Einleitung des Herausgebers

Die „Urgeschicht von Meckelnborg“ ist ein Fragment, das erst nach Reuters Tode veröffentlicht worden ist. Fritz Reuter begann damit schon im Jahre 1859 und gedachte ein zweibändiges Werk daraus entstehen zu lassen: aber die Arbeit schritt von Anfang an nur sehr langsam vorwärts und schließlich verlor er völlig die Lust, diese zeitgeschichtliche Satire zu vollenden. In einem Briefe Reuters an den Juristen Hofrat Hobein in Schwerin ist von dem Plan der „Urgeschicht“ zum ersten Male die Rede: „Das nächste Buch von mir wird ein Kurioses sein: eine Urgeschichte von Mecklenburg, von Erschaffung der Welt bis auf „Hertog Niklotten, Dörchläuchten“. Alles, was mir halbverrückte Laune und zur Hand liegende Satire auf unsere sozialen, politischen, kirchlichen Zustände eingiebt, kleide ich in historische Fakta, unbekümmert, was Ihr Norddeutscher Korrespondent dazu sagt. Das Ganze ist aber nicht gegen eine Partei gerichtet, sondern gegen alle Übelstände, die die Menschen sich selbst geschaffen haben. Sie sollen es noch vor dem Drucke zugesandt erhalten, damit Sie mir sagen können, ob es verboten werden wird. Viel Lokales wird darin zu tadeln sein, läßt sich aber nicht vermeiden und wird allenfalls durch seine Frische entschuldbar werden; im ganzen tröste ich mich mit der Originalität der Idee.“ –

Im Januar 1863 schrieb Reuter an seinen Verleger Hinstorff: „Das Buch soll sehr allmählich entstehen und wird noch lange auf sich warten lassen.“ Es ließ sehr lange auf sich warten. Zwar äußerte sich Reuter im Dezember 1863 darüber noch gegen seinen Freund Peters in dem Sinne, daß er die Absicht habe, die Fortsetzung des Werkes nun bald in Angriff zu nehmen, aber es blieb bei den guten Vorsätzen. Reuter ließ die Arbeit endgültig liegen. Nach der Probe, die wir davon in dem nachgelassenen Bruchstück besitzen, ist zu vermuten, daß es das schwächste Werk unseres Reuters geworden wäre. Der Stoff, die politische Satire, lag ihm nicht. Das Beste an der „Urgeschicht“ ist die originelle „Inleitung“, die einen sehr beträchtlichen Teil des unfertig gebliebenen Manufkriptes einnimmt. Der Anfang der eigentlichen „Urgeschicht“, die als eine Parodie auf die älteren Chroniken mit ihrer dilettantischen naiven Geschichtschreibung zu nehmen ist, läßt jenen kräftigen Humor Reuters, der uns in seinen andern Werken entgegentritt, vermissen. Ihrer „Inleitung“ wegen darf die nach Reuters Ableben veranstaltete Herausgabe der „Urgeschicht von Meckelnborg“ durch Wilbrandt im Jahre 1874 gutgeheißen werden, wenn es auch vielleicht mehr in Reuters Sinne gewesen wäre, die Veröffentlichung zu unterlassen. Nachdem solches aber nicht geschehen ist, glaubten wir die „Urgeschicht“ dem Leser dieser Reuterausgabe auch nicht vorenthalten zu dürfen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Urgeschicht von Meckelnborg