Fortsetzung 4 - Schlußbetrachtung. Torpedoboot und Unterseeboot.

Als vor einem Jahrzehnt und noch länger die ersten — wie sich später herausstellte, für den Kriegszweck gänzlich unbrauchbaren — Unterseeboote fertig waren, prophezeiten die ganz extremen Unterseebootschwärmer sofort eine vollkommene Umwälzung in der modernen Kriegführung zur See durch die Einführung dieses neuen Kampfmittels.

Wir hatten hier dieselbe Erscheinung wie vor einigen 20 Jahren, als die ersten Torpedoboote aufkamen. Auch damals waren die begeisterten Torpedobootsanhänger keinen Augenblick im Zweifel, daß diese Boote im zukünftigen Seekriege alle feindlichen großen Schiffe von den eigenen Küsten fernzuhalten imstande sein würden und daß deshalb der Bau von vielen Torpedobooten die vornehmste Aufgabe unserer Marine-Verwaltung sein müsse. Tatsächlich verfielen wir denn auch damals in den großen Fehler, den Frankreich mit dem Bau von Unterseebooten vor einigen Jahren unter Herrn Pelletans Regime als Marine-Minister beging: wir vernachlässigten den Bau der uns so dringend notwendigen starken Schlachtschiffe und Panzerkreuzer zugunsten einer großen Zahl von Torpedobooten, um nach einem Jahrzehnt zu der Erkenntnis zu kommen, daß wir einen falschen Kurs eingeschlagen hatten.


Es ist eben ganz anders gekommen, wie die extremen Schwärmer in maßloser Übertreibung und vollkommener Verkennung des neuen Kampfmittels vorausgesagt hatten.

Das Torpedoboot ist längst, und zwar von sämtlichen Marinen, als eine schneidige Gelegenheitswaffe erkannt, der man den meisten Erfolg bei Nachtangriffen zuspricht. Seine Existenz hat nirgends vermocht, eine Umwälzung in der modernen Kriegführung zur See hervorzurufen.

Ähnlich ist es mit dem Unterseeboot gekommen:

Wie oft hört man von Leuten, welche die Schwierigkeiten, mit denen im Unterseekampf gerechnet werden muß, nicht kennen, die Ansicht aussprechen: ,,Das Unterseeboot muß ja im Seekriege eine furchtbare Waffe werden; es taucht unter, geht ungesehen an das feindliche Schiff heran, schießt seinen sicher treffenden Torpedo ab und verschwindet schleunigst wieder, während das feindliche Schiff, tödlich getroffen, kampfunfähig geworden ist, ohne das angreifende Boot auch nur gesehen zu haben.“

Nun, wenn der Verlauf eines Unterseeboots-Angriffes so einfach und die Wirkung desselben so schrecklich wären, dann allerdings würde die Zukunft im Küstenkampfe dem Unterseeboot zweifellos zuerkannt werden müssen; aber so weit wird es nach menschlicher Berechnung voraussichtlich nie kommen.

Der Endzweck eines Unterseebootes ist doch, mit seinem Torpedoschuß ein feindliches Schiff zu treffen und zu zerstören. Um aber mit einem Torpedo ein Ziel zu treffen, ist ebenso wie bei jedem anderen Schießen ein sorgfältiges Zielen notwendig: man muß die Entfernung vom Gegner, dessen Fahrt und Kursrichtung und noch verschiedene andere Faktoren in Rechnung ziehen, um Treffchancen zu haben. Alle diese Faktoren, die man vom schnell laufenden Torpedoboot aus mit einiger Genauigkeit in Rechnung ziehen kann, werden sich vom Unterseeboot nur in den wenigsten Fällen und dann auch nur ungenau schätzen lassen. Das Treffen vom Unterseeboot aus wird deshalb mehr vom Zufall wie von der Kunst der eingeübten Schützen abhängen, und mit dieser Erkenntnis sinkt der Wert des Unterseebootes unter den des Torpedobootes.

Wenn wir somit gesehen haben, daß die Unterseeboote noch weit davon entfernt sind, irgendwelchen bedeutenden Einfluß auf die heutige Seekriegführung auszuüben, so ist doch nicht zu verkennen, daß sie bei weiterer Entwicklung innerhalb der engen Grenzen ihrer Verwendungsfähigkeit Erfolge erringen können, und daß deshalb im zukünftigen Seekriege die Kenntnis von der Anwesenheit solcher Boote einen gewissen moralischen Eindruck auf den Gegner ausüben wird. Aber alle Erfahrungen, die bisher mit den Unterseebooten gewonnen wurden, haben von neuem den Grundsatz bestätigt: daß beim Ausbau einer Flotte der Hauptwert gelegt werden muß auf die Schaffung starker Schlachtschiffe und Panzerkreuzer, und daß daneben der Bau der kleineren Fahrzeuge, besonders der Torpedoboote und Unterseeboote, keineswegs vernachlässigt werden darf.

"Eine Waffe allein“ kann den dauernden Erfolg im Kriege nicht verbürgen: diese Tatsache wurde von neuem bestätigt durch die Ereignisse des letzten großen Krieges in Ostasien.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Unterseeboote.