Abschnitt 2

IV. De Festung Gr.


Kapitel 15


Wohr was't, wat de Kapteihn säd; äwer wat argerte hei sick denn so sihr doräwer? Ick hadd doräwer ümmer von Harten lacht. – Nu las ick in Paulussen; äwer ick fung mi ok allmählich an tau argern; jede Satz fung so breitspurig an, as wenn de Weisheit sülwen einen bi den Kanthaken kreg, un wenn't dick En'n nahkamen süll, denn snappte dat af, as wenn einer mit 'ne Fleigenklapp nah 'ne Fleig' vörbi sleiht. Un denn de Versen! – »Kapteihn, hör mal. Rätetetätetetätete...« – »Ach was! laß das doch! Dieselbe Stelle hat er mir schon zweimal als ganz was Besonderes vordeklamiert.« – »Dann sieh doch das Bild einmal an, was dazu gehört.« – Dat was Paulus, as em Satan verfolgen deiht. Paulus lep all wat hei kunn, äwer Satan let nich locker un folgt em up Fledermusflüchten, un ut sinen langen Start schot hei ümmer mit höllische Blitzen up Paulussen dal. – De Kapteihn kek mi, sur, as wir hei in Essig leggt, äwer de Schuller, un weit de Kukuk, wat em hüt fehlen ded; hei was so vergritzt, as ick em meindag' noch nich seihn hadd. – »Ein erbärmlicher Kerl«, säd hei. – »Schr.?« frog ick. – »Ne, Paulus«, säd hei, »Schr...men sein Paulus; reißt aus, wenn's was gilt; sieht aber auch gerade so aus wie Schr. selbst. Ich wette drauf, er hat sich in seiner Eitelkeit vor den Spiegel gestellt und hat sich zuletzt selbst für den Paulus angesehn.«

Mit den Kapteihn was hüt abend nich tau reden, hei was so ut den Lim, as ick em meindag' noch nich seihn hadd, hei sach wedder so rod ut, as ick em in dat Berliner Gefängnis seihn hadd. – »Nasse Füße gekriegt«, säd hei un treckt sick de Stäweln ut. – »Haha«, dacht ick, »dorvon is dat ok«, un set'te lud hentau: »Hei hadd ok Vernunft bruken künnt, un wenn hei von sine Stäwel-Ümstän'n Bescheid wüßt, denn hadd hei ok nich nödig hatt, üm de oll Dam ehrentwegen mit beide Beinen dörch 'ne Pütt dörchtauwaden un sick nahsten mit de natten Fäut 'ne Stun'n lang an de lütte Lind' hintaustellen.« – »Charles«, frog hei, un sine Ogen lücht'ten ordentlich, »hast du die junge Dame gesehn?« – »Ja«, säd ick, un't wir en rank un slank Mäten west. – »Hast du ihr Haar gesehen?« – »Ja«, säd ick, 't wir rod west. – »Rot? – Das nennst du rot? – Ich sage blond! – Ich will auch zugeben: hochblond! Und das ist eine Farbe, die zu allen Zeiten von Dichtern und Malern gepriesen ist. Nicht der Sonnenstrahl vergoldet das Haar, das Haar vergoldet den Sonnenstrahl.« – »Wat Dausend! Wat heit dit?« – »Hast du den Teint der Dame gesehn?« – »Ja«, säd ick, »sovel as dat in'n Vörbigahn un dörch en gräunen Sleuer mäglich wir.« – »Weiß wie Alabaster!« röp hei ut. – »Ja«, säd ick, »äwer sei hadd Sommersprutten.« – De Kapteihn kek mi an, tog mit de Schullern un gung up un dal, äwer nah en beten stellte hei sick vör mi hen: »Charles, willst du mich ärgern?« – »Ne«, säd ick, »doran hadd ick nich dacht.« – »Warum führst du denn gerade den Umstand gegen mich an, der sonst allgemein für den Beweis eines zarten Teints gilt?« – »Gegen em«, frog ick, »wo so? – Ick hadd jo nicks nich gegen em seggt; ick hadd ok nicks wider gegen dat Mäten, as dat sei in't Gesicht so bunt utseg as en Kuhnenei.« – »Solche Vergleiche verbitte ich mir«, säd hei un lep wedder hastig up un dal. – Dit würd ümmer schöner, un nahgradens markt ick, wo dat fuchten was; ick säd also, hei süll dat man sin laten, un't wir jo doch ümmer 'n hübsch Mäten. Dat geföll em, un hei würd mit einmal wedder de oll Kapteihn vull Füer un Fett, wenn't sine Inbillung angahn ded: »Charles«, röp hei, »hast du ihre Augen gesehn?« – »Ja«, säd ick, »sei hadd blag'.« – Dat was em nu äwer nich naug: blag' Ogen hadden vele, sei müßt nu doch noch wat vörut hewwen. – »Blau?« röp bei; »ja blau; aber was für ein Blau? Ein Blau, so warm, daß es ordentlich einen grünlichen Schein annimmt. Der klare, blaue Himmel nicht allein; auch das traute Grün der Erde spiegelt sich in diesem Auge!« – Nu müßt ick äwer lachen, gegen minen Willen lachen, un ick säd, dat hadd ick meindag' noch nicht hürt, dat gräune Ogen schön wiren, un't wir woll von den gräunen Sleuer herkamen, dat hei sei för gräun anseihn hadd. – Nu was äwer dat Kalw ganz un gor in't Og slagen; hei hadd ümmer ungeheuern Respekt vör de Frugenslüd' ehr Ogen, grad es de nimodschen Dichters, de reden ok man ümmer blot von de Ogen, un dat äwrige von den menschlichen Liw', dat bammelt man blot so dorbi.

Hüt abend würd dat nicks mihr mit mi un den Kapteihn, wi kemen nich mihr äwerein. Un doch! Ick les' de erhabenen Stellen von Paulussen, de Schr. wollweislich rod anstreken hadd, un de Kapteihn lep in de Kasematt rümmer un deklamiert dortau mit de Hän'n.

Wir ick verstänniger west un hadd ick von lütt up mihr up Mutter Roßsch un Mutter Snursch ehren Rat hürt un hadd mi mihr mit de menschlichen Krankheiten un mit Smeren un Püstern afgewen, denn hadd ick dat mit en Stock fäuhlen müßt, dat minen ollen Kapteihn wat in de Knaken satt un dat hei sick 'ne Krankheit vermauden was; so äwer gung ick ruhig tau Bedd un dacht an nicks Slimmes; äwer den annern Morgen süll ick wat gewohr warden.

Den Morgen wakte ick tidig von einen Spektakel up, un as ick mi in de Höcht richtete, dunn satt min oll leiw' Kapteihn steidel in'n Bedd un röp ümmer ut vullen Hals': »Viktoria! Viktoria!« – »Kapteihn, wat is 'e los?« – »Viktoria, ich bin dein Albert!« – »Gotts dausend nich mal tau!« – Ick also ut dat Bett herute, un dor sach ick denn dat Unglück: hei satt dor brunrod in't Gesicht un slog mit de Arm üm sick un wüßt von sinen Sinnen nicks. – »Viktoria, ich bin dein Albert!« kamm denn mal herute, un denn mal wedder: »Charles, verdammtes Kuhnenei! Schmeiß doch den Hampelmann von Schr. heraus! Da steht er und zeigt mir immer den Schuh seiner Braut. – Rot sind sie nicht – blond – bloß blond!« Un so gung dat nu hen un her.

Na, ick wüßt mi ok nich wider tau raden, ick gaww em en Glas koll Water un lep unnen runner un röp nah de Wach, dat de den Stabsarzt besorgen süll. – De kamm denn ok mit de Wil un let em en gaud Deil Blaud af, bet hei ruhiger würd; äwer de »Viktoria« wull hei nich vergeten, de brummelte hei noch ümmer vör sick hen. – »Was hat er denn mit der Viktoria?« frog de Stabsarzt. – »Je«, säd ick, »dat wüßt ick ok nich; ick künn mi dat äwer woll denken, wo dat tausam hängen ded: hei hadd in de Zeitungen lesen, dat de Königin Viktoria in Engelland den Prinzen Albert frigen wull, un wil dat hei nu ok Albert mit Vörnamen heiten ded, hadd hei sick dat mäglich inbildt, dat hei de richtige Albert wir, un dat dat för em in'n ganzen taudräglicher wir, wenn hei Prinzregent von Engelland würd, as dat hei hir noch länger up de preuß'schen Festungen rümmer set.« – Na, dat gaww nu ok de Stabsarzt Bifall un ordnierte dat an, dat hei in dat Lazarett kamm.

Un so gung denn min oll Kapteihn von mi af, un ick müßt nu blot mit Schr...men un Paulussen spazieren gahn un des Abends allein in min Kasematt sitten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid