Vergleich zwischen Wallenstein und Tilly

Es bleibt uns noch übrig, einige Striche zu ziehen zur Vergleichung zwischen Wallenstein und Tilly. Im Wesentlichen ist das Urteil Villermonts nicht sehr abweichend von demjenigen, welches wir im Septemberbeste 1859 dieser Blätter gegeben haben. Zur Berichtigung der üblichen traditionellen Ansicht über die strategische Befähigung dieser Beiden möchten wir am liebsten auf das Urteil des genauesten Kenners in diesem Fache, Gustav Adolfs selbst verweisen, Gustav Adolf muss seinem Kanzler Oxenstjerna, dem die Unternehmung nach Deutschland gar nicht recht nach dem Sinne ist, zugeben, dass seine Mittel für ein Heer von 24.000 Mann, wenn er nämlich so viele aufbringen könnte, höchstens auf vier Monate ausreichten. Und mit diesem Haufen wollte er Wallenstein gegenübertreten, der mehr als 100.000 unter den Waffen hatte! Denn dass Wallenstein in Regensburg entlassen, dass in Folge dessen das Heer sich auflösen würde, konnte auch Gustav Adolfs Berechnung nicht ahnen. Hier grade ist der Scharfblick dieses Königs bewunderungswürdig. Er kennt genau die Beschaffenheit dieses Wallensteinischen Heeres, die Art und Weise, wie es erhalten wird.*) Die Geldmittel der kaiserlichen Truppen, sagt er, beruhen ganz allein auf den Kontributionen, welche von den Offizieren selbst angesetzt und durch militärische Exekution erzwungen werden. Diese Kontributionen sind unregelmäßig, maßlos hoch, werden von den Ständen und Unterthanen nur mit höchstem Drucke ertragen, und haben darum keinen Bestand, zumal wenn wir einbrechen, und in Folge dessen innere Empörungen entstehen. Indem wir dann dem ungeheuren Körper dieses Heeres durch Abschneiden der Kontributionen Saft und Kraft entziehen, muss er verdorren. Gustav Adolf fasst diese Ansicht kurz zusammen in die Worte an Oxenstjerna: die Sache Wallensteins besteht sehr in Fama. Ein anderes Mal hat er kürzer und schlagender Wallenstein einen Phantasten genannt. Dann jedoch fügt er jenen Worten hinzu: bevor Tilly herankommen kann, wird das Meiste getan sein.

*) Chemnitz, S. 23, Geijer, Band III, Seite 198.[/b]


Diese Worte des Königs wiegen schwer. Wallensteins Heer war an Zahl fünffach stärker als dasjenige Tillys. Aber die Qualität war unendlich verschieden. Gustav Adolf schätzt den an Zahl fünffach stärkern Wallenstein geringer als den Greis mit seinen wenigen, aber sieggewohnten Veteranen. Nur vor diesem bangt ihm. Und Gustav Adolf ist eben derjenige Mann, dem an kalter Berechnung seines Tuns, seiner Aussichten und der Möglichkeit der Zufälle wenige Eroberer jemals gleichgekommen sind.

Wie viel richtiger durchschaute dieser Schwedenkönig den Wallenstein und seine Macht, als die katholischen Kurfürsten es taten! Sie wurden von steter Angst vor ihm gepeinigt. Diese Angst erreichte ihren Gipfel in folgender Argumentation. Wallenstein, sagen sie,*) ist nur der General des Kaisers und keines andern. Der Kaiser kann sterben nach dem Gesetze der Natur oder durch fremde Zutat. Dann bleibt das Kriegsherr dem Feldherrn verpflichtet und dem künftigen Kaiser. Wer wird dieser sein? Die Wahl desselben steht bei den sieben Kurfürsten. Aber die Kurfürsten werden oder sind bereits durch das Wallensteinische Kriegsheer zu Grunde gerichtet. Es ist die unvermeidliche Folge, dass zuerst das Heer und dann ganz Deutschland den glücklichen Feldherrn als Erbkönig anerkennen werde. Darauf hinaus zielen alle seine Schritte.

[i]*) Hurter: Zur Geschichte Wallensteins, Seite 314.


Also dachten die Kurfürsten von Bayern und Mainz gemäß den Berichten, welche sie durch ihre Vertrauten vom kaiserlichen Hofe empfingen. Angenommen: die Entwürfe des ehrgierigen, verschlossenen Mannes seien so hoch hinausgegangen — und es liegt in den Umständen nichts, was dem widerspräche — so bliebe doch zu fragen, ob das Mittel, auf welches allein er sich stützte, ob das ungeheure Heer, welches die deutschen Länder von den Alpen bis zur Nordsee aussaugend bedeckte wie ein ungeheurer Aussatz, ob dieses Mittel zu solchen Zwecken geeignet war. Mehr als einmal ist glücklichen Feldherren ein ähnliches Unternehmen gelungen. Kaum zwanzig Jahre später machte Oliver Cromwell durch seinen folgerechten, unbedingten Militärdespotismus aus der Republik England eine absolute Monarchie. Aber das Heer Cromwells war wesentlich verschieden von demjenigen Wallensteins. Jenes war geeinigt und gefestigt durch starke moralische Bande. Es hatte eine und dieselbe religiöse Anschauung, unduldsam, fanatisch, aber eben darum energisch und kriegerisch, wie keine andere. Cromwells näselnde Heilige mit der Bibel in der Linken hielten lange und sehr langweilige Reden von der Erweckung und Berufung; aber ihre Rechte lag am Schwerte und sie fochten gleich Josua und Gideon. Ihre Kriegsdisziplin war eisern. Das Heer lechzte nach dem Blute seines Königs; aber das Eigentum und die Habe auch des Geringsten waren sicher vor ihrer Hand. Eine lange Kette von Siegen unter Cromwells Führung hatte ihnen gezeigt, dass nichts ihnen unwiderstehlich war, und mit ernster Freude gingen die frommen Rundköpfe ins Gefecht wider ihre Gegner, die nach ihrer Anschauung nicht ihre Feinde, sondern diejenigen ihres alttestamentlichen Gottes waren, der seine Widersacher zerschlagen wolle durch die Hand seiner Getreuen. Mit einem solchen Heere, das in Sachen des Krieges dem Willen des Meisters gehorchte wie ein Uhrwerk, brach Cromwell den Thron der Stuarts in Stücke.

Wie so unendlich verschieden war das Heer Wallensteins! Es fehlte alle und jede sittliche Triebkraft, alles und jedes moralische Band. Sein Heer war nicht ein katholisches, nicht ein protestantisches: es kümmerte sich überhaupt um kein kirchliches Bekenntnis. „Was scheert sich ein ehrlicher Soldat um die Religion?“ hieß es. „Sie ist nicht seine Profession. Das überlässt er den Pfaffen und Mönchen, damit sie ihre Suppe nicht umsonst essen.“ Und abermals: „Die Pfaffen haben ein Ding erfunden, heißt conscientia, soll wunderlich sein und nicht viel hineingehen.“ Wo die Wallensteiner katholische und protestantische Kirchen betraten, da geschah es häufig nur um Kirchenraubes willen, um nicht bloß Gefäße und Geräte von edlem Metalle, sondern überhaupt Alles an sich zu nehmen, was sich zu Gelde machen ließ. Nicht über Gewissensdruck von diesem Heere klagten die protestantischen Länder, sondern über Eingriffe von solcher Art. Das waren die Taten dieses Heeres. Was geschehen war wider die Feinde des Kaisers und des Reiches, das hatte eine andere Hand vollbracht. Die lange Reihe der Siege stand gebucht auf Tillys Namen, auf den Namen seiner Tapfern, die zehn Jahre lang mit diesem ihrem Vater, mit dem alten Johann verwachsen waren in Sieg und Entbehrung, deren aufwallende Leidenschaften seine Hand beugte unter das Joch seiner eisernen Disziplin, und die dennoch ihm folgten in Not und Tod. Eben zur selben Stunde, wo Wallenstein sich trug mit den höchsten Planen, setzte eine kleine deutsche Stadt anfangs ohne fremde Hilfe dem Andrange von fünfzehn Wallensteinischen Regimentern unter Hans Georg von Arnim ein Ziel. Eine Siegesfreudigkeit konnte in diesen Menschen nicht wohnen. Die Augenzeugen von Stralsund erzählen uns, dass von den Offizieren mit Schwertern und Partisanen die Söldner gegen die Wälle der Stadt getrieben wurden wie die Schafe zur Schlachtbank, dass sie weinten und schrieen, dort sei es aus mit ihnen und keine Wiederkehr. Und wenn Mut und Tapferkeit fehlten, welche andere sittliche Triebkraft konnte dann noch vorhanden sein? — Nur Gewinnsucht, nur die Begierde, mühelos reich zu werden auf Kosten Anderer, hatte diese Scharen von Italienern, Franzosen und den Auswürflingen aller Nationen zu Wallenstein geführt, nur diese Habgier hielt das locker gefügte Heer zusammen. Die folgende Entwicklung der Dinge hat es Wallenstein erspart, dieses sein Gebäude, das der festen Unterlage sittlicher Kraft entbehrte, beim ersten Sturme zerfallen zu sehen wie ein Kartenhaus. Allein das scharfe Auge Gustav Adolfs durchschaute es und baute darauf seine Pläne.

Es ist eine gewöhnliche Ansicht, dass Wallenstein nicht für sich selbst solche Pläne gehegt, wie die katholischen Kurfürsten sie bei ihm argwöhnten, sondern dass der Kaiser Ferdinand sich seiner und seines Heeres habe bedienen wollen, um die Macht der Fürsten im Reiche niederzudrücken, die Kaiserkrone in seinem Hause erblich zu machen und eine absolute Herrschaft im Reiche zu begründen. Als Grund für diese Ansicht hören wir die bekannten Worte des Wallenstein: man bedürfe keiner Kurfürsten und Fürsten mehr im Reiche. Man müsse ihnen das Gasthütel abziehen, und fortan müsse wie in Frankreich und Spanien, so auch in Deutschland nur ein einziger Herr sein. Es ist nicht zu bezweifeln, dass Wallenstein diese Worte gesprochen. Aber ob sie darum, weil Wallenstein sie sprach, auch die Meinung und das Streben des Kaisers Ferdinands II. ausdrückten, ist eine andere Frage. Um dieselbe zu beantworten, ist zuerst und vor allen Dingen wichtig, woher wir wissen, dass Wallenstein diese Worte gesprochen. Wir wissen es von einigen Räten des Kaisers, welche den Feldherrn wegen dieser Worte bei dem Kaiser anklagen, nicht etwa, dass er die Pläne des Kaisers zu früh verraten, sondern dass er überhaupt solche Dinge im Sinne habe. Als eine Anklage konnten die Worte offenbar nur dann gelten, wenn die Räte des Kaisers voraussetzten, dass Ferdinand II. sie missbillige. Und es scheint, dass die Räte dies besser gewusst haben müssen als die spätem Historiker, welche in Deutschland mehr als irgendwo sonst nachzusprechen sich beeifert haben, was die Wortführer fremder Nationen im Interesse derselben ihnen vorsagten. Es entsprach dem Interesse der fremden Nationen, dass die Deutschen sich in sich selber aufrieben, und darum streuten sie unter unsern Vorfahren stets mit vollen Händen den Samen der Zwietracht aus, sowohl kirchlich als politisch. Darum sagten die fremden Nationen, dass das Haus Österreich einen Despotismus in Deutschland erstrebe, und dass man die deutsche Libertät dagegen schützen müsse. Und darum wetteiferten sie, uns immer wieder aufs Neue die deutsche Libertät zu bringen, an welcher unsere Nationalmacht, unser Wohlstand, unsere Kultur zu Grunde gingen.

Es ist billig, dass ein Jeder in seiner eigenen Sache gehört werde. Hurter*) hat neuerdings aus den Wiener Archiven einen Brief hervorgezogen, den der Kaiser Ferdinand eigenhändig, was er selten tat, an seinen Feldherrn geschrieben. „Es ist Ew. Liebden bekannt,“ sagt der Kaiser zu Wallenstein, „dass ich nicht Willens bin, mein Haus durch Eigenmacht und durch andere Mittel zu befestigen, als die Reichsverfassung und die von mir beschworenen Wahlbedingungen mit sich bringen. Darum will ich mich zu Ew. Liebden gänzlich und unfehlbar getrösten, dass Sie mit der Abdankung des Kriegsvolkes meinem Gebote also nachkommen und Folge leisten werden, wie es der Gesandte Questenberg aus hochdringlichen und hochwichtigen Ursachen überbringen wird.“ Und eben diese Vollmacht für Questenberg wiederholt den Satz, dass es dem Kaiser niemals in den Sinn gekommen sei, die Nachfolge im Reiche oder einen sonstigen Nutzen seines Hauses anders als dem Herkommen und den Wahlbedingungen gemäß zu erstreben.

[i]*) Zur Geschichte Wallensteins, Seile 259.[/b]

Besäßen wir über den Willen des Kaisers Ferdinand kein anderes Aktenstück als dies: so müsste das allein schon genügen. Eben so wenig wie Karl V. jemals mit Gewalt eine unumschränkte Erbmonarchie in Deutschland erstrebt hat: eben so wenig auch Ferdinand. Das Ziel Beider war die Erhaltung des Bestehenden.

Und dennoch, obwohl die Kurfürsten unablässig über die Gewalt klagen, die sie von Wallenstein erleiden, obwohl der Kaiser ausdrücklich an Wallenstein, an Collalto schreibt, dass er keine Gewalt wider die Kurfürsten will: dennoch belässt er den Wallenstein in seiner Stellung? Es liegen verschiedene Gründe zur Erklärung des seltsamen Verhaltens vor. In späterer Zeit wusste man viel zu sagen und zu tadeln, dass die kaiserlichen Generale durch die Beschlüsse des Hofkriegsrats in Wien gelähmt würden. Zu Wallensteins Zeit war es anders. Chlumecky hat neuerdings aus den mährischen Archiven den Briefwechsel Wallensteins mit Collalto, dem Präsidenten des Hofkriegsrates, hervorgezogen. Es ergeben sich daraus seltsame Dinge. Collalto ist seit 1626 in Allem und Jedem der unbedingte Diener Wallensteins. Der Feldherr macht vor Collalto aus seiner Habgier gar kein Hehl. Er meldet ihm, wie er Absichten habe, Pommern zu Mecklenburg hinzuzufügen. Er befiehlt Collalto, welche Schreiben dieser unter kaiserlichem Siegel ihm zustellen solle. Der Kaiser hat dem Collalto Auftrag zur Reduktion des Heeres gegeben. Wallenstein befiehlt ihm, damit zurückzuhalten. Immerhin möge Collalto einige Reiter entlassen, und dafür Fußgänger wieder anwerben, nämlich ein Regiment für sich. Indem Collalto ein Regiment für sich warb, flössen ihm die Einkünfte eines Obersten aus den Kontributionen dafür zu. Wallenstein setzte diese Einkünfte für einen Obersten auf 1.500 Gulden monatlich. Aber Gustav Adolfs Scharfblick durchschaute sehr wohl, dass die Obersten und Offiziere unter Wallenstein selber die Contributionen ausschrieben und militärisch beitrieben. Ein anderes Mal sagt Wallenstein dem Collalto ausdrücklich: „Der Herr Bruder mach capite, rapite, wie ich im Anfang habe tun müssen.“*) Nur im Anfang? Wenn der oberste Feldherr solche Befehle gibt: wie wird dann die Ausführung sein? Das eben war die meisterhafte Kunst des Wallenstein, dass er die wichtigsten Personen zu Mitschuldigen zu machen verstand. Der Kaiser bewies Collalto persönlich ganz besonderes Vertrauen. Also legen es die Briefe dar. Ferdinand fügt häufig den offleiellen Schreiben an Collalto, die er unterzeichnet, Erzählung persönlicher Erlebnisse der Jagd bei. Solche Leute wusste Wallenstein für sich zu sichern. Wie er Collalto und Andere zu Inhabern von Regimentern machte, mit dem Anspruche auf die Kontribution: so schickte er den andern Räten am Hofe Geschenke. Diese Männer selbst rühmen deshalb den Feldherrn. Sie halten dem Kaiser vor, dass ja dieser bewundernswürdige Mann nicht bloß nicht fordere, sondern noch Geld nach Hofe schicke zur Belohnung für treue Diener.

Nicht Alle dachten so. Wallenstein berichtet**) dem treuen Collalto: „Ich habe mehr Krieg mit etlichen Ministern, als mit allen den Feinden.“ Allein er kennt das rechte Mittel. Er bittet Collalto, auf eine kleine Zeit nach Wien zu gehen, um dort die Sachen in Ordnung zu bringen.

Dennoch muss der Kaiser die Lage der Dinge durchschauen. Er schreibt im Juni 1628 seine Bemerkungen über die Klagen der Kurfürsten nieder. Die Weise des Herzogs von Friedland gefällt ihm nicht; aber weil derselbe zum Nutzen der Christenheit ersprießliche Dienste geleistet: so muss man über etwas hinwegsehen. Doch will der Kaiser ihn ermahnen, dass er fortan mit mehr Bescheidenheit und Rücksicht verfahre. Der Kaiser will auf alle Handlungen des Feldherrn genau und sorgsam achten, und wo es sich findet, dass er Ausschweifungen sich zu Schulden kommen lässt, wirkliche Abhilfe schaffen.

Vermochte das der Kaiser? Vermochte sein Auge hindurchzudringen durch die Schleier des Nebels, den Wallenstein und seine Kreaturen um ihn breiteten? Man erwäge die Stellung des Kaisers. Die Personen, denen er sein besonderes Vertrauen schenkt, sind im Solde Wallensteins. Ihr tägliches Wort ist, dass Wallenstein unentbehrlich sei.

Wir sagen dies nicht, um den Kaiser Ferdinand zu rechtfertigen. Er kann nur entschuldigt werden. Das Unheil, das aus seiner Nachgiebigkeit gegen Wallenstein entsprang, traf im Rückschläge wesentlich ihn selbst. Der allgemeine Unwille der Deutschen gegen Wallenstein war ein wesentlicher Faktor in der Rechnung des Schwedenkönigs. Gustav Adolf hat sich darin nicht getäuscht. Indem wir völlig absehen von den spätem Dingen der Jahre 1633 und 1634, muss auch für die frühern bis 1630 gesagt werden, dass selten ein Diener seinem Herrn so unendlichen Schaden bereitet hat, wie Wallenstein dem Kaiser Ferdinand. Wallensteins und der Seinen unerhörte Erpressungen und der politische Fehler des Restitutionsediktes bahnten dem Schwedenkönige den Weg.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber einige Männer des dreißigjährigen Krieges