VIII. Das heutige College.

Risk, Robert K., America at College as seen by a Scots Graduate. Glasgow, 1908. — West, Andrew F., The American College (Monographs on Edtication in the U. S. St. Louis Exposition Public, 1906). — Hill, George B., Harvard College by an Oxonian, New York 1906. — Birdscye, Clarence F., The Reorganisation of our Colleges. New York 1909. — Flexner A., The American College, New York 1908. — Canfield, James H., The College Student and his Problems. New York 1902. — Thwing, Charles F., The American College in American Life. New York and London (Putnams) 1897.

Wir kommen nun zur Beschreibung des heutigen College. Es hat zwei Hauptformen: erstens das allein stehende, sogenannte „kleine College“, das fast nur mit „undergraduates“ zu tun hat. Dieser Typus ist z. B. in Amherst und Williams in Neu-England, Beloit in Wisconsin, Grinell in Iowa, Colorado Springs in Colorado, verkörpert; zweitens das College, das aus den „undergraduate departments“ der größeren Institute besteht, die außer diesen noch „graduate schools“ und Fachschulen besitzen. Das Zuströmen der Studenten zu den „Colleges für Kunst und Wissenschaft“ ist in vielen Fällen sehr groß. Um durch Zahlen zu beweisen, wie weit im Laufe von zwei Jahrhunderten der Begriff College von seiner früheren Bedeutung sich entfernt hat, zitiere ich in numerischer Reihenfolge die zehn der größten Frequenzen des Jahres 1908: ich mache hierbei von den durch Mr. Rudolf Tombo Jr., Sekretär der Columbia-Universität, in „Science“ N. S. Vol. XXVIII pp. 911 ff. (Dez. 1908) veröffentlichten Statistiken Gebrauch:


Undergraduates: Total enrollment:

Minnesota: 3159 4355
Michigan: 3032 4637
Cornell: 2994 4246
Wisconsin: 2735 3237
Harvard: 2734 4336
California: 2543 3199
Illinois: 2504 4052
Yale: 2240 3448
Columbia: 1789 4540
Chicag: 1434 2663

Harvard, das 1850 nur 297 College-Studenten hatte, war 1908 auf 2734 angewachsen. Diese letztere Zahl schließt 394 in Radcliffe College studierende Studentinnen mit ein. Um die relative Größe des einzelnen Colleges würdigen zu können, dürfte es von Nutzen sein, die Frequenz der „graduate schools“ derselben Institute miteinander zu vergleichen; diese sind ebenfalls der Größe nach angeführt:

„Graduate Students:“

Columbia: 737
Harvard: 460
Chicago: 408
Yale: 391
California: 324
Cornell: 246
Illinois: 233
Wisconsin: 216
Michigan: 160
Minnesota: 97

In der Johns Hopkins-Universität, wo Kurse für Graduierte schon vor den Collegekursen gegeben wurden, ist die „graduate school“ im Verhältnis größer als in irgend einem der oben genannten Institute: 177 postgraduates gegenüber 521 im College. Princeton kann vielleicht als eins der besten Beispiele von einem College des erweiterten Typus angesehen werden. Es besitzt keine Fachschulen und eine verhältnismäßig kleine Anzahl von graduierten Studenten, nämlich 91 gegen 1223 Collegeschüler. Stanford gehört mit seinen 1318 undergraduates und 95 graduates ungefähr in dieselbe Klasse, obgleich es jetzt gerade eine Fachschule für Mediziner organisiert. Auch Brown und Dartmouth gehören zu dieser Kategorie, stehen aber dem College näher. Die heutigen Colleges und ihre Stellung innerhalb der Universität lassen sich schwer beschreiben. Sie sind wie Pilze emporgeschossen und haben sich über Nacht zu anormaler Größe entwickelt. Die Folge davon ist eine unzulängliche Organisation, die sich schwer veranschaulichen läßt. Technische Kurse laufen mit den sogenannten Bildungskursen parallel, und Spezialisation mit einer eine allseitige Geistesausbildung anstrebenden Erziehung. Grenzlinien sind verschoben, Anforderungen geändert und noch nicht wieder festgelegt worden. Methoden, die für die Universität charakteristisch sind, haben vereinzelt ihren Weg von oben hineingefunden und sich nach unten durchgearbeitet, ganz wie ein Gegenstand, ein Lehrer oder die Zwecke gewisser Studenten Gelegenheit dafür boten. Eine viel klarere Situation herrscht jedoch in den kleinen Colleges, d. h. in den Instituten, die wenige oder gar keine vorgeschrittenen (professional and graduate) Kurse bieten, und die ebenfalls nicht durch die Schaffung von technischen Schulen in Konfusion geraten sind. Die Beschreibung einer dieser Schulen gibt vielleicht die beste Vorstellung von dem Charakter dieser Colleges. Ich wähle dazu Amherst.

Amherst-College liegt, von den Hügeln und Farmen Mittel-Massachusetts umgeben, in einem unbedeutenden Landstädtchen von ungefähr 5.000 Einwohnern. Die 12 Kilometer entfernte geschäftige Stadt Northampton hat eine Einwohnerzahl von 20.000. Der nächste Ort, der Gelegenheit bietet, etwaige „städtische Gelüste“ zu befriedigen, ist Springfield, in einer Entfernung von 32 Kilometer und mit einer Bevölkerung von 70.000. Das College wurde im Jahre 1821 gegründet, zu einer Zeit, als die Orthodoxie sich anschickte, von neuem gegen die so gefürchteten und verderbten Unitarier zu Felde zu ziehen. Ja, den Absichten der Gründer gemäß sollte es selbst ein Bollwerk des Glaubens sein. In diesem stillen Dörfchen, dicht bei dem alten Versammlungshause der Kongregationisten (Independenten) wurde die Schule von frommen Leuten errichtet, weit entfernt von den Versuchungen der großen Stadt und den Verlockungen Andersgläubiger, zu dem doppelten Zweck, Seelen zu retten und die Gemüter der jungen Leute zu läutern, die seiner Obhut anvertraut waren. Man begann mit einem Wohltätigkeitsfond; Artikel 13 der Satzungen der Gesellschaft, die diesen Fonds ins Leben rief, spricht zwar von einem Änderungsstatut der Satzungen und Lokalgesetze, fügt jedoch hinzu, daß dies nur in einer Weise geschehen dürfe, „die in nichts von dem ursprünglichen Plane abwiche, nämlich durch klassische Erziehung armer junger Leute von Frömmigkeit und Talenten die Welt mit dem Geiste der Kultur und der Liebe des Evangeliums zu erfüllen“. Die Paarung von Begriffen wie „Frömmigkeit“ und „Talent“, „Kultur“ und „Evangelium“ ist kennzeichnend für den Geist, in dem das College gegründet wurde und den es bis auf den heutigen Tag behalten hat. In dieser Hinsicht ist Amherst vorbildlich für die meisten College-Gründungen, nur mag der Zweck der Gründungen hier konsequent zum Ausdruck gekommen sein. Hierin haben die Colleges mit dem Denken und Fühlen des Volkes immer übereingestimmt. Amerika ist vorherrschend und durchaus religiös.

Es besitzt eine Religion männlichen Charakters, die keine Bedenken trägt, sich laut zu bekennen, eine Religion, die bestimmte individuelle und persönliche „Erfahrungen“ erwartet und sich nicht auf eine passive Fügsamkeit gegenüber einem System von Gebräuchen beschränkt. Die meisten amerikanischen Eltern wünschen, daß ihre Kinder ein College besuchen, wo der Einfluß ein religiöser ist und wo denselben die Prinzipien eines christlichen Glaubens eingeprägt werden. Dies muß gerade nicht durch direkten Unterricht oder in der Form eines Dogmas geschehen, als vielmehr durch die allgemeine Atmosphäre des Institutes und das Leben und die geistige Haltung der Lehrer. In den Tagen der Gründung Amhersts gingen ihre Wünsche zweifellos weiter; sie beabsichtigten, daß ihre Kinder „bekehrt“ werden sollten und der Kirche beiträten — und zwar der richtigen Kirche, in der die richtige Lehre verkündet wurde — mit anderen Worten: die Lehre, die ihrer eigenen Anschauung entsprach. Harvard stand zu jener Zeit in starkem Verdacht, die Jugend irre zu leiten. Infolgedessen wurde Yale mehr besucht als Harvard und in den dreißiger Jahren war sogar Amherst zwei Jahre lang trotz der bei weitem geringeren Qualität seiner Ausstattung demselben voraus.

Heute steht in der Mitte der Schulanlagen eine College-Kirche, wo die Studenten jeden Sonntag den Gottesdienst besuchen müssen, wenn sie nicht besondere Erlaubnis erhalten haben, dem Gottesdienst einer selbstgew?hlten Konfession in einer anderen Kirche beizuwohnen. Die Studenten dürfen nur viermal jedes Semester vom Kirchgang fernbleiben. Die Kirche gehört zur Hauptgemeinde der Kongregationisten; wie irgend eine andere spendet sie die Sakramente, hat einen Pastor und eine regelrechte Gemeinde, die sich aus den CollegeProfessoren, deren Familien und den Studenten zusammensetzt. Natürlich steht die von der Kanzel dieser Kirche gepredigte christliche Lehre ganz im allgemeinen mit den evangelischen Grundideen im Einklang; auf der anderen Seite ist sie jedoch auch liberal, lebensstark und ganz dazu geeignet, Herz und Gemüt zu erheben und zu einem edlen Leben zu begeistern. Von einem Glaubenszwang oder sektiererischem Katechisieren ist in der Tat wenig zu finden. Die Tatsache, daß das College noch immer in deutlicher Verbindung mit einer bestimmten Sekte steht, scheint, wie die Sachen heute liegen, ebensoviel zur Vermeidung von Zusammenstößen und Mißverständnissen als zur Aufrechterhaltung von Konfessionsschranken beizutragen. Aus der akademischen Atmosphäre hat sich Gehässigkeit der Sekte zum größten Teile verloren, und die kirchliche Verbindung dient, soweit die College-Kirche in Betracht kommt, kaum einem anderen Zwecke, als der einfachen, wenig prätentiösen Abhaltung von Gottesdiensten.

Der Wunsch, derartige Verbindungen mit Sekten aufrecht zu erhalten, verschwindet überhaupt unter den Colleges mehr und mehr. Die Gründe, auf denen die Verteidigung einer solchen Verbindung jetzt noch fußt, sind in dem „Zweiten jährlichen Bericht des Präsidenten der Carnegie-Gründung“, 1907, pp. 53—57, treffend behandelt. Man glaubt erstens eine bessere Gewähr dafür zu haben, daß der Unterricht auf diese Weise in den Händen tief religiöser Männer verbleibt, zweitens steht damit hinter dem College eine ganz bestimmte Gemeinde, die sowohl für seine finanziellen Bedürfnisse als für die Frequenz der Studenten Sorge trägt. Zweifellos lag früher für viele Institute in ihrer Verbindung mit einer Sekte besonders für die Rekrutierung von Studenten ein bedeutender Vorteil. So wurden z. B. viele Studenten von dem Süden und Westen unfraglich nach Princeton geschickt, weil es allgemein bekannt war, daß das College von den Presbyterianern beaufsichtigt wurde, und nach Brown, weil dieses mit den Baptisten in Verbindung stand. Ein vollständiges Verzeichnis der verschiedenen Formen, unter denen die Aufsicht der Sekten noch über die 509 verschiedenen Colleges und Universitäten ausgeübt wird, ist in dem oben zitierten Bericht, pp. 40—52, gegeben. Aus demselben ist ersichtlich, daß in 167 Fällen — alle römisch-katholisch — das Institut absolutes Eigentum des religiösen Ordens ist. In 111 Fällen werden alle Mitglieder des Aufsichtsrates von Verwaltungskörpern einer Sekte gewählt und in 26 andern wird der größere Teil des Aufsichtsrates so ernannt: in 17 müssen alle „trustees“ zu einer besonderen Sekte gehören und in 54 der größere Teil davon. In nur vier Instituten ist es vorgeschrieben, daß der ganze oder wenigstens der größere Teil des Aufsichtsrates und auch des Lehrkörpers zu einer namentlich angegebenen Sekte gehören müssen. Einschränkungen bei der Wahl der Lehrer sind verhältnismäßig selten. Die kirchliche Zugehörigkeit des Präsidenten ist jedoch oft in dem Freibrief festgelegt oder auf andere Weise vorgesehen. So bestimmt z. B. der Freibrief von Brown, daß der Präsident „für immer der Sekte der Baptisten, oder auch Antipädobaptisten genannt, angehöre“.

Bei der Columbia-Universität scheint die Bestimmung, daß ihr Präsident ein Episkopaler sein müsse, nicht mehr im Freibrief oder sonstwie vorgesehen zu sein, aber die Schenkungsurkunde, wodurch die Trinity -Kirche im Jahre 1755 gewisse Ländereien der Universität (damals noch Kings-College) vermachte, stellt ausdrücklich die Bedingung, „daß der Präsident des genannten Colleges immer ein Mitglied der Landeskirche von England sein und mit ihr in Verbindung stehen solle.“ Eine Anzahl von College-Freibriefen sind kürzlich abgeändert worden, und zwar in der Weise, daß alle Bestimmungen, die die Kontrolle durch irgend eine Sekte betrafen, getilgt wurden. Den ersten Anlaß dazu gab zweifellos die Wirksamkeit der „Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching“, der es durch den Wortlaut ihrer Korporations-Urkunde untersagt ist, Professoren an solchen Instituten Pensionen zu bewilligen, „die von ihren Räten, Beamten, ihrem Lehrpersonal oder ihren Studenten (oder einem größeren Teile derselben) verlangen, daß sie zu einer bestimmten Sekte gehören.

Man kann ebenfalls nicht verkennen, daß die öffentliche Meinung sich im ganzen Lande immer entschiedener gegen diese Sektiererei des Colleges wendet. Keine der tonangebenden Universitäten, mit Ausnahme Chicagos, ist zurzeit gesetzlich und offenkundig an eine Konfession gebunden. Chicago ist jedoch sehr stark gebunden. Sein „Freibrief“ sieht vor, daß der Präsident und zwei Drittel des Aufsichtsrates „zu allen Zeiten Mitglieder regelrechter Baptistengemeinden seien“ und ferner, daß „in diesem besonderen Punkte dieser Freibrief unveränderlich sei“. Die Kosten für den Erwerb des Terrains, auf dem die Hauptgebäude der Universität stehen, sind durch Geldspenden von Mitgliedern der Baptisten-Sekte aufgebracht worden und der Grund und Boden wurde von der „American Baptist Education Society“ der Universität überlassen, unter der Bedingung, daß die Kontrolle über die Anstalt immer in den Händen der Baptisten verbleiben solle. Auch wenn daher die Neigung bestehen sollte, den Freibrief zu ändern, so könnte diese Gesellschaft auf den Wortlaut der Urkunde bestehen, und würde dies gegebenenfalls auch unzweifelhaft tun. Abgesehen von seinem Theologen-Seminar ist jedoch in der Verwaltung der Universität, das verdient allgemein anerkannt zu werden, bisher sektiererischer Geist oder einseitiges Betonen des Interesses der Sekte nicht zutage getreten.

Diese lange Abschweifung hat uns für den Augenblick Amherst und seine Kirche vergessen lassen. Knüpfen wir den Faden wieder an. Neben der Kirche für den Sonntags-Gottesdienst hat Amherst auch — wie die meisten Colleges und Universitäten, mit Ausnahme der Staats-Universitäten — eine besondere Kapelle. Die CollegeKapelle ist ein Saal (gewöhnlich ein besonderes Gebäude), in dem sich die ganze Universitätsgemeinde einmal am Tage, gewöhnlich am Morgen, versammelt, um an einem gemeinschaftlichen Gottesdienst teilzunehmen, der aus Gebet, Singen und dem Verlesen einer Bibelstelle besteht und gewöhnlich mit einigen kurzen Worten der Ermahnung von Seiten des Präsidenten oder eines der Professoren schließt. In Amherst ist der Besuch dieses Gottesdienstes vorgeschrieben; nach den Regeln des Colleges ist es erlaubt, „im Durchschnitt einmal die Woche“ fortzubleiben. Die „Young Men's Christian Association“ ist an jedem amerikanischen College zu finden; sie besitzt im College ein Lesezimmer und die ihr zugewiesenen Räumlichkeiten dienen im allgemeinen als Treffpunkt und Erholungsort, wie auch zur Abhaltung jener eigenartigen, unter dem Namen „prayermeeting“ (Betversammlung) bekannten Religionsübung. Diese Vereinigungen leisten besonders in den größeren Instituten außerordentlich gute Dienste; sie helfen nicht nur den Ankömmlingen, gute Unterkunft zu finden, die Studenten unter einander bekannt zu machen und Geselligkeit zu pflegen, sondern sie unterstützen auch junge Leute, die in Not sind, und verschaffen ihnen Nebenarbeiten.

Beständige Sorge für die moralische Haltung der Studenten ist immer eine offen bekannte Verpflichtung des Colleges gewesen. Schon bei der Gründung verboten die „trustees“ den Studenten, „Spirituosen und Weine, oder irgend ein Getränk, dessen Hauptbestandteil Spirituosen oder Wein seien, in Gasthöfen, Wirtschaften oder Restaurationen zu trinken, Spirituosen oder Wein auf ihren Stuben zu haben, oder sonst zu irgend einer Zeit zu genießen. Innerhalb des Weichbildes der ernsten, keuschen Stadt Amherst ein Getränk zu finden, das stärker als Tee ist, dürfte höchstwahrscheinlich schwer fallen. Einer der Professoren, ein Mann von Ruf und mit den europäischen Gewohnheiten wohl vertraut, erzählte mir einmal, daß einer seiner Freunde, der Mitglied des Aufsichtsrats war und viel zu seiner Anstellung beigetragen hatte, obgleich selbst Weintrinker, ihn dringend gebeten hatte, niemals Wein bei Tisch servieren zu lassen. Dieser Freund hatte nämlich sich im voraus für ihn in diesem Funkte verbürgen müssen, und der Professor blieb der Abrede treu, so lange er dort weilte. Amherst steht hierin durchaus nicht allein, sondern stimmt ohne Frage mit den Ansichten eines großen, stetig wachsenden Teiles der Nation überein.

Die körperliche Gesundheit des Studenten wird ebenfalls unablässig im Auge behalten. Gleich nach seinem Eintritt ins College muß sich jeder Student einer körperlichen Untersuchung durch einen der beiden College-Ärzte unterziehen und erhält seine gymnastischen Übungen zugewiesen. Regelmäßig dreimal die Woche im Herbst und Winter nehmen alle an vorgeschriebenen gymnastischen Übungen in der Turnhalle, einem zweckmäßig mit Badevorrichtungen und Schwimmbassin ausgestatteten Gebäude, teil. Im Falle einer Krankheit ist für den Studenten in einem ausgezeichneten Hospitale gesorgt. Das Hospital ist von drei Graduierten gebaut und ausgestattet und dann dem College zum Geschenk gemacht worden. Ein Turnplatz von 13 Morgen ist mit allen nötigen Vorrichtungen für die landläufigen Sportsübungen, wie „baseball“, Fußball, Lawn -Tennis, Wettlaufen etc., versehen; sogar eine Rollschuhbahn ist vorhanden, auf der, wie der College-Katalog besagt, ein geheizter Bungalow (Pavillon) für die Behaglichkeit der Läufer und Zuschauer Sorge trägt; alles dies ist durch loyale Freigebigkeit einiger Graduierten geschaffen, um dem Ideal des „corpus sanum“ zu dienen. Auf den Turnsport und all die Begleiterscheinungen eines überquellenden Kraftgefühls und ausgelassenen Übermuts werde ich bei einem anderen Anlaß noch ausführlich zurückkommen.

Die Gebäude des Colleges bestehen aus einer Bibliothek — ebenfalls ein Geschenk — die ungefähr 80.000 Bände enthält, einem Kunstmuseum, einer Sternwarte mit durchaus moderner Ausstattung — inklusive eines 18“ (45 cm) Clark-Teleskops — , ausgezeichneten Laboratorien für Chemie, Physik, Biologie, Geologie und zwei Gebäuden für Vorlesungen und andere Zwecke. Das College hat ferner zwei Dormitorien, in denen je 50 bis 60 Studenten untergebracht sind. Die einzelnen Wohnungen bestehen aus zwei Zimmern, einer Studierstube und einem Schlafzimmer; je zwei Studenten wohnen zusammen. Alle Gebäude haben Dampfheizung, die Korridore sind durch Elektrizität erleuchtet, aber sonst im allgemeinen einfach und solide. Ungefähr 200 Studenten wohnen in den Klubhäusern (Verbindungshäusern) der „Greek-letter Fraternities“. Diese „Fraternities“ sind ein Charakteristikum des amerikanischen Colleges, dem wir später noch besondere Aufmerksamkeit schenken werden.

Die Zahl der Studenten des Colleges betrug im Jahre 1909 528 und es ist die Absicht des Institutes, daß diese Zahl womöglich nicht überschritten werden soll. Etwas über die Hälfte der Studenten kommt aus den Staaten New York und Massachusetts, 61 aus den Mittel-Staaten, 21 aus dem Westen und 8 sind Ausländer. Weibliche Studierende sind nicht darunter und auch keine „Graduates“.

Das Lehrpersonal besteht aus 45 Dozenten, von denen einige als produktive Gelehrte großen Ruf genießen. Die Bedeutung der meisten andern liegt jedoch auf rein pädagogischem Gebiet und wird dadurch besonders dokumentiert, daß sie als Herausgeber guter Schulbücher bekannt sind. Der Präsident, ein Mann von makellosem Charakter, feiner Lebensart und guter Welt- und Menschenkenntnis, ist seinem Beruf nach Geistlicher und war, bevor er seine gegenwärtige Stellung erhielt, Professor der Theologie. Er dürfte allgemein als Personifikation alles dessen angesehen werden, was die Amerikaner gewöhnlich unter „gentleman and scholar“ verstehen.

Die meisten Studenten bringen für ihren Eintritt Zeugnisse für die Befähigung im Lateinischen und Griechischen bei; an die Stelle des letzteren kann eine moderne Sprache treten. In dem ersten College-Jahre setzen die Zöglinge das Studium der beiden Sprachen und der Mathematik fort, und außer diesen ist nur noch Hygiene und ein Kursus im Debattieren vorgeschrieben; der Rest der Unterrichtsgegenstände ist freigestellt. Nach dem ersten Jahre ist alles elektiv außer dem Debattier-Kursus im zweiten Jahr. Alle Studenten müssen in jedem Semester 5 Kurse belegen; ein Kursus besteht aus drei einstündigen Vorlesungen pro Woche oder der Zeitdauer nach entsprechenden Laboratoriums-Arbeiten. Die Wahl, die der Student nach dem ersten Jahre je nach Neigung und Interesse trifft, berücksichtigt entweder mehr die naturwissenschaftlichen oder die humanistischen Fächer; es kommt jedoch selten vor, daß einer gänzlich die eine oder die andere Seite vernachlässigt. Der Durchschnitts-Stundenplan, der aus dieser Wahl resultiert, sieht mehr eine allgemeine Bildung als die Vorbereitung zu einem Beruf vor. Der Stundenplan bietet eine verhältnismäßig geringe Auswahl und enthält nur Hauptgegenstände. Diese sind für die humanistischen Fächer: Philosophie, Geschichte, Ökonomie, Staatsverwaltung, Bibel-Literatur, Griechisch, Lateinisch, Deutsch, Romanische Sprachen, Englisch, Debatte, Kunst, Musik; für die Naturwissenschaften: Physik, Chemie, Astronomie, Geologie und Mineralogie, Biologie und Botanik.

Die pekuniären Ausgaben des Colleges werden bestritten aus dem Unterrichtshonorar der Studenten, $ 110.— das Jahr (462 Mk.), und dem Einkommen aus seinem Kapital -Vermögen: $ 1.800.000 (7.500.000 Mk.). Die jährlichen Gesamteinnahmen betragen $ 133.000 (558.600 Mk.), von denen $ 85.500 (359.100 Mk.) für Lehrergehälter verausgabt werden. Das Durchschnittsgehalt eines Professors beträgt $ 2.800 (11.760 Mk.); das eines „assistant Professors“ $ 1.500 (6.300 Mk.); das eines „instructors“ $ 1.200 (5040 Mk.).

Die notwendigen Ausgaben eines Studenten während des Schuljahres belaufen sich, Kleidung und Lebensunterhalt mit eingerechnet, im Jahre auf ungefähr $ 500 (2.080 Mk.) eher weniger als mehr. Hiermit hoffe ich in den Hauptzügen Art, Anlage und Betrieb eines amerikanischen „kleinen Colleges“ gekennzeichnet zu haben.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Unterricht und Demokratie in Amerika