Abschnitt 1

I. De Festung G.


Kapitel 2


Worüm de Oberst B. as en Kind-Jes utsach, un worüm ick minen Drahtlüchter ut dat Finster smet. Dat de Herr Unteroffzierer Altmann leider nich as en jung Mäten up de Welt kamen was, un dat Schnabel iserne Hanschen anhadd, un dat sick de Kummandanten-Dochter nah mi, un ick mi nah ehr ümkek.

Mitdewil was dat Däuweder worden, dat Is un de Snei wiren von en Frühjohrsregen wegwuschen, un de Frühjohrsluft un de Frühjohrssünn hadden den Regen wedder updrögt, un't sach würklich ut, as wenn't Wassen un Bläuhen all losgahn süll, un in mi wuß un bläuhte en Verlangen nah Frühjohrslust un Frühjohrssünn, dat ick't knapp achter mine Gardinen uthollen kunn. Ick hadd an de Kummandantur üm de Erlaubnis schrewen, en beten in de frie Luft spazieren tau känen, hadd äwer noch kein Antwurd. Wat schrew ick ok an de Kummandantur, wo de Mann mit den groten Namen de irste Vigelin spelte? Worüm wendte ick mi nich an minen Obersten B.? Dorüm, wil mi keiner en Rat gaww un de Weg' wis'te. En Minsch, de fri is, hett dusend Weg', wenn hei wat för sick besorgen will; geiht't up den einen nich, geiht't up den annern. Unserein hadd blot man einen Weg, un de gung dörch de Fängnisdör un schrammte an Slott un an Rigel.

Äwer't süll beter kamen, as mine Kleinmäudigkeit mi dat vörmalte. Uns' Herrgott hadd för gaud inseihn, in de letzten Dagen von den Februwori mi minen Heil-Christ tau bescheren, de tau Wihnachten utblewen was – denn dat möt keiner glöwen, dat hei man blot Wihnachter-Abend beschert, hei beschert dat ganze Johr dörch, un en Heil-Christ kann alle Dag' kamen, un dat Kind-Jes, wat em bringt, süht ball so un ball so ut. Min Kind-Jes sach desen Abend as en preußschen Oberst ut un kamm recht stramm in de Dör rinne.

»Sie haben sich um die Erlaubnis, spazieren gehen zu dürfen, an die Kommandantur gewandt«, säd hei, »es ist Ihnen dies gestattet worden. Sie können sich auf dem Festungswalle unter Aufsicht eines Unteroffiziers, den ich bestimmen werde, Bewegung machen.« – Dat fung schön an, un en Strahl von de Frühjohrssünn was all in min Hart follen. »Und hier«, säd hei un langte in de Tasch, »ist auch ein Brief von Ihrem Vater, er schreibt sehr freundlich an Sie und sendet Ihnen Geld, welches ich Ihnen nach Bedürfnis zukommen lassen werde.« – Ick grep nah minen Breiw; dat let sick hüt würklich wonah an.

De Oberst gung an de Dör un röp: »Ordonnanz!« Sin Ordonnanz kamm, hei namm ehr en Paket af, läd dat up den Disch: »Bücher für Sie.« Hei namm den Soldaten noch en Paket af: »Und hier ein paar anständige Leuchter. Werfen Sie den Drahtleuchter zum Fenster hinaus! – Gute Nacht! – Kähler, der Herr hat jetzt täglich einen halben Taler zu verzehren!«

Dat was en Abend! Ein Breiw von minen Ollen, Geld in Hüll un in Füll; morgen spazieren gahn in Frühjohrsluft, all de lütten Mätens ganz in de Neg' seihn; nu dat ein Paket up! Goethe – Faust – Egmont – Wilhelm Meister; nu dat anner Paket up! twei lütte, wunderhübsche, sülwerne Spellüchter. – Rut mit den Drahtlüchter! Äwer nu, wo mit dat Sößlingslicht hen? Up den einen Spellüchter? Ih, dat wir doch so, as wenn en Husknecht up en Vullblaudhingst tau riden kümmt; dat geiht nich! »Vatter Kähler«, segg ick, un ick was en ganz En'n gröter upschaten, un Vatter Kähler was mine jitzigen Verhältnissen gegenäwer en ganz En'n bet tausamen krapen, »Vatter Kähler, hallen S' mi mal twei Lichter, dat Stück taum Sülwergröschen.« – Vatter Kähler will all gahn. – »Holt«, segg ick, »Vatter Kähler! – Un denn – denn – süll woll up de Neg' en Biwstück mit Bradtüften tau hewwen sin? – Ne, laten S' man! – Ick heww nu twei un en halw Johr nicks wider as Rindfleisch tau seihn kregen, blot Wihnachten, Ostern un Pingsten braden Bukspeck, as en Happen för de Festdag'. – Ne, Vatter Kähler, wat meinen Sei? Süll woll Swinbraden...?« – Taum Glücken föll mi äwer noch tau rechter Tid in, dat ick jo för min schönes Geld vel wat Schöneres verlangen künn; ick let mi also de schönsten Gerichte dörch den Kopp gahn, denn worüm süll ick mi verkopslagen? Na, tauletzt kamm ick denn also up Hasenbraden. De süll't sin, dorin was ick nu fast. »Also, Vatter Kähler, Hasenbrad!«

Vatter Kähler gung bet an de Dör. – »Oh, noch ein Wurd! – 't langt woll nich, süs wull ick woll...« – »Wat wull'n Sei woll?« frog Vatter Kähler. – »Je, ick meinte, so mit 'ne halw Buddel Win? Äwer man wollfeilen!« set'te ick fix hentau, as ick sach, dat hei sick in den Kopp kratzen würd. – Endlich säd hei: »Langen deiht't nich, äwer Sei müßten denn morgen...« – »Ja«, föll ick em in de Red', »dat geiht, ick müßt denn morgen wedder Kummisbrod knacken. Na, man tau!«

Un nah 'ne halw Stun'n satt ick denn nu bi minen Hasenbraden un min halw Buddel Win, un vör mi stunnen twei schöne dicke Talglichter up de sülwernen Lüchter, un Vatter Kähler hadd ordentlich updeckt un hadd ok 'ne Salwjett mitbröcht. – Dat was en Heil-Christ-Abend, un as oll Vatter Kähler gahn was, las ick minen Vader sinen gauden Breiw noch mal, un dunn las ick in Wilhelm Meistern sine Lihrjohren, un as ick an de Städ' kamm:

Wer nie sein Brot mit Tränen aß,
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Bette weinend saß...

dunn was mi tau Sinn, as wenn ick äwer mi sülwst rührt würd un ick äwer mi sülwst weinen müßt. Un dat was ok ganz natürlich, denn ick was schön satt, un dat heww ick ümmer funnen in de Welt, dat dejenigen, de recht schön satt sünd, am lichtsten bi frömd Unglück rührt warden. Äwer dorbi bliwwt dat denn ok, un wenn dat up würkliche Hülp ankümmt, denn sünd sei nich tau Hus, denn springt ihre de Hungrige den Hungrigen bi.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid