Die Watten. Bestandteile derselben
Da die meisten Watten als Trümmer ehemaliger Inseln und Landstrecken zu betrachten sind, die den übrig gebliebenen Inseln und Küstenstrecken gleich waren, so müssen sie auch dieselben Schichten und Ablagerungen enthalten, aus welchen einst der gemeinschaftliche Untergrund der noch vorhandenen und der längst untergegangenen Inseln und Landstrecken bestand, und nur auf der täglich zweimal überfluteten Oberfläche der Watten möchten allerlei Gebilde vorkommen, die auf dem Insel- und Küstenlande nicht gefunden werden.
Ein Watt ist ja nichts anderes als eine nackte Insel, eine Hallig, der die böse Sturm-, Wasser- und Eisflut das aus grünen Gräsern und buntem Klee gewirkte Kleid ausgezogen und nichts als eine dünne Schlammdecke wiedergegeben hat, in der es von kleinen Seetieren wimmelt. Und diese dünne Schlammdecke ist noch dazu voll von großen Löchern, dass der Untergrund an vielen Stellen völlig nackt zu Tage tritt und dir weiter nichts zeigt als den toten Klei, wie der blaue Ton, aus welchem die Marschen gebildet sind, von den Friesen genannt wird.
Den Schlamm, mit welchem einige Wattenflächen spärlich bedeckt sind, nennen wir hier zu Lande Schlick, und ein Schlickläufer ist ein Mann, der von Hallig zu Hallig über die Watten und durch den Schlick läuft.
Der Schlick ladet übrigens gar nicht zum Spazieren ein, und es würde dir, dem Ungeübten, übel gehen, wenn du dich unterfingest, einen Schlicklauf auszuführen. Dein Beinkleid und dein Rock würde mit breiten Randglossen versehen werden und selbst der Hut würde von dem unter deinen Tritten aufspritzenden Schlick mit allerlei Zierraten bemalt werden. Und wie würde es erst mit den Stiefeln gehen? Hier und da würde der zähe Klei als tüchtiger Stiefelknecht den Stiefel festhalten, und du würdest bei deiner Bemühung, mit Hülfe der Hände Fuß und Stiefel wieder herauszuziehen, leicht das Gleichgewicht verlieren und einen recht tiefen Abdruck deiner Person im Klei machen, der noch ein paar Wochen stehen bleiben würde, den Halligknaben, der einen Schlicklauf besser versteht, an deine Ungeschicklichkeit zu erinnern.
Dort auf der gelben Fläche, wo die großen Steine liegen und die weißen Seemöwen unter den Tangbüscheln etwas zu suchen scheinen, dort wird’s besser gehen. Das ist ein sandiges Watt; denn die breite Wasserstraße, welche es von der benachbarten, ganz aus Sand bestehenden Bank trennt, hat dem Wattensaum von den reichlich vorhandenen Sandmassen etwas mitgeteilt und ihn recht ebenmäßig mit reinem gelben Sand bedeckt. Die großen Steine ragen nur mit ihren Köpfen hervor, während der Steinleib von einer festen Kleimasse umschlossen ist und der Fuß durch einen noch festeren Untergrund vor dem Versinken bewahrt wird.
Willst du die Schichten und Ablagerungen des Watts gründlich kennen lernen, so komm mit mir nach jener Torfgrube, aus der man unterseeischen Torf zu Tage gefördert hat. Zwar wird die Grube mit Seewasser gefüllt sein; aber das Seewasser ist so rein und klar, so durchsichtig, dass man bis auf den Grund hinab deutlich sieht, woraus die Wände der Grube gebildet sind.
Was du hier siehst, sind große Stücke unterseeischen Torfs, die aus jener Grube heraufgeholt wurden. Sieh den Seetorf an, wie er von der Sand- und Kleischicht so fest zusammengepresst ist! Noch sieht man deutlich, aus welchen Pflanzen er sich gebildet hat. Diese langen Fasern, ein Hauptbestandteil des Seetorfs, sind Binsen, die einst mitten im Sumpfe — natürlich in einer Süßwassersammlung auf dem Lande — fröhlich wuchsen, sich besamten, vermoderten und einer neuen Pflanzendecke Platz machten. Du siehst hier, wie eine Pflanzendecke sich immer auf einer älteren abgestorbenen entwickelte, bis sie selbst starb und wie jene früheren die tragende Unterlage eines neuen Pflanzenlebens ward.
In den großen Torfstücken dort sitzen noch Wurzeln großer Gesträuche und Bäume, ein Beweis, dass hier einst Bäume wuchsen.
Was ist das? Das ist ein Stück Bernstein. Sieh, es sitzt noch eine Fliege darin. Es ist zu Stein gewordenes Gummi von einem Baume, der an dieser Stelle seine Äste ausbreitete, dieses Gummi ausschwitzte, worin eine neugierige Fliege umkam, die mit dem Gummi versteinert ward.
Die ganze Darg- oder Seetorfschicht ist hier, wie du siehst, abgegraben, und der weiße Sand auf dem Grunde der Darggrube ist ursprünglicher Meeressand, Meeresboden, auf welchem noch Schalen von Seemuscheln und Gerippe von Seetieren gefunden werden.
So wurde einst in einer fernen Vorzeit, als die Wogen der Nordsee von dem westlichen Rande der schleswig-holsteinischen Geest zurückwichen, der Meeresgrund bloßgelegt; darauf bildeten sich Sümpfe und Moräste auf dem bloßgelegten wellenförmigen Meeresboden, und als später das Bette der Nordsee sich abermals erweiterte, eroberte die See ihr früheres Gebiet wieder; die lockern schwammigen Massen, aus welchen der Darg besteht, sanken zusammen, und über den Darglagern bildete sich ein Niederschlag, dessen Mächtigkeit immer größer ward. Es entstanden die Marschen.
Es mag wenige Flecke auf der Erde geben, wo so gewaltsame Veränderungen und Umwälzungen stattgefunden haben, wie gerade hier.
Dort im fernen Westen wurde, als die Nordsee zurückwich, eine Dünenreihe aufgeworfen, die einen freilich an Stellen durchbrochenen Wall bildete, hinter welchem die von den Flüssen herbeigeschwemmten Erd- und Lehmteilchen, Schaltiere und Pflanzenüberreste sich auf den versunkenen Moorstrecken ablagern und die Marschen bilden konnten. Die ganze Ländermasse Frieslands; die ehemals weit in die Nordsee hinausragte, ist als eine Menge Deltas zu betrachten, die der Elbstrom in Vereinigung mit andern Strömen bildete oder bilden half, denn die Marschen sind ein Produkt der Flüsse und des Meeres, weil grade da, wo der einwärts strömende Flutstrom dem auswärtsströmenden Wasser der Flüsse und Flussmündungen begegnet, sich ein Niederschlag bildet, der nach und nach den Boden erhöht und zuletzt über die Meeresfläche hervorragt.
Wenn Flusswasser und Seewasser mit ihrer Arbeit fertig geworden sind, sangen /die Menschen an, das neue Land zu bebauen und zu bewahren. Sie bauen Deiche und Dämme und der Koog ist fertig. Sie pflügen und säen im neuen Koog, bauen Höfe und Dörfer und freuen sich ihres Lebens, — bis die grollende See wiederkommt und den Grund und Boden des Koogs abermals in Meeresgrund verwandelt.
Ein Watt ist ja nichts anderes als eine nackte Insel, eine Hallig, der die böse Sturm-, Wasser- und Eisflut das aus grünen Gräsern und buntem Klee gewirkte Kleid ausgezogen und nichts als eine dünne Schlammdecke wiedergegeben hat, in der es von kleinen Seetieren wimmelt. Und diese dünne Schlammdecke ist noch dazu voll von großen Löchern, dass der Untergrund an vielen Stellen völlig nackt zu Tage tritt und dir weiter nichts zeigt als den toten Klei, wie der blaue Ton, aus welchem die Marschen gebildet sind, von den Friesen genannt wird.
Den Schlamm, mit welchem einige Wattenflächen spärlich bedeckt sind, nennen wir hier zu Lande Schlick, und ein Schlickläufer ist ein Mann, der von Hallig zu Hallig über die Watten und durch den Schlick läuft.
Der Schlick ladet übrigens gar nicht zum Spazieren ein, und es würde dir, dem Ungeübten, übel gehen, wenn du dich unterfingest, einen Schlicklauf auszuführen. Dein Beinkleid und dein Rock würde mit breiten Randglossen versehen werden und selbst der Hut würde von dem unter deinen Tritten aufspritzenden Schlick mit allerlei Zierraten bemalt werden. Und wie würde es erst mit den Stiefeln gehen? Hier und da würde der zähe Klei als tüchtiger Stiefelknecht den Stiefel festhalten, und du würdest bei deiner Bemühung, mit Hülfe der Hände Fuß und Stiefel wieder herauszuziehen, leicht das Gleichgewicht verlieren und einen recht tiefen Abdruck deiner Person im Klei machen, der noch ein paar Wochen stehen bleiben würde, den Halligknaben, der einen Schlicklauf besser versteht, an deine Ungeschicklichkeit zu erinnern.
Dort auf der gelben Fläche, wo die großen Steine liegen und die weißen Seemöwen unter den Tangbüscheln etwas zu suchen scheinen, dort wird’s besser gehen. Das ist ein sandiges Watt; denn die breite Wasserstraße, welche es von der benachbarten, ganz aus Sand bestehenden Bank trennt, hat dem Wattensaum von den reichlich vorhandenen Sandmassen etwas mitgeteilt und ihn recht ebenmäßig mit reinem gelben Sand bedeckt. Die großen Steine ragen nur mit ihren Köpfen hervor, während der Steinleib von einer festen Kleimasse umschlossen ist und der Fuß durch einen noch festeren Untergrund vor dem Versinken bewahrt wird.
Willst du die Schichten und Ablagerungen des Watts gründlich kennen lernen, so komm mit mir nach jener Torfgrube, aus der man unterseeischen Torf zu Tage gefördert hat. Zwar wird die Grube mit Seewasser gefüllt sein; aber das Seewasser ist so rein und klar, so durchsichtig, dass man bis auf den Grund hinab deutlich sieht, woraus die Wände der Grube gebildet sind.
Was du hier siehst, sind große Stücke unterseeischen Torfs, die aus jener Grube heraufgeholt wurden. Sieh den Seetorf an, wie er von der Sand- und Kleischicht so fest zusammengepresst ist! Noch sieht man deutlich, aus welchen Pflanzen er sich gebildet hat. Diese langen Fasern, ein Hauptbestandteil des Seetorfs, sind Binsen, die einst mitten im Sumpfe — natürlich in einer Süßwassersammlung auf dem Lande — fröhlich wuchsen, sich besamten, vermoderten und einer neuen Pflanzendecke Platz machten. Du siehst hier, wie eine Pflanzendecke sich immer auf einer älteren abgestorbenen entwickelte, bis sie selbst starb und wie jene früheren die tragende Unterlage eines neuen Pflanzenlebens ward.
In den großen Torfstücken dort sitzen noch Wurzeln großer Gesträuche und Bäume, ein Beweis, dass hier einst Bäume wuchsen.
Was ist das? Das ist ein Stück Bernstein. Sieh, es sitzt noch eine Fliege darin. Es ist zu Stein gewordenes Gummi von einem Baume, der an dieser Stelle seine Äste ausbreitete, dieses Gummi ausschwitzte, worin eine neugierige Fliege umkam, die mit dem Gummi versteinert ward.
Die ganze Darg- oder Seetorfschicht ist hier, wie du siehst, abgegraben, und der weiße Sand auf dem Grunde der Darggrube ist ursprünglicher Meeressand, Meeresboden, auf welchem noch Schalen von Seemuscheln und Gerippe von Seetieren gefunden werden.
So wurde einst in einer fernen Vorzeit, als die Wogen der Nordsee von dem westlichen Rande der schleswig-holsteinischen Geest zurückwichen, der Meeresgrund bloßgelegt; darauf bildeten sich Sümpfe und Moräste auf dem bloßgelegten wellenförmigen Meeresboden, und als später das Bette der Nordsee sich abermals erweiterte, eroberte die See ihr früheres Gebiet wieder; die lockern schwammigen Massen, aus welchen der Darg besteht, sanken zusammen, und über den Darglagern bildete sich ein Niederschlag, dessen Mächtigkeit immer größer ward. Es entstanden die Marschen.
Es mag wenige Flecke auf der Erde geben, wo so gewaltsame Veränderungen und Umwälzungen stattgefunden haben, wie gerade hier.
Dort im fernen Westen wurde, als die Nordsee zurückwich, eine Dünenreihe aufgeworfen, die einen freilich an Stellen durchbrochenen Wall bildete, hinter welchem die von den Flüssen herbeigeschwemmten Erd- und Lehmteilchen, Schaltiere und Pflanzenüberreste sich auf den versunkenen Moorstrecken ablagern und die Marschen bilden konnten. Die ganze Ländermasse Frieslands; die ehemals weit in die Nordsee hinausragte, ist als eine Menge Deltas zu betrachten, die der Elbstrom in Vereinigung mit andern Strömen bildete oder bilden half, denn die Marschen sind ein Produkt der Flüsse und des Meeres, weil grade da, wo der einwärts strömende Flutstrom dem auswärtsströmenden Wasser der Flüsse und Flussmündungen begegnet, sich ein Niederschlag bildet, der nach und nach den Boden erhöht und zuletzt über die Meeresfläche hervorragt.
Wenn Flusswasser und Seewasser mit ihrer Arbeit fertig geworden sind, sangen /die Menschen an, das neue Land zu bebauen und zu bewahren. Sie bauen Deiche und Dämme und der Koog ist fertig. Sie pflügen und säen im neuen Koog, bauen Höfe und Dörfer und freuen sich ihres Lebens, — bis die grollende See wiederkommt und den Grund und Boden des Koogs abermals in Meeresgrund verwandelt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Umwelt und Natur - Halligenbuch