Graf Villermont über Tilly

Wir haben diesen Persönlichkeiten das Bild Tillys entgegenzustellen, wie der Graf Villermont es zeichnet.

Bei dem Beginne des dreißigjährigen Krieges war Tilly bereits 59 Jahre alt. Die verschiedenen Porträts, die uns von ihm erhalten sind, zeigen ihn dünn und mager, aber wohlgebildet, muskulös und kraftvoll. Seine Nase war lang, dünn und gebogen. Seine Stirn breit, vorspringend und nachdenklich. Die Augen blau, leicht eingesenkt unter dichten Brauen und voll Feuer. Die Lippen dünn, das Kinn spitzig, mit üppigem Bartwuchs. Der Ausdruck des Gesichtes war ernst und streng. Die ins Rötliche spielenden Haare waren frühzeitig gebleicht und immer kurz geschnitten.


Die ganze Gesichtsbildung trug stark markiert das Gepräge des spanischen Charakters. Die Kleidung erinnerte an diejenige der alten Generale aus der niederländischen Schule. Der Graf von Guiches erblickte ihn, bekleidet mit einem Wams von grünem ausgeschnittenen Samt, mit zerstückten Ärmeln, mit Beinkleidern vom selben Stoffe, mit großen Stiefeln, rundem Hute, von welchem eine lange rote Feder bis auf den Rücken niederwallte. An einem engen Gürtel hing ein schwerer Schleppsäbel, am Sattelbogen nur eine Pistole. Diese Ausstattung erschien nach dem Ausdrucke des Marschalls Grammont für den jungen Höfling mehr als seltsam. Die Gelegenheit zu einem Witze über altfränkisches Kostüm erschien geboten, und er fragte spöttisch den alten General, was denn das für eine Mode sei. Es ist die meinige, erwiderte kurz Tilly, und sein Blick hieß den Scherz auf den Lippen des Vorwitzigen ersterben.

Sein Gang war würdevoll. Dennoch verriet derselbe die ursprüngliche Lebhaftigkeit einer Natur, die gezähmt ist durch einen energischen Willen. Niemals sah man ihn im Schritte gehen. Selten lächelte er. Sein Wort war kurz, bestimmt, seine Haltung maßvoll, fest, aber gebietend.

Der hervorstechende Zug seines Charakters, sagt Villermont, der, wie wir nochmals erinnern, als Katholik den Katholiken beurteilt, war der Glaube, der lebendige Glaube voll Wärme und Licht. Ihn ohne diesen Glauben zu beurteilen, hieße ihn verkennen. Diese Tatsache, die lückenlos sein ganzes Leben durchdringt, erklärt von der einen Seite die Verehrung, die man ihm zollte, von der andern den fanatischen Hass, der nicht aufgehört hat, in der Geschichte ihn zu verfolgen.

So ungern wir die Charakteristik unterbrechen, so müssen wir doch hier eine tatsächliche Berichtigung machen. Es lässt sich aus sehr vielen Beweisen dartun, dass Tilly in seinem Leben sich bei den Protestanten vielleicht einer nicht geringem Hochachtung erfreute als bei den Katholiken. Es ließe sich ferner dartun, dass der eifrige Hass gegen Tilly in einem gewissen Religionseifer immerhin seine Nahrung, nicht jedoch seinen Ursprung gefunden hat. Das Wort eines deutschen Katholiken, dass der Hass gegen Tilly ein protestantisches Dogma sei, ist als Witz treffend; aber es ist immer nur ein Witz. Die Wissenschaft innerhalb des Protestantismus hat schon nicht wenige Belege zur Rechtfertigung Tillys gebracht, und wird sie auch ferner bringen.

Unter dem Kriegsharnisch, fährt Villermont fort, war er ein Heiliger, und dieses Wort erhellt für den, der die Kraft desselben begreift, jede Stunde seiner langen Laufbahn. Er war dem Gebete ergeben und übte es, ohne dass diese Gewohnheit ihn jemals in der geringsten seiner Pflichten fehlen ließ. Er sagte seine Horen so genau unter dem Zelte, wie ein Mönch in seinem Kloster. Man hat gesagt, dass er dem Jesuitenorden angehört habe. Es ist möglich; aber keins der Verzeichnisse der Mitglieder des Ordens enthält seinen Name. Er ging einher in der Gegenwart Gottes, erhob häufig seine Seele durch kurze Andacht, und deckte sich mit dem Schilde des innern Gebetes sowohl gegen die Aufwallung seiner eigenen Leidenschaft, als gegen das Unglück und die Beschwerden des Lebens.

Die Pflicht war der Beweggrund alles seines Tuns. Er trieb dieselbe bis zur völligsten Selbstentsagung. Von dem brudermörderischen Streite zwischen Rudolf und Matthias an, sah man ihn mit Verachtung alle Verlockungen des Ehrgeizes zurückweisen. Unempfindlich gegen Drohen wie gegen Versprechen, gab er das Beispiel der Treue gegen seinen Herrn, und zerbrach lieber seinen Degen, als dass er ihn dem Dienste des Usurpators weihte. In einer noch kritischeren Lage, als das Schicksal ihm die Gelegenheit bot, den Ruhm seiner Lorbeeren wieder zu erheben, die bei Breitenfeld befleckt waren, und der Befreier des katholischen Deutschlands zu werden, hielt er den Ausbruch seiner Gefühle zurück, die vielleicht einem Andern unwiderstehlich gewesen wären, und zog dem Ruhme den Gehorsam vor.
Villermont meint hier die Gelegenheit des Marsches am Maine im Spätherbste 1631, wo auch Geijer der Meinung ist, es habe in Tillys Hand gestanden, den Schwedenkönig zu erdrücken. Die Ansichten darüber sind verschieden. Indessen, wenn auch vielleicht diese Ansicht sich nicht als probehaltig erweisen sollte: so fehlt es in Tillys Leben nicht an Beispielen, welche dartun, dass dieser Charakterzug bei ihm dennoch in voller Kraft verbleibt.

Streng gegen sich, fährt Villermont fort, verachtete er die Bequemlichkeiten des Lebens eben so sehr, wie die Lockungen der Eigenliebe. Seine Nüchternheit war vollkommen, nur ausnahmsweise trank er Wein. Niemals hat er sich berauscht, niemals einem Weibe sich genaht. Einfach und bescheiden in seinen Sitten, vermied er alle Pracht, ohne doch in den Erfordernissen seiner hohen Stellung etwas zu versäumen. Er bewirtete seine Gäste reichlich, wusste sich freigebig zu zeigen zur rechten Zeit, und beobachtete strenge Sparsamkeit nur gegen sich selbst. Ein protestantischer Diplomat, der 1623 ihn zu Hersfeld sah, berichtet von ihm: Der General Tilly ist ein Mann von großer Erfahrung, bei seinen Soldaten geliebt und gefürchtet. Er hält strenge Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person und der Stellung. Er ist reichlich 63 Jahre alt, aber noch sehr kräftig, weil er Leidenschaften nie gefrönt. Sein Hauswirt hat mir sein Bett gezeigt. Es sind zwei Bretter und eine Matratze. Niemals bedient er sich eines andern. Er entkleidet sich nie, schläft immer in seinen Kleidern, nur dass er des Morgens die Wäsche wechselt.

In der Tradition der spanischen Disziplin erzogen, setzte er sie fort in seinem Heere, und nach dem Zeugnisse seiner zeitgenossen war keiner darin so vollendet wie er. Seine gleichmäßige Gerechtigkeit für Alle traf ohne Unterschied den Führer wie den Untergebenen, den Edelmann wie den Geringsten. Er betrachtete die Religion als die feste Grundlage eines guten Soldaten.

Es könnte nach diesen Worten Villermonts scheinen, als sei hier die katholische Religion gemeint. Diese Meinung würde unterstützt werden durch das gewöhnliche Vorurteil, als habe, wenn nicht das Heer Wallensteins, doch dasjenige Tillys nur aus Katholiken bestanden. So war es nicht. Die Worte Villermonts sind allgemein zu verstehen. Tilly verlangte von seinen Soldaten das Bekenntnis einer positiven Religion, und zwar traf er Fürsorge dafür. Er stellte protestantische Feldprediger an. Wir kennen den Namen eines solchen, der mit vor Magdeburg lag. Er hieß Schwanenberg und bewies sich seines Berufes würdig.

Tilly, fährt Billermont fort, duldete in seinem Lager keine der Zügellosigkeiten, welche in demjenigen Wallensteins gewöhnlich waren. Aber er bewies seinen Soldaten eine väterliche Neigung, nahm sich ihrer an mit beständiger Sorgfalt, dachte sich hinein in ihre Bedürfnisse, ihre Wünsche, ihre Hoffnungen, wurde um ihretwillen stürmisch, wagte für sie sich zu beklagen und zu bitten, teilte ihre Entbehrungen und ihre Mühen, ward gerührt durch ihre Not und genoss mehr als sie selbst ihres Wohlbehangens. Darum wurde er beliebt bei Allen und von ihnen gefeiert. Die Soldaten nannten ihn ihren Vater, und er nannte sie seine Söhne. Sie hatten für ihn Achtung und Anhänglichkeit und fürchteten seine Vorwürfe mehr als die Klinge des Profoß. Bei Breitenfeld bildeten seine Veteranen um ihn mit ihren Leibern einen undurchdringlichen Wall. Sie starben, weil sie ihn nicht verlassen wollten. Ein solcher Mann war Tilly. Sein Bild ist verdunkelt wie dasjenige weniger Sterblichen. Es trifft sich auch sonst wohl einmal, dass man ein Originalgemälde eines vortrefflichen Meisters auffindet, verdunkelt und geschwärzt von Rauch und Staub. Also liegt das Bild verachtet und verkommen im Winkel. Dort ersieht es der Kenner. Er zieht es hervor. Unter seiner Hand löst sich die äußerlich anklebende Kruste, und die Züge selbst und die Farben treten leuchtend hervor in ursprünglicher Reinheit und Klarheit. So und nicht anders steht es mit Tilly. Noch ist viel zu tun, um die äußerlich aufgelegte Rinde des Rauches von Magdeburg und alles andern Staubes von ihm zu lösen. Aber auch das wird gelingen, vielleicht auf Kosten Anderer, die jetzt mit allzu blendenden Farben vor uns stehen. Aber es wird gelingen; denn: Suum cuique decus posteritas tandem rependet.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber einige Männer des dreißigjährigen Krieges