Abschnitt 2

I. De Festung G.


Kapitel 5


Also tau des' ollen, gauden Lüd' kamm ick herinne un wull en Glas Bir drinken: »Guten Tag! Frau Postkommissariussen«, säd ick tau ehr up Hochdütsch, denn sei hadd dat sihr äwel namen, wenn ick Plattdütsch mit ehr redt hadd, wil dat sei sülwst blot Hochdütsch reden ded – mäglich, dat sei sick noch ümmer as dramatische Künstlerin betrachten ded – mäglich ok, dat sei ehren Stand nicks vergewen wull. »Was gibt es Neues?« denn dat was de ewige Frag', de ehr in frühern Tiden von jedwereinen vörleggt würd un de sei ok ümmer beantworten kunn, deils von wegen de Post, deils von wegen den Kopladen. Äwer nu stunn de olle Fru so kurlos an ehren Aben un schüddelt mit den Kopp: »Ach, Fritzeken, ich bin 'ne alte Frau geworden, mir erzählt jetzt keiner mehr etwas Neues!«, un dorbi drögte sei sick de Ogen mit ehre Schört. Na, dat jammert mi denn nu, un blot üm ehr tau trösten, log ick fix en por Verlawungen un en por Murddahten un en ganzen lütten, nüdlichen Brand tausamen, dat sei doch ehre Lust doran hewwen kunn.

Na, dat hülp denn ok, sei würd ganz upgemuntert, un wil sei doch nicks Niges wüßt, vertellten wi uns von ollen Tiden, un ut dat Vagelburken kemen af und an korte Würd' herute, as: »Gun Morrn ok!« – »De Geschicht is anners.« – »Ick heww man noch kein Tid.« – »Dreivirtel un en halben, sieben achtel – kost't drei Schilling – nah Jürgensdörp is nicks hir. – Gun Morrn, Herr Bold, gun Morrn, Herr Braun!« Jehnahdem de Stemhäger Börger an dat Kikfinster von sin Burken vörbigung.

Un nu kemen s' denn all herinne: Otto Bold un Otto Braun un Kitte Risch un Swager Irnst, un Kitte Risch hadd en Swin köfft, un as't von den Wagen afladen würd, was't dod west, un Otto Bold set't em dat utenanner: dat Swin wir rüggwarts führt, un dat künn kein Swin verdragen, en richtig Swin müßt vorwärts führt warden. Un Otto Braun gaww Otto Boldten recht, denn en Swin wir inwennig grad as en Minsch getacht, un weck Minschen künnen't Rüggwartsführen ok nich verdragen, un denn hadd so'n Swin eigentlich noch mihr Nerven as de Minsch. Un Otting Bold weddete mit Otting Braunen üm twei Seidel, dat sin Gasten, den hei hüt seigt hadd, bi't Döschen ein Kurn mihr dauhn würd as Braunen sin; denn hei hadd sinen Acker grundklor makt, un as hei fragt würd, wo hei dit anfungen hadd, kamm't rut, dat hei up en Schepels-Utsat Acker twei Pird mit hölterne Eggen twei un en halwen Dag hadd rümmer trampeln laten, un dat nennte hei grundklor. Un sei drunken vörlöpig de beiden Seidel, un as sei tau de Fru Postkummissoriussen säden, ein von ehr würd sei up den Harwst betahlen, dunn wull sei nicks dorvon weiten un säd, up so'n willen Gaus'handel let sei sick nich in, un gung hellschen falsch ut de Dör rut. – Nu was dat Wedden in den Gang', un as de Post vör de Dör führen ded, dunn weddte min Swager Irnst mit Kitte Rischen, hüt makte de Fru Postkummissoriussen ehr Allerheiligstes up, un Kitte Risch höll Gegenpart.

Dat Allerheiligste von de Fru Postkummissoriussen was en lütt Stüwken, wat achter dit lütt Stüwken was, un dor kamm keiner rinne von de däglichen Gäst, un Bir würd äwerall dor nich in schenkt; blot wenn Extrapost-Gäst ankemen oder Fürsten un Grafen, denn würd de Dör upmakt, un an de Dör stunn denn de Fru Postkummissoriussen un bedrew mit Winken un Knicksen de dramatische Kunst. – Tweimal in minen Lewen heww ick blot üm de Eck rinne kiken dürwt; äwer't was schön dor: an de Wän'n hungen de vir Johrstiden, all ungeheuer ähnlich, dat Frühjohr un de Sommer mit Blaumen un Ohren up de italienischen Strohhäud', un Harwst un Winter hadden Häud' von swarten Sanft up, un de ein hadd Windruwen un Appel un Beren up den Kopp, un de anner witte Feddern, un sei segen sick all utverschamten glik, as Swestern, de sei jo ok sünd, denn sei sünd jo all Kinner von ein un dat sülwige Johr.

Dat wiren all luter Kleinigkeiten un tauwilen ok Dummheiten, äwer de Kleinigkeiten kregen för mi ehr Bedüden dordörch, dat ick de Minschen kennte, de sick in ehr rümmer dreihten, as de Herr Postkummissorius in sin Burken, un äwer de Dummheiten lachte ick recht von Harten, denn ick was fri un gesund; un för en frien Minschen un en gesunnen Minschen brukt de Spaß nich fin in 'ne Neihnadel infädelt tau sin, 'ne richtige Packnadel deiht de sülwigen Deinsten.

Mit einem Mal würd dat düster in de Stuw', as wenn an den Hewen en Swark uptrecken ded, denn vör dat einzige Finster in de Stuw' hadd sick Otto Bold henstellt, un de hadd en Puckel as en Sagblock, ut den einer dreifäutsche Bred sniden kunn. Taum Utkiken was't also nich, un wi müßten de Postgäst nemen, as sei de Döst gaww.

Tauirst schregelten denn also en por nüdliche Handlungskommis herinne, de sick in Kumpani en Seidel gewen leten, dorup kamm en lüttes, leiwes Kind von Mäten, wat knapp dat Hart hadd, en Glas Zuckerwater tau bestellen – de Konduktöhr würd't betahlen.

Nah ehr kamm en rüstigen, forschen Mann in preußsche Uneform in de Dör, gung up dat lütt Mäten tau: »Haben Sie schon?« – »Ich erhalte es gleich!« säd sei. De Mann redte noch en por fründliche Würd' tau ehr un dreihte sick nu nah uns üm. Hei smet en flüchtigen Blick up uns, makte en verlurnen Diner un stellte sick vör Kalkreuthen un kek em in de himmelblagen Ogen.

Fru Postkummissoriussen halte en Slätel ut de Tasch, slot dat Allerheiligste up, makte en Knicks un 'ne sihr innemende Handbewegung: »Vielleicht gefällig?« – Swager Irnst hadd de Wedd gewunnen, Kitte müßt betahlen. – »Danke!« säd de Herr ganz kort, kek in dat Allerheiligste rin, as wenn't för em dat Allerglikgültigste wir, un makte sick wedder mit Kalkreuthen tau dauhn.

Otto Bold hadd blot 'ne halwe Wenning von't Finster tau dat Vagelburken tau maken, hei frog also dorinne: »Wer?« – »Zwei Personen nach Malchin, eine bis Güstrow; eine bleibt hier«, was de Antwurd ut dat Burken, un nu kamm noch en Nahsatz, de flustert warden sull, den wi äwer all schön dütlich hürten: »General von Sch...mann.«

De Mann in de preußsche Uneform hadd wohrschinlich ebenso helle Uhren as wi, hei dreihte sick üm, lachte un frog uns denn: »Meine Herren, wie weit ist es von hier nach Ivenack?«

»Wenn Sie den Fahrweg fahren, haben Sie eine starke halbe Meile«, säd ick, »der Fußweg ist aber nur eine viertel Meile und ist reizend, er führt durch Wiesen und Wald und zuletzt durch den schönen Ivenacker Tiergarten.«

Hei besunn sick en Ogenblick, gung ut de Dör, sprok mit en Kutscher, de Tressen an den Haud hadd, kamm wedder rin un säd: »Ich habe mich zu der Fußpartie entschlossen, wie aber muß ich dann gehn?«

»Sehn Sie mal«, säd Kitte Risch, »denn gehn Sie hier erstens den Wall entlang bis in die Malchinsche Straße und denn gehn Sie rechtsch um de Suseminsche Ecke in de Gatz, un denn gehn Sie rechtsch um den Burmeistergoren, da finden Sie ein Steg...«

»Ih woh? Wo braucht der Herr so weit zu gehn?« säd Otto Bold. »Sie gehen bloß von meinem Haus' dwas über die Straße, un denn gehen Sie durch Christopher Schulten seinen Hof un Goren – wollt ich sagen ›Garten‹ –, un denn sind Sie in die Koppel.«

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid