Von Anfang des 11. Jahrhunderts bis auf die Gegenwart sollen nach Weigelt **) nahe an 150 Verheerungen durch Sturmfluten in diesem Gebiet eingetreten sein, sodass darnach durchschnittlich auf jedes sechste Jahr eine kommen würde.

*) Dr. Mein, Abhandlungen zur geologischen Spezialkarte von Preußen und den Thüringischen Staaten, Band I Heft 4, S. 722.
**) Weigelt: Die nordfriesischen Inseln früher und jetzt, S. 157.

Während die Zahl der Überflutungen im 17. Jahrhundert die höchste Höhe erreicht, fällt sie plötzlich im 18. und 19., ein Umstand, der eben nur durch den von hier an erst eifriger und rationeller betriebenen Deichbau erklärt werden muss. Denn, wie Weigelt *) mit Recht behauptet, nicht die Höhe, die das Wasser erreicht, sondern die Verwüstung, die es anrichtet, macht die Sturmflut zu einer großen und historisch denkwürdigen, und in alter Zeit waren eben wegen der geringeren Höhe und des mangelhafteren Zustandes der Deiche auch die weniger heftigen Fluten verderblich und wurden als solche der Nachwelt überliefert. Ein von einem eifrigen Forscher seines engeren Vaterlandes, Herrn Pastor Kuss in Kellinghusen 1825 herausgegebenes Verzeichnis denkwürdiger Naturereignisse in Schleswig-Holstein von den ältesten Zeiten bis anno 1800 zählt außer den sonstigen großen Sturmfluten speziell auch die „maßlos verheerenden“ auf, die ja eben um des geschehenen Land- und Menschenverlustes willen von den Chronisten gewissenhaft gebucht werden. Das Verzeichnis derselben, das von Mein **) aus der chronologischen Folge von Tatsachen der verschiedensten Art herausgezogen worden ist, ergibt nachfolgende Zahlen:


12. Jahrhundert ... 7 verheerende Sturmfluten
13. Jahrhundert ... 7 verheerende Sturmfluten
14. Jahrhundert ... 10 verheerende Sturmfluten
15. Jahrhundert ... 11 verheerende Sturmfluten
16. Jahrhundert ... 28 verheerende Sturmfluten
17. Jahrhundert ... 19 verheerende Sturmfluten
18. Jahrhundert ... 18 verheerende Sturmfluten

Diese Zahlen beweisen wieder deutlich, wie trotz der Zunahme der Eindeichungen doch auch die Verheerungen zugenommen haben, bis man erst in unserem Jahrhundert die Deiche so gebaut hat, dass sie der erfahrungsmäßigen Höhe der Sturmfluten begegnen können. — Alle die verderblichen Fluten, die in den verschiedenen Jahrhunderten Über die sogenannten nordfriesischen Utlande (= Außenlande) hereingebrochen sind, zu schildern, würde schon darum dem Zweck der vorliegenden

*) Weigelt: Die nordfriesischen Inseln früher und Jetzt, S. 157.
**) Mein S. 726.

Untersuchungen nicht entsprechen, weil die vorhandenen historischen Berichte über die älteren Sturmfluten außer der Jahreszahl und dem Datum höchstens noch unsichere Notizen über die Menge der umgekommenen Menschen und weggeschwemmten Dörfer enthalten, das aber, worauf es hier ankommen würde, ein Bild über den Hergang bei der allmählichen Zertrümmerung und Umgestaltung der Utlande, uns nicht liefern. Wie Weigelt *) mitteilt, reicht nach der Landesbeschreibung des Chronisten Danckwerth der festere Zusammenhang der westlichen Gegenden, als diese nur noch von schmalen Seestraßen durchzogen waren, nur bis an die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts; wann ahn' durch gewaltsame Erweiterung dieser Straßen die späteren Inseln gebildet wurden, darüber herrschen nur Vermutungen. So viel jedoch scheint aus den dürftigen Nachrichten mit Sicherheit hervorzugehen, dass die Zeit, welche dem Jahre 1240 folgte, an der Umgestaltung der Utlande den größten Anteil hat. Hier mögen nur einzelne wenige Sturmfluten genannt werden, die das meiste zur Umformung der nordfriesischen Inselwelt beigetragen und auch speziell Sylt betroffen haben.