Abschnitt 1

III. Berlin un de Husvagtei
(Nich taum irsten, ne! taum annern Mal)


Kapitel 12


Von't Wedderseihn un den Herrn Kriminaldirekter Dambach. 'ne Geschicht, de glik achter't Uphängen kümmt. Worüm mi de Kammergerichtsbad' Heubold as de Düwel un de Schandor Res' as en Gottsengel vörkamm.

Wedderseihn! Wedderseihn! Wer kennt nich dit leiwe, truge Wurd? Wer kennt nich dese handgripliche Gewißheit, von de uns de Hoffnung Johre lang vertellt hett, up de sei uns vertröst't hett? Wer hett nich sine Brud mal wedder seihn, wer nich sine ollen Öllern, wer hett nich sinen Fründ ut jungen Johren (Korl Kräuger, Fritz Peiters) an't Hart drückt? – Un wenn sick't einer ok nich so marken lett, wil dat hei mit de Tid ok oltfränksch worden is – warm ward't em doch üm't Hart, denn de, de em de ollen trugen Gesichter vör de Ogen rückt – uns' Herrgott –, de steiht denn ganz dicht bi em up de Neg' un hett sei noch an sinen Faden: »Süh dor! Freu di!« – Wer hett nich de Städen wedder seihn, wo mal en grotes Glück, en grot Hartled em bedrapen? – Ach, de Städen! – Worüm stigen ut dese Städen, ut Busch un Wald, ut Gras un Blaumen, ut Lauwen un Gräwer so vele stille, schöne Wesen up un lachen uns an un weinen in unsere grisen Hor ehre Tranen, un wi känen sei nich faten un hollen, dat sei uns Antwurd gewen von't Wedderseihn! – Ja, schön is dat Wedderseihn, ok bi de Städen ; äwer wenn einer up en Flag kümmt, wo sin Hart mal mit Fäuten peddt is, wo nicks, rein gor nicks von Gotts-Segen un Minschenfründlichkeit up em follen is, denn krempt sick sin Hart üm, un denn is dat Wedderseihn Gift, un de Wesen, de dor upstigen, sünd bleike, grise Späukels, de in ehre Hän'n Rad un Galgen dragen un en unverständlich Bauk »Preußisches Landrecht; Titel: Konat des Hochverrats«.

Oh, ick heww di velmals wedderseihn, du olles grises Hus up den Schinkenplatz tau Berlin. Dat letzte Mal was't verleden Sommer, as ut ganz Dütschland de frischen Grisjacken un Windbüxen tau't Turnerfest in Berlin tausamen kemen, as de swart-rod-gollnen Fahnen ut alle Finstern weihten un sülwst de wirklichen Herrn Geheime Räte »Gut Heil« ut dat Finster röpen. – »Kumm mit, Fritz!« röp mi en ollen Fründ an den irsten Dag tau, »wi führen hüt all nah Spandau. De Stadt Spandau spendiert hüt, de Magistrat hett virhunnert Daler tau uns' Bewillkamung utset't.« – »Ick dank velmal!« säd ick, »de Weg von Swartrodgold nah Spandau is mi gaud naug bekannt«, un gung nah Hus un namm mine gaude Fru unner den Arm un säd: »Dat känen wi neger hewwen.« Un ick bröcht sei nah den Schinkenplatz vör dat olle trurige Hus un säd: »Süh, dor hewwen sei mal üm min Lewensglück spelt, un sei hewwen gewunnen.« – Un schreg äwer weihte 'ne swartrodgollene Fahn ut en Finster rut, un ick namm mine leiwe Fru faster in den Arm un säd: »Ick heww't betahlt; mihr as betahlen kann de Minsch nich; ward ok nich von em verlangt.« – Un as sei so fründlich un still tau mi tau Höchten kek, säd ick: »Min leiw Döchting, einer sall Gott för allens danken. Wenn ick hir nich seten hadd, wer weit, wat ick di denn kregen hadd.«

Den annern Dag set'te ick mi up de Iserbahn un führte tau Hus, let Turnerfest Turnerfest sin. dat Wedderseihn hadd mi't Hart ümkrempt.

Äwer mine Geschicht!

De Kapteihn un ick seten also in en Wagen un führten mit twei Schandoren, de Slott un Käden in ehre Patrontaschen as notwennige »Bedürfnisse« för uns mit sick führten, nah – Berlin. Hir kemen wi in de negste Nacht, Klock halw twölwen, bi dat lütte, unschinliche grise Hus up den Schinkenplatz, de Husvagtei, wedder an, von wo wi unsen nigen Lewenslop hadden antreden müßt un wo de Herr Kriminalrat Dambach, uns' würdige Unkel, inwahnen ded, äwer mit en högern Titel, denn hei was sörre de Tid Kriminaldirekter un Husvagt worden, wil em dat so schön gelungen was, ut uns dummen Jungs de swönnsten politischen Verbrekers herute tau unnersäuken, de allseindag' den preußschen Staat un den leiwen Bundesdag bet dicht an den Afgrund bröcht hewwen.

As wi vör de Dör führt wiren un klingelt hadden, kamm de Herr Inspekter mit datsülwige dröge Knakengerüst un densülwigen fettigen Schappelz tau Rum, mit den hei uns vör fiw Johren alle Morgen un Abend de Ihr andahn hadd, sick nah uns ümtauseihn. Hei was sihr in Verlegenheit, wat hei mit uns upstellen süll, wil wi – as hei säd – em nich ordnungsmäßig anmellt wiren un hei kein Lock för uns in de Reih hadd. Wi müßten also ut de bitterliche Küll in de Wachtstuw' herinne un dor in Qualm un Dunst un 'ne Hitt von 22-24 Grad (unnerdem deiht dat kein preußsche Wachtstuw') bet gegen Klock twei sitten. Üm dese Tid kamm de Herr Inspekter taurügg un mellte uns, nun wäre alles fertig, un wi süllen man mitkamen.

As wi äwer den ollen bekannten Hof gungen, wo ick so männigen Tritt liggen hadd, de en vulles Johr hendörch mine ganze Welt utmaken ded, schot mi so allerlei dörch den Sinn, ick müßt stahn bliwen. – Dunnmals un jitzt! – Dunnmals, herute reten ut dat schöne, junge, frische Studentenlewen, üm achter Bleckkasten, Slott un Rigel jeden Sünnenstrahl von Leiw' tau vermissen, üm as 'ne Dreiörgel, de dagdäglich mit twölw Gröschen in Pust un in Gang hollen würd, de Melodie uptauspelen, de de Herr Kriminalrat Dambach vör't hochpreißliche Kammergericht singen wull, dormit dat hei sin beter Furtkamen finnen wull. Hei hadd't dörchset't, hei was up de Kosten von uns, von äwer dusend junge Lüd', de irste Kriminalbeamte in Preußen worden, hei hadd't farig kregen, ut uns, de wi in de unschülligste Uprichtigkeit nich blot säden, wat wi dahn, ne, ok wat wi dacht un wat wi fäuhlt hadden, sick Leddertramen tau sniden, dat hei doran tau sine jitzige höchste Stellung heruppe klattern künn. – Dunnmals! – Wir de Leiw' ok nich begäng', blew de Hoffnung doch bi uns. Hadd hei doch sülwst tau mi seggt – den Herrn Kriminaldirekter mein ick –: »Lassen Sie sich immerhin auf die Festung abführen, Sie müssen entschieden in Ihr Vaterland ausgeliefert werden.« – Un nu? Fiw Johr binah hadd ick seten un keinen Schritt vörwarts!

Den Herrn Kriminaldirekter hadd ick von früher her kennen lihrt, un ick dacht so bi mi: 't is en legen Kirl: ick süll em äwer doch noch beter kennen lihren; hei was nich leg , hei was niderträchtig! De por Dag', de wi ditmal in Berlin blewen, hewwen mi dat utwis't. Na, ick will't vertellen.

De Inspekter bröcht uns in en Gefängnis rin. Merkwürdig! in datsülwige, wo ick früher mal seten hadd. Dor was desülwige Bleckkasten vör't Finster, desülwigen Ritzen in de Wand, up de ick so oft minen Blick richt't hadd, desülwigen Delen, wo ick so oft in unrauhige Qual herümmer gahn was, dor was de Städ' noch, wo ick mi mal heimlich en Keinspohn ut de Delen sneden hadd. Ut desen Keinspohn hadd ick mi 'ne Schriwfedder makt, versteiht sick von sülwst, heimlich! Tau Wihnachten hadd ick en por Walnät kregen, ick hadd de Nätschellen brennt un mi dorut 'ne Ort Tusch makt, mit de hadd ick schrewen, natürlich heimlich! Nicks Böses hadd ick schrewen, nicks, wat gegen de Husordnung was, blot Gedichte – slichte Gedichte, worin de Wut utbrok, worin de ganze Bitterlichkeit von mine Lag' ludhals' schreg, worin ick dat beten Welt in Grus un Mus tausam slagen un mi dennahsten as »Herrgott der zweite« up desen Schutt etablieren wull. Taum Glück för de Welt is dit allens verluren gahn, un taum Glück för mi klingen dese Gedichte in minen Harten nich mihr wedder, sülwst de Fedder, de Keinspohn, mit de ick dit allens schrewen heww, un de ick Johre lang as Andenken uphegt heww, is von Mariken Gramkows in Treptow mal as en gewöhnlichen Spohn taum Anbäuten in en Aben vernutzt worden. – Wenn mi äwer einer mal besäuken süll, denn kann ick em doch wat Schriftlichs ut dese Tid wisen: »Die Tochter Jephthas« von Byron, de ick ut den Gedächtnis dal schrewen heww. – Byron was tau dunnmalen min Mann.

In dit Gefängnis kemen wi in dese bitterkolle Nacht herin. Allens noch as süs, äwer kolt, kolt, bitterkolt! Allens was noch so as süs; äwer up dat Beddgestell hadd en Strohsack legen, de fehlte ditmal. – »Na, Kapteihn, denn helpt dat nich!« – Wi läden uns up de Delen, en Stück Dings unner den Kopp, mit den Mantel taugedeckt, un stats tau slapen, früren wi de Nacht hendörch, denn dat Lock was lang' nich dörchwarmt. Den annern Morgen slot de Inspekter de Dör up un frog recht fründlich, woans wi slapen hadden, wi deden, as wenn wi sine spöttische Reden nich markten, un verlangten för den Fall, dat wi noch 'ne Nacht hir bliwen süllen, en Bedd, taum wenigsten doch en Strohsack. Doräwer, meint bei, künn hei nich bestimmen, hei wull't äwer den Herrn Kriminaldirekter Dambach seggen; im äwrigen hadden wi däglich fiw Sülwergröschen tau verzehren. – Ick antwurt't em, wi wiren doch up de Reis', un unner so'ne Umstän'n wir dat doch Satz, dat wi twintig Sülwergröschen kregen. – Dat hadd de Herr Kriminaldirekter so bestimmt, säd hei un gung dormit ut de Dör.

As hei weg was, kamm denn de Slüter un frog, wat wi geneiten wullen. Wi wiren dörchfroren bet up de Knaken un lepen in unsen Kasten rümmer as de willen Dir, blot üm warm tau warden; wat was denn nu natürlicher, as dat uns nah 'ne warme Taß Koffe verlangen ded? Also twei Potschonen Koffe! – Wi kregen den Koffe, äwer de Potschon kost'te vir Sülwergröschen, uns blew noch ein Sülwergröschen för den ganzen äwrigen Dag. Wat süllen wi dorför köpen? Natürlich Brod. Also en Brod taum Sülwergröschen för jeden, un wi wiren mit uns' fiw Sülwergröschen dörch.

As wi gegen Abend ok mit uns' drög' Brod dörch wiren un in'n Düstern herümme huckten, kamm de Herr Inspekter wedder, üm uns gaude Nacht tau wünschen. – Dat was denn nu nicks wider as de nichtswürdigste Spott, ick let mi dat äwer nich marken, wo ingrimmig dat in mi towte, un frog em, ob wi denn ok dese Nacht noch ahn Bedd oder Strohsack slapen süllen; wenn uns von wegen de Husvagteiverwaltung kein Lager gewen warden künn, so hadd ick noch 26 Taler un de Kapteihn noch 21 Taler Provatgeld, wat de beiden Schandoren ut M. mitbröcht un hir afliwert hadden, un dorvon künnen jo de Kosten för en Bedd betahlt warden. – De Inspekter makte mi en höflichen Diner un säd, dat wir allens recht gaud, äwer de Herr Kriminaldirekter hadd bestimmt, wi süllen uns irst von uns' fiw Sülwergröschen so vel tausamensporen, dat wi uns en Bedd meiden künnen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ut mine Festungstid