Kapitel 8 - Die Reise von Tübingen nach St. Blasien im Schwarzwald - Hechingen – Unterwegs von Balingen nach Schömberg – Der Straßenbau – Von Frittingen bis Donaueschingen – Der Ursprung der Donau – Weiterfahrt nach St. Blasien – Der Anblick des Stiftes

Ich kannte schon lange den damaligen Fürstenabt des Stifts St. Blasien im Schwarzwald als einen vorzüglichen katholischen Gelehrten; ich wußte auch, daß er nach einer unglücklichen Feuersbrunst sein Stift nebst einer herrlichen Kirche ganz neu aufgebaut hatte. Ich nahm mir also vor, wenn die Wege im Schwarzwald nicht allzu unzugänglich wären, den kleinen Umweg bis nach St. Blasien zu machen. Es erschien mir interessant, einen so merkwürdigen Gelehrten persönlich kennenzulernen; und der ganz sonderbare Anblick, in einer wilden Einöde, von allen Menschen abgesondert, ein prächtiges Stift und eine Gesellschaft gelehrter Theologen zu finden, war schon diese kleine Nebenreise wert.

Wir reisten gleich abends ab und kamen bald über Berg und Tal zu der 2 ¼ Meilen entlegenen Stadt Hechingen, der Residenz des Fürsten von Hohenzollern, am Flusse Stärzel gelegen. Wir erkannten in einer ziemlich heiteren Nacht nur so viel, daß die Straßen bergig und unwegsam, die Häuser der Bürger klein und schlecht sind und das fürstliche Schloß ein großes, nicht modernes Gebäude ist. Die mit vielen Kosten nach des französischen Baumeisters Dixnard Angabe neu erbaute große Pfarrkirche sahen wir nicht.


Wir fuhren auf einer ziemlich guten Chaussee von Hechingen ab und erblickten, da die Nacht heiter war, nochmals das auf einem hohen Berge liegende Schloß Hohenzollern, das Stammhaus der jetzigen Könige von Preußen, das wir schon von der Tübinger Sternwarte gesehen hatten.

Früh gegen 4 Uhr, gerade bei Sonnenaufgang, trafen wir an einem der herrlichsten Sommermorgen in Balingen ein, einem württembergischen Städtchen in einem fruchtbaren Tal, das der Fluß Eiach durchfließt. Das Bergschloß Hohenzollern, von der aufgehenden Sonne hell beleuchtet, fiel uns hier in der Ferne wieder sehr vorteilhaft in die Augen. Ganz in der Nähe zeigte man uns einen Berg, Heuberg genannt, welcher unter dem dortigen einfachen Volk wegen Hexentänzen ebenso übel berüchtigt ist als der Brocken bei den einfachen Leuten des nördlichen Deutschlands.

Hechingen und der Hohenzollern

Der schwäbische Dialekt ändert sich hier schon merklich. Die Vokale werden viel länger gezogen, und die Aussprache hat weit mehr Akzente als in Tübingen. Die Einwohner sind stark und munter, besonders die jungen Leute. Die jungen Weibspersonen, obgleich etwas derb, sehen schön und gesund aus. Sie haben dabei eine ganz besondere Tracht, die ihnen nicht übel steht.

Unweit Balingen ist ein Ort namens Grosselfingen, zu Hohenzollern-Hechingen gehörig, in welchem alle Jahre einmal ein sogenanntes Narrengericht abgehalten wird. Die Einwohner haben das Recht, jedem Fremden an diesem Tage die Wahrheit ins Gesicht zu sagen oder ihm eine Strafe aufzuerlegen. Der Ursprung dieser alten Gewohnheit ist nicht bekannt. Es wäre bestimmt sehr gut, wenn man auch an anderen Orten Narren hielte, die wenigstens alle Jahre einmal, auch den Einheimischen, die Wahrheit sagen dürften. Es gibt freilich noch hin und wieder Narren, welche die Wahrheit sagen, ohne es zu dürfen. – Ich bekenne gern, mich zuweilen dieser Narrheit schuldig gemacht zu haben.

Die gute württembergische Chaussee geht von Balingen noch ungefähr eine Meile bis an die Grenze. Wenn man daraufhin in die vorderösterreichische Grafschaft Hohenberg kommt, vermißt man sie sehr und kommt bald auf so abscheuliche Wege, die man in einem Lande wie Österreich, das wegen seiner guten Wege mit Recht so berühmt ist, am wenigsten vermuten sollte. Eine halbe Meile lang geht es noch leidlich. Nachher aber muß man einen hohen Berg hinan und dann in ein tiefes Tal, und nachdem man eine steinerne Brücke über einen Bach passiert hat, der oft sehr reißend werden soll, so muß man wieder einen äußerst steilen Berg hinauf. Wehe dem Reisenden, der diesen Berg im Regenwetter oder gar im Winter überqueren muß! Es ist nicht möglich, beim Heraufsteigen im Wagen zu bleiben, und beim Herunterfahren möchte es beinahe noch weniger ratsam sein. Der Weg ist zwar gepflastert, aber voller Höcker und tiefer Löcher, oft vier bis sechs Fuß lang und breit, so daß man alle Augenblicke glaubt, der Wagen wird umstürzen oder zerbrechen.

Auf der Anhöhe liegt Schömberg, ein kleines vorderösterreichisches Städtchen. Die Häuser sind von Fachwerk, waren aber alle weiß und rot frisch angestrichen; daher gaben sie nebst den Springbrunnen von frischen Quellwassern dem Städtchen ein munteres Ansehen. Doch ist selbst in dem Städtchen das Pflaster so abscheulich, daß man unmöglich im Wagen bleiben kann. Ehe man in die Stadt kommt, hat man, vom Bergrücken sich zurückwendend, eine ganz herrliche Aussicht in die romantischen Täler und umliegenden Berge des württembergischen Landes. Jenseits der Stadt schien das Land nicht sehr fruchtbar und auch sehr wenig kultiviert zu sein, doch war eine ziemliche Strecke lang der Weg zu beiden Seiten mit Hecken besetzt. Etwa eine Viertelmeile von dem Städtchen Schömberg fanden wir Spuren der löblichen Sorgfalt der österreichischen Regierung, indem hin und wieder an einzelnen Stellen, die vermutlich die unwegsamsten gewesen waren, eine Chaussee gemacht ward. Nötiger aber wäre es wirklich gewesen, den Aufgang an dem steilen Berge von der anderen Seite der Stadt zuerst in guten Stand zu setzen.

Balingen, am Fuße der Schwäbischen Alb

Es war mir übrigens interessant zu sehen, wie hier die Chausseen gemacht wurden. Zuerst grub man zu beiden Seiten des sandigen oder lehmigen Weges, denn der Boden hat hier abwechselnd beiderlei Beschaffenheit, Gräben aus, etwa sechs Fuß breit und tief. Darauf wurden Stücke aus Kalkstein von ungefähr einem Fuße im Quadrate und drei bis sechs Zoll dick, welche dicht am Wege gebrochen worden waren, ordentlich nebeneinander und übereinander geschichtet, so daß sie in der Mitte eine rundliche Erhöhung bekommen. Auf beiden Seiten wurden starke Steine, mehr als einen Fuß hoch, auf die hohe Seite nebeneinandergesetzt, um als eine Art Widerlager zu dienen. Die Unterlage ward mit kleingeschlagenen Stücken Kalkstein bedeckt, so daß in der Mitte eine rundliche Erhöhung entstand, und darauf wurden ganz kleine zerbröckelte Stücke Kalkstein (nach österreichischem Ausdrucke Schotter) geschüttet. An einigen Orten tat man das nicht einmal, sondern ließ nur die aufgeschütteten, größeren Stücke von den Wagen zerstoßen und zusammenfahren, welches aber für die Räder der Wagen und für die Hufe der Pferde eben nicht vorteilhaft ist. Beim Anblick dieser begonnenen Chaussee fiel mir sehr lebhaft auf, daß durch die Kalkbrüche bei Rüdersdorf, zwei Meilen von Berlin, alle sandigen Wege um Berlin verbessert werden könnten, selbst wenn man nicht eigentliche Chausseen machen wollte, und daß dazu der Abraum und die kleinen Stücke, welche beim Kalkbrechen übrigbleiben, sehr nützlich angewendet werden könnten.

Schömberg

Wir fuhren ziemlich lange auf einer nichtbebauten Allmende auf beständiger Ebene fort. Nur an dem nahe vor uns liegenden Horizonte war zu erkennen, daß wir uns auf einem hohen Berge befanden. Endlich fing der hohe Berg an sich abwärts zu neigen, und zuletzt fuhren wir ziemlich steil hinunter in ein geräumiges Tal, in welchem links, wo es sich etwas öffnet, an den Bergen lauter schöne fruchtbare Felder lagen, damals meist reif zum Schnitte. Sonst lag alles Land ganz wüst, und in einem kleinen Wäldchen von Tannen und jungen Eichen war nicht die geringste Spur einer forstmäßigen Kultur zu bemerken. Nachdem wir wieder etwas in die Höhe gefahren waren, kamen wir durch Frittingen, einem der Zisterzienserabtei Rothmünster gehörigen Marktflecken. An einem kleinen Umstande war zu merken, daß wir in einem geistlichen Gebiet waren, wo die Leute durstiger sein sollen als anderswo. Vor verschiedenen Häusern dieses kleinen Orts war auf schwarz angestrichenen Bänkchen ein schwarz angestrichener hoher Würfel aus Holz gesetzt, auf dessen Seiten 3B und auf einigen 4B zu lesen war. Dies bedeutet, wie wir belehrt wurden, daß daselbst Wein zu drei oder vier Batzen verkauft werde, obgleich hier wegen des rauhen Klimas kein Wein wächst.

Hinter diesem Flecken ward der Weg noch schlechter. Wir mußten beinahe in einem Winkel von 45 Grad herabfahren und dann wieder einen Berg hinauf und wieder herunter, alles auf abscheulichen, ausgewaschenen, steinigen Wegen. Überdies hat man hier alle Arten schlechter Wege zusammen. Da ist sandiges, lehmiges, morastiges Land, und Steine und Löcher gibt es die Fülle. Selbst die Chaussee, welche damals angefangen und noch nicht fertig war, erschütterte alle Eingeweide, wenn man, aus Mangel eines Seitenweges, darüber fahren mußte und der Wagen von einem spitzen Stein auf den anderen fiel. Das Angenehmste war dabei, daß man von den Anhöhen fast überall die Bauern beobachten konnte, wie sie das Getreide mit Sicheln schnitten, und daß an dem Abhange der nie bewachsenen Berge große Viehherden weideten. Es war also, so weit man sehen konnte, alles lebendig, ausgenommen beim Chausseebau. Derselbe wurde nur an einzelnen Stellen betrieben, so daß oft auf langen Strecken nichts davon zu sehen war, und nirgends waren mehr als eine oder zwei Personen damit beschäftigt, vermutlich weil es in der Erntezeit war. Diese Gegend heißt das Spaichinger Tal, welches wir durchquerten und dabei über das Flüßchen Prinn fuhren. An einer wohlgebauten Chaussee merkten wir, daß wir wieder im Württembergischen waren. Auf derselben fuhren wir im Galopp den Berg hinunter und ebenso wieder hinauf und waren in dem württembergischen Dorfe Aldingen, wo ein Postwechsel ist.

Von da geht der Weg abermals bergauf und bergab; folglich kommt man sehr langsam voran. In dieser Gegend, welche zum württembergischen Amt Tuttlingen gehört, ist das Land schlecht kultiviert. Man fährt über Gemeinweiden oder über Ländereien, welche seit langer Zeit nicht beackert oder besät worden sind. Wenn der Boden auch grün bewachsen ist, so macht doch diese öde Gleichförmigkeit dem Auge, welches an Spuren der Fruchtbarkeit und des menschlichen Fleißes gewöhnt ist, einen unangenehmen Eindruck. Weit und breit sah man kein Dorf. An einem Orte bauten sich ein paar Leute ein Haus ganz aus Holz und bettelten uns dabei an. Man sah hin und wieder Quellen durch Röhren geleitet, die sich in Tröge ergießen, vermutlich zum Tränken der Schafe, die hier weiden; doch erblickten wir keine Herde. Ich dachte beim Anblick dieser Gegend an die patriotischen Württemberger, welche behaupten, die Einwohner ihres Landes müssen wegen allzu starker Bevölkerung auswandern. Hier wäre doch ein Platz, wo sich noch manche ansiedeln könnten; und sollten nicht noch manche andere Plätze wie diese vorhanden sein, welche urbar gemacht zu werden verdienen?

Wir fuhren nach einiger Zeit über die letzte württembergische Grenze und kamen nun um ein Uhr in den Marktflecken Donaueschingen, der bekannten Residenz des Fürsten von Fürstenberg. Dieser Ort liegt in einer fruchtbaren Gegend, und längs des Weges war man mit dem Schneiden des Getreides beschäftigt, welches hier mit der Sichel geschieht, und zwar meistens durch Schweizer, welche wegen der Arbeit in der Erntezeit hierherkommen, so, wie die westfälischen Bauern nach Holland gehen. In Holland ist dies zu begreifen, da dies Land seine Einwohner mit Seefahrten, Handel und Manufakturen genug beschäftigt; sollten aber hier, wo die Einwohner weder Manufakturen noch sonderlich viel Handel haben, nicht Menschen genug sein, um die Ernte zu besorgen? Die Viehzucht ist hier beträchtlich, und uns begegneten Herden des schönsten großen Hornviehes.

Donaueschingen hat architektonisch nicht unbedingt schöne, aber viele sehr gute Häuser aus Bruchsteinen gebaut. Das fürstliche Schloß ist drei Geschoß hoch, eben nicht modern, aber doch ansehnlich. Die Kanzlei und das Gymnasium sind auch beträchtliche Gebäude. Alles sieht übrigens hier froh und wohlhabend aus. Die Einwohner sind ein großer Schlag von Leuten und sehen viel heiterer aus als die Württemberger in kleinen Städten. Die Mundart weicht aber sehr von der schwäbisch-württembergischen ab und nähert sich schon der schweizerischen Mundart. Die Fürstenberger sprechen auch, so wie die Schweizer es gewöhnlich tun, mitunter ein Wort französisch, welches man im Württembergischen gar nicht findet.

Etwa vier Stunden entfernt, zu Herzogsweiler, ist eine dem Fürsten gehörige Glashütte, wo gutes weißes Glas gemacht wird.

Hier zogen wir über den rechten Weg nach dem Stifte St. Blasien genauere Erkundigung ein. Da wir aber vernahmen, daß wir, wenn wir auch augenblicklich fortgereist wären, denselben Tag nicht vor abends elf Uhr im Stifte ankommen könnten, welches unschicklich gewesen sein würde, hielten wir uns hier an diesem angenehmen freundlichen Orte gern einige Stunden auf.

Man kann sich wohl denken, daß wir in das Schloß gegangen sind, um den sogenannten Ursprung der Donau zu sehen. Es ist nämlich, wie bekannt, im Hofe des Schlosses ein mit Steinen eingefaßtes Bassin, etwas 20 Fuß im Quadrat, das aus verschiedenen Quellen entsteht, aus welchem der Abfluß bis in die Donau geht. Dieser ist etwa 1½ Fuß breit, gleichfalls mit Quadersteinen eingefaßt, über welchen wir einen Schritt taten, um, wie viele Reisende sagen können, wir seien über die Donau geschritten.

Die Meinungen über den Ursprung der Donau sind sehr verschieden, und der Wortstreit darüber wird in kleinen Zirkeln zuweilen ernsthafter geführt als im größeren Kreis der Streit über den Ursprung des Nils. In Donaueschingen dürfte wohl niemand behaupten, daß dort die Donau nicht entspringe, denn das würde dort sehr übelgenommen werden.

Im württembergischen Teil des Schwarzwaldes, am Fuße des Hirschberges oder Hirzberges, eine halbe Meile vom württembergischen Kloster St. Georgen entfernt, entspringt ein Flüßchen, die Brig oder Brigach genannt, welches nahe bei Donaueschingen den Namen Donau annimmt, wie die Württemberger sagen, aber in die Donau fließt, wie zu Donaueschingen behauptet wird. Wenn man aber unparteiisch sein will, kann man schlecht behaupten, ein größeres Wasser, die Brig, welches schon über ein paar Meilen geflossen ist, münde in einen Bach, der im Schloß zu Donaueschingen seinen Ursprung nimmt, nur ein paar Fuß breit ist und kaum etwa 1000 Fuß weit fließt. Dessen Quelle kann demnach nicht die Quelle der Donau genannt werden. Eigentlich muß man sagen: Da, wo bei Donaueschingen ein sehr kleiner Bach in die Brig fließt, oder besser, wo 1000 Schritt weiter herunter der Fluß, die Brig, mit einem andern Flusse, die Breg genannt, zusammenfließt, erhält dieser vereinigte Fluß den Namen Donau.

Wenn man von Donaueschingen wegfährt, passiert man die Brig auf einer hölzernen Brücke und kommt auf eine schöne Chaussee, die auch mit jungen Bäumen besetzt ist. Das Land ist sehr fruchtbar, weshalb die Dörfer ziemlich dicht beieinander liegen. Von weitem sieht man links auf einem hohen Berg das Schloß und Städtchen Fürstenberg, das Stammhaus des gleichnamigen Fürstengeschlechtes.

Das Posthaus zu Unadingen, 1 ½ Meilen von Donaueschingen entfernt, ist ein einzelnes steinernes Haus, zwischen zwei ziemlich hohen mit Nadelholze bewachsenen Bergen gelegen. Der Posthalter, der mit seinen grauen Haaren und seinem ehrlichen Gesicht wie ein Patriarch aussah, sagte uns mit treuherzigem Wohlgefallen, daß er es selbst gebaut habe. Der Ton seiner Sprache war schon ganz schweizerisch. Ich war hier mit Vergnügen Zuschauer der Verhandlung seiner Tochter, eines schönen blonden Mädchens, mit einer alten Näherin. Das Ganze spielte sich im Freien, im Halbschatten des Hauses ab, und die Beleuchtung der Nachmittagssonne war sehr malerisch. Die Verhandlung betraf ein braunes Mieder, mit silbernen Tressen besetzt, und verschiedene bunte Bänder, die sie darauf nach ihrer Phantasie geordnet wissen wollte und darüber sehr ernstlich verschiedene Vorschläge machte und von der alten Frau anhörte. Die Sache war auch wichtig, denn das Mieder ward für ihren nahe bevorstehenden Hochzeitstag hergerichtet. Es war artig, in dieser Einöde die Liebe zum Putz so geschäftig zu sehen. Die Braut hatte selbst schon ein Mieder an, mit bunten Bändern und Tressen besetzt. Als Gürtel schlang sich eine Kette um den Rock, sehr hoch angesetzt, fast unter dem Busen. Sie trug eine Schürze von schwarzem Zeug, einen Strohhut, mit feiner Koketterie schief gesetzt, und von ihrem Haupte hing ihr blondes Haar in zwei langen Zöpfen, mit blauem Bande durchflochten, welches bis auf die Erde hing.

Bei Unadingen hört die Chaussee auf, und nun fängt einer der wildesten Bergwege an, weshalb wir hier zum ersten Male drei Pferde nehmen mußten, nachdem wir bisher auf der ganzen Reise immer mit zweien recht gut fortgekommen waren. Der Anfang des Weges ist noch sehr angenehm. Er geht gleich ziemlich steil bergan, aber beständig zwischen Getreidefeldern, bis er sich um einen mit Tannen und niedrigem Laubholze bewachsenen Berg windet, wo er in ein höchst anmutiges Tal hinunterführt. Dasselbe durchläuft ein rieselnder Bach, der nicht nur eine Mühle treibt, sondern vermittels kleiner gezogener Kanäle und kleiner Schleusen viele Wiesen bewässert. Diese Spur menschlichen Fleißes in einer solchen Einöde, im Kontrast mit den gegenüberstehenden, mit dunklem Nadelholz bewachsenen Bergen, machte ein liebliches Gemälde.

Hinter Rieselfingen hört plötzlich jede Spur menschlicher Industrie auf, welche uns seit Donaueschingen so angenehm beeindruckt hatte. Der Weg wird steinig und fast nicht befahrbar, und da, wo die dem Stifte St. Blasien gehörige Grafschaft Bondorf angeht, fängt die Gegend an, sehr wild zu werden. Nun merkt man, daß man im Schwarzwald ist.

Das Dorf Boll, hier Bohl ausgesprochen, das erste in der dem Fürstenabte von St. Blasien gehörigen Grafschaft Bondorf, liegt von Gebüsch verdeckt am Abhang eines Berges sehr sonderbar. Die Häuser hängen übereinander, und die Kirche liegt ganz hoch auf dem Felsen, an dessen Seite sich wieder ein Bächlein in den Grund stürzt.

Und nun ging der Weg aus diesem romantischen Tale wieder sehr steil in die Höhe. Aus dem düstern, wilden, engen Wege herausgeschleppt, fanden wir an dem schönsten Sommerabend den Mond aufgegangen und erblickten vor uns volle Getreidefelder, wallend in hellem Mondenlicht, und rückwärts eine herrliche Aussicht in eine weite bergige Landschaft. Die Überraschung war äußerst angenehm. Wir fuhren, als es schon dunkel war, wieder hinunter in den Marktflecken Bondorf, den Hauptort der Grafschaft dieses Namens. Wir waren also auf dieser Strecke, welche eigentlich nur knapp zwei Meilen lang ist, ganze vier Stunden gefahren.

Bondorf ist ein mäßiger Marktflecken, dessen Einwohner sich bloß vom Getreideanbau ernähren. Sie scheinen wohlhabend zu sein und sind wie alle Bewohner des Schwarzwaldes ein starker, gesunder Schlag von Leuten. Man rechnet hier, daß man nicht viel mehr als ein Vierteljahr Frühling und Sommer und beinahe ein Dreivierteljahr Winter hat. Dabei wächst drei bis vier Meilen weiter, nach Schaffhausen zu, schon Wein. So erstaunlich ist das Klima der rauhen Berge und wilden Täler von dem Klima des ganz nahe liegenden offenen Landes unterschieden. Indes wurden in diesem rauhen Landstrich dennoch Roggen, Gerste, Hanf und auch viel Kartoffeln angebaut. Das Getreide wird nach den Städten Zurzach und Schaffhausen zum Kloster Reichenau und auch nach dem Stifte St. Blasien geführt. Die Leute sind doch ziemlich mit Steuern belastet und müssen in diesem unwegsamen Land für den Landesherrn ungemessene, d.h. nicht fest vereinbarte, Fronfuhren gegen eine geringe Vergütung ausführen. Dies kleine Ländchen hat zum Bau des abgebrannten Stifts 9000 Gulden freiwillig aufgebracht.

Ein romantisches Schwarzwaldtal

Wir übernachteten hier und fuhren sehr früh weiter. Es war uns sehr wohl zumute, teils wegen des herrlichen Sommermorgens, teils weil von hier an der Weg eine gute Chaussee wurde. Der auch als Gelehrter berühmte Fürstabt Martin II. hat diese Chaussee gleich nach Antritt seiner Regierung in nicht ganz zwölf Monaten in den Jahren 1765 und 1766 erbauen lassen. Es ist dies unter den vielen Verdiensten, welche dieser edle Fürstabt um dieses Land hat, eins der wichtigsten. Denn in so wilden Bergen und Tälern, wo man kaum vorankommt, ist ein so guter Weg dreifachen Dank wert.

Doch geht dieser Weg immer bergauf und bergab. Auf beiden Seiten sind fast immer entweder hohe Felsen oder aufgeschüttete Sandgebirge, alle mit hohen Tannen bewachsen; selten sieht man einige Getreidefelder und nur zuweilen einzelne Häuser, nach der im Schwarzwalde üblichen Bauart aus aufeinandergelegten Balken bestehend, auf welchen ein hohes steiles Strohdach liegt, das zu beiden Seiten fast bis auf die Erde reicht. Hinter dem Dorfe Balzhausen, etwa eine halbe Meile von Bondorf, ist dicht am Wege, welcher hier nur so breit ist, daß sich zwei Wagen kaum würden ausweichen können, ein jäher Absturz in ein tiefes, dicht mit hohen Tannen bewachsenes Tal, worin der Steinerbach herabrauscht. In dieses tiefe Tal schien die Sonne von oben hinein, indes wir im Schatten fuhren. Dies erzeugte eine wunderbare Wirkung, welche kein Maler würde ausdrücken können. Es sah fürchterlich schön aus.

Etwa auf dem halben Wege kommt man auf einer Brücke über das Flüßchen Schlich oder Schwarzach und behält dicht zur Rechten den Schluchsee, durch welchen dieses Flüßchen fließt, bald nachdem es entsprungen ist. Auf dem Weg von Bondorf aus fährt man bei drei Schneidemühlen vorbei. Bald darauf erblickt man ein artiges kleines Lusthaus. Man wird verführt, es in der Ferne schon für das Stift zu halten. Aber Erstaunen und Bewunderung ergreift den Wanderer, wenn er hier vorübergegangen, wieder weiter nichts als die hohen, dicht mit Tannen bewachsenen Berge sieht und sich dann bei der nächsten Wegbiegung mit einem Male die Aussicht erweitert und plötzlich – in einem engen Tale zwischen hohen Bergen, mit düsteren Fichtenbäumen bewachsen – das große, majestätische Gebäude dasteht. Der Eindruck ist unbeschreiblich, in dieser rauhen Gegend ein so weitläufiges, wohlgeordnetes Gebäude zu erblicken.

Fürst Martin II. hatte bekanntlich das Unglück, daß 1768, nachdem er noch nicht vier Jahre regiert hatte, das ganze Stift durch einen unvermuteten Zufall abbrannte. Er faßte den großen Gedanken, sein Stift von Grund auf ganz neu und in edler Baukunst wieder aufzubauen, was auch hinsichtlich der Kosten ein wichtiges Unternehmen war. Man rechnet die Einkünfte des Stifts jährlich ungefähr auf 80 000 Gulden, und der ganze Bau soll, nebst allem, was dazugehört, über 700 000 Gulden gekostet haben. Doch weiß ich beide Summen nicht zuverlässig, sondern nur vom Hörensagen. Der Bau ward im Jahre 1770 begonnen. Als ich das Stift sah, war es selbst, aber noch nicht die Kirche, inwendig ganz fertig. Es ist erstaunlich, daß in dieser abgelegenen Gegend so imposante Gebäude in so kurzer Zeit haben fertiggestellt werden können. Man muß dabei noch bedenken, daß wegen der Rauheit des dortigen Klimas, in dem es gewöhnlich gegen Ende September schon zu schneien anfängt, von Oktober bis in den April nichts gearbeitet werden konnte; desgleichen, daß der größte Teil der Steine drei bis sechs Stunden weit zu Lande herbeigeführt werden mußte.

Gleich in der Mitte des Gebäudes fällt die Kirche mit ihrer erhabenen Kuppel und zwei Vorsprüngen sehr vorteilhaft in die Augen. Auf jeder Seite sieht man eine lange Fassade von 15 Fenstern. Innen wird das ganze Gebäude in zwei Teile geteilt, so daß es zwei große Höfe in sich schließt. Die Gebäude, welche den Hof linker Hand umschließen, gehören zur Abtei, und die rechter Hand jenseits des Chors gehören zur Klausur oder zum eigentlichen Kloster. Außerdem sind auch, wie man sich leicht vorstellen kann, viele Wirtschaftsgebäude, Wohnungen für den Kanzler, den Arzt, den Wundarzt und die übrigen weltlichen Beamten, desgleichen ein Wirtshaus vorhanden. Ein Dorf oder Flecken ist weder dabei noch in der Nähe, so daß Fürstabt Martin II. am Anfang seines Iter alemannicum mit Recht sagen konnte, sein Stift sei in remotissimis ereneis gelegen.

Es wundert mich, daß in der Geschichte dieses Stifts keine Nachricht zu finden ist, welcher heilige Blasius eigentlich die Ehre hat, Schutzpatron eines Stifts zu sein, in dem in diesem Jahrhundert soviel würdige gelehrte Männer lebten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Unter Bayern und Schwaben