Abschnitt 2

IV. De Festung Gr.


Kapitel 25


Den irsten Dag hadd ick dat Glück, Auguste von Martini vör ehre nige Wahnung up jensid von den Strom tau drapen, un brächte ehr en Gruß von minen ollen Kapteihn. – »Herr Reuter, was heißt dies?« röp sei mi in den Wagen rinne – wi hadden meindag' kein Wurd mit enanner spraken. – »Ich werde ausgeliefert«, röp ick taurügg, »und ... läßt vielmal grüßen!« – »Kommt er auch frei?« frog sei. – »Bald!« säd ick, »bald.« – Un de Postilljon blos, un sei winkte mi noch tau, un ick ehr ok, un kennten uns doch gor nich; äwer wenn dat Led ok de Harten tausamen smäd't, isern, fast, von 'ne richtige Freud' geiht en Blitzstrahl ut un sleiht hir in un dor in, woran keiner denkt, un wer sick süs frömd un kolt vörbigahn is, de fäuhlt sick warm, wenn em de warme Freud' von en annern Minschen dröppt, denn en jeglich Minschenhart is von unsen Herrgott nich för sick allein – ne, för alle Minschen makt.

Un den annern Dag kemen wi in en Holt. 't was en Eikwald, in söß Johr hadd ick keinen seihn. – »Ach«, säd ick tau den Schandoren, »will'n Sei mi 'ne Freud' maken? Laten S' uns dörch dat Holt gahn.« – Un de Schandor ded't, un de Postilljon blos sin lustig Stückschen, un dat Holt rök as idel Mäsch, un de Bost dehnte un widete sick, un de Bottervägel spelten in de Sünn – dor was en Swälkenswanz, dor en Schillerfalter, dor en Sülwerstrich! – En Kind kunn einer warden, en wohres Kind! Un as wi ut dat Holt kemen, dunn lag dor linksch en wittes Klewerfeld, en Saatklewerfeld, un dat rök so säut, so säut as idel Honnig, un de Immen, de drögen so flitig as Husfrugens, un summten vör sick hen as junge Mätens, wenn sei en Lid anstimmen willen, wat Harten rühren un gewinnen will; un äwer allens lüchte Gottssünn in den Jehannsmand! – Ick smet mi hen up de Grawenburd, un de hellen Tranen lepen mi in den Bort, un de Schandor stunn dorbi un säd, wi müßten wider un de Postilljon lurte all. – Un wat was't denn ok? – In acht Dagen was dat Klewerfeld 'ne Stoppel, un de Immen drögen annerswoher, un de Eikwald lagg achter uns, un denn satt ick in Däms. – Äwer in söß Johren taum irsten Mal! – Un dorbi stunn de Kriminalrat Dambach un säd: Sitzen müssen sie; un de Herr von Tschoppe: Sitzen müssen sie; un de President von't Kammergericht, de Herr von Kleist, de bläudige: Sitzen müssen sie! un Friedrich Wilhelm, de Gerechte: Sitzen müssen sie.

Den Dag dorup kemen wi nah Berlin, wo ick wedder drei Dag' bliwen müßt, ditmal äwer taum groten Glücken up de Stadtvagtei, wo süs jo woll man Spitzbauben inspunnt warden; äwer dat schadt nich, 't was doch beter as bi den Herrn Kriminaldirekter Dambach. Äwerhaupt heww ick de Bemarkung makt, dat tau jennen Tiden de richtigen Spitzbauben, taumal wenn sei von vörnemen Stand wiren, dat vel beter up preußsche Festungen hadden as wi. – S., wo ick tauirst satt, hadd ick Gelegenheit, dese Kalür kennen tau lihren: ein Herr von B..., de mit de ganze Stüerkass' tau Grüneberg dörch de Lappen gahn was, de sin Fru un sin einzigstes Kind verlaten un sick dorför en Schätzchen mit up de Reis' namen hadd, de, as hei de 40 bet 50 000 Daler in Italien verjuchhei't hadd, in Frankfurt a. M. as falscher Speler infat't würd, de tau föftig Johr, Utstellung an den Pranger, Staupenslag, Verlust von Adel un Ihrenteiken usw. verurtelt was, wahnte ganz gemütlich in de Stadt; en Herr von Sch., de 'ne ganze königliche Kass' in Oeil-de-perdrix un Chateau flüssig makt hadd, wahnte mit Fru un Kinner as anner ihrliche Lüd' ebenfalls in de Stadt; sei kunnen beid de Luft up de Festung nich verdragen, för uns was sei gaud naug. En Herr von O. – de Karnalj hadd gradtau stahlen – kunn gahn, wo hei wull un spelte den Galanten in de Stadt un up de negsten Dörper, un wenn wi Unglückswörm uns' Frühstück von Kommisbrod un Swinsmolt dalwörgten un am En'n noch halw mit en verfrigten Herrn Leutnant deilten, denn satt Herr von O. in den irsten Gasthus' in de Stadt un hadd en warm Frühstück vör sick un späulte mit Ungarwin nah. – Dese Ort ehr kostbar Lewen müßte konserviert warden, an uns Hochverräters un Königsmürders was jo nicks gelegen. Schad, dat wi nich ok vörnem wiren un stahlen hadden.

Dat hürt hir möglicher Wis' nich her, äwer mi krüppt dat, wenn ick doran denk, wenn ick an dat Preußen von dunnmals denk un nu seih, dat all dese Hallunken- un Hansbunkenstreich blot dortau utäuwt würden, dat de Wagen rüggwarts schaben warden süll un dat dortau de Räd' mit uns' Fett smert würden.

Äwer nu was't jo vörbi – taum wenigsten för mi –, ick kamm jo nah min Vaderland, nah Däms; un as drei Dag' üm wiren, satt ick mit en nigen Schandoren up 'ne Extrapost un führte gegen de meckelnbörgsche Grenz hentau. – Adjüs ok Preußen! – Doch ihre ick dit tau Warnow raupen süll, müßt mi noch wat passieren, wat mi in't Hart sniden süll; ick süll noch tau weiten krigen, dat sei mit uns' Dodesurtel nich blot uns alleine, ne, dat sei mit dat Bil, wat sei uns slepen hadden, ok Öllern, Verwandten un Fründschaft drapen hadden.

Ick stah unnerwegs in en Posthus' un beseih mi de Biller an de Wand, as dat mine Mod' is – un 'ne gaude Mod' is't, denn einer kann meistendeils von de Biller up de Lüd' urtelen, de sei uphängt hewwen –, dunn hür ick achter mi still wat vör sick hen weinen, un as ick mi ümdreih, seih ick dor 'ne Fru up en Staul sitten, de hett de beiden Hän'n vör't Gesicht deckt, un de Tranen lopen ehr mang de Finger dörch. – Leiwer Gott! un ick denk an en plötzliches Unglück, wat äwer de Fru kamen is. – »Was ist Ihnen?« frag ick. – »Ach«, röppt sei, »ich habe auch einen Sohn dabei!«, un dormit steiht sei up un leggt mi de Hand up de Schuller un kickt mi so trostlos-trurig mit ehre natten Ogen an, dat mi dat dörch Mark un Bein gung un sei mi vörkamm, as wir sei min eigen Mutter, de all lang' den letzten Slap slep. – »Wer?« frog ick. »Wer ist Ihr Sohn?« – »W., er sitzt in S.« säd sei still un müggte woll denken, ick kennte em nich. – Äwer ick kennte em recht sihr gaud, un 'ne ordentliche Freudigkeit kamm äwer mi, dat ick hir recht wat Gauds seggen un vertellen kunn, denn hei was gesund blewen an Liw un Geist, un't wohrt nich lang', dunn satt sin Vader bi uns un sin Swester, en leiwlich Kind von säbenteihn Johren, un ick müßte vertellen von den Sähn un den Brauder un ümmer wedder vertellen, bet de Schandor kamm un säd, nu wir't de allerhöchste Tid. – Ach, du leiwer Gott! so hadd't in min Vaderhus ok woll utseihn, möglich noch slimmer.

Un as wi bi Warnow äwer de Grenz kemen – adjüs ok Preußen! –, dunn was't düster worden, un as wi nah Grabow kemen un vör den Keller führten, dat wi de Nacht dorbliwen wullen, dunn säd 'ne Stimm up de Ramp vör den Hus': »Gute Nacht, und morgen wollen wir das Nähere besprechen.« – Un dese Stimm hadd ick vör acht Johr taum letzten Mal hürt, as sei mit mine tausam Antwurd gaww in dat mündliche Schaulexamen, wo uns de oll Herr Konrekter frog: »Wieviel mal ist Konstantinopel erobert worden?« – Un ick kennte dese Stimm in'n Düstern wedder, un wer mi dat nich tau glöwen will, de frag den Herrn Hofrat Franz Flürk tau Grabow. – »Gun Abend, Franz!« röp ick ut den Wagen, »täuw noch en beten!« – Un as ick nu mit minen Schandoren tau Rum un gegen't Licht kamm, freu'te de olle Knaw sick ordentlich un verget ganz, dat hei Burmeister was un ick Delinquent. – De acht Johr hadden en schönen Slagbom tüschen uns smeten, un nu is de Tun noch höger worden dörch den Hofratstitel, un paß einer up! – dor kümmt mit de Tid noch en Hakelwark baben up, denn wo lang' ward't wohren, denn möt hei jo doch wat Geheims warden, un dortau ward ick mi sihr freuen, denn heww ick ok en geheimen Duzbrauder. Äwer den Abend wull de Schandor ganz utenanner gahn, as hei hürte, dat de Burmeister sick mit den Vagebunden duzte, un as hei sach, dat hei mit em 'ne Buddel Win drünk; hei kreg 'ne slichte Meinung von de meckelnbörgschen Beamten, äwer mitdrinken ded hei doch. – Franzing, weitst woll noch?

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid