Abschnitt 3

IV. De Festung Gr.


Kapitel 21


Dortau was nich vel tau seggen, denn hei was nah mine Insichten up den richtigen Weg; tüschen de Proviantmeistersdochter un de Königin Viktoria wählte hei de Middelstrat un namm sick en adlich Frölen, un de Middelstrat was dunn allentwegen sihr begäng', denn de beiden berühmtesten Lüd' tau de dunnmalige Tid, Herr Guizot un Lurwig Philipp gungen de sülwige Strat. »Kapteihn«, segg ick, »ick glöw, ditmal hest du de Wust up't richtige En'n ansneden; äwer wo is dat kamen?« – »Je«, seggt hei, »'s ist augenscheinlich Gottes Finger. – Damals, als der Kopernikus und du euch beide weigertet, den Spaziergang hinter dem Wagenhaus zu benutzen, hatte Schr. einmal Besuch von seiner Braut, der Erzbischoff hatte den Schnupfen, ging nicht aus, und Don Juan versuchte auf dem anderen Ende des langen Wagenhauses, ob er nicht einen freundlichen Blick von dem Schenkmädchen erhaschen konnte, kurz, ich befand mich allein auf der Promenade, denn Lewandowsky beschäftigte sich mit Don Juan. Da gehe ich an dem geöffneten Torwege des Major von Martini vorüber, der Torweg steht auf, und ich erblicke eine reizende Dame, die dort Zeug zum Trocknen aufhängt – du meinst vielleicht Bett-, Hand- und Tischtücher, nein, die niedlichsten, freundlichsten Toilettengegenstände, die uns in ihrer Zartheit und mannigfachen Bezüglichkeit so rührend tief erfreuen, als Unterärmel, Busenkragen und Nachtmützen. – Daraus strahlte sie hervor wie eine volle aufgeblühte Rose zwischen weißen Lilien.« – »Ja«, segg ick, üm em 'ne Freud tau maken, »wat vüllig is sei, un dat hett sei vör Aurelia'n vörut.« – »Nicht wahr?« fröggt hei un vergett sine herrliche Aurelia ganz un gor. – »Sie ist eine prachtvolle Erscheinung! Und wie ich nun so in der Fülle ihrer Schönheit versunken dastehe, erhebt sich ein starker Windstoß, und eine der Nachtmützen flattert durch den offenen Torweg auf mich zu, ich ergreife sie, bevor sie zur Erde fällt, und sage: »Glücklich, mein Fräulein, derjenige, der wenigstens mit der Hülle Ihrer Träume hat Bekanntschaft machen können.« – Dat weit de Kukuk! denk ick so bi mi, de Kapteihn hett de Damenunnerhollung doch nich verlihrt, worüm du? un arger mi. – »Na«, segg ick giftig, »un dunn lacht sei, un dunn was't vörbi?« – »Charles«, säd hei irnsthaftig, »die junge, schüchterne Liebe lacht nie. – Wir standen schweigend in dem Torwege, und sie zupfte in holder Verlegenheit an den Bändern ihrer Traumhülle. Plötzlich rief eine barsche Männerstimme aus einem Fenster in den Hof hinein: ›Auguste, meine Schärpe!‹ – Sie erschrak, rief ängstlich: ›Ach Gott! Vater muß zur Parade!‹, riß stärker an den Bändern, sprang in den Torweg und hinterließ mir dies Angedenken.« Un dormit treckte de Kapteihn einen natürlichen Nachtmützenband unner de West herute. – »Kapteihn«, säd ick, »ick segg nicks wider, as du büst up den richtigen Weg! – Mit allerlei lose Bänner fangt 'ne richtige Sak an, un mit en Band, wo'n Knuppen inslagen is, hürt sei dennahsten up. – Ach Gott!« segg ick, un mi würd ok weikmäudig tau Sinn, »heww ick all dörchmakt! Wenn ok nich grad mit en Nachtmützenband! – Ick heww ok mal 'ne schöne blage Sleuf von en schönen blonden Kopp unner de West dragen un hadd nu all Fru un Kinner hewwen künnt, wenn de ßackermentsche Festungsgeschicht dor nich mang kamen wir. – Ach, Kapteihn! Wat heww ick för romantische Geschichten anstellt! – So wat is di meindag' nich in den Sinn kamen.« – Na, dat wull hei nu nich; dorin wull hei sick nu nich vörbijagen laten. – »So?« segg ick, »hest du all mal in en jungen Plummenbom seten, in all de verdammten Tacken, de so'n Kretur hett, blot üm ehr Slapstubenfinster tau seihn?« – »Ne«, säd hei. – »Na«, segg ick, »dat heww ick , un unner mi stunn min Fründ Wählert – na, mag nu ok all lang' Preister mit Fru un Kinner sin – un spelte up 'ne Gitahr un sung: ›Höre, wie der Regen fällt, hör', wie Nachbars Hündchen bellt!‹ – Un sihr schön sung hei, äwer Hun'n wiren dor nich, un de einzigsten, de dor herümmer bleken deden, dat wiren hei un sin Gitahr. Äwer slimm was't, dat de Regen nich föll un de Mahn hell schinte, denn dat würd min Unglück, indem dat sei – wat sei was – mi dor in de Tacken sitten sach un ehr Swester röp; un dunn bekeken sei mi beid' in mine Verlegenheit, un de Swester, de stark äwersichtig was, noch dortau mit 'ne Lorjett. Un Wählert lep weg un let mi dor sitten, as wir ick gegen de Sparlings rinne set't, un as ick tauletzt ut den Bom rute sprung, ret ick mi mine einzigste Hos' hinnenwarts intwei, von't Fleisch gor nich tau reden, denn dat heilt woll wedder; un wil nu min Snider de Ort Hosentüg in ganz Parchen nich updriwen kunn – denn de Hos' hadd 'ne entfahmte Kalür un stammte ut Stemhagen –, müßte ick den ganzen Harwst äwer – un't was en windigen Harwst – mit de Rockslippen möten, dat de Lüd' doch nich segen, wo slicht min Achterdeil mit min Vödderdeil stimmte; äwer de ollen lütten Quintaner hadden't doch seihn un röpen achter mi her: ›Stigelitsch!‹ Äwer dat slimmste En'n kamm all glik den annern Morgen, dunn schickte de oll Geheime Hofrat sinen Bedeinter tau mi: 'ne Empfehlung von den Herrn Geheimen Hofrat un wenn ick dat nich sin let un em de nachtslapen Tid nich günnen ded, denn zeigte hei't bi'n Schauldirekter an. – Heww ick all dörchmakt, Kapteihn!« – Dat hadd denn nu de Kapteihn woll nich in mi söcht, denn hei was ogenschinlich erfreut, as hei dat tau hüren kreg, un hei würd noch tauvertrulicher un verteilte mi nu, hei hadd sin Auguste nahsten nochmals spraken, as de Oll up de Parad' gahn was. Sei hadd 'ne Lin anbinnen wullt, äwer ehre Natur was tau kort dortau west, un hei was hensprungen un hadd ehr hulpen, un sei hadden äwer den hübschen Hof redt, un dunn hadd sei em ok de einzelnen Ställ wis't un säben wunderschöne Käuh, denn wat ehr Vader was, de was Majur von den Platz, un sine Inkünften bestunnen uter dat äwrige noch ut all dat Heu, wat up de Festung wassen ded, un sei müßt de Melkwirtschaft bi ehren leiwen Vatting bedriwen un hadd ok den Melkverkop; äwer't gung man slicht, denn up Stun'ns wiren dor gor tau vel Käuh up de Festung. – Un dorbi was de Kapteihn up 'ne romantische Idee verfallen: wie süllen, meint hei, all uns' Melk von sine Auguste köpen. »Je«, segg ick, »Kapteihn, wi annern dauhn't woll, äwer de Erzbischoff deiht't gewiß nich, denn de hett sick all tau deip mit sine Bäckerfru inlaten.« – »Wahr!« seggt hei un geiht in deipen Gedanken neben mi: »Der Absatz würde zu unbedeutend sein.« – Mit einmal dreiht hei sick nah mi üm un fröggt: »Charles, was hältst du von dem Stabsarzt R. in M.?« – »Dat is en heil prächtigen Kirl!« segg ick. – »Ich meine, was du von seinen medizinischen Fähigkeiten hältst!« –»Oh«, segg ick, »ick holl em för en uterwählten Doktor.« – »Weißt du, was der einmal äußerte? – Wir alle in M. müßten einmal eine gründliche Milchkur durchmachen.« – »Woans is dei?« frog ick. – »Man genießt nichts anders als Milch; in den ersten drei Tagen ist noch etwas trockner Semmel dabei erlaubt, aber später genießt man vier Wochen hindurch nichts als Milch.« – »Gott sall mi bewohren!« segg ick, »dor möt jo en Minsch rein taum Börnkalw warden.« – »Ja, verjüngt wird er«, seggt hei, »ganz verjüngt!« – » Verjüngt? « frag ick. – »Denn slag di dat ut den Sinn; de Sak paßt nich för uns. Wenn wi in vir Wochen dörch dine Kur fiwuntwintig Johr öller würden, denn let ich sei mi gefallen, denn künnen wi fri dormit kamen.« – Hei meinte nu jo woll, ick wull äwer em spektakeln, un namm't äwel un gung von mi furt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid