Abschnitt 2

IV. De Festung Gr.


Kapitel 18


Den Abend kamm de Kummandanturschriwer en beten an den Kopernikus sin Finster un vertellte uns mit grote Häg': Bartels wir bi uns afset't as en Bucklamm; denn dat, wat för de gemeine Niderträchtigkeit von alle Minschen gelt, dat sei sick äwer't Unglück von einen annern freuen, gelt för de Handlangers in Festungs- un Gefangenanstalten duwwelt.

Na, de General un wi kunnen dormit taufreden sin, denn stats den schulschen, ewigen Mellbrauder kregen wi einen ollen, gaudmäudigen Mann, de nicks hüren un seihn wull, un de General einen, de em nicks mellen ded. – Lewandowsky heit hei un bedrew neben sinen Unteroffziererposten noch de Snideri.

Ick lep nu also nah den Kapteihn heruppe, üm em in sin Trübsal 'ne Freud' tau maken, un vertellte em, Herr Bartels wir afset't. Äwer dor kamm ick schön an. – Bartels, säd hei, hadd sinentwegen noch lang' bliwen kunnt, denn Bartels wir noch lang' nich de Legst'; 't gew vel slichtere Minschen in de Welt; un wenn hei klauk west wir, denn hadd hei mihr up de Stein Obacht gewen, de em Bartels bi de lütte Lind' in den Weg smeten hadd. »Aber«, säd hei wild, »es soll alles ausgerottet werden aus meinem Herzen! selbst die Erinnerung!« Un dormit sprung hei up un kreg en Metz tau faten, lep nah de Dör un sned all de Erinnerungskaren an den Dörenstänner ut. – Äwer as hei dat dahn hadd, kamm 'ne Weikmäudigkeit äwer em, hei sackte up sinen Stauhl tausamen un kek mi äwer dat preußische Landrecht weg in de Ogen, denn hei was up den vernünftigen Infall kamen, de Leiw' mit dat preußische Landrecht tau verdriwen, un säd: »Charles, was sollen jetzt noch Heimlichkeiten? Ja, ich habe sie geliebt, ich habe sie glühend geliebt; aber nicht um meinetwillen , um ihretwillen habe ich sie geliebt, und wehe!« Hir schot hei äwer de Paragraphen in't Landrecht, de von de unrechtmäßige Ersitzung handeln, einen scharpen Blick nah mi räwer: »Wehe dem Kopernikus, wenn er eigensüchtige Zwecke verfolgt! – Wehe ihm! sage ich, wehe!« Un so blew dat bi, bet wi tau Bedd gungen. Äwer wenn de Kopernikus blot halw all de Weihdag' in'n Liw' hatt hett, de an den Abend von baben äwer em kamen is, hei wir möglicher Wis' tau Insichten von sine grote Slichtigkeit oder ok tau starken Kamellentee kamen.

Drei Dag' lang gung de Kapteihn nich ut, drei Dag' lang was hei in't Gewäuhl; twei Dag' lang was hei giftig up den Kopernikus, den drüdden Dag smet hei sick up Schr...men. »Der Hanswurst«, säd hei, wenn em de blot von firn in de Ogen kamm, »glaubt, weil er eine Braut hat, den Dicknäsigen spielen zu können. – Ist das 'ne Kunst? wenn einer gehen kann, wo er will?«

Glik den irsten Dag kamm ok de Erzbischoff un bed em, hei süll mit runne kamen; hei wull nich. De geistliche Herr beswur em bi allens in de Welt, hei süll kamen, dat wir 'ne Notsak, de uns all angahn ded; wi müßten doch Rat hollen doräwer, woans wi uns gegen den nigen Uppasser tau stellen hadden; hei ded't nich, un de Erzbischoff müßt mit uns äwrigen vörleiw nemen. De ganze Nacht hadd sick de würdige Herr up 'ne Red' tau Lewandowsky'n sinen Regierungsantritt vörbereit't un hadd sick de Weg' äwerleggt, de hei uns för de Taukunft vörschriwen wull. As wi all, utbenamen de Kapteihn, üm em rümmer wiren, let hei sine wolläwerleggte Red' los un fung mit en »Gott sei Dank!« an, dat wi ut den Bartelschen Löwenrachen errett't wiren, kamm denn up de irste Veranlassung, up den Kopernikus sin Mus'present, un set'te hentau, dat ok ut de apenbore Durheit von einen Minschen Glück för de annern entstahn künn. – Hir würd nu de Kopernikus falsch, un as de Erzbischoff dit wohr würd, set'te hei in sine Gaudhartigkeit hentau: äwer de Kopernikus hadd dat dörch sin klaukes Benemen un dörch sine dristen Reden vör den General wedder gaud makt. – Dordörch stödd hei mi nu vör den Kopp, denn wat dor Klauks un Drists redt worden was, rekente ick mi an, un as hei wohr würd, dat ick ok doräwer falsch wir, säd hei rasch: »Aber Charles auch!« – Dorup makte hei den Vörslag: Von nu an af süll keiner mihr an de lütte Lind' stahn – hir wull de Kopernikus losfohren –, denn, set'te hei hentau, wenn ok einer unner uns ungerechter Wis' mihr Friheiten hadd as de annern un mit 'ne Brud an den Arm gahn künn, so – dit kamm Schr...men sine Philosophi an't Mager, äwer as hei Inwendungen maken wull, winkte em de Redner mit de Hand tau Rauh – so, säd hei, wir dat vör uns' Tid verlöwt worden, un de General hadd dat verlöwt, un den General sin Seggen un Dauhn müßte för uns dat heiligste Gesetz sin. »Darum«, slot hei sine Red', »beschwöre ich euch, lieben Brüder, schweift nicht über die vorgeschriebenen Schranken hinaus, meidet den Verkehr mit unerlaubten Menschen, dringt nicht auf heimlichen Wegen in die Häuser hiesiger Bewohner« – hir kek hei Don Juannen an –, »kurz, laßt uns dem neu angestellten Herrn Lewandowsky zeigen, daß wir zu gehorchen wissen, und er wird das Befehlen vergessen; vor allem aber warne ich euch: stellt euch nicht mehr an die Linde, ihr würdet nicht bloß den Baum, nein! Ihr würdet auch Lewandowsky in eine schiefe Stellung bringen!« – Äwer nu gung't los! De irste was natürlich dat giftige Ding von Kopernikus: hei würd sick an de Lind' henstellen, wenn't em geföll, un wull hei den mal seihn, de't em wehren wull! Un Schr. frog em spöttischen up philosophisch: ob dor en Sinn in wir, dat hei üm sinentwillen, den Erzbischoff sinentwillen un üm Lewandowsky'n sinentwillen sine Brudschaft upgewen süll? Un ick frog em, ob hei wider kein Smerzen hadd? Hei wir doch de irste west, de sick mit en oll Wiw in en verbaden Hiringshandel inlaten hadd. – Äwer dat was allens nicks gegen Don Juannen, wo de upbegehrte. – Hei hadd sick ebenso gaud as de Erzbischoff de Nacht hendörch all de Weg' utdacht, de hei unner Lewandowsky'n sin Regiment wandeln wull, un de lepen meistendeils all in de Ställ un de Durweg' achter rüm in de Hüser. Hei hadd eben 'ne Red' anhürt, säd hei, »ein schwächliches Produkt, geboren aus der Schwächlichkeit einer geistlichen Natur« – denn hei drückte sick ümmer sihr sauber ut, wil hei en Dichter was –, äwer, säd hei, hei för sin Part wir nich ut Kummandanturbefehlen un Unteroffzierer-Instruktschonen tausam pappt, hei wir ut Fleisch un Bein, un hei wir nich dortau dor, Lewandowsky'n dat Lewen bequem un säut tau maken; ne, hei wull sick sin eigen Lewen säut maken; un dortau, säd hei, wir menschliche Umgang nödig, vör allen mit Frugenslüd'. Un nu let hei sick äwer dese Annehmlichkeit widlüftiger ut un wis'te sei an Bispillen ut sinen eigenen Lewen nah. »Und«, slot hei sine Red', »meine Herrn, wir müssen Lewandowsky'n verblüffen, ›verblüffen‹ ist das rechte Wort, wir müssen gleich in den ersten Tagen alle möglichen Extravaganzen mit der unschuldigsten Miene begehen, damit er glaubt, daß wir ein Recht dazu haben, und im übrigen bin ich der Meinung, ein jeder tue, was er will.« Un dorin gewen wi em all recht, bet up den Erzbischoff, uns' Versammlung slot grad so, as sei all sluten, wi gungen utenanner un deden all, wat wi wullen. – De Kopernikus stunn an de Lind', Schr. gung mit sin Brud, ick spaßte mit lütt Idachechen, un Don Juan würd von Lewandowsky'n bi de Schenkjumfer rute halt, würd äwer nich mellt; blot uns' geistliche Herr tründelte den irsten Dag as 'ne streng gesetzliche Körbs den Spazierweg entlang, den tweiten Dag äwer sach ick all, dat hei mit de dicke Bäckerfru äwer den Tun räwer parlamentieren ded, un den drüdden satt hei bi ehr up de Bänk un let sick von ehr ehre grote Krankheitsgeschicht un ehren Kinnersegen utenanner setten, denn as ick seggt heww, hei interessierte sick sihr för ökonomische Angelegenheiten. – Blot min oll gaud Kapteihn satt in sin Kasematt in Gram un in Led.

Den virten Dag endlich – 't was en Sünndag – sach ick, dat hei sick Vatermürder ümbinnen würd un dat hei sinen nigen blagen Rock utbösten ded. – Haha! denk ick, hüt geiht hei ut! – Ja, dor hadd 'ne Uhl seten, hei gung nich ut, wenigstens den Morgen nich. Äwer as wi uns' Middageten vertehrt hadden, treckte hei sick den Blagen an, rückte de Vatermürder en beten vör den Speigel taurecht un säd: »Charles, ich habe einen schweren Gang vor mir, willst du mich begleiten?« – Ja, säd ick, wohen hei ok ümmer gahn wull, ick wull em ümmer tau Hand stahn; äwer nu wir de Dör unnen noch tauslaten. – »Wir gehen bloß runter zum Kopernikus«, säd hei un gung. – Leiwer Gott, dacht ick, wat dit woll ward! un folgt em.

As wi unnen dal kemen, was dat Krät grad dorbi un makte sick Koffe; de Kapteihn gung strack un stramm up em los, höll em de Hand hen un säd: »Kopernikus, wir sind sechs Jahre lang ehrliche Freunde gewesen, sind wir das noch?« – »Ja«, säd dat Ding un gaww em verlegen de Hand un stickte sick gräun dorbi an. – »Kopernikus«, säd de Kapteihn wider un schüddelte em so recht truhartig de Hand, »hast du etwas dagegen, daß Charles Zeuge unserer Unterredung wird? Ohne daß wir weitläufig darüber gesprochen hätten, weiß er, worum es sich handelt; er soll Richter sein zwischen mir und dir.« – Dor hest du en gauden Posten kregen! dacht ick bi mi, wo dit woll warden deiht? Un ick denk: Täuw'! denk ick, sallst dat Krät en beten weikmäudig maken, de Kapteihn is't all, un tüschen weikmäudig Lüd' geiht allens glatter. Un ick gew em ok min Hand hen un kik em mit alle mägliche Weihleidigkeit in dat gräune Gesicht; dunn ritt sick dat Ding los un springt nah sinen Koffepott hen un röppt: de kakte em äwer! Un hei wull noch frischen Koffe upschüdden, un denn wullen wi hüt nahmiddag recht schön Koffe tausam drinken, un de Kapteihn süll ut 'ne lange irdne Pip Toback dortau roken.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid