Ukrainische Geschichte - der Staat Ukraine im Bunde mit Moskau

Aus: Die Ukraine und ihre Bedeutung im gegenwärtigen Krieg mit Russland
Autor: Kuschnir, Wladimir Dr. (1881-1938) Historiker und Publizist, Erscheinungsjahr: 1915
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Ukraine, Österreich, Preußen, Polen, Schweden, Deutschland, Kosaken, Landesgeschichte, Kulturgeschichte, Sittengeschichte, Landesbeschreibung, Politik, Peter der Große, Katharina II., Geschichte
Die siegreiche, aber erschöpfte Ukraine war nicht in der Lage, sich angesichts der zahlreichen Feinde mit eigenen Kräften zu behaupten, und Chmelnickyj, ein ebenso guter Feldherr als Diplomat, verhandelt nach allen Seiten, bald mit der Moldau, bald mit Transsylvanien und Schweden, macht sich erbötig, die Souveränität des Sultans anzuerkennen, bis er einen Halt im Bunde mit Moskau gefunden zu haben glaubt. So kam im Jahre 1654 in der Stadt Perejaslaw ein Vertrag zwischen der Ukraine und Moskau zustande, der bis heute seine staatsrechtliche Bedeutung nicht verloren hat und in den ehernen Tafeln der russischen Gesetze, der „Vollständigen Sammlung der Gesetze des russischen Reiches“, eingetragen ist. In diesem Vertrage wurden folgende grundlegende Punkte festgelegt: Die Ukraine behält eigene Verwaltung, Gericht, Finanzwesen, eigenes Militär usw., ein mit Souveränitätsattributen ausgestattetes staatliches Oberhaupt, den frei gewählten Hetman, dem das Recht zusteht, mit Gesandten fremder Mächte zu verhandeln mit der Beschränkung, dass diplomatische Aktionen des Hetmans sich nicht gegen Moskau zu kehren haben.

Die staatliche Organisation der Ukraine war folgende: An der Spitze der Landes- und Armeeverwaltung stand der von dem Rate sämtlicher Kosaken für lebenslänglich gewählte Hetman. Aus freier Wahl gingen auch andere Ämter hervor. Dem Hetman stand ein Ministerrat zur Seite, der Generalrat hieß. Die Verwaltungseinheiten unterstanden den Obersten, deren es sechzehn gab. Die Städte erhielten die Selbstverwaltung nach deutschem Recht. — Einer besonderen Autonomie erfreuten sich die Saporoher Sitsch-Kosaken.

Den Vertrag von Perejaslaw unterschrieb der Hetman und die Obersten. Weiter reichte der Blick des Kiewer Metropoliten und der ganzen ukrainischen Hierarchie, die in Vorahnung der üblen Folgen des Vertrages ihre Unterschrift verweigerten. — Die so zustande gekommene Union zwischen Russland und der Ukraine wird bald als Real-, bald — wie von dem russischen Rechtsgelehrten Sergejewitsch — als Personalunion bezeichnet. Jedenfalls bildet sie eine Charta der staatlichen Autonomie der Ukraine, auf die sich die Ukrainer gegenüber Russland bis auf den heutigen Tag mit Recht berufen.