Vorwort - Die Oldermannen

In den Städten, welche auf freiere Verfassung begründet waren, wozu im Allgemeinen wohl die englischen Städte zu rechnen sind, finden sich keine der Hanse *) oder Gilde vorgesetzte Grafen, sondern Oldermannen derselben, wie bei den Hamburgern und Lübeckern in dem auch von Bremen angenommenen ältesten Schiffrechte, wobei jedoch es zu bemerken ist, dass der Name ihrer Hansen nur im Auslande, nie aber in städtischen Beziehungen nachgewiesen ist. Die Vereine der nach gewissen Gegenden handelnden Kaufleute bildeten hier ursprünglich keinen Bestandteil der städtischen Verfassung, wie etwa die Gilden der Wechsler und Handwerker, und sie waren nur in so fern geschlossen, als der Bürger einer Stadt, welcher nach London, Utrecht oder andern Orten, wo seine Mitbürger eine Hanse errichtet hatten, dort gewisse Bedingungen zur Aufnahme zu erfüllen hatte. Die Verfügungen dieser Hansen bedurften jedoch bald einer Bestätigung des heimischen Gesamtvereins, um die Beschlüsse der Morgensprache gegen die Widerspenstigen auszuführen, so wie um eine zweite Instanz in dem städtischen Obergerichte oder Rat für jene begründen zu können. Die Hauptbestimmungen dieser Hansen waren, wie wir aus den vorhandenen Nachrichten deutlich schließen können, die Erhaltung des National- oder neueren Stadtrechtes so wie der autonomischen Verfügungen, ferner die Haltung der Morgensprache unter dem von den Hansebrüdern erwähnten Oldermanne und die Obacht für die gemeinschaftlichen Handels-Interessen der Hansebrüder. An diese knüpfte sich auch die Sorge für geistliche Anforderungen, die Stiftung von Messen, Erhaltung eines Priesters, eine Grabstätte für die im Auslande Verstorbenen, sowie ferner die Ausführung geselliger Zwecke während des Aufenthaltes im fremden Lande. Diese Privathansen haben sich noch lange nach der Bildung der großen Hanse erhalten, wie namentlich von Hamburg sich nachweisen lässt, welches vor 1270 Hansen zu Utrecht und Ostkerken bei Sluys besaß, und wo wir die Statuten der hamburgischen Kaufleute zu Stavern v. J. 1380, derer zu Amsterdam v. J. 1384, so wie beider bereits v. J. 1365 kennen, so wie derjenigen zu Sluys, welche wir früher in Ostkerken fanden und welche hernach den allgemeinen Nahmen der Flandernfahrer erhielten, v. J. 1402, wo noch im 16ten Jahrhunderte eine hamburgische Kapelle vorhanden war.

*) Es ist nicht zu übersehen, dass der Ausdruck Hansen in alten Zeiten für die Mitglieder einer Hansa oder Hense, Hansebrüder oder Kaufleute von der Hause nie vorkommt. Wenn daher das deutsch-lateinische Zwitterwort Hanseaten verworfen wird, so lässt sich der Ausdruck Hansen für die zur Hanse Berechtigten, die Hansischen, durch sein Alter gleichfalls nicht füglich rechtfertigen.


Wenn gleich die Hansebrüder keinem ihrer Mitbürger den Handel nach einem Orte verwehren konnten, da die Handelsprivilegien gewöhnlich vom Rat und der ganzen bürgerlichen Gemeinde erworben wurden, so musste ihnen dennoch die Aufnahme in ihre freie Genossenschaft im Einzelnen überlassen bleiben, um so mehr da bei längerem Aufenthalte an den einzelnen Orten sich häufig die Hansen ein Vermögen in Grundstücken erworben und andere Einrichtungen und Stiftungen errichtet hatten, zu deren Genüsse anderer Teilnahme ohne Einschränkung zuzulassen sie nicht verpflichtet werden konnten. Auch Fremde wurden zu diesen Hansen teilweise gelassen, wie Kaiser Friedrich II. 1226 von derjenigen der Kölner, Thieler und deren Genossen in England die Zulassung der Lübecker verlangte; und wie die Aufnahme des Hamburger Schiffrechtes bei den Bremern unter fortbestehender Appellation von der Hanse in Flandern nach Hamburg zu beweisen scheint.

Je mehr die Hansen im Auslande einen abschließenden Charakter behaupteten, desto mehr mussten auch die Teilnehmer derselben sich in der Heimat aneinander schließen, welche nicht minder durch die Gefahren der See zu gemeinschaftlichen Fahrten vereinigt wurden; doch waren hier in der Regel die Verbindungen viel loser, und zum Teil jünger, durch geistliche Brüderschaften, Armenkassen, gesellige Vereine, gemeinschaftliches Botenwesen veranlasst; selten durch Vereinigungen zu städtischen Pflichten, wie die gemeinschaftliche Teilnahme an der Verteidigung der Stadt zu Wasser und zu Lande, oder auch durch gemeinschaftliche Bevorrechtigung. Alle bisher aufgefundenen Nachrichten über dergleichen durch den Handel nach irgend einem besonderen fremden Lande vereinte Brüderschaften in den deutschen Städten sind nicht älter als die letzte Hälfte des 14ten Jahrhunderts, und also um vieles jünger als die Nachrichten vom Handel dieser Städte nach den ausländischen Comptoiren. Es scheint daher auch irrig, die ältesten Nachrichten über das Entstehen der kaufmännischen Vereine in den einheimischen Archiven dieser Gesellschaften suchen zu wollen, wenn dieselben gleich für die mittlere und spätere Zeit reichhaltigere Nachrichten über die Hanse darbieten können.

Diese Hansen der Einwohner einzelner deutscher Städte im Auslande waren eine Abweichung von dem alten Rechte der Deutschen. Die ausgeschlossenen Städte versuchten, wie wir es von Lübeck bei der Kölner Hanse in London so eben erwähnt haben, ihre Aufnahme durch kaiserliche Gebote oder andere Mittel zu erzwingen, und da diese nicht gelangen, verschafften sie sich bei den fremden Landesherren das Recht eigene Hansen zu errichten. Dieses Mittel führte bald zu den gewünschten Vereinigungen, wie wir in England aus der Urkunde v. J. 1282 deutlich erkennen. In Flandern und Holland müssen andere in der Natur des dortigen Handels liegende Gründe gewirkt haben, um die Existenz einzelner Partikulier-Hansen zu halten, wenn gleich die Unterordnung derselben unter den allgemeinen Verein der deutschen Kaufleute zu Stande kam. In Wisby, so wie Nowgorod ist nach allen vorhandenen Nachrichten die Gemeinschaft der deutschen Kaufleute nie durch Hansen einzelner Städte gestört worden; in Norwegen und Schweden oder Dänemark eben so wenig; nur in Schonen hat der Besitz einzelner Vitten für den Heringsfang einzelne Städte allmählich zur Ernennung besonderer Vögte und Errichtung abgesonderter Gesellschaften geführt. Dass in jenen Ländern die Deutschen in den ältesten Zeiten keine Zölle und Gildenabgaben zu entrichten hatten, ist aus der für die Russen, Goten, Normannen und andere westliche Völker zuweilen ausgesprochenen gegenseitigen Vergünstigung wahrscheinlich, und erklärt zugleich, wie bei einer solchen Gleichstellung aller Deutschen keine Separat-Hansen bei jenen Völkern entstanden.

Wenn das Zusammentreffen deutscher Kaufleute im Auslande zu Vereinigungen unter denselben führte, so mussten sie auch bald zu der Wahrnehmung gelangen, dass einzelne unter ihnen, deren Stadt für manchen Handelsverkehr nicht geeignet lag, sich an die Einwohner der vorteilhafter gelegenen Städte näher anzuschließen hatten. Wir müssen uns vergegenwärtigen, wie in dem damaligen Handelsverkehre, der Kaufmann aus dem Binnenlande mit seiner Ware über Land und Sand zog, um selbst mit einem in einer fernen Hafenstadt gemieteten Schiffe auf den entlegenen Markt zu schiffen. Auffallende Denkmäler dieser Kindheit des Verkehres sind die Privilegien gegen das Strandrecht, welche Landstädte, wie Soest, sich erwarben, so wie das Erscheinen von Bürgern aus Münster, Dortmund und andren binnenländischen deutschen Städten in Gothland und Nowgorod; bei deren Anblicke wir jetzt verwundert glauben möchten, dass einst sogar der Dichter, welcher sizilische Schiffe in Prag landen ließ, auch nicht so sehr geirrt haben möchte. Es war daher ein großer Fortschritt des Handels, als die binnenländischen sich näher an die der See und den größeren Strömen anwohnenden Kaufleute schlossen; worauf hernach die desfallsigen Verträge einzelner deutscher Städte unter einander erfolgten, welche nicht nur die Aufnahme und Begünstigung der Bürger der einen Stadt in der andern bezweckten, sondern auch deren Vertretung und Gleichstellung mit den eigenen Bürgern im Auslande. Waren gleich in den ältesten Zeiten die Deutschen als Nation stets vereint aufgetreten, woher für die deutschen Kaufleute besonders in England und Flandern der Name der Mercatores Imperii Romani sich erhielt, so mussten mit dem Emporkommen der Städte Trennungen und Bevorzugungen einzelner dieser Genossenschaften statt finden, wie oben erwähnt ist. Diese Städte gelangten daher bald dazu, in ihrem Namen für ihre Bürger oder einzelne derselben, diejenigen Rechte geltend zu machen, welche der ganzen Nation zukamen. Das weite Band der großen sich nunmehr vereinzelnden Gemeinschaft unter dem germanischen Kriegsbefehl war zerrissen, und die ersten Emporkömmlinge in der neuen Handelswelt, welche die Nationen verband, waren es, welche auch die National-Einheit wieder herstellen sollten. Daher denn die vielen Verträge, welche im 13ten Jahrhundert geschlossen wurden von einzelnen Städten für ihre Bürger und ihre Gäste (hospites, socii, omnes quos sibi adiunxerint, qui in eorum iure sunt), deren wir besonders von Hamburg, als der den Elbhandel vorzugsweise beherrschenden Stadt viele besitzen *), weshalb auch noch in denselben alle Elbfahrer (omnes ex Albea velificantes) besonders einbegriffen werden; während für die Teilnahme an dem Ostseehandel die Landstädte weniger beschränkt waren, und durch die große Freiheit des Handelsverkehres in den nordischen Reichen die Vertretung einzelner Städte seltener in Anspruch zu nehmen sein konnte. Besonders merkwürdig ist in dieser Beziehung der Vertrag der Hamburger mit den Dithmarschen, v. J. 1265, in welchem den Gästen binnen einer gewissen Zeit anheimgestellt wird, die von jenen festgesetzten Bedingungen anzunehmen oder zu verwerfen. In einem ähnlichen Verhältnisse zu dem Handel auf dem Rheinstrome stand bis zu der Versandung der Mündung desselben die Stadt Köln.

Eine Folge dieser Verhältnisse war die Erteilung der Rechte der Hamburger, Lübecker, Kölner, in fremden Ländern an andere Städte, da denselben die Rechte, welche sie sich als Gäste jener ohnehin zu verschaffen wussten, zu versagen, unnütz gewesen sein würde. Mit der Entstehung und Ausbildung des Kommissionshandels musste freilich für die binnenländischen Städte der Wert des Bundes, besonders der ursprüngliche Zweck desselben verschwinden, welche Umgestaltung des Handels jedoch nur sehr langsam vor sich ging. Jene Verbrüderung der alten sächsischen und westfälischen Binnenstädte mit den Ostseestädten wurde nach der Schlacht von Demmin im J. 1164, wo die wendische Herrschaft durch Herzog Heinrich den Löwen in jenen Gegenden vernichtet war, und eine neue christliche Kultur an dem baltischen Ufer schnell emporblühen konnte, möglich und für das Fortbestehen des alten Handelsverhältnisses notwendig; wobei durch deren Entstehung auch die südelbischen und niederländischen Städte zu der Rolle der Vorfechter des Reiches gegen Slaven, Dänen und andere nordische Völker mit berufen wurden.

*) In dem durch K. Friedrich II. im J. 1189 der Stadt Hamburg erteilten Privilegium werden rücksichtlich des Stader Zolles unterschieden: das Bürgergut und die bona hospitum, welche die Hamburger seewärts einfuhren.

Auf die Verhältnisse der Gäste in einzelnen vorragenden Städten des Bundes und die damit verknüpfte Erwerbung von Privilegien im Auslande durch letztere für die von ihnen vertretenen Städte, ist vielleicht auch die merkwürdige Einteilung der Hansestädte in drei Abteilungen: das Lübsche und Wendische Drittteil, das der Westfalen und Preußen, und das gotländische begründet. Es ist erweislich, dass diese Einteilung in den flandrischen Niederlagen schon früh bestanden hat, wo sie zuerst und lange Zeit hindurch allein klar ausgesprochen sich findet. Bei dieser Ansicht lässt sich voraussetzen, dass Hamburg, welches in den Niederlanden schon so sehr früh mit Lübeck vereint erscheint, zu dem Lübschen Drittel stets gehört habe; doch kann dieses Verhältnis urkundlich im J. 1356 nachgewiesen werden. Das Alter dieser Einteilungen ist sehr dunkel. Eine von Sartorius wie es scheint dafür angeführte und in das 13. Jahrhundert gesetzte Urkunde gehört einer späteren Zeit an.

Sehr auffallend erscheint darin die Verbindung der westfälischen mit den preußischen Kaufleuten, welche nicht wie die anderen Abteilungen durch die Nachbarschaft ihrer Städte zu erklären ist. Dennoch haben sie gemeinschaftlich in Flandern einige Privilegien erworben, von denen jedoch das älteste mir bekannt gewordene erst vom J. 1340 ist. Doch scheint aus denselben hervorzugehen, dass auch diese Verbindung nicht auf einer willkürlichen auf den hansischen Niederlagen gemachten Einteilung, sondern auf altern Handels - und Schutzverhältnissen beruhte und vielleicht durch die Verbindung kölnischer Erzbischöfe mit dem deutschen Orden veranlasst war. Die Erwähnung der Kaufleute Westfalens in einer Urkunde der deutschen Hanse in England v. J. 1303 auf eine solche dort bereits befestigte Einteilung zu beziehen, möchte bei ermangelnder fernerer Bestätigung noch voreilig scheinen. Eher möchte die Vereinigung der sächsischen Städte, welche wir unter den übrigen Kaufleuten des römischen Reiches in J. 1309 in Flandern besonders ausgezeichnet erblicken, uns zu erkennen geben, wie die später als ordnungsmäßig bekannten Vereine und Verbrüderungen der deutschen Kaufleute verschiedener Städte und Landesherren schon damals auftraten. Nicht unwahrscheinlich ist es jedoch, dass die ganze Einteilung von dem Vereine der deutschen Kaufleute auf Gothland ausgegangen ist, in welchem, bei seiner Ausdehnung, eine Gliederung nach Ländern schwerlich lange ausbleiben konnte. Es ist desfalls nicht zu übersehen, wenn in den Verhandlungen über die Appellation von dem von Gothland ausgegangenen Hofe zu Nowgorod, die Städte Sachsens und Slaviens, so wie Westfalens und Preußens neben einander gestellt werden, welche schwerlich für zufällig zu erklären sein möchte und demnach nach der Erwerbung der Privilegien der nach Gothland handelnden Kaufleute des römischen Reichs bereits von diesen nach ihren flandrischen Niederlassungen gebracht sein mag. Aus diesen Vereinen deutscher Kaufleute in der Fremde, wie in der Heimat entwickelte sich der hansische Städtebund, welcher ein so wirksames Beförderungsmittel und eine so mächtige Stütze für die Ordnung, das Besitztum und die Freiheit, zunächst dem nördlichen Europa geworden ist. Er entstand, der Ausdehnung sowohl des Zweckes als der Teilnehmer nach, so allmählich, dass ein Anfangspunkt der Hanse gewiss nicht anzugeben ist. Die Verbindungen der Städte in der letzten Hälfte des 14ten Jahrhunderts stellen die Hanse freilich in ihrem ganzen Umfange und ihrer vollen Ausbildung dar, doch beruhen sie größtenteils, abgesehen von den Vereinigungen der Kaufleute auf Gothland, zu London, Nowgorod und in Flandern, welche ohne Genehmigung ihrer Stadtbehörde nicht bestanden, auf älteren Vereinigungen, deren Kunde durch wenige, sehr vereinzelt stehende Nachrichten auf uns gelangt ist. Außer den von Sartorius bereits benutzten Urkunden ist hier noch auf das merkwürdige Schreiben des Erzbischofes von Bremen an die Dithmarschen v. J. 1306 aufmerksam zu machen, welches die Beschwerden des Rates zu Hamburg und der Städte zwischen der Weser und Polen an der Ostsee enthält und von ihrer gemeinschaftlichen Gesandtschaft nach Rom und ihrer einflussreichen Vereinigung spricht. Es dürfte daher nicht auffallen, wenn wir einige Jahrzehnte früher genauere Nachrichten über allgemeine Städtebünde im nördlichen Deutschland in Beziehung auf die Sicherung ihres auswärtigen Handels entdeckten. Wie planmäßig und eifrig einzelne Städte diese Bündnisse mit anderen Städten anknüpften, erkennen wir unter andern an dem Beispiele Braunschweigs, welches 1247 Bündnisse mit Lübeck und Hamburg schloss, in dem folgenden Jahre mit Stade und 1256 mit Bremen, worauf 1258 eine Erneuerung des Bündnisses mit Hamburg erfolgte. Selbst die Streitigkeiten der Städte untereinander deuten auf nahe Verhältnisse, welche unter denselben statt fanden. So stehen auch vielleicht die beiden im J. 1258 von Köln mit Hamburg und mit Bremen geschlossenen Vergleiche in Beziehung zu einander. Die Bündnisse der Städte sind zunächst durch das Bestreben zur Erhaltung des Landfriedens, besonders während des für Deutschlands Ruhe unheilbringenden Interregnums v. J. 1250-1273 herbeigeführt, und in Gemeinschaft mit Fürsten und Herren, welche an den im Auslande entstandenen Vereinen der Kaufleute keinen Anteil hatten, wahrscheinlich sie nicht kannten, eingegangen. Ein solches Bündnis war dasjenige, welches zwischen den Edlen und Städten an beiden Elbufern und in Westphalen, so wie Lübeck und Bremen, kurz vor oder im J. 1256 geschlossen ist, also, was zur richtigen Auffassung dieser Erscheinung nicht übersehen werden darf, um dieselbe Zeit als derjenige Bund, welcher von den rheinischen Städten ausgegangen war, im südlichen Deutschland sich bereits verbreitete; während ähnliche Verträge zwischen Städten und Adligen auch dort eingegangen wurden. Eine merkwürdige Urkunde über eine Aussöhnung des Bischofes Wedekind von Minden mit dieser Stadt, welche neun Monate später als die eben angeführte abgefasst ist, sagt, dass der Streit derselben geschlichtet sei durch gewisse Geistliche, Ministerialen und die „Consules civitatum opidorum Westphalie pacis federe unitorum“; worunter das in andern Urkunden der Stadt Minden gedachte Landfriedensbündnis zu verstehen, wohl niemand zweifeln wird, so wie auch der Zwist des Bischofes mit der Fehde des Grafen von Wölpe wahrscheinlich in naher Verbindung steht.

Bei diesen Verhältnissen der Städte zu den Fürsten und dem Adel ist eine Nachricht um so auffallender, welche einem ums Jahr 1267 oder 1269 zwischen den Fürsten von Braunschweig, Markgrafen von Brandenburg und von Meißen, so wie den Grafen von Holstein zu Quedlinburg gehaltenen Fürstentage den Zweck beilegt, die Hansestädte zu demütigen. Die älteren Nachrichten nennen freilich nur die Städte allgemein oder erwähnen dieselben gar nicht und sprechen nur von einem während des damaligen zerrissenen Zustandes Deutschlands von den sächsischen Fürsten beschlossenen Vereine zur Erhaltung des Friedens. Die letzte Angabe scheint auch deshalb die richtige zu sein, weil wir überhaupt von den Folgen eines solchen Vertrages gegen die Hansestädte nichts, wohl aber von einigen dieser Fürsten wissen, dass sie damals mit Lübeck so wie Hamburg in dem besten Vernehmen standen. Sollte jedoch damals von der Unterdrückung einzelner Städte die Rede gewesen sein, so ist eher an einzelne sächsische Städte zu denken, aus deren früheren Chroniken diese Nachricht entlehnt scheint, welche auch in andern Fällen den Namen der Hansestädte einzelnen Vereinigungen dortiger Städte beigelegt haben, welche zu der Hansa in keiner oder nur entfernten Beziehungen standen. So soll der Graf Albrecht von Regenstein nach seiner Fehde mit der Stadt Quedlinburg nach einem von den Hansestädten geführten Prozesse von denselben zum Tode verurteilt und dieses Urteil vom Kaiser bestätigt sein. Alle authentischen Nachrichten aber, welche wir über die Hanse aus dieser Zeit besitzen, lassen uns vermuten, dass auch hier nur von einer Verbindung mehrerer Quedlinburg benachbarter Städte die Rede ist, etwa Halberstadt und Aschersleben, welche noch 1328 ein Bündnis unter sich erneuerten.

Die wichtigste und älteste Nachricht über den städtischen Hansebund würde, wenn gehörig beglaubigt, vielleicht diejenige sein, welche Willebrandt gibt, dass bereits im J. 1260 ein Hansetag zu Lübeck gehalten sei. Da die Untersuchung über so manche früher ganz und gar verworfene Nachrichten dieses Schriftstellers, wenn auch nicht zu ihrer Rechtfertigung, doch zu Entdeckung der Berichtigungen geführt hat, durch welche geläutert sie wertvoll erscheinen *), so möchte auch diese nicht ohne alle Berücksichtigung zu verwerfen sein. Jene Notiz wird dadurch erheblicher, dass der gelehrte Syndikus Dreier in seinem handschriftlichen Index chronologicus subsidiorum diplomaticorum einen Recessus Hansae, puncto novae stapulae Londinensis et Brugensis de 1260 Octobr. anführt, der jedoch sich allen neueren Nachforschungen entzogen hat. Dass Gegenstände dieser Art von den Hansestädten um diese Zeit, oder wenn wir einen der so gewöhnlichen Schreibfehler in Trennung oder Zusammenziehung der Zahlen des Jahres und des Tages annehmen wollen, einige Jahre später, verhandelt sein mögen, wird niemand bezweifeln. 1280 und 1282 fanden ähnliche Verhandlungen wegen beider gedachten Stapelplätze statt. Wenn wir jedoch den ferneren Inhalt des zu Lübeck abgefassten Rezesses, wie Willebrandt ihn angibt, betrachten, dass er nämlich die in Norwegen und Moskau zu suchenden Handelsfreiheiten, so wie die Beschützung der Landstraßen und Ausrottung der Raubnester zwischen Lübeck, Hamburg und Braunschweig betroffen habe, so wie auch damals (in demselben Rezesse?) beliebt sei, dass eine Stadt der andern Zertifikation vollkommenen Glauben beimessen solle, so kann die Kritik nur misstrauisch werden. Dass schon 1282 die Städte vereinigt in Norwegen unterhandelten, ergibt sich freilich aus urkundlichen Nachrichten, so wie die Zerstörung der Raubschlösser in diese oder eine frühere Zeit gehören kann; die Erwähnung Moskaus aber, wenn wir unter derselben nicht eine moderne Bezeichnung für das längst verschollene Nowgorod annehmen wollen, würde uns zwingen, diesen Rezess um zwei oder drei Jahrhunderte jünger zu halten, als angegeben ist. Die Bestimmungen über die Zertifikate kommen in den späteren Rezessen so häufig vor, dass sie zur Berichtigung des Datums des vorliegenden von gar keinem Wert sind **). Alle meine Nachforschungen nach diesem Rezesse oder einem anderen welcher von Dreyer und Willebrandt hier gemeint sein konnte, sind vergeblich gewesen, und bleibt dieser Gegenstand der Aufmerksamkeit künftiger Forscher der hansischen Geschichte vorbehalten.

*) Ganz gerechtfertigt hat sich seine Angabe der Rezesse vom J. 1366 an; zu letzteren gehört die Nachricht über die Ausstoßung Bremens, welche jedoch 1358 statt 1308 geschah, die Torgedachte Nachricht über Braunschweig b. J. 1247. u. a.

**) Der Rezess zu Lübeck v. J. 1540 Trinit. enthält Verhandlungen über die Verlegung des Stapels in Brügge, so wie London, auch den Beschluss eine Gesandtschaft nach Moskau zu schicken: ferner Verhandlungen, wegen der Isländer und Norderfahrer. S. Willebrandt a. O. II. 249. Doch passt hierher nicht der Monat Oktober, und es fehlt ein Beschluss wegen der Zerstörung der obengedachten Raubschlösser.


Zu den zu berichtigenden Angaben über ältere Geschichte der Hansa, welche zugleich bestätigen, welcher Maßstab der Kritik an die vorhandenen Überlieferungen oft noch zu legen ist, gehören hier noch die über die von Werdenhagen aus des Syndikus Doman Auszuge der hansischen Rezesse angeführten Statute vom Jahre 1312 bis 1347. Diese Zahlen sind alle durch Schreibfehler verfälscht, wie von einem derselben in Betreff der Wiedertäufer, sich augenscheinlich ergibt, wo 1535 statt 1335 gemeint ist, und für diese, so wie die übrigen Jahreszahlen sich aus einer Abschrift des Domanschen Auszuges im hamburgischen Archive, so wie geschehene Vergleichung der Rezesse selbst bestätigt. Die Statute v. 1312, 1317, 1327, 1341 über die Entscheidung der Streitigkeiten zweier Hansestädte miteinander, sowie des Rates mit den Bürgern, sind, wie Doman Cap. VII. angibt, v. J. 1412, 1417, 1427 und 1441. Der Beschluss, dass wer in einer Hansestadt Aufruhr stiftet, in der andern nicht zuzulassen sei, datiert nicht von 1317, sondern v. 1417. S. ebendas. Eben so sind die Beschlüsse gegen die Städte, deren Bürger sich gegen den Rath emp?ren, ein volles Jahrhundert später als die angegebenen Jahre 1317, 1318, 1327 u. 1347 zu setzen. S. Doman Cap. II. Die Beliebung, dass wenn ein Deputierter den andern bei den Unterhandlungen beleidigt, jener nicht sogleich seine Stelle verlieren, sondern eine Geldbuße erlegen soll, ist nicht von 1318, sondern von 1380. S. ebendas. Der Beschluss die Buntwirker betreffend, ist nicht v. J. 1318, sondern aus dem Rezess v. J. 1481 entlehnt.

Zu den wenig beachteten, jedoch sehr trüben Quellen der Geschichte der ältesten Städtevereine im nördlichen Deutschland gehören auch noch die Rollen der Handwerker.

Aus späterer Zeit waren einige Gesamtbeschlüsse der Ostseestädte in Betreff der Handwerker schon bekannt; mehrere einer früheren Zeit angehörig sind im Urkundenbuche abgedruckt, deren Alter unbezweifelt ist. Die Rolle der Böttcher von 1321 ist im Rezesse v. J. 1367 bestätigt. Eine auffallende Nachricht, die sehr einer Bestätigung bedarf, ist in den im J. 1710 obrigkeitlich konfirmierten Artikeln der Schuster zu Hamburg enthalten, welche besagt, dass eine Ordnung für diese Gewerbe von den Städten Lübeck, Hamburg, Wismar, Stralsund, Rostock und Lüneburg im J. 1226, Montags nach h. Dreifaltigkeit, im sechsten Regierungsjahre Kaiser Friedrich II abgefasst sei. Sie führen ferner Beschlüsse dieser Städte v. J. 1366 u. 1547 an, welche jedoch eben so wenig näher dokumentiert werden können.

Wenn nunmehr zu entscheiden wäre, bei welchen Städten der Ursprung der Hanse zu suchen sei, so müssen wir hier wiederum eine ältere Meinung, welche neuerlich zu sehr beseitigt wurde, in den Schutz nehmen: dass nämlich dieser zunächst auf den uralten Verhältnissen zwischen den Städten Hamburg und Lübeck beruhe. Wenn gleich die Vereine verständiger, kräftiger und gewandter Männer, der norddeutschen Kaufleute im Auslande durch ihr Alter und durch ihre Wichtigkeit berechtigt sind, die Grundlage der Hanse genannt zu werden, so wird man dennoch nicht bezweifeln können, dass dieselben teils sehr vorübergehende Erscheinungen gebildet, teils sich bald untereinander zersplittert hätten, wenn die Städte nicht durch andere Bedürfnisse, teils aus dem damaligen Zustande Deutschlands, teils aus den unveränderlichen Verhältnissen ihrer natürlichen Lage hervorgehend, aneinander geknüpft wären. Unter allen Städten aber, welche die Hanse bildeten, sind keine, welche so früh, vielfach und enge unter einander verknüpft waren, als Lübeck und Hamburg; keine andere Städte haben so früh gemeinschaftliche Handelsprivilegien im Auslande sich erworben oder verfolgten die gemeinschaftliche Spur so nahe, keine Städte haben so frühe und so viele gemeinschaftliche Einrichtungen getroffen, als diese über Münze, Schiffsrecht, und andere staatsrechtliche, so wie Handels-Einrichtungen. Dieses enge Verhältnis dieser beiden Städte ist aber für die Entstehung der Hanse deshalb besonders wichtig geworden, weil sie als die Vertreter ganz verschiedener Handelsinteressen des Ostsee- und des Elb-Handels anzusehen sind, welche in richtiger Erkenntnis des eigenen Vorteils zu wechselseitiger Unterstützung sich vereinten. Mit Lübeck waren die übrigen Ostseestädte seit ihrer ersten Anlage in so sehr gleichen Interessen und Verhältnissen, dass sowohl jede dieser Städte einzeln namhaft, als auch ihre Gesamtheit unter dem Namen der wendischen Städte bald anerkannt ward. Beim Elbhandel tritt dagegen der Name des größten Marktes und Hafens, von dem aus die Land- und oberelbischen Städte, die oben gedachten Gäste und Genossen, ihren Anteil an der Schifffahrt in der Nordsee wahrnehmen, mehr hervor. Wir bemerken ferner, dass der Verträge Lübecks mit den an der Elbe oder südlich von derselben gelegenen Städten, außer mit Hamburg nur sehr wenige sind, während diese mit letzterer Stadt zahlreiche und wichtige Verträge schlossen, wogegen uns kein Bündnis einer der andern Ostseestädte mit Hamburg oder gar mit einer der andern Elb- oder der Landstädte bekannt ist. Hamburg und Lübeck waren also die Vermittler aller dieser verschiedenen Interessen: und wir dürfen wohl behaupten, dass, wenn irgend ein zufälliges Verhältnis, eine aristokratische Familien-Feindschaft, Zwist verschiedener Landesherren oder falsch verstandene Handelseifersucht diese Städte hätte trennen können, eine gemeine deutsche Hanse nicht aufgeblüht wäre, sondern die Geschichte nur von Vereinen einzelner Städte, so wie ein Meer, oder ein Fluss sie dargeboten hätte, berichten würde. Die Erkenntnis dieses Hergangs der Geschichte lehrt uns zugleich, dass auch hier nicht Willkür und Zufall ein launenhaftes Spiel getrieben haben. Die wesentlichsten Verhältnisse, aus denen die Hanse hervorging, haben sich sogar noch bis zum heutigen Tage erhalten. Die Städte, auf welchen die Hanse zunächst begründet war, da auch Bremen zu dem Weserhandel in ähnlichen Verhältnissen stand und besteht, wie Hamburgs und Lübecks Lage sie für die Elbe und die Ostsee ihnen darbieten, sind diejenigen, welche vielfache Veränderungen der Staaten und des Handels des nördlichen Europas überlebt haben. Haben gleich die ehemaligen hansischen Niederlagen an der Ostsee ihr Dasein längst verloren, sind auch große neue Handelsstädte an deren Küsten angelegt, so lässt doch immer auf eine auffallende Weise sich erkennen, wie noch stets deutsche Hände und deutsche Mittel den Handel daselbst leiten. Am unerschütterlichsten verbleibt das Verhältnis Hamburgs zu seinen alten Gästen und befreundeten Genossen, dessen Aufhören ohne eine völlige Vernichtung oder wesentliche Umgestaltung des Elbstroms nicht denkbar ist, und welches demnach als auf der jetzigen Gestaltung unseres Planeten beruhend angesehen werden darf.