Abschnitt 2

III. Berlin un de Husvagtei
(Nich taum irsten, ne! taum annern Mal)


Kapitel 12


Dat was denn nu doch apenbore Niderträchtigkeit, wenn wi däglich von uns' erbärmlich Traktement einen Sülwergröschen afstödden, denn müßten wi dörtig Dag' up de blanken Delen liggen von des Abends Klock fiwen bet des Morgens Klock achten in Düstern, ihre wi den Daler tausam hadden, den dat Bedd för't Monat kosten ded, müßten Hunger un Kummer liden, un weswegen? Hadden wi up't frisch denn wedder wat verbraken, dat sei so mit uns in't Gericht gahn kunnen? – Ick verlangte denn also den Herrn Kriminaldirekter persönlich tau spreken. – De Antwurd was, de Herr Kriminaldirekter let sick üm dese Tid nich spreken, un dormit würd de Dör wedder tauslaten, un wi legen de Nacht wedder up den Fautboden un früren.

Den annern Morgen datsülwige: wedder warmen Koffe un en Sülwergröschenbrod. – Ick wull nu den Herrn Kriminaldirekter spreken, as Husvagt was dat sine amtliche Schülligkeit, Klagen von de Gefangenen antaunemen, un wi hadden tau klagen. De Antwurd was: de Herr Kriminaldirekter wull uns äwerall gor nich spreken. Ick set'te mi also dal un schrew an em, ick verlangte einen Protokollführer, wil dat ick mi äwer em bi't Kammergericht besweren wull. Ick kreg kein Antwurd. Den Abend wedder den fründlichen Gaude-Nacht-Wunsch von den Inspekter un dat harte Lager up de Delen.

De drüdde Morgen kamm un brächte datsülwige, äwer hei brächte einen Dag, an den ward ick tidlewens denken, denn uter dat anner Ungemack, wat uns all so mör makt hadd, brächte hei 'ne nige Angst un en niges Elend. Min oll Kapteihn würd krank. 'ne grote Unrauh, 'ne jagige Hast kamm äwer em, hei grep hirhen un dorhen. 'ne Bibel lagg in uns' Gefängnis, hei namm sei, hei les', hei smet sei weg, hei les' wedder, hei smet sei wedder weg un lep in't Gefängnis rümmer, rod, blaudrod in't Gesicht, un smet sick denn wedder up de harten kollen Delen dal. – Ick weit't, hir hett hei den Grund tau en por swere Lungenkrankheiten leggt, de em nahsten in ein Johr up de nige Festung beföllen.

'ne Bibel in en Gefängnis is 'ne schöne, minschenfründliche Sak, un de Mann, de tauirst dorför sorgt hett, hürt tau jenne uterwählten Minschen, de nich allein dat swacke Minschenhart, ne, ok unsern Herrgott sine allbarmherzige Afsichten richtig verstahn hewwen. Männig steinern Hart mag weik worden sin vör Gottswurd; männig Verbreker mag dordörch tau de richtige Insicht un tau Gott kamen sin; äwer wi wiren keine Verbreker, wi wiren Sünner alltaumal, eben so'ne Lumpenhun'n as de, de up ehre twei Beinen fri herümmerlepen, äwer in unsen Fall hadden wi nicks verbraken, un dorin stunnen wi rein vör Gott, un nich uns' Herrgott drop uns hir mit Jammer un Elend, ne! de Niderträchtigkeit von Minschen, de ehr grausam Gelüst an uns utlaten wullen, de nicks mit unsen Herrgott, desto mihr äwer mit den Düwel tau dauhn hadden.

»Lat dat Bauk liggen, Kapteihn, uns' Herrgott drop di nich, sin slichtes Afbild hir up de Ird hett di blot en por Stein in den Weg smeten! Lat dat Bauk liggen, Kapteihn, mak di nich taum Mitschuldigen von de Gotteslästerer, de mautwillig Elend äwer de Lüd' bringen un denn Gottswurd taum Trost dorför henleggen!«

Ick kloppte an de Dör un würd up den Gang herute laten, dor drop ick en ollen Kammergerichtsbaden, de mi ut frühere Tiden bekannt was, Heubold heit de Kirl, hei sall nahsten wegen Unnersleif up de Festung kamen sin, wat ick äwer nich verbürgen kann. Wenn hei dorhen kamen is, denn het't de Hallunk allein all för den Hohn verdeint, den hei mi mit sin grinsiges Gesicht entgegensmet, as ick em frog: »Heubold, wissen Sie nicht, wie lange wir hier noch bleiben müssen?« – Dor stunn hei vör mi mit dat olle, weike, witte, upgedunsene Gesicht, mit dat olle slappe Lachen üm dat breide Mul, mit de olle vossige Perük, un langsam kamm de Antwurd herute: »Sie bleiben immer hier. Glauben Sie, daß der König alle diese großen Gebäude hier leer stehen lassen will? Nein, Sie bleiben hier, und Ihre Kameraden kommen alle nach.«

De Schuft wüßt dat beter: hei wüßt recht gaud, dat wi wider reis'ten, hei wüßt recht gaud, wo elendiglich wi hir hollen würden, hei wüßt recht gaud, wo vull Sorgen uns tau Maud' was; äwer 't kettelte den Hallunken doch, uns ok noch en Fauttritt mit up den Weg tau gewen; einer kunn em de entfahmtigte Lust von't Gesicht herunner lesen, mit de hei sprok: »Nein, Sie bleiben hier.«

Ick kann't un will't nich striden, dat ick mi von de gründliche Gemeinheit von desen Kirl in't Buckshürn jagen let – so'n Gefangen is gor tau zag, un drei Dag' Water un Brod, dat Liggen up den Fautboden un de bittere Küll maken grad ok nich vel Kurasch' – ick glöwte, hei redte de Wohrheit, un ick verfirte mi dägern doräwer, vel mihr as dunnmals, as sei mi min Dodsurtel spraken hadden. Dat was en Ogenblick Sak, un dit was 'ne lange, lange allmähliche Dodquäleri. 't giwwt man wenig Minschen in de Welt, de en Begriff dorvon hewwen, wat dat heit, wenn einer up Staatskosten langsam tau Dod' quält ward. Mäglich was't, de Anfang was jo all makt, un worüm süllen sei de Sak nich wider bedriwen. – Ach! mi was slicht tau Sinn; äwer dat vulle Unglück süll irst losgahn: min olle leiwe Kapteihn hadd de ganze Geschicht mit anhürt, un wat för mi 'ne jammervulle Qual was, kunn för em tau en dödlich Gift warden.

As wi wedder inslaten wiren, felen wi uns einanner in de Arm, un lang' mägen wi woll so stahn un Schutz un Trost an einanner söcht hewwen – wo lang', weit ick nich mihr – äwer dat weit ick noch as hüt, dat min oll brav Kapteihn strack un stramm in dat Lock herümmer gung un sine Krankheit äwerwunnen hadd un dat in mi en allmächtigen Trotz upbegehrte: De Düwel müßt mit den Düwel verdrewen warden.

Ick kloppte an de Dör; ick wull en Protokollführer hewwen! Ick wull mi bi't Kammergericht besweren! – Richtig! nah en por Stun'n kamm en Kirl herinne, so'n oll binnen un buten smeriges Worm von Referendorius, von de Ort, de ehr Richterexamen nich farig krigen känen un ehr Lewen lang as Schauhputzer bi de höhern Gerichte vernutzt warden.

»Sie wollen sich beim Kammergericht beschweren?« – »Ja!« – »Am besten wäre es denn wohl, wenn Sie selbst Ihre Beschwerde aufsetzten.« – Ne, säd ick, dat wull ick nich, hei wir dortau set't, un hei müßt dat, hei müßt mi dat ok betügen, dat wi all drei Nacht up de blanken Delen legen un den Dag äwer von Water un Brod lewt hadden. Mit Hängen un Wörgen kamm hei dortau; äwer de Redensorten, de ick äwer den Herrn Kriminaldirekter makte – fin wiren sei just nich –, de wull hei nich in sin Protokoll upnemen.

Natürlich müßten wi dese Nacht noch wedder up den Fautboden slapen; wi legen tausam, min oll brav Kapteihn lagg in minen, ick in sinen Arm; dat Unglück smedt de Minschen hellschen dicht tausam.

Den annern, den virten Morgen ümmer datsülwige! Min oll Kapteihn blew still up sin hart Lager liggen, ick gung up un dal un stellt mi endlich vör den Bleckkasten hen, wo de grage Wintermorgen twei Hän'n breit von baben herinne sach. – Leiwer Gott! un hir noch fiwuntwintig Johr!

Min oll Kapteihn was upstahn, hei grep wedder nah dat Bibelbauk. »Lat dat Bauk liggen, Kapteihn! Uns' Herrgott helpt blot den, de sick sülwen helpt. – Wi will'n uns wehren, Kapteihn!«

Ach, du leiwer Gott! Wi stunnen tausamen in en halwdüster Lock, inslaten, nicks up un nicks in den Liw', un wullen uns gegen de Welt wehren!

Mäglich, dat mi einer von de sogenannten Framen deswegen verachten deiht, dat ick dat Bibelbauk taurügg smeten heww, ick kann ehr äwer de Versicherung gewen, dat en helles, frisches Gottvertruen ahn Bibelbauk un Beden äwer mi kamen was, un taum Pris un Ruhm von unsen Herrgott will ick't hir seggen: »Dat hett mi nich bedragen!«

De Dör würd upslaten, un in de Dör stunn de Schandor Res', de mi vör fiw Johren so oft taum Verhür bi den Herrn Kriminalrat bröcht hadd. Hei was en ollen, langen, drögen Mann, sin Gesicht was von Pockennoren terreten un von Sommersprutten bemalt, en kümmerlich gris' Hor hung em von baben dal, un ut jeden Näs'lock hung em »Friedrich Wilhelm der Dritte« as en grises Talglicht herute – hübsch was hei nich, äwer dennoch! – wenn mi einmal uns' Herrgott in mine Dodsstun'n en Erlösungsengel schicken will, denn sall hei mi den ollen Schandoren Res' schicken.

Dor stunn hei in de Dör in sine königlich preußsche Engelsuneform un röp herinne in uns' Jammerlock: »Meine Herren, machen Sie sich bereit; in einer halben Stunde reisen wir.«

Ach, Kapteihn! Charles douze! Wat was't för 'ne Freud! – Weg! – Weg! – Wohen? – Wi wüßten't nich; äwer man weg! Weg von den Kirl, de uns up Lewenstiden unglücklich makt hadd! Weg von den Kirl, de sine Freud doran hatt hadd, uns ahn Ursak bet up't Blaud tau quälen!

Äwer, ward männigein seggen, dat hewwen doch anner un vel beter Lüd' noch düller uthollen müßt. – Denkt doch an de Landwehren von achtteihnhunnertdrütteihn! – Ja, 't is wohr, äwer de Lüd' hewwen nich blot leden, sei hewwen ok wat dahn. Un dat is de Sak! – Wi jungen Lüd', in de jede Atentog von Dauhn un Wirken redte, wi süllen blot von Liden un von Dulden reden; wi süllen uns von so'n Graf H. un en Kriminaldirekter Dambach nah Gefallen tau Water riden laten?

Ja, Schandor Res' un uns' Herrgott erlösten uns dunnmals ut unsere Qual, un ick will den Herrn Kriminaldirekter Dambach dat nich anreken, eben so as ick äwer sine annern Quälerien, de hei in den Unnersäukungsarrest gegen mi utäuwt hett, ok en dicken Strich maken will; äwer in eine Hinsicht sall hei mi Red' stahn – hei is all dod, up dese Ird kann hei't nich mihr – äwer up Jensid sall hei sick verantwurten, worüm hei minen ollen Vader, de grad in desen Dagen in sine hartliche Leiw' för sinen einzigsten Sähn nah Berlin kamen was, üm wat för sin Frikamen tau dauhn – worüm hei minen ollen Vader de twintig Schritt tau min Gefängnis nich wis't hett, dat de Sähn doch an Vaders Bost sick mal utweinen künn. – Dorför sallst du mi Red' stahn!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid