Einleitung. Statistik der Wälder Europas.

Abriss der Geschichte der Wälder. — Alte Einrichtungen, die sie erhalten haben. — Zunahme der gesellschaftlichen Bedürfnisse, die ihre Ausrottung nach sich ziehen. — Ihre gegenwärtige Ausdehnung in Polen, — in Österreich,— in Böhmen,— in Ungarn,— in Preußen, — in den deutschen Rheinprovinzen, — in Belgien, — in Frankreich, — in England, — in Schottland. — Vergleich ihrer Flächengröße mit der des Gebietes dieser Staaten, — mit dem gebauten Land derselben, — mit ihren unbebauten Ländereien, — mit ihrer Bevölkerung. — Kurze Wiederholung des Inhalts. — Teile dieses Werkes


Statistik *) der Waldungen Europas.


Die Wälder Europas wurden lange Zeit vor der Axt des Holzhauers durch Religionslehren, bürgerliche Einrichtungen und vor Allem durch die engen Grenzen bewahrt, in welche die Bedürfnisse der Gesellschaft sich eingeschlossen fanden. Sei es, dass man schon in der Kindheit der Völker das Geheimnis der Natur, welche ihre schätzbarsten Wohltaten an das Dasein der Waldungen knüpft, erforscht hatte, sei es, dass der bloße Anblick der Waldungen die Menschen mit Ehrfurcht erfüllte, unsere Vorfahren stellten die Bäume unter den Schutz der Götter; durch freundliche Dichtungen bevölkerten Rom und Griechenland die Gehölze mit schützenden Gottheiten, welche den Pflug des Ackerbauers zurückhielten, und die Druiden umgaben mit ihren Schrecken die finstern Schatten, die ihren Mysterien dienten, und wussten, es die Eroberungen des Feldbaues ferne zu halten.

*) Alle mit einem * bezeichneten Anmerkungen sind von dem Übersetzer. Die mit Zahlen bezeichneten von dem Verfasser. — „Statistique des forêts de l’Europe" nennt der Verfasser den Inhalt seiner Einleitung, der aber weit angemessener die Überschrift „geschichtliche Notizen über die Wälder Europens" erhalten hätte.

Als das Christentum sein Licht über die Gallier verbreitete, sah man um seine Tempel sich Gehölze erheben, welche die Ehrfurcht vor den heiligen Orten schützte; die Klöster wurden mit ihnen umgeben, und um auf dem Gipfel der Berge die ehrwürdigen Bäume, welche sie krönten, zu erhalten, war es genug, dass ein frommer Einsiedler daselbst seine Zuflucht suchte.

Als der Einbruch der Völker des Nordens das Lehenwesen an die Stelle der römischen Staats-Einrichtungen setzte, fanden die Waldungen einen neuen Schutz in der Feudalherrschaft und in jener Leidenschaft für die Jagd — der letzten Spur der Barbarei, welche der Beschäftigung der Nationen mit dem Ackerbau voranging; sie wurden notwendige Zugehörungen der Alleinherrschaft, und ihre Ausdehnung galt für ein Zeichen des Reichtums und der Macht. Die Verletzung der Freistätte, welche die Waldungen dem Wild gewährten, wurde in die Klasse der Verbrechen gesetzt, die man mit dem Tode bestrafte, und mehr als einmal wich der Ackerbau vor ihnen zurück und wurde gezwungen, ihnen die Gefilde zu überlassen, von denen eine zahlreiche Bevölkerung ihren Unterhalt zog; man sah Wilhelm den Eroberer eine seiner Provinzen entvölkern, um sie in Wald zu verwandeln; man sah ihn dreißig Dörfer zerstören, um dem Rotwild ein größeres Revier einzuräumen. Während im Norden die forsteilichen Gesetze durch ihre Strenge die Waldungen bei ihrer großen Ausdehnung schützten, wurde im Süden ihre Erhaltung durch die Fortschritte der Muselmänner und die religiöse Ansicht begünstigt, welche sie die Zerstörung der Bäume als eine schlechte Handlung betrachten lässt. Aber die Zeit, die in ihrem Lauf so viele Veränderungen herbeiführt, bereitete schon diejenigen vor, deren Gewalt die alten Wälder Europas unterliegen mussten. Die Zivilisation war aufs Neue erwacht, ihr Reich beschränkte sich nicht mehr, wie ehemals, auf die Ufer des mittelländischen Meeres; bis in die Polargegenden breitete sie ihre Eroberungen aus, und da sie, bei ihrem glücklichen Fortschreiten, Künste und Gewerbe in ihrem Gefolge hatte, wandelte sie durch die Arbeiten derselben die Oberfläche der Landschaften um. Die Wälder, welche noch einen Teil von Frankreich und beinahe ganz Deutschland bedeckten, wurden mit zahlreichen Straßen durchschnitten, durch welche Entfernungen abgekürzt, und die Handelsverbindungen weiter ausgedehnt wurden; jeden Tag wurde ihr Gebiet mehr durch den Feldbau eingenommen, dessen Herrschaft sich mit der Bevölkerung ausdehnen musste; ihre Bäume, deren ehrwürdige Schatten das einzige gastliche Obdach unserer Vorfahren und der einzige Tempel ihrer Götter waren, fielen unter den Streichen der unerbittlichen Notwendigkeit. Unzählige Bedürfnisse forderten ihre Ausrottung als erste Bedingung des Fortschreitens der Zivilisation; die Künste bedurften ihrer, um unsere Wohnungen zu erbauen und zu verschönern, über die Flüsse zu setzen, die Wege schnell, zurückzulegen, um das Feuer unserer Herde zu nähren, um die Gewölbe der Stollen zu bilden, um die Metalle zu schmelzen und dem Ozean Dämme entgegenzusetzen; der Krieg bediente sich ihrer zu den Pfahlwerken der festen Plätze, zu den Verhacken der Verteidigungslinien und zu seinen mörderischen Maschinen. Endlich wurden die heiligen Eichen des Waldes der Druiden — umgewandelt durch eine kühne Kunst in schwimmende Festungen — in das Meer geschleudert, um über seine Tiefen hin nach entfernten Ufern die Wohltaten des Handels oder das Elend eines feindlichen Einfalls zu tragen.

Einige alte Einrichtungen widerstanden der Wirkung so vieler vereinigten Ursachen. In dem größeren Teil der europäischen Länder gehörten große Holzungen zu den Domänen der Krone und konnten nicht veräußert werden; die Klöster hatten mit wachsamer Sorgfalt diejenigen, welche sie besaßen, vergrößert und die Abkömmlinge der adeligen Lehnbesitzer hatten bis auf unsere Tage ungeachtet des Verlustes ihrer Macht und der Abnahme ihres Vermögens die Parks, diese Zeugen ihres ehemaligen Glanzes, erhalten. Vor dem Strom der Revolutionen sind auch diese letzten Spuren der alten Wälder Europas verschwunden.

Lange, unglückliche Kriege, durch welche die Hilfsquellen der Staaten erschöpft wurden, führten die Notwendigkeit herbei, die Domänen der Regenten und zunächst die Wälder, die den ertragreichsten Teil derselben ausmachten, zu veräußern. Bei der Aufhebung der Mönchsorden sind in England, Frankreich, und Deutschland die unermesslichen Forste, die sie besaßen, verkauft, zerteilt und ausgerottet worden, und als in den bürgerlichen und religiösen Spaltungen die Familien, welche die alten Lehen als Erbe bewahrten, geächtet wurden, da fielen, mit der Einziehung ihrer Güter, unter der Axt des Holzhauers die Wälder, welche ihre edlen Vorfahren von Geschlecht zu Geschlecht erhalten hatten.

In Folge dieser verschiedenen Ereignisse verloren die Länder Europas im Verlauf einiger Jahrhunderte den größten Teil der Wälder, welche ihre Ebenen durchschnitten, die Ufer ihrer Flüsse bedeckt, den Rücken ihrer Gebirge gekrönt hatten. Eine lange Zivilisation hat alle Wälder der mittäglichen Länder und besonders die von Griechenland, Italien und Spanien verzehrt; nur in einigen gebirgigen Gegenden finden sich noch Reste derselben, deren Abholzung sich unübersteigliche Hindernisse entgegenstellen. Und dennoch ist es seit einigen Jahren gelungen, von den hohen Waldungen der Alpen eine Menge von Bäumen zu beziehen, die man durch ihr eigenes Gewicht in gezimmerten Kanälen herabgleiten lässt, so dass sie von den höchsten Gebirgsebenen in einem Augenblick zu den Ufern der Seen gelangen, auf welchen sie mittelst der Schifffahrt leicht weiter geschafft werden.

In den nördlichen Ländern, wo das Klima die Fortschritte des Ackerbaues hemmt und zu welchen Künste und Gewerbefleiß erst sehr spät gelangten, gibt es noch große Waldungen und gleichwohl bemerkt man auch schon hier seit, 30 Jahren die schädlichen Folgen der Zerstörung, durch welche eine große Zahl von Waldungen verschwunden ist. Schweden wird nicht bloß durch die gewinnvolle Benutzung der Holzungen auf Schiffbauholz für die Marine der ersten Völker Europas entwaldet; es geschieht auch, auf eine noch weit verderblichere Weise, nämlich durch den Gebrauch, die Wälder durch Feuer in urbares Land zu verwandeln. Es ist erwiesen, dass der Boden, den man auf eine solche Weise für den Feldbau gewinnt, und den man mit dem Ausdruck Swedjeland bezeichnet, nur 3 Jahre fruchtbar ist, dann aber auf allen höher liegenden oder, steinigten Orten weder Holz noch krautartige Gewächse trägt; in allen Provinzen, selbst in denjenigen russischen, in welchen die Bevölkerung am wenigsten zerstreut ist, wird jetzt der Mangel an Bauholz fühlbar. Der Gebrauch, Häuser von übereinander gelegten Balken zu machen, der unregelmäßige Hieb der Wälder und der Mangel an Pflanzungen haben Liefland, das ehemals mit Eichen, Fichten und Birken bedeckt war, dieses Schmucks fast gänzlich beraubt.

In den Staaten des mittleren Europas ist die Entwaldung nicht soweit vorgerückt, als in den mittäglichen Ländern, weil sich auf ihrem Gebiet die Bedürfnisse der Zivilisation nur einmal fühlbar machten, wogegen die Länder des Südens sie während der zwei langen Perioden empfanden, die für uns das Altertum und die neuen Zeiten bilden. Die Wälder der Niederlande, Frankreichs und Deutschlands sind — ob sie gleich mit denen des Nordens nicht verglichen werden können, — noch sehr ausgedehnt, aber die Bedürfnisse, welche durch die Zunahme der Bevölkerung und die Ausbildung des gesellschaftlichen Zustandes entstanden, haben schon längst alles Gleichgewicht zwischen der Benutzung der Gehölze und ihrer Verjüngung aufgehoben.

Daher ist es merkwürdig, belehrend und wichtig zu wissen, wie groß dieser Ausfall in denjenigen Staaten sei, an deren Wohlstand wir den nächsten Anteil nehmen. Die Angabe desselben in Zahlen ist das einzige Mittel, mit Bestimmtheit die reißende Schnelligkeit der Veränderungen zu würdigen, welche die Ausrottung der Wälder in dem physischen Zustand der Länder herbeiführt. Wir können daraus unmittelbar auf die drohende Nähe oder auf das Fernesein, der Gefahr dieser Veränderungen und folglich auf die mehr oder minder gebieterische Notwendigkeit schließen, dieselben vorherzusehen und ihnen vorzubeugen.

                                - Fortsetzung -