Abschnitt 2

IV. De Festung Gr.


Kapitel 21


Lewandowsky blew buten, ick gung rinner in de Proviantmeisters-Kasematt. – Na, de dummsten Lüd' bugen de meisten Tüften; ick hadd also dat grote Glück, Aurelia'n allein tau drapen. – As ick rin kamm, sprung sei von ehr Stickgeschirr tau Höcht, un as en oll lütt nüdlich unschüllig Mäten reckt sei mi de Hand entgegen.« –Guten Tag! guten Tag! Das ist sehr freundlich von Ihnen.« – De Anfang was gaud, äwer nu hadd ick de ßackermentschen utflüschten Hanschen von den Erzbischoff an de Fingern, un de kunn ick ehr doch nich gewen, un as ick sei endlich aftagen hadd un hadd sei in Don Juannen sine Pudelmütz rinne leggt, was ehr Hand all weg. – Nu hadd ick mi woll up 'ne Anred' bi de Mutter prekawiert, äwer up en jung' Mäten was ick nich inricht't, un wenn ick ok in vergahnen Johren männig schöne Anred an en jung' Mäten hollen hadd, so was ick up Stun'ns gänzlich ut de Äuwung mit Frugenslüd', denn ick hadd in de sös Johr Festung mi blot an de Korline mit de Leekogen in S. un hir an min oll Fru Bütow'n äuwen kunnt, un mit de kunn ick sei doch nich äwer einen Leisten slagen. – Ick stamerte wat taurecht, un tauletzt kamm ick mit de grötste Dämlichkeit tau Platz, de einer utfünnig maken kunn: »Ist Ihre Frau Mutter wohl zu sprechen?« säd ick. – Leiwer Gott! ick hadd't ganze Spill in Hän'n mit drei Matadur un de Irsten un würd beit! – Beit mit Kodillg'!

»Ich will Mutter rufen«, säd sei un lep rute, un ick stunn nu dor un wunnerte mi, dat ick mit mine langen Uhren nich an den Bähn schrammte.

Nu was »Mutter« denn woll noch in hüsliche Geschäften un in en Morgenrock inwickelt, ick hadd also Tid naug, mi wenigstens de Anred' an »Muttern« noch en pormol dörch den Kopp gahn tau laten, un as sei endlich kamm, dunn fung ick denn ok an: »Wenn ich Ihren Wünschen nachkomme, so...« – »Sie sind sehr gütig!« säd Mutter. »Sehn Sie, dies hier ist die Nische. Und wenn Sie so gütig sein wollten, mir darin ein Transparent zu machen...« – »Ja woll! Ja sehr gerne!« Un dormit müßt ick nu Aurelia'n den Rüggen taukihren, un de set'te sick nu wedder an't Finster un stickte wider. – »Ja, sehr gerne!« säd ick, un ick hadd mi all vörlöpig so'ne Idee von de Sak makt. – »Wie meinen Sie denn wohl?« frog sei. – Oh, säd ick, ick meinte in de Midd en rechten schönen Altor mit Efa bewussen, »um die Dauer der Liebe auszudrücken«, säd ick; up den Altor en brennend Hart, »um die Glut der Liebe auszudrücken«, säd ick; un äwer de Flamm en Por verslungene Hän'n, »um den geschlossenen Bund auszudrücken«, säd ick. – Dat geföll Muttern ok ganz gaud; äwer't würd tau kahl utseihn, meinte sei. – Ja, säd ick, dat süll sei mi man maken laten, üm de Geschicht herümmer müßten noch en por Engel swewen, de Myrten- un Palmtwig in de Hän'n höllen un unnenwarts an de Bein mit 'ne Rosengirland' ankedt wiren. – Mit dat äwrige was sei taufreden; äwer mit de Engel, dat wull ehr nich in den Kopp, un't kamm binah so rute, as wenn sei mi Engel nich recht tautrugen ded. – Ob wi de Engel nich weglaten künnen, frog sei. – Ne, säd ick, von Engel künn ick nich afstahn: de Sak würd süs tau dodig utseihn, wat Lewigs müßt dor mang. – Na, sei gaww sick denn ok dorin, un as ick mi ümdreih, üm Aurelia'n doch wedder antauseihn, dunn sitt dat listige Ding dor, kickt ut dat Finster rute, lacht äwer't ganze Gesicht, böhrt en Finger in de Höchst, nahsten en halwen, leggt en annern dorgegen un makt mit beide Hän'n allerlei Mirkens. – Dunner! Wat's dit? denk ick un gah neger an't Finster. – »Also meinen Sie?« seggt Mutter. – »Ja«, segg ick, »so meine ich«, un kik ut't Finster rut, un dor stunn de Kopernikus an de lütte Lind' un makt justament so'ne Mirkens as Aurelia. – Haha! denk ick, ji kikt jug nu nich mihr blot an, ji makt jug nu all Telegraphen! Un ick gab noch neger an't Finster un kik dörch de Ruten, un dunn makt mi dat Krät von Kopernikus ok 'ne Telegraph tau, de ick recht gaud verstunn, hei sparrte de Fingern utenanner un läd de beiden Hän'n unner sinen krummen Näthaken von Näs' un grinte mi an: »Schrap Räuben, Charles! Dat hett di doch nicks hulpen.« – Ick gung noch mal nah de Nisch' ran un namm Mat un dacht, ick wull noch Gelegenheit finnen tau'n recht gebildtes Gespräk; äwer de Ollsch frog mi blot, wenn ick mit min Arbeit woll farig sin künn. – Oh, in drei Dagen, säd ick, un as de Unnerhollung nu wedder in't Stocken kamm, namm ick min Pudelmütz un min utflüschte Hanschen, säd adjüs, un as ick ut de Dör gung, hadd ick dat Gefäuhl, as wir ick en Schaustermeister, de up Bestellung arbeiten ded un de Muttern en por nige Stäwel anmeten hadd.

Oh, wat was ick falsch up mi! Mine ganze Damenunnerhollung hadd ick verlihrt; all de schönen Redensorten wiren mi up de verschiedenen Festungen afhannen kamen, un hadden sei mi as Schauster traktiert, hadd ick mi jo as Schauster man bedragen. Äwer as ick den Kopernikus buten stahn sach, dunn begehrte in mi en Trotz up: jo nicks marken laten, leiwer leigen! – »Du kümmst jo so bald wedder?« seggt hei spöttschen tau mi. – »Ja«, segg ick, »wenn du't west wirst, du haddst jo woll glik bi'ne Antrittvesit de Lüd' den ganzen Vörmiddag up den Hals' legen? – Ne, Gott sei Dank! Sovel kenn ick dor denn doch noch von.« Dormit gung ick denn forsch an em vörbi un nah den Franzosen, Don Juannen un den Erzbischoff ran. – »Na, wie ist's gegangen?« frog Don Juan, un de Franzos' kamm up mi los un treckte mi den einen Vatermürder bet rute, as wenn dat nu noch Not wir. – »Schön«, säd ick, »sihr schön! – As ick rin kamm, stunn en schönes Frühstück up den Disch, un Aurelia namm mi bi de Hand un nödigt mi up den Sofa dal un schenkte mi en Glas Madera in.« – »Madera?« frog de Erzbischoff un lickmün'nte dorbi, »ordentlichen Madera?« – »Natürlich«, segg ick; »meinst du, dat sei mi dor en Bittern vörsetten warden? – Un dor seten wi denn recht tauvertrulich tausamen un kemen denn ok bald up dat Kapittel ›Liebe‹.« – »Dat settst du tau«, seggt de Franzos', »dortau was de Tid tau kort.« – »Na«, segg ick, »wenn du't beter weitst, süs frag Don Juannen, ob einer, de sick dorup versteiht, lange Tid dortau brukt.« – Ne, säd Don Juan, hei för sin Part hadd männig Mäten binnen fiw Minuten 'ne utführliche Leiwserklärung makt, un denn wir Madera dor noch gor nich mit mang west. – »Na«, vertellte ick denn nu wider, »un so seten wi denn tausam; ick hadd ehr Hand fat't un drückte sei männigmal, un sei drückte sei mi wedder...« – »Das lügst du!« röp 'ne scharpe Stimm achter mi, un as ick mi ümkik, steiht de Kapteihn achter uns un kickt mi mit wütende Ogen an: »Das lügst du, Charles, und du solltest dich schämen, daß du auf Kosten eines braven Mädchens lügst.« – Dat was mi nu gor nich infollen, ick wull blot nich ingestahn, dat mi mine Damenunnerhollung fläuten gahn un dat ick as Schaustermeister ut de Dör gahn was. – »Wo so?« frog ick denn also sihr verdutzt. – »Ich will's dir beweisen!« seggt hei, »komm mit!«, un ick tüffel ok richtig achter em an, denn wenn einer so up frische Daht fat't ward, denn giwwt hei sick in allens.

»Sieh, wie abscheulich du gelogen hast: Aurelia hat dir bloß guten Tag gesagt, hat dann ihre Mutter gerufen und hat kein Wort weiter mit dir gesprochen.« – Dunner, wo verfihrt ick mi! Wovon wüßt hei dat all? – Ja, säd ick, ick wull em allens ingestahn, wo't west wir; äwer hei süll mi ok seggen, wovon hei dat weiten ded. – Hei wünn sick irst, tauletzt säd hei: »Charles, du weißt, ich bin aus einem Nebenbuhler ein Vertrauter, ja ein Beschützer von Kopernikus' Liebe geworden.« – Dat wüßt ick nu gor nich, äwer ick slog den Dummen an den Hals. – »Du weißt«, säd hei wider, »hier auf der Festung treibt sich ein armes taubstummes Mädchen umher, welches in einer Anstalt die Fingersprache erlernt hat. Dies arme Mädchen erhält alle Sonnabend ihr Mittagessen bei Proviantmeisters, und der hat Aurelia ihre kleinen Künste abgelernt – zufällig, nicht in besonderer Absicht. Ich habe mal mit einem Stubenburschen in Halle zusammen gewohnt, der sich zum Lehrer in einem Taubstummeninstitut ausbilden wollte, der hat mir diese Sprache beigebracht und ich wieder dem Kopernikus.« – »Zufällig«, säd ich, »nicht in besonderer Absicht!« – Nu würd de Kapteihn en beten verlegen: »Nein«, säd hei, »dies war volle Absicht, denn, wie gesagt, ich betrachte mich als Schützer dieser Liebe.« – »Haha!« segg ick, »nu weit ick jo mit de Telegraphen Bescheid, de achter minen Rüggen spelen deden. Dat is jo denn also de gewöhnliche Spitzbauben-Kasperi, as ick sei up de Stadtvogtei achter jeden Bleckkasten herute fingieren seihn heww, un dorüm steihst du up Stun'ns woll ümmer wedder bi de lütte Lind', üm den Kopernikus Provatunnerricht tau gewen?« – Nu stickte de Kapteihn sick äwer rod an, un sin Og, dat würd unsäker. – »Darum nicht«, säd hei. – »Dit is nett«, segg ick, »ji verlangt von mi, ick sall ümmer de Wohrheit seggen, un ji hewwt allerlei Heimlichkeiten vör mi!« – »Nein, Charles«, säd de olle ihrliche Burß, »ich weiß, daß du nichts verraten wirst: ich liebe .« – »Gotts ein Dunner!« segg ick, »all wedder!« – »Hast du mich jemals nach der bewußten Zeit an der kleinen Linde nach Aurelien blicken sehn?« – »Ne«, segg ick, »dat kann'ck di betügen, du hest ehr ümmer den Rüggen taukihrt un hest ümmer up de anner Sid nah Majur Martini'n sine Finstern henkeken, un nu brukt Lewandowsky den Pal nich mihr tau richten, denn du un de Kopernikus staht em ümschichtig scheiw un wedder grad.« – »Ja, Charles, sie ist es«, säd hei un strek sick gedankenvoll äwer de Ogen, un as de Hand an sinen dreivirteljöhrigen, prachtvollen Snurrbort kamm, fung hei dormit an tau dreihn, un as de Snurrbort pil in En'n stun'n, säd hei: »Ja, Charles, sie ist es, Auguste von Martini ist es, und sie wird es.« –

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid