Vorwort - Der Ursprung der Hanse

Der Ursprung der Hanse ist in zwei verschiedenen, wenn gleich nahe verwandten Tatsachen zu finden, den Vereinen deutscher Kaufleute im Auslande, und den einzelnen sich allmählich ausdehnenden Bündnissen der Städte im nördlichen Deutschland. Letztere sind mit so vieler Sorgfalt und einem so reichen Schatze von Materialien in dem vorliegenden Werke untersucht, dass es zwecklos sein würde, hier noch weiter über das hohe Alter der Vereine der wendischen und anderer durch die gemeinsame, von dem Lübecker Vorbilde entlehnte Rechtsverfassung verschwisterten Städte, so wie ähnliche Verbindungen zur Erhaltung des Landfriedens, die stets engere Anschließung verschiedener Städte an einander und deren verschiedenartige Zwecke sich verbreiten zu wollen. Da auch diese sich auf schriftliche Urkunden begründeten, so wird bei dem etwa noch Vermissten der beste Weg der Forschung sein, jenen ferner nachzuspüren. Anders verhält es sich mit den Vereinen der Deutschen im Auslande, welche nicht auf Bundbriefen beruhen, nicht durch geräuschvolle Taten die Aufmerksamkeit der Chronikenschreiber auf die Entstehung ihres still tätigen und rasch beweglichen Daseins lenken konnten, sondern die lediglich durch tieferes Eingehen in die Verhältnisse und Ansichten älterer Zeiten zu erläutern sind, und also ferneren Raum für wissenschaftliche Untersuchung übrig lassen.

Die Ansicht des früheren Mittelalters, dass ein Jeder, ohne Rücksicht auf Landesrecht, nach dem Rechte seiner Nation zu richten sei, hat sich auch in den spätem Jahrhunderten desselben erhalten, wenn gleich, als nicht mehr Völkerstämme umherzogen, den Fremden in jeglichem Lande bei ihrer geringen Anzahl die Ausübung ihrer Rechte oft unmöglich werden musste, wenn ihnen nicht wie der Geistlichkeit durch besondere Vorrechte des Standes, oder den zum Land-, Deich- und Bergbau herbeigezogenen Kolonisten durch Privilegien, wobei auch der Juden zu gedenken ist, die Erhaltung ihrer erwählten oder ererbten Rechte gesichert war. Bei der Seltenheit des Verkehres hätte der wandernde Kaufmann auf die Erhaltung des ihm angeborenen Rechtes wahrscheinlich ganz verzichten müssen, wenn nicht dem Grundsatze nationaler Rechte verwandt, in dem beruhigten und im Frieden sich entfaltenden und gliedernden Europa derjenige der Autonomie sich geltend gemacht hätte, ein Grundsatz, ohne welchen der Handel nirgend und zu keiner Zeit gedieh. Wenn daher sogar die zwischen den binnenländischen, einheimischen und fremden Kaufleuten entstandenen Streitigkeiten nach kaufmännischen Gewohnheitsrechten entschieden wurden; so musste dieses viel mehr beim Seehandel geschehen, durch welchen Kaufleute in größere Gesellschaften zu gemeinschaftlichem Schutze gegen Seeräuber, und Unterstützung in Kämpfen gegen die Elemente, wie auch häufig gegen die Eingebornen der besuchten Länder vereinigt wurden. Im südlichen Europa stellt sich diese allgemeine Erscheinung bei der Wohlhabenheit und Macht der dortigen Städte in Faktoreien dar, welche jede einzelne bedeutende Handelsstadt in den Häfen des weniger gefährlichen Mittelmeers besaß *), so wie auch hier Vereinigungen zu Seefahrten üblich waren, welche gemeinschaftliche Zwecke voraussetzten und zu autonomischen Bestimmungen führten.


*) So die Niederlagen der Amalfitaner zu Palermo, Messina und Syracus, der Genueser in Messina, der Pisaner 1279 in Tripolis, 1182 in Accon, bald darauf in Joppe und Tyrus, der Venetianer in Palermo u. andern Orten. S. Leo Gsch. d. italien. Staaten II. 142.

Im Norden mussten diese Verhältnisse sich anders gestalten. Die langsamere Entwicklung der Bildung und des Verkehres, die Verschiedenheit der Meere, der Einfluss des rauen Klimas und langen Winters, die Unbedeutsamkeit der Seestädte, welche kaum von den häufigen Überfällen der Normannen und der Wenden sich befreiet fühlten, alle diese Ursachen erschwerten die Bestrebungen der Einzelnen und machten ein engeres Anschließen der Kaufleute, selbst derjenigen aus verschiedenen Städten an einander zu Handelsreisen erforderlich. Wir finden daher zu Venedig, wie zu Wisby und Nowgorod Vereinigungen der gesamten deutschen Kaufleute, und wenn zu London und in den flandrischen Städten, wo selbst die südeuropäischen Kaufleute nur in Nationen getrennt erscheinen, Köln und einige andere wohlhabende deutsche Städte im Namen aller Deutschen auftreten, so kann eine bedeutende Abweichung von dem allgemeinen Handelssystem hierin nicht erkannt werden. Die Notwendigkeit dieser Vereine erklärt sich nicht hinlänglich aus der Verschiedenheit der Sprache, Münze und der Handelsgebräuche, welche in den meisten germanischen Ländern des nördlichen Europas zur Zeit der Entstehung der Hanse eine große Übereinstimmung und allgemeinere Verbreitung besaßen, als in späteren Jahrhunderten sich erhalten hat. Dagegen war der Rechtsgang mit seinen selten wiederkehrenden ungebotenen Rechtstagen und dem schwerfälligen Beweisverfahren, nicht minder als die Verschiedenheit der Wehr- und Sühngelder Fremden und dem Verkehre sehr abschreckend. Ein Zusammentreten der Landsleute musste auch um so eher statt finden, wo die Kürze des Sommers, die Länge der Reise in kleinen Schiffsgefäßen und die Unvollkommenheit der kompass- und kenntnislosen Schifffahrt, die Langsamkeit des Ein- und Verkaufes, wozu Ort und Gelegenheit erst aufzusuchen waren, so wie der Eintreibung der Schulden, wo alle diese Umstände den Fremden häufig eine Überwinterung notwendig machten, und durch dieselben die Möglichkeit entstehender Streitigkeiten, Todes-und Erbfälle sich vergrößerte und die Errichtung gemeinschaftlicher Morgensprachen, Rassen, Begräbnisse, Kapellen erforderlich wurde, so wie für die Waren die Anschaffung eigener Speicher im Haupthafen nebst Plätzen und Brücken zum Anlanden in demselben, so wie Wohnungen für die Landsleute und was sonst der auf seine eignen Mittel zurückgewiesene Handelsverkehr erheischte. Zugleich bedurften die zufällig Vereinten gemeinsamer Älterleute, den heutigen Handelskonsuln entsprechend, welche alle diese Anstalten leiteten und verwalteten, so wie die erworbenen Privilegien genau kennen sollten, besonders zur Vertretung ihrer Landsleute bei Entrichtung der Ein- und Ausfuhr-Zölle, deren höchstverworrene Tarife häufig verändert wurden. Hier ist aber besonders hervorzuheben, dass auch an den Orten, wo alle die gedachten Bedingungen einer Faktorei nicht vereinigt waren, dennoch die Anstalt zum Rechtsprechen unter den Landsleuten sich findet. In Bergen bemerken wir Älterleute, während über andere gemeinsame Einrichtungen der Deutschen kein Beweis darliegt; in England sollen die Deutschen das Jus Theutonicorum zu einer Zeit, wo nur einzelne Städte Privilegien daselbst besaßen, erhalten; in Nowgorod hatten sich die durch ihr Recht getrennten Goten und Deutschen erst später zu einer gemeinsamen Residenz vereinigen können, während die durch das Interesse oft getrennten, aber rechtsverwandten Niederländer mit den Deutschen lange vereinigt, erst in späteren Zeiten sich von denselben abgesondert zu haben scheinen. In Wisby finden wir in den ältesten Zeiten kein Vorherrschen einer einzelnen deutschen Stadt, und wenn in Schonen auch schon früh Lübeck zu besonderem Ansehen gelangte, so deutet teils die dort vorhandene alte Einhegung und der Kirchhof der Deutschen auf frühe Vereinigung derselben an diesen Küsten, teils möchte das

Hervortreten des Lübecker Vogtes unter den Bürgern der mit Lübschem Rechte begabten Städte, eben so wie die frühe Namhaftigkeit der durch die weite Verbreitung ihrer Handels-Rechte sehr hervortretenden Kölner in London, gerade einen neuen Beweis dafür darbieten, dass die gemeinsame Rechtspflege das ursprüngliche Motiv der hansischen Faktoreien enthält. Nur in den Niederlanden sind vielleicht keine Vereinigungen der Deutschen in der ältesten Zeit nachzuweisen, so sehr alt die Hansen einzelner Städte und die Zollbestimmungen für die Deutschen auf Gothland daselbst sind, ein Umstand, welchen durch die nähere Verwandtschaft der Anwohner der Küsten der Nordsee unter einander zu erklären, unbedenklich scheint.

Eine nähere Andeutung verdienen ferner in ihrem Verhältnisse zum Hansebunde die Gilden der Kaufleute in ihren heimatlichen Wohnsitzen. Es lag in der ganzen germanischen Verfassung, dass gleich anderen zu gemeinsamen Interessen Verbundenen, auch die Kaufleute sich in Gilden oder Hansen, welche Ausdrücke hier als gleichbedeutend zu betrachten sind, sich bildeten, und zwar in den altern Städten unter der an gewisse Leistungen geknüpften Genehmigung der Landesherren *). Am häufigsten linden wir diese in England, wo jene altdeutsche Verfassung sich überhaupt am längsten in ihren Grundzügen erhielt, dann auch in den Niederlanden. In manchen Fällen ist es diese Kaufmannsgilde gewesen, welche das älteste Markt- und Stadtrecht sich verschaffte, und daher den Verein der gleichberechtigten Bürger bildete, aus welchen der Rat ausschließlich gewählt wurde, zu dessen Teilnahme die landesherrlichen Dienstleute, so wie die Handwerker in solchen Städten erst durch spätere Umwälzungen gelangten. Es lassen hier sich die Belege dieser Ansicht nur kurz andeuten, welche aus den altern Nahmen von Hansa- und Gildehäusern statt der späteren Rathäuser, der gesetzlichen Vereinigung des Raths- und des Gildeschreibers in demselben Individuum und ähnlichen Verhältnissen zu entwickeln sind.

*) Hierher gehört auch die Urkunde des Bischofes Bernhard V. von Paderborn für die Bürger der gleichbenannten Stadt v. J. 1327, worin er unter andern alten Gerechtsamen derselben aufzählt. S. Wigand Zeitschrift, f. Gsch. u. Altertumskunde Westfalens 111. 219. Wenn gleich der Ausdruck Hanse gewöhnlich nur von Innungen der Kaufleute gebraucht wird, so findet er sich doch zuweilen auch auf diejenigen der Handwerker übertragen: wie im Mühlhauser Statute Sec. XIII.

Diese kaufmännische Aristokratie, welche sich vor den übrigen Einwohnern geltend machte, zeigte sich vor allen in den Städten, welche den ergiebigen Seehandel trieben, und beschränkte sich zuweilen auf diejenigen Kaufleute, welche den bedeutendsten Handelszweig sich angeeignet hatten, wie z. B. die Londoner Hanse der Bürger zu Damme. Die ganze Stadtverfassung war durch die Sommerreisen der Kaufleute modelliert: die großen Versammlungen der Gemeinde, die Verlesung der Burspraken, die Tage der Ratswahlen waren wegen der Sommerreisen der Kaufleute auf die für die Schifffahrt unbequemen Zeiten verlegt; der Rat, wenn gleich meistens ausschließlich aus Kaufleuten zusammengesetzt, fasste keinen Beschluss in Handelsangelegenheiten, wenn die Mehrzahl der übrigen Kaufleute verreist war. Bei der Ausdehnung der Städte und Vermehrung des Verkehres musste jedoch die Gilde durch ihre Allgemeinheit bald an Bedeutung verlieren, und ihre in der freien Verfassung wichtigsten Rechte wurden dem Rate, zu welchem auch andern Bürgern der Zutritt eröffnet war, übertragen. Häufig wurden daher die Gilden durch Gesetze unterdrückt, doch haben sie sich, wenn gleich der Bedeutung mehr als der Form nach umgestaltet, in den skandinavischen Reichen bis zum heutigen Tage erhalten. In manchen der landesherrlichen Gewalt strenger untergebenen Städten erblicken wir sie jedoch länger, als in anderen; wo sich auch die, anfänglich von dem Landesherrn ihnen gewöhnlich vorgesetzten Hansegrafen finden.