Tilly im Vergleich mit seinen Zeitgenossen und Gegnern

Das Urteil über Tilly wird wesentlich bedingt durch den Vergleich mit seinen Zeitgenossen und Gegnern, die in gleicher oder ähnlicher Stellung sich befanden. Da tritt zunächst hervor der immer unberechenbare Bastard Ernst von Mansfeld, den die Nachwelt zu einem Vorkämpfer der Gewissensfreiheit gestempelt hat. Mansfeld verfocht in der Tat eine Art von Gewissensfreiheit: man muss sie nur recht verstehen. Sein Vater war alt geworden im Dienste des Hauses Österreich, auch Mansfeld folgte zunächst dieser Spur. Dann betritt er eine andere Bahn. Der Ausbruch des böhmischen Aufstandes findet ihn in Diensten des Herzogs von Savoyen, dem nach einem bekannten Ausspruche die Geographie die Ehrlichkeit auch damals schon unmöglich machte. Von da an eröffnet sich für Mansfeld ein weites Feld; denn er ist für diplomatische Unterhandlung noch geschickter als für die Anführung von Söldnern. Mansfeld reist zwischen Friedrich von der Pfalz und dem Herzoge von Savoyen ab und zu. Sie können sich über die Königskrone von Böhmen nicht verständigen. Mansfeld tritt in die Dienste der Union der kalvinischen Fürsten, und von da in diejenigen der böhmischen Stände. Er nimmt Pilsen ein. Und von da an nun beginnt sein Streben, dessen nächstes Ziel ist, unabhängiger Feldherr seiner Söldner zu sein. Er will sich nicht unterordnen. Er erhält von Prag aus Befehle; aber er führt sie nicht aus. Er verfährt auf eigene Hand. Als das kaiserliche Heer herannaht, hält Mansfeld sich fern. Bucquoi zieht an ihm vorüber. Mansfeld tut keinen Schuss. Dringende Befehle Anhalts rufen ihn zum Hauptheere. Manfeld zieht es vor, sich für bessere Zeiten aufzusparen. Nur die Kopflosigkeit der Regierung Friedrichs, der gänzliche Mangel an allem Halt und aller Ordnung erklärt die Möglichkeit eines solchen Verhaltens. Friedrich flieht. Auf der Flucht erhält er wiederholt Schreiben Mansfelds, dass er noch da sei, noch gerüstet im Felde stehe, bereit die Ansprüche des Königs zu verfechten. Friedrich gibt ihm Vollmacht und zwar die ausgedehnteste von der Welt: Mansfeld möge keine Folgen ansehen. Er hat sein nächstes Ziel erreicht. Er ist unumschränkter Feldherr, und das ist mehr als ein Reichsfürst zu sein, der auf allen Tritten und Wegen durch die Einwilligung von Ständen beschränkt und gebunden ist. Mansfeld hat ein Heer, aber ohne die kärglichen Beisteuern aus England und Holland kein Geld. Die Sache macht sich auch so, und Mansfeld ist in der Tat der Erfinder des schreckensvoll entsetzlichen Wortes: der Krieg muss den Krieg ernähren. Wie das geschah und wie er das verstand, hat er selbst in seiner Apologie geschildert mit haarsträubenden Zügen. Er malt es aus, wie der Soldat verfahre, der keinen Sold erhalte. Sein Kriegsheer hatte kein Geld, er selbst hatte keins, Niemand gab freiwillig: was Anderes konnte daraus werden als die Wirklichkeit dessen, was er selbst beschreibt?

Tilly legt sich ihm gegenüber bei Waidhausen. Die Sache wird für Mansfeld bedrohlich. Aber sein rastlos gewandter Geist ist längst darauf bedacht gewesen, sich einen Ausweg zu sichern. Während er die Sache Friedrichs verficht, hat er sich in Brüssel der Infantin zur Unterhandlung erboten, wenn man ihm einen anständigen Preis für seine Person zahle. Die Infantin schickt auf Mansfelds Bitte seinen Verwandten und frühern Wohltäter, einen Herrn von Chalons. Tilly erhält Befehl zum Waffenstillstande. Man kommt einander näher. Der Vertrag ist zum Abschlusse reif, Mansfeld soll mit einer bedeutenden Summe für sich mit einem Teile seines Heeres in kaiserliche Dienste übertreten. Tilly wartet auf den Vollzug. Statt dessen bringen seine Wächter eines Morgens eine andere Nachricht. Die Wachtfeuer im Lager Mansfelds freilich brennen noch; aber er ist fort mit seinem ganzen Heere. Tilly erhält von Maximilian Befehl zur schleunigen Verfolgung. Doch ihn einzuholen ist nicht mehr möglich. Mansfeld eilt den Neckar hinab an den Rhein und ruft abermals triumphierend aus, wie vorher in Böhmen: Dolus an virtus quis in hoste requirat? Wiederum schlägt am Rheine die Lohe des Krieges empor.


Aber während Mansfeld dort den Krieg erneuert, hat er zugleich schon wieder Anderes im Sinne. Er schreibt noch im November 1621 an den Herrn von Raville in Brüssel, seinen Gönner aus den alten Zeiten, wo er noch in Diensten des Hauses Österreich gestanden. Mansfeld behauptet, dass seine Unterhandlungen mit Chalons deshalb nicht zum Ziele gekommen, weil der Herzog von Bayern ihm die versprochenen Artikel nicht gehalten, sondern ihn mit Gewalt aus der Oberpfalz getrieben. Deshalb sei er gezwungen in die Unterpfalz gekommen. Er wünsche nichts so sehr, als von dem Hause Österreich zu Gnaden wieder angenommen zu werden; doch wolle er sich ungern mit Chalons wieder einlassen. Raville möge zu ihm nach Hagenau kommen. Es war Alles darum zu tun, den gefürchteten Mann auf irgend eine Weise zur Ruhe zu bringen. Also gestattete die Infantin abermals eine Unterhandlung.*)

*) Ich bemerke, dass der Verfasser von Mansfelds Rittertaten sehr wohl unterrichtet ist. Graf Villermont (Seite 153) geht hier nicht speziell auf diese Verhandlungen ein; jedoch kann ich aus eigenen Forschungen im Archive zu Brüssel die Belege bringen.

Schon am 9. Januar 1622 ist Raville auf der Reise zu Mansfeld beim Erzbischofe Lothar zu Trier. Ein katholischer Bundesstand nach dem andern willigt ein, dass die Summe, die früher bei dem bayerischen Accord mit Mansfeld vereinbart sei, auf gemeinschaftliche Kosten ihm gezahlt werde. Auch die Infantin schließt sich an. Tilly tritt bei, und meint, Maximilian werde genehmigen. Also geschieht es in der Tat urkundlich durch eine Akte vom 19. Januar 1622. Der Zweck und das Ziel der Unterhandlung ist die Befreiung der katholischen und der andern gehorsamen Stände des Reiches von Mansfeld. Man legt urkundlich nieder, dass die neue Unterhandlung geschehe auf Mansfelds eigene Veranlassung und Ansuchen. Man verhehlt sich in dieser Urkunde die Unzuverlässigkeit des Mannes nicht, mit dem man zu tun habe; dennoch ist so viel daran gelegen, dass die Sache keinen Verzug leiden will.

Nicht also war es Mansfelds Ansicht. Seine Stellung im Anfange des Jahres 1622 im Vergleiche mit derjenigen des Herbstes 1621 steigerte seinen Preis. Davon lässt er nicht. Er verlangt am 4. Februar 1622 mündliche Zusammenkunst mit Raville. Auch das geschieht. Mansfeld hat früher verlangt, dass die Infantin ihn mit 6.000 Mann zu Fuß und 1000 zu Pferd in Dienst nehme. Diesmal verlangt er Aufnahme mit 10.000 zu Fuß und 2.000 zu Pferde. Er fordert außer den bereits bewilligten Summen noch 80.000 Kronen, nämlich Land und Grundbesitz dafür. Er kleidet dies bestimmter in die Forderung: dieselbe Pension von Spanien, die sein Vater gehabt, erblichen Besitz der Vogtei Hagenau im Elsaß, und die Würde eines Reichsfürsten. Die erste dieser beiden Forderungen ward bewilligt, nicht die beiden andern.

So stand die Sache im April 1622. War es diesmal dem Mansfeld Ernst mit seinen Vorschlägen? Er schrieb gleichzeitig dem Markgrafen von Baden-Durlach: er tue dies bloß, um Zeit zu gewinnen und desto sicherer den Bayern einen Nasenstüber zu geben. Die Dinge schienen sich zu wenden. Von Norden her rückte Christian von Braunschweig heran. Der Markgraf von Baden erhob sich. Friedrich langte beim Heere Manfelds an. Die Welt schien den Dreien offen zu stehen. Um glänzend seine Treue zu beweisen, führte Mansfeld den Fürsten mit Raville zusammen. „Ei,“ sprach Friedrich zu diesem: „Ihr wollt mir meinen getreuesten Diener abspenstig machen?“ Raville eilte bestürzt davon.

Die Hoffnungen schwollen hoch, bis Tillys Schwert eine nach der andern niederschlug. Und hier nun findet in der herkömmlichen Anschauung eine seltsame Verwirrung statt. Es ist die von Senkenberg aufgebrachte Vorstellung, dass Friedrich, dessen Klugheit mit seinem Edelmute nicht gleichen Schritt gehalten, auf dem Gipfel seiner Macht durch seinen schwachen Schwiegervater von England bewogen, den treulosen Lockungen des Hofes von Brüssel folgend freiwillig seine Heerführer entlassen habe. Die Sache liegt in der Tat anders. Nicht Friedrich entließ seine Heerführer, sondern sie entließen ihn. In dieser Entlassung erreicht das Söldnertum seinen Gipfel.

Im Lager nämlich von Elsaß-Zabern im Juli 1622 traten Mansfeld und Christian vor Friedrich und fordern ihre Entlassung, weil die Sache unhaltbar sei. Friedrich fügt sich und stellt ihnen ihr Zeugnis aus, wie es Söldnern geziemt, und wie sie es der Lage der Dinge gemäß höchst wahrscheinlich selbst gefordert haben mögen. Der Kurfürst erklärt, dass beide Heerführer ihm bislang getreue Dienste geleistet. Da ihm aber alle Mittel abgeschnitten seien, das Heer ferner zu unterhalten, da mithin dasselbe, ohne sich völlig zu Grunde zu richten, in seiner Pflicht nicht verharren könne: so wolle er es ihnen nicht verdenken, dass sie solcher Pflicht entlassen zu sein begehrten. Demnach entlasse er sie, sei auch damit zufrieden, dass sie ihre Sache anderswo besser nachsuchen möchten, wo und welcher Gestalt sie es am besten finden würden.*)

*) Theatrum Europäum, Seite 734. Man vergleiche ferner Aretin: Bayerns auswärtige Verhältnisse u. s. w., Seite 152.

Wir glauben nicht zu irren, indem wir das Aktenstück und was nun in Folge dessen weiter geschah, für eine der wichtigsten Urkunden zur Beleuchtung des eigentlichen Charakters des schauervollen Krieges halten.

Am folgenden Tage schickte Mansfeld dies Zeugnis der Entlassung an den General Tilly. Mansfeld halte demselben bereits Anerbietungen gemacht, auf welche Tilly, wie es scheint, nicht eingegangen ist. Mehrmals waren schon Trompeter ab- und zugegangen. Mansfeld stellt nun mir Berufung auf seine eben erhaltene Entlassung das Anerbieten, dass sowohl er als Christian von Braunschweig und das ganze Heer Willens und bereit seien, für die Zahlung des rückständigen Soldes in kaiserliche Dienste zu treten. Denn dem Kaiser zuerst und vor allen Andern seien sie zu dienen willig. Dies dem General zu eröffnen, sei der Zweck ihres Schreibens. Wenn aber der Kaiser ihre Dienste nicht wolle: so bitten sie ihn, die Reichsacht über sie aufzuheben und einen Generalpardon zu erlassen. In diesem Falle sind sie sämtlich bereit, sofort aus den Grenzen des Reiches zu scheiden. Und eben dazu seien sie auch bereit, also erklärt Mansfeld, wenn nur Tilly persönlich ihnen verspreche, dass dieser Generalpardon des Kaisers erfolgen solle, und in diesem Falle würden sie auf Tillys Zusage sofort gehen.

Tilly benimmt sich nach seiner Weise. Er wagt nicht, etwas zu versprechen, was nicht in seiner Macht steht. Er berichtet das Anerbieten der Söldnerführer an seinen Herzog, Maximilian erwidert: man könne sich auf dies Erbieten nicht verlassen. Es sei nur ein Vorwand, um neue Schwierigkeiten zu erregen. Der Kaiser müsse entscheiden. Inzwischen litten die beiden mit ihrem Heere Not und Bedrängnis. Nicht Tilly griff sie an, sondern der Hunger: sie mussten einen Ausweg suchen. Ostwärts war ihnen der Weg durch Tillys Schwert versperrt. Sie zogen westwärts auf französischen Boden. Ein Hindernis fanden sie nicht; denn einem starken Söldnerheere standen damals alle Länder offen.

Einen Kriegsherrn, der ihren Waffen irgend einen Schein des Rechtes verleiht, haben beide fortan nicht. Sie suchen einen solchen. Es sind Unterhandlungen im Gange mit dem Könige von Frankreich gegen die hugenottische Partei, mit dieser Partei gegen den König, mit der Infantin zu Brüssel gegen die Holländer, mit den Holländern gegen die Infantin.

Die Holländer tun das Meistgebot. Dazu ist es auf französischem Boden nicht mehr geheuer. Die Streitkräfte des Landes werden zusammengezogen, und ungeachtet der Verhandlungen ahnt Mansfeld Schlimmes. Die Gefahr zwingt ihn und Christian, die selten einig sind, sich diesmal zu vertragen und vereint ihr Heil zu suchen. Sie eilen in raschen Märschen nordwärts nach Holland und erzwingen sich mit schwerem Verluste bei Fleurus von Cordova den Pass. Eine kurze Zeit dienen sie den Holländern. Dann werden diese ihrer müde und entlassen sie. Abermals haben sie keinen Kriegsherrn. Doch das hindert sie nicht. Auch so brechen sie abermals ein auf dem Boden des deutschen Reiches.

Es klingt unglaublich, wenn wir berichten, dass nun dennoch Mansfeld wieder Mittel findet, mit dem Hofe zu Brüssel in Verbindung zu treten. Während die Holländer und Friedrich von der Pfalz ihn ermutigen, sein Heer, mit welchem er in Ostfriesland steht, nicht zu entlassen, damit er bereit sei zur rechten Stunde, bietet er der Infantin an, ihr die Stadt Emden zu verschaffen, damit sie von da aus die Holländer bezwinge.*) Die Infantin dagegen verspricht ihm: mit dem Tage, wo er Emden in spanische Hände gebe, sei er Grande von Spanien und Ritter des goldenen Vließes. Er soll Graf Mansfeld sein mit 12.000 Thaler monatlich. Er selbst pflegte sich Prinz nennen zu lassen. Die Infantin bewilligt das schon im Dezember 1622. Im Februar 1623 ward bestimmt, dass die Genehmigung des Königs von Spanien binnen drei Monaten eingeholt werden müsse. Schon wurden in Brüssel Entwürfe gemacht, wo und wie außer an der Ems auch am Jahdebusen ein Kriegshafen anzulegen sei. Die Eidesformel für Mansfeld lag bereits fertig vor. Alles war bereit.

*) Archiv zu Brüssel

War es diesmal dem Mansfeld Ernst damit? Er hatte gleichzeitig noch vieles Andere an der Hand. Seine Banden standen an der Grenze des Oldenburger Landes. Dort regierte der Graf Anton Günther, ein kluger, umsichtiger Herr. Er hielt mit dänischer Hilfe die Scharen Mansfelds sich ab; doch wünschte er im Anschauen des unsäglichen Jammers, welcher das Nachbarland verzehrte und verödete, der Gefahr für sich selbst lieber ein friedliches Ende zu machen. Deshalb bat er mit Vorwissen des Dänenkönigs im März 1623 bei dem Kaiser um Gnade für Mansfeld, und bewog auch den Kurfürsten Maximilian von Bayern, ein Gleiches zu tun. Ferdinand II. war bereit. Wenn Mansfeld selbst, erwiderte er, oder Jemand mit Vollmacht von ihm sich gebührend anmelde: so wolle der Kaiser sich also erklären, wie es die gemeine Ruhe, Wohlfahrt und Einigkeit, auch Abwendung größeren Unheils erfordere. Aber was hatte Mansfeld, der länderlose Abenteurer, vom Frieden zu hoffen? Er hatte Vorteil nur vom Kriege.

In denselben Tagen des Frühlings 1623, wo Mansfeld in seinen Unterhandlungen mit dem Hofe von Brüssel zum Abschlusse gekommen zu sein schien, wo hinwiederum der Kaiser nach abermals ausgesprochener dritter Reichsacht dennoch zur Verzeihung erbötig war, in denselben Tagen, wo Mansfeld mit Vorwissen und Rath der Generalstaaten von Holland und Friedrichs von der Pfalz in Ostfriesland auf deutschem Reichsboden sich stärken sollte zu künftigen Taten: in denselben Tagen unterzeichnete der seltsame Mann einen Dienstvertrag mit Frankreich, Venedig und Savoyen. In denselben Tagen, wo der Dänenkönig den Kaiser für Mansfeld um Verzeihung bat, meldete Mansfeld diesem Dänenkönige: Frankreich, Savoyen, Venedig hätten ein Bündnis geschlossen zur Erhaltung der Freiheit der Fürsten und Stände von Deutschland. Das Mittel dazu sei Krieg gegen den Kaiser und Spanien. Mansfeld forderte den König Christian von Dänemark auf zum Beitritte zu diesem Bunde. Er nannte sich den General dieses Bundes. In denselben Tagen ferner forderte er die Stände von Ostfriesland auf, ihn zum erblichen Herrn anzunehmen und mit ihm in den Schutz des Königs von Frankreich zu treten.

Was denn eigentlich war die echte Farbe dieses Chamäleons? — Fast möchten wir zweifeln, ob er es im Grunde selber wusste. Sein Vorteil war seine Farbe; allein wo lag sein Vorteil? Die Holländer trauten ihm nicht mehr. Sie verstärkten ihre Besatzung in Emden und ließen Mansfeld sagen, dass sie seine Truppen unter den Kanonen der Stadt nicht dulden würden. Das Heer verging vor Hunger, Kälte und Pest. Tilly nahte heran. Es bedurfte nicht mehr seines Schwertes, diese Scharen zu vernichten. Sie vernichteten sich selbst, und die Rache des Landmannes vollendete das Werk. Vierzehn Monate nach dem Einzuge Mansfelds in ein blühend reiches Land waren seine Truppen geschmolzen auf ein kleines Drittteil, lebte von den Einwohnern, welche jene vorgefunden, noch der fünfte, stand von den Häusern noch der sechste Teil. Die Einwohner dieses Landes waren der Mehrheit nach kalvinisch, und Mansfeld verfocht, wie es schien, die Sache des Kalvinismus.

Mansfeld ging nach England und ward dort empfangen und geehrt wie ein Held und Befreier. Er ist das wahre Urbild des Söldnertums, welches vorgibt, für die Religion zu streiten. Wir sehen ihn dann von England aus abermals unter dieser Fahne die Brandfackel der Verwüstung nach Deutschland tragen. Aber wir glauben, das hier Angeführte dürfe zu einem Bilde dieses Mannes genügen. Nur einen Zug noch fügen wir hinzu.
In Norddeutschland liegt auf der Grenze von Oldenburg und Ostfriesland ein kleiner Bezirk, das Saterland. Der Boden ist tief morastig, kaum im Sommer ist das Land zugänglich. Daher lebt das Völkchen abgeschieden für sich, mit eigentümlichen Sitten, mit einer Sprache, so reich an alten Formen und Wörtern des sächsisch-friesischen Dialektes, dass die Nachbarn sie nur schwer verstehen. Das Land ist oder war in der Regel den Kriegsheeren unzugänglich: man sagt, dass die Franzosen nicht gewagt haben, den zitternden, quellenden Boden zu überschreiten. Nur ein Baumeister bahnt sichere Wege auch dahin: der scharfe Winterfrost. Er war der Führer der Mansfelder in die friedlich stillen Hütten. Die Nachkommen haben treu die Erinnerung an ihn bewahrt. Noch heute ruft die Mutter des Saterlandes dem schreienden Kinde zu: „der Mansfelder will kommen,“ und das Geschrei erstickt auf der gelähmten Zunge.

Es ist nur einer, der nach Villermont's Ansicht sogar Mansfeld übertrifft. Es ist Christian, der Halberstädter. „Es gibt Menschen,“ sagt Villermont, „welche die Vorsehung erweckt wie öffentliche Geißeln, um die Nationen für ihre Verbrechen zu züchtigen. Keiner hat ein stärkeres Verdienst, unter diese Bilder des göttlichen Zornes eingereiht zu werden, als Christian von Braunschweig, der Halberstädter genannt, der Attila auf kleinem Fuße, dessen schauerliche Raubzüge das Elend der unglücklichen Deutschen auf den Gipfel brachten.“ Villermonts Zeichnung von Christian fällt dann gemäß den Grundstrichen aus, die schon vor zwei Jahrhunderten von Bougeant entworfen.

Man könnte hier die Frage auswerfen, ob nicht Villermont darin zu weit gegangen sei, ob nicht einige dieser Striche auf Rechnung seines Unmutes als Katholiken gegen Christian zu schreiben seien. So könnte es scheinen nach der in Deutschland vielfach üblichen Tradition. Ja wir haben sogar Bücher in deutscher Sprache, welche Christian als die letzte Blume edler Ritterlichkeit benennen. Die Verfasser solcher Bücher werden allerdings über den Namen eines Attila auf kleinem Fuße ihrerseits etwas unmutig sein. Sie werden sagen, dass Grausamkeiten, die sie ja nicht leugnen wollen, damals von Allen ausgeübt wurden, dass man nicht einen Mann im Besondern verantwortlich machen darf für das, was im Geiste seiner Zeit lag. Sie werden Villermont entgegenhalten, dass nicht von dem Standpunkte unserer Anschauung über Krieg und militärische Disziplin das Walten Christians betrachtet werden muss, sondern von demjenigen der Zeit selbst, in welcher Christian lebte.

Wir unsererseits sind durchaus derselben Ansicht. Nur nach dem Maßstabe der Zeit selbst müssen die Menschen bemessen werben. Wir möchten darin noch einen Schritt weiter gehen. Nicht die Klagen der Misshandelten und Gequälten, die so leicht zur Übertreibung des Erlittenen geneigt sind, dürfen entscheiden, sondern die Urteile der Unbefangenen und Unbeteiligten. Unbefangen und unbeteiligt sind indessen nur Wenige. Es fragt sich z. B., ob ruhige, friedliche Bürger als solche gelten können. Wo sie nicht unmittelbar durch Christian gelitten hatten, da konnten sie doch in Gefahr kommen, durch ihn zu leiden. Das sicherste Mittel unter allen Umständen ist seine eigene Partei zu fragen. Von dieser am ersten wird zu erfahren sein, ob sie Christians Kriegsweise billigte, ob dieselbe dem Geiste der Zeit entsprach und überhaupt nichts Auffallendes an sich trug, nichts, worüber die Unbeteiligten und mithin in unvermeidlicher Rückwirkung auch die eigene Partei, für welche Christian kämpfte, sich zu beklagen hatte. Dahin also haben wir uns zu wenden mit der Frage, ob Villermont, der zu seinem Urteile nicht erst die Ansichten dieser Partei eingeholt. Recht habe mit seinen scharfen Worten oder nicht.

Der Pfalzgraf Friedrich zählte unter seinen Anhängern sehr befähigte Leute, die nur immer sich beklagten, dass er mehr seinem weibischen, störrigen Eigensinne folge, als ihren Ratschlägen. Einer der merkwürdigsten ist der pfälzische Rat Camerar. *) Es ist erstaunlich zu ersehen, mit welchem Scharfsinne dieser Mann den Gang der Dinge immer im Voraus prognostiziert. Er hat Friedrich nicht zur Annahme der Krone von Böhmen geraten; aber als dieser sie angenommen. Alles getan, um ihn dabei zu erhalten oder sie ihm wieder zu verschaffen. Vom Jahre 1622 verweist Camerar unablässig auf den Schwedenkönig als den einzigen Retter hin. Er tadelt das Bündnis mit dem Dänenkönige, dessen Habsucht und Verwegenheit nimmer ein gutes Ende seines Unternehmens erwarten lasse. Aber vor allen Dingen tadelt er jegliche Verwendung von Mansfeld oder Christian. Er hat den letztern näher kennen gelernt durch eine schmachvolle Handlung, die Christian im Sommer 1623 in Amsterdam begeht. Die holländische Obrigkeit hält sich an die Diener Christians und wirft diese ins Gefängnis. „Wahrlich,“ ruft Camerar aus, „wenn er seine Gesinnung nicht ändert und Gott fürchten lernt: so dürfen wir uns nichts Großes noch Gutes erwarten.“ Seine Abneigung ist im raschen Zunehmen. Als sich für Mansfeld im Sommer 1624 in England Aussichten eröffnen auf Geld zu einem neuen Kriegszuge in Deutschland, ruft Camerar klagend aus: „Ich erwarte nichts von Mansfeld. Ich sehe voraus, dass, wenn er nicht deutsche Truppen hat, sondern ausländische, sich das ganze Reich gegen ihn verbinden wird. Auch fürchte ich, es werde sich mit ihm der Herzog Christian vereinigen, der Gott und den Menschen gleich verhasst ist. Nicht solche Beschützer fordert die Zeit. Wenn nicht die Kriegszucht aufrecht erhalten, der Krieg nicht von dem Könige selbst geleitet, der Schatz nicht von treuen Männern verwaltet wird: so ist aller Aufwand vergebens. Warum gibt man das Geld nicht dem Könige von Schweden?“ — „Im Hasse gegen Mansfeld ist ganz Deutschland einstimmig, und noch größer ist derjenige gegen den Braunschweiger.“

*) Man vergleiche über alles dies die Briefe Camerars bei Söltl: Religionskrieg, Band III, Seite 185 ff.

Man steht, wie merkwürdig genau die Ansichten von Villermont in unserer, und Camerar in der damaligen Zeit übereinstimmen. Wo zwei Männer so verschiedenen Sinnes, von so entgegengesetzten Standpunkten aus zu demselben Urteile gelangen: da scheint dasselbe auf Richtigkeit und Begründung wohl einigen Anspruch machen zu dürfen. Man wird mit gleichem Rechte voraussetzen, dass die offen zur Schau getragene Neigung des zweiundzwanzigjährigen Jünglings zu Elisabeth, der Frau des Pfalzgrafen Friedrich, bei dem sittlich ernsten Manne eine andere Beurteilung erfährt als die gewöhnliche, zumal da dieser selbe zweiundzwanzigjährige Jüngling an offener Tafel prahlerisch erzählt, wie er an den Frauen und Mädchen des Stiftes Paderborn gehandelt. Wir bitten einen Jeden, der fortan noch Neigung in sich verspürt, den Jüngling Christian einen Vorkämpfer der Religion und der Freiheit zu nennen, diese Worte zu lesen, die bereits Senkenberg vor 60 Jahren mitgeteilt hat.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber einige Männer des dreißigjährigen Krieges