Unterwegs. Reisebilder

Autor: Meißner, Alfred von (1822-1885) deutsch-böhmischer Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1867
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Reisen, Reisebilder, Deutschland, Bodensee, Österreich, Schweiz, Bregenz und Bregenzerwald, Zürich, Straßburg, Baden-Baden, Heidelberg, Brüssel, Antwerpen, Ostende, Glasgow, Zu den Seen, Edinburgh
Scheinbar in keinem ungünstigern Momente konnten diese anspruchslosen Bilder, in ruhiger Zeit, in hellen Sommertagen geschrieben, ans Licht treten, als jetzt, wo sich die Gewitterwolken von allen Seiten zusammenballen, der Donner bereits hörbar wird, fahle Blitze hereinleuchten und die Welt in banger Erwartung den Ereignissen, die da kommen sollen, entgegensieht.

Alle Zeichen am Himmel und auf Erden scheinen einen Riesenkampf anzukündigen, wie ihn Europa seit dem Untergange des ersten französischen Imperators nicht wieder gesehen.

Schon jetzt hat die halbe Welt das Aussehen eines Kriegslagers.

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Inhaltsverzeichnis
  1. Bregenz und Bregenzerwald
  2. Zürich
  3. Straßburg
  4. Baden-Baden
  5. Heidelberg
  6. Brüssel
  7. Antwerpen
  8. Ostende
  9. Glasgow
  10. Zu den Seen
  11. Edinburgh
Und was das Schlimmste, nirgends, mit Ausnahme Italiens, steht ein Volkskrieg im echten Sinne des Wortes in Aussicht! Deutschlands Geschicke stehen zwar auf dem Spiele, aber die Nation als solche, von direkter Teilnahme geflissentlich ausgeschlossen, steht nur als unvermeidlicher Zuschauer da, und obwohl das gewaltige Kriegsschauspiel auf ihre eigenen Kosten aufgeführt wird und die Akteure desselben gleichsam mit ihrem eigenen Herzblut geschminkt sind, weiß sie den eigentlichen Titel des blutigen Dramas nicht voraus.

So ist die Nation momentan in der Lage, die Plagen und Schrecknisse des Kriegs zu empfinden, ohne den Trost zu haben, welchen die Aussicht auf ein allgemein ersehntes Endziel in sich führt. Das Wort „deutsches Parlament“, das aus hoher diplomatischer Region unverhofft, aber auch flüchtig wie ein Blitz hervorgeschleudert wurde, ist allein und für sich genommen nicht mächtig genug, Sympathien zu wecken, die Gemüter anzufeuern und jahrelang gehegtes Misstrauen in jenes Vertrauen zu verwandeln, das man braucht, wenn man dem Kampf entgegengeht. Dieses Wort hat daher nur die Wirkung eines Orakelspruchs, den Jeder nach Belieben deutet, ohne zu einer klaren Gewissheit zu gelangen. Nur das Eine scheint gewiss, dass Deutschlands Völker, achtzehn Jahre nach der großen Einheitsbewegung wieder an den Wagen einer gewaltsamen Kabinettspolitik gespannt, diesen durch Dick und Dünn, über Leichen und zertretene Saaten hinwegschleppen sollen. Auf diese Weise ist die gegenwärtige Haltung des deutschen Volkes — man nenne sie Apathie oder düstere Ergebung — zu begreifen, und der ungerechte Vorwurf, dass ihm Aufschwung und Begeisterung mangle, könnte ihm nur von denjenigen gemacht werden, welche es am liebsten, jedem Winke gehorsam, jederzeit nach ihrer Trommel marschieren und nach ihrer Pfeife tanzen sehen möchten.

Eine so tiefe Verstimmung hat sich zum Teil der besten Patrioten bemächtigt, dass sie auf Stunden lieber vergessen, als den Ereignissen folgen oder gar tätig eingreifen möchten. Ich selber überrasche mich bei einer solchen Gemütsstimmung, indem ich in meiner kriegsbewegten Vaterstadt, deren Pflaster vom Rollen abfahrender Munitionswagen dröhnt, von Waffen umtobt, gleich dem syrakusanischen Gelehrten dieses Vorwort niederschreibe.

So werden sich auch in dieser Zeit Leser finden, die ein Buch in die Hand nehmen, um ihre Gedanken von der Trauer über noch so verworrene Zeitläufe abzulenken und in der Laube sitzend die erwartungsvollen Pausen zwischen Telegramm und Telegramm auszufüllen.
Prag, 28. Mai 1866.
Alfred Meißner.

Meißner, Alfred von (1822-1885) deutsch-böhmischer Schriftsteller

Meißner, Alfred von (1822-1885) deutsch-böhmischer Schriftsteller

Baden-Baden, Rittersaal in der Ruine des Alten Schlosses

Baden-Baden, Rittersaal in der Ruine des Alten Schlosses

Baden-Baden, Stadtansicht

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Heidelberg, Alte Brücke und Schloss

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Baden-Baden, Rittersaal im alten Schloß

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Baden-Baden, Blick in das Oostal vom Schloßberg aus

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