, du leiwer Gott, wo hadd sick dat verännert! All unsere »Errungenschaften«, as sei dat hüt nennen, wiren fläuten gahn; de Herr Inspekter let de Uhren hängen as en begaten Pudel, D....mann triumphierte, de Gefängnisknecht K. was wegjagt; denn Se. Excellenz, de Herr General Graf H., was in eigene Person up den Inquisitoriatshof kamen un hadd dor rümmer pust un towt as en Dampwagen, de ut de Schinen gahn is, un hadd tauletzt an den Gefängnisknecht K. en afschreckend Bispill statewiert. – Nu gung hir allens up de Tehnen rümmer.

Twei Dag' nah dit Weglopen begaww sick en lustigen Spaß tüschen den Herrn Auditöhr un den Herrn Platzmajur, den wi nahsten, as de Tiden wedder beter würden, schön warm tau weiten kregen. – De beiden Herrn drapen sick bi unsern Inspekter, un de Auditöhr seggt: »Wiederkriegen werden wir sie denn wohl«, womit hei de Utknipers meinte. –»Das ist keine Frage«, seggt de Platzmajur. »Wohin wollen sie groß, die Steckbriefe...« – »Ja«, föllt em de Auditöhr in't Wurd, »ich wollte Sie schon immer danach fragen, wie Sie es mit den Steckbriefen eingerichtet haben.« – »Ich?« fröggt de Platzmajur. – »Ja, Sie !« seggt de Auditöhr. – »Das ist ja Ihre Sache«, seggt de Platzmajur. – »Den Teufel auch«, seggt de Auditöhr, »das müssen Sie besorgen.« Un as Gott den Schaden besach, wiren dese schönen Infangelbreiw' noch gor nich in Kurs set't.

Nah söß – säben Dag' hadd wi denn ok all de tröstliche Nahricht, dat uns' gauden Frün'n richtig in Helgoland ankamen wiren; sei hadden dit fröliche Ereignis den Herrn General in einen ungeheuer lustigen un niderträchtigen Breiw persönlich anzeigt, un wi kregen desen Breiw den annern Dag all in 'ne saubere Afschriwwt tau lesen. – Wo dit mäglich was, weit ick nich, un wenn ick't wüßt, säd ick't nich. – Wohr is't äwer! – Excellenz wiren in helle Wut, un wat em am meisten argern ded, dat was dat , dat sei em vertellten, wo de Schildwachen ehr noch alle möglichen Honnürs wegen den falschen Attolerioffzierer makt hadden, un dat sei unner de brüklichen militörischen Ihren ut dat Lazarettdur rute gahn wiren.

Dat was eigentlich en beten fatal för unsere Excellenz – oder »Pestilenz«, as de Bur bi uns seggt – un fatal wiren em ok de nüdlichen Näsen, de em von Berlin tauschickt würden, hei kamm also up den Infall, de ganze Sak unsern braven Stabsarzt in de Schauh tau schuwen: hei hadd gesunne Lüd' in't Lazarett rinne namen. Äwer de Voß was em tau klauk; de Stabsarzt was en Mann, de sick de Botter nich von't Brod nemen let; hei verlangte 'ne Kummischon, de den Gesundheitsstand bi uns unnersäuken süll, un so kemen denn ok eines Dags drei Herrn bi uns an, de Generalarzt B., de Regierungsrat A. un de Ingeniürmajur von L.

Gr. un ick wiren de irsten, bi de sei rinne kemen, wi wahnten an de Trepp. De Majur met sick dat Lock ut, hei met ok dat Finster, un wo hoch dat von de Ird was. De annern beiden Herrn frogen uns, ob wi äwer uns' Gesundheit tau klagen hadden. Gr. säd, hei led an de Lewer, de Generalarzt frog em, wat hei dorgegen bruken ded. – Hei drünk Quastiantee, säd hei. – De Regierungsrat frog mi, wat mi fehlen ded; ick säd, ick wir wegen swacke Ogen von S. hirher verset't worden. – Hei sach sick üm, schüddelte mit den Kopp: »Hierher, wo Sie niemals ein direkter Lichtstrahl treffen kann, wo Sie stets nur ein schwach reflektiertes Licht trifft?« – Hei besach mine Ogen un gaww mi den Rat, mi nich bi't Waschen den Vörkopp so natt tau maken, as ick dat an de Mod' hadd, ick riskierte süs, dat ick den swarten Stor kreg. – Sei probierten dunn noch uns' Drinkwater un gungen wider.

Up annere Fläg' hadden sei sick de kostbore Luftheizung anseihn, un tauletzt wiren sei nah den Hof gahn un hadden sick uns' En'n Spaziergang bekeken. Dor hadden sei denn nu wat Sauberes raken. Up unsern Hof wiren twei Kloaken, wo allens dat tausam flöt, wat gegen 500 Minschen, de in't Inquisitoriat seten, jichtens maken känen, un links von uns, nah Westen tau, lagg 'ne grote Isengeiteri, von de wi den Steinkahlendamp ut de irste Hand kregen. – Dese frische Luft hadd ehr begripliche Wis' nich sihr tauseggt, un as ihrliche Lüd', de sei würklich wiren, hadden sei ehr Gaudachten dorhen afgewen: »Den politischen Gefangenen im Inquisitoriat zu M. fehlt es an den drei notwendigsten Lebensbedingungen, an frischer Luft, an Licht und an Wärme; auch ist das Trinkwasser, da es Flußwasser von unterhalb der Stadt ist, nicht zu genießen.«

So! Dat was denn nu nah uns' virjöhriges Elend dat Urtel von drei ihrenwirte, sakverstännige Lüd'; dor wiren nu Minister un Generals un Obersten un Upseihers un Schinnerknechts bi herümmer gahn un hadden seihn un hürt un raken, un keinen was't infollen, dat wi, wenn wi dörtig Johr afsitten süllen, doch ok dörtig Johr lewen müßten.

Ick will nicks wider dorvon seggen, denn up Stun'ns noch, nah fiwuntwintig Johr, kriwwelt mi de Hut, wenn ick doran denk. Un denn wunnern sick de Lüd' noch, wo einer Demokrat warden kann. As wi inspunnt würden, wiren wi't nich, as wi rute kemen, wiren wi't all

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid