Unpolitische Bilder aus St. Petersburg. 04. Das Peterhofer Fest.
Skizzen, nach dem Leben gezeichnet
Autor: Jerrmann, Eduard (1798-1859) Schauspieler, Puppenspieler, Landwirt, Erscheinungsjahr: 1851
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Russen, Leibeigenschaft, Bauern, Reformen, St. Petersburg, Heimat, Hauptstadt, Land und Leute, Militärdienst, Sitten und Bräuche,
Die Sommer-Aufenthaltsorte des Kaiserlichen Hofes sind im höchsten Grade reizend. Gewöhnlich begibt sich Derselbe mit Frühlingsanfang nach Sarskojè-Sélo, wo er bis Anfang Juni verbleibt. Von da geht er nach Peterhof, dann gewöhnlich mit dem Monat September nach Jelagyn, und von da zurück nach Sarskojè-Selo, von wo er gewöhnlich am 9. November die Residenz in Petersburg wieder bezieht. Die prunkvollen Gebäude dieser Sommer-Sitze einerseits, mit den herrlichen Monumenten und Statuen, die sie umgeben, die bezaubernden Anlagen, Alleen, Baumgärten andererseits, führen uns wie mit Zauberschlag aus dem eisigen Norden hinweg und versetzen uns in die milde Zone des Südens. — Vor Allem ist es Peterhof, das das Interesse des Fremden auf sich zieht. Schon seine Lage bietet einen vorzüglichen Reiz. Gegen Norden, am Ausfluss der Newa gelegen, Kronstadt gegenüber, das man durch einen Tubus mittlerer Größe vollkommen erkennt, imponiert es von dieser Seite nicht minder durch die Großartigkeit der Naturscene, welche es bietet, als von der entgegengesetzten durch die Fülle des Reizes, in dem die lieblichsten Blumengange, die üppigsten Garten- und Parkanlagen in ruhiger Erhabenheit prangen. Peterhof ist in der Regel nur wenig besucht. Der 1. Juli aber, nach russischem Styl, entschädigt diesen lieblichen Sommeraufenthalt reichlich für die Vernachlässigung, welche er von den Residenzbewohnern das Jahr über erfährt. An diesem Tage — den 13. Juli deutschen Stils — dem Geburts- und zugleich Vermahlungstage der Kaiserin, strömt das Volk im bunten Gemische und ungeheurem Wogen zu dem berühmten „Peterhofer-Feste", das in der Tat, im buchstäblichsten Sinne, die herbeiflutende Menge nicht zu fassen vermag. Vom frühsten Morgen an ist die Newa mit Dampfschiffen, Kähnen und Gondeln bedeckt, die Landstraßen sind mit Fuhrwerk aller Art gefüllt, das den Staub nicht scheut, um den Ort der Freude zu erreichen, wo von allen Lebensgenüssen der der Bequemlichkeit den Besuchern am wenigsten zu Teil wird. Zwar sind enorme Zelte aufgeschlagen, die dem Erschöpften Ruhe und Erquickung bieten, aber teils ist der Andrang so außerordentlich, dass man das mühsam erkämpfte Plätzchen kaum behaupten kann, teils treibt auch die Hitze die kaum Angekommenen wieder ins wilde Gewirre hinaus, sich halb gegen ihren Willen an dem Reize des Ortes und dem Tumult und Drängen der wogenden Menge zu ergötzen. So geht es denn von einem Palast, von einem Garten in den andern, bis endlich gegen Mittag die Kaiserin sich auf dem Balkone des Schlosses zeigt und dort die Parade abnimmt. Nachdem die Truppen vorüberdefiliert, erscheinen noch die Ordonnanzen der verschiedenen Korps, unter denen sich namentlich die Tscherkessen durch Persönlichkeit, Tracht und Waffenübung auf das Glänzendste auszeichnen. Nach der Parade, welcher Gottesdienst vorangeht, folgt in der Regel große Cour, dann eine Spazierfahrt durch den Park und Mittagstafel, der sich gegen 8 Uhr Abends der Ball im Schlosse anreiht. Auf diesen, Ball ist Jedermann ohne Ausnahme willkommen. Wir sehen neben den elegantesten Toiletten und glänzendsten Uniformen die gewöhnlichen Trachten des Landes in Menge, was der allgemeinen Lust keinen Eintrag tut. Plötzlich erschallt das Wirbeln der Musik: durch die geöffneten Flügeltüren treten zwei Kammerherrn, welche die Anwesenden auf das Höflichste ersuchen, für die nahenden Majestäten Raum zu geben; so viel es der ungeheure Andrang erlaubt, tritt jeder bescheiden zurück und die Polonaise bewegt sich nun, den Kaiser an der Spitze, durch die ausgedehnte Saalreihe, bis sie, von Allen gesehen, von Allen auf das Freudigste begrüßt, im Hauptsaal, wo sie begann, wieder endet.
Auf ein Zeichen der Kaiserin wird nun plötzlich der ganze ungeheure Garten erleuchtet. Dies geschieht wie durch Zauberschlag. Die Flämmchen fliegen von den untersten Sprossen blitzschnell bis hoch hinauf in die Gipfel der Bäume; ehe eine Viertelstunde vergeht, steht Garten und Park wie in Flammen. Im rauschenden Strom stürzt sich die Welle der Kaskade über die, scheinbar brennenden, Stufen, deren wohlgeschützte Flammen den zischenden Strom in hundertfarbiger Glut erscheinen lassen und dem Auge einen Anblick bereiten von der überraschendsten, imponierendsten Art. Die großartigste dieser Erscheinungen bietet offenbar die „goldene Treppe", die, nächst dem „Herkules", ein Wasserspiel entfaltet, mit dem sich selbst die „großen Wasser" in Versailles in keinen Wettstreit einlassen dürften. Und nun denke man sich diese ungeheure Illumination in der kolossalsten der Wasserkünste sich spiegelnd, dazu den Reflex dieser himmelanstrebenden Glut, in der Bucht des Meeres, das Rauschen der Musik im Palaste, unterbrochen durch das Aufsteigen der Raketen, durch das Krachen der Kanonen am Bord der Schiffe vor Kronstadt — hierzu den fröhlichen Gesang der unzähligen Gruppen, die von Tausenden und aber Tausenden gebildet, welche, hier unter freiem Himmel ein Nachtquartier suchen, in den verschiedenartigsten und malerischsten Trachten an Feuern umherliegen und jubelnd oder träumend dem anbrechenden Morgen entgegenharren, — wahrlich! dieses Fest gehört zu den schönsten, die man ersinnen kann, und wirkt wahrhaft erhebend auf das Gemüt.— Mit zehn Uhr endet der Ball; nun finden gewöhnlich noch kleine Fahrten des Hofes auf den Longen statt — eine Art sehr langer Droschken, auf denen die Fahrenden zu beiden Seiten derselben sitzen, — diese tummeln sich durch die illuminierten Gänge und die gedrängte Menschenmasse noch ein Weilchen umher, und mit ihrer Rückkehr ins Schloss, das sich dann plötzlich verfinstert, hört auch allmählich das Wogen in den Laubgängen des Gartens auf, jeder sucht seine Ruhestatt so gut er sie findet im Zelt auf, in, oder unter den Wagen, endlich an großen Wachtfeuern auf den offenen freien Plätzen, und so kommt allgemach der Morgen heran, wo man zu Land und zu Wasser schon in der ersten Frühe aufbricht. So endet das Peterhofer Fest, das ohne Widerrede eine der großartigsten und schönsten Volksbelustigungen bietet.
Auf ein Zeichen der Kaiserin wird nun plötzlich der ganze ungeheure Garten erleuchtet. Dies geschieht wie durch Zauberschlag. Die Flämmchen fliegen von den untersten Sprossen blitzschnell bis hoch hinauf in die Gipfel der Bäume; ehe eine Viertelstunde vergeht, steht Garten und Park wie in Flammen. Im rauschenden Strom stürzt sich die Welle der Kaskade über die, scheinbar brennenden, Stufen, deren wohlgeschützte Flammen den zischenden Strom in hundertfarbiger Glut erscheinen lassen und dem Auge einen Anblick bereiten von der überraschendsten, imponierendsten Art. Die großartigste dieser Erscheinungen bietet offenbar die „goldene Treppe", die, nächst dem „Herkules", ein Wasserspiel entfaltet, mit dem sich selbst die „großen Wasser" in Versailles in keinen Wettstreit einlassen dürften. Und nun denke man sich diese ungeheure Illumination in der kolossalsten der Wasserkünste sich spiegelnd, dazu den Reflex dieser himmelanstrebenden Glut, in der Bucht des Meeres, das Rauschen der Musik im Palaste, unterbrochen durch das Aufsteigen der Raketen, durch das Krachen der Kanonen am Bord der Schiffe vor Kronstadt — hierzu den fröhlichen Gesang der unzähligen Gruppen, die von Tausenden und aber Tausenden gebildet, welche, hier unter freiem Himmel ein Nachtquartier suchen, in den verschiedenartigsten und malerischsten Trachten an Feuern umherliegen und jubelnd oder träumend dem anbrechenden Morgen entgegenharren, — wahrlich! dieses Fest gehört zu den schönsten, die man ersinnen kann, und wirkt wahrhaft erhebend auf das Gemüt.— Mit zehn Uhr endet der Ball; nun finden gewöhnlich noch kleine Fahrten des Hofes auf den Longen statt — eine Art sehr langer Droschken, auf denen die Fahrenden zu beiden Seiten derselben sitzen, — diese tummeln sich durch die illuminierten Gänge und die gedrängte Menschenmasse noch ein Weilchen umher, und mit ihrer Rückkehr ins Schloss, das sich dann plötzlich verfinstert, hört auch allmählich das Wogen in den Laubgängen des Gartens auf, jeder sucht seine Ruhestatt so gut er sie findet im Zelt auf, in, oder unter den Wagen, endlich an großen Wachtfeuern auf den offenen freien Plätzen, und so kommt allgemach der Morgen heran, wo man zu Land und zu Wasser schon in der ersten Frühe aufbricht. So endet das Peterhofer Fest, das ohne Widerrede eine der großartigsten und schönsten Volksbelustigungen bietet.