Abschnitt 2

I. De Festung G.


Kapitel 3


»Wo was denn dat?« frog ick.

»Dor möten Sei Altmannen nah fragen, de is jo dor mit bi west. Ick bün en ollen Mann un heww Fru un Kinner, un äwer mine Vörgesetzten red ick äwerall nich; taudem is de Oberst en gauden Mann gegen mi, un wotau sall ick achter sinen Rüggen von Ding' reden, de em all gris' Hor naug makt hewwen un de em von 's Morgens bet 's Abends in den Kopp liggen? Denn sörredem is hei sihr verännert; dat kann einer marken, ahn dat hei tau de groten Propheten hürt.«

Oll Vatter Kähler gung, un oll Vatter Kähler was en braven Mann, dat hürt ick un sach ick, denn hei was up sine Ort ganz trurig worden.

Ick dächte äwer den Ollen sine Vertellung nah. – Also doch en Meckelnbörger, en Landsmann! Hei un Schill-Sommer, beid' Kammeraden! – De ein verdorben un storben, de anner in Ihren un Würden un gesund un kräftig. – Schnabel föll mi in: wi wiren jo ok Kammeraden, beid' taum Dod verurtelt, hei satt unnen un ick baben, blot dörch en swacken Windelbähn von einanner scheidt. Wi hadden beid grugliche Verbreken begahn; hei hadd en por Minschen ümbröcht, un ick hadd up eine dütsche Uneversetät an den hellen lichten Dag de dütschen Farwen dragen! – Wi hadden dat sülwige Urtel , un nu satt hei in Ängsten un Dodesnöten, un mi krümmt keiner en Hor. – Worüm dat? – Wo kamm dat?

»Lieber Freund«, säd späderhen de Herr Justizrat Schröder tau mi, as ick em de Sak vertellte un dese Frag' vörläd, »nichts einfacher als dies: der König hat Sie begnadigt, ihn nicht.«

Nich begnadigt , säd ick. »Kraft oberstrichterliche Gewalt hett hei de Straf in 'ne Festungsstraf verännert; un wo bliwwt denn dat Richteramt, wenn't mit de Gewalt tausamstellt ward?«

»Nun, Sie glauben doch nicht«, säd hei, »daß der König von Preußen wegen solcher Bagatelle hundert junge Leute hinrichten lassen werde?« – »Worüm nich?« frog ick. »Wenn nu so'n achte Hinrich von England oder en rußschen Peiter oder blot man so'n Niklas un so'n verrückten Korl von Brunswik up den preußschen Thron seten hadd – worüm nich?«

»Gegen so einen Mißbrauch der Todesstrafe schützt uns die Humanität der Regierung und der Zeit. Todesstrafe muß sein; die menschliche Gesellschaft muß die Gewalt haben, sich der Bestien aus ihrer Mitte zu entledigen.

»Dank för't Kumpelment!« segg ick. »Äwer, Herr Justizrat, Humanität is up Stun'ns nicks wider as en falschen Gröschen; blot de Gaudmäudigen un de Dummen nemen em; äwer de em utgewen un dormit tau Mark trecken, de häuden sick. – Un wat de Dodsstraf un ehre Nützlichkeit anbedrapen deiht, so wünscht ick, Sei wiren mal mit dese Weig' weigt; mäglich, dat Sei denn de Ogen upgüngen.«

»Sie haben sich nicht zu beschweren, denn das Gesetz sagt ausdrücklich: Konat des Hochverrats wird bestraft wie der Hochverrat selbst. Nach Ihrer eigenen Aussage ist der konstatierte Zweck Ihrer Verbindung gewesen: ‚Herbeiführung eines auf Volksfreiheit und Volkseinheit gegründeten deutschen Staatslebens‘; dies hat man richterlicherseits für einen Konat des Hochverrats angesehen; ob mit Recht oder Unrecht, lasse ich dahingestellt (Notabene dit was nah 1848); aber das Gesetz ist salviert.«

»Na, Herr Justizrat, denn will ick Sei wat seggen, denn hett dat Gesetz un de Humanität sick gegensidig taum Nahren; entweder dat Gesetz möt de Humanität afschaffen, oder de Humanität dat Gesetz. – So , as sick dat herutstellt hett, was't en Puppenspill, en grausames Puppenspill! – Nich so sihr grausam gegen uns as gegen uns' ollen Öllern, un vel Minschenglück is dormit tau Grun'n richt't. Ick bün en Gegner von de Dodsstraf, un wer will mi't verdenken? Wer in't Water follen un binah dorin verdrunken is, mag't Water nich recht liden; un nich ick allein, ne, en jeder kann in't Water fallen. – Ick heww mal en tweisnidiges Metz seihn, womit en Wahnsinnige en Minschen umbröcht hadd, mi grugte vör dat Metz, un ebenso grugt mi ok vör en tweisnidig Gesetz, wat einer dreihn un wennen kann as en natten Hanschen, taumal, wenn dit Gesetz in de Hand von einen Wahnsinnigen gewen ward. Un de sogenannte Referent in uns' Sak, de Herr von Tschoppe, de ut de Akten den gruglichen Hochverrats-Konat rute dresselt hadd, was wahnsinnig un sturw ok as en Wahnsinnige. Den hadden sei tau rechter Tid inspunnen sullt, denn wiren Dusende von Familien vor unnütz Elend un Angst bewahrt blewen. – Un wat hadden wi denn dahn ? Nicks, gor nicks. Blot in uns' Versammlungen un unner vir Ogen hadden wi von Ding' redt, de jetzt up apne Strat fri utschrigt warden, von Dütschlands Friheit un Einigkeit, äwer taum Handeln wiren wi tau swack, taum Schriwen tau dumm, dorüm folgten wi de olle dütsche Mod', wi redten blot döräwer. Dat was jo äwer ok naug för so en geschickten Unnersäukungsrichter, as uns' Unkel Dambach was, de grad in sine beste Karriere was un nu doch nich slüppen laten kunn. So würd denn nu also ut en frien, frölichen Sünnenprust en Dunnerslag makt, un dat Dodsurtel würd spraken ahn alle Entscheidungsgrün'n, denn, obschonst sei uns versproken, sei nahtauliwern, sünd sei in de Hor drögt, un wi hewwen s' meindag' nich tau seihn kregen. Stats dessen wiren de Dicknäsigen, de dunn an't Räuder seten, hellschen parat, allerlei gefährliche Geschichten von Demagogen un Königsmürders in Ümlop tau bringen, un doch – Gott vergewt ehr! –, sei wußten am besten, dat allens utgestunkene Läg' wir! Verteidiger kunnen wi uns nich wählen, de würden uns set't; min, de mi fast versprok, dat ick in min Vaderland, Meckelnborg, müßt utliwert warden, hett mi up keinen Breiw, den ick an em schrewen heww, antwurt't. – Nemen S' nich äwel, Herr Justizrat, ick bün en beten von't Hunnert in't Dusend geraden; äwer wenn ick an de Nützlichkeit von de Dodsstraf un denn wedder an de Humanität denk, de mi von Gerichts wegen tauflaten is, denn bömt sick in mi so allerlei up un stött min Gedanken as Kohl un Räuben dörchenanner.«

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid