Abschnitt 3

Über die niedreren Stände
auf dem
flachen Lande in
Mecklenburg-Schwerin


Aus Furcht vor schlankem, schlotterndem Wuchse nähen die Frauen um den schwarzen Bindleib über den Hüften einen armdicken Wulst, auf dem die 5 oder 7, bis zur Wade reichenden, Röcke hangen. Der enge Bindleib kann nur unten zugeheftet werden; den leeren Raum füllt ein oft sehr buntes oder blankes Brüstchen (Böschen, von Bost - Brust) d. i. Latz, von steifer, überzogener Pappe bis zum Kinne aus, wo es zuweilen absteht (Gr. Grenz), zuweilen nicht (Biestow). Die schwarze Jope, hinten mit langem, sehr breitem Schoße, steht immer offen Alltäglich ist der oberste Rock ein roter, in den bei Weibern um den Nabel der Sparsamkeit wegen ein tellergroßes Stück Leder (dei Deitsacht - das: Thut wohl) eingesetzt ist, und die Schürze weißleinen oder blaugefärbt, sonntäglich aber der oberste ein schwarzer mit unendlich vielen eingereihten Falten, und jeder untere etwas länger, damit von allen die gut besetzten Säume etwas sichtbar sind; die Schürze dann gemeinhin klar weiß. Strümpfe stets rot; die hohen Schuhe bei Feiertagen mit Riemen zugebunden, ohne Schnallen, an deren Stelle dann ein handgroßes, buntausgeschlagenes Stück Leder (Pleußen) schwebt. Die schwarze Mütze mit kleinem anliegenden Striche, hinten spitz und hoch; dort hängt eine fußlange, schwarze Schleife (Start - Schweif) nieder, anstatt daß anderswo die kurze Schleife aufrecht steht. Um den Hals werden bunte, seidene Tücher in großer Menge geschlagen, deren Enden zum Teil vorne untergesteckt sind, oder unter die Arme hinlaufend, hinten geknüpft, unter der Jope herabhangen. - Beim Abendmahl tragen die Mädchen weiße, dichtanliegende Mützen (Köppels); sie und die Frauen haben dann über die seidenen Tücher noch ein schmales, eingefaltetes, weißes Tuch lose gebunden, das sich auf der Brust kreuzet und sich dann unter die Arme hin verliert. Geputzt hat jede, auch im heißesten Sommer, einen kleinen, runden, schwarzen Muff, zu Gr. Grenz aber größere und schlaffe, die Handschuhe zuweilen ohne Fingerlinge, über der Hand mit bunter Klappe. Der von ihnen selber verfertigte Strohhut ist von seltsamer Form, oben platt, an den Seiten schmal, mit schwarzem Bande. Bei Beerdigungen wird in einigen Dörfern um den Hut ein weißes, zur Hüftehinten herabflatterndes, Tuch (Truerdauk - Trauertuch) gebunden, und in der Gemeinde Biestow gehen sie gewöhnlich mit einem Stücke gebleichter Leinwand (Regendauk - Regentuch) unter dem Arme zur Kirche.


Sie lieben diese Tracht sehr, obgleich sie den Frauen schlecht steht; die der Männer gibt aber wahrlich ein ehrenfestes, mannhaftes Ansehen. - Unter diesen Leuten findet man öfters Haar und Auge dunkel, und meistenteils, wie im Amte Dargun und an der ganzen Seeküste, einen ausgezeichnet starken, hohen Gliederbau.

In Warnemünde, einer Ortschaft, die von Lootsen und Seeleuten bewohnt wird, tragen die Männer bei der Arbeit 3 Beinkleider über einander, eine leinene Unterhose (Unnerbrauk), eine andere von grünem Manchester (Spitzbüchs), und eine sehr weite, leinene Oberhose (Brauk). Ein Verlobter erhält von seiner Braut 2 überaus große, silberne, mit einer silbernen Kette verbundene Hosenknöpfe, die an der Klappe der Spitzbüchse befestigt werden; auf dem einen derselben ist Adam und Eva, auf dem andern der verbotene Baum abgebildet. Am Sonntage wird die Oberhose weggelassen, und dann wird die, zur andern Zeit zuknöpfte Spitzbüchse an den Knien nicht geschlossen. Die wollenen Strümpfe sind grau oder schwarz, gesprenkelt, und sehr eng anschließend. Hohe Stiefeln gewöhnlich, aber auch Schuhe. Die meistens grauen Westen sind sonn- und alltäglich von eigengemachtem Zeuge oder Laken. Bei der Arbeit wollene Jacken, sonst auch kurze Röcke. Wollene Zeuge halten sie für vornehm; „fi“, sagen sie, „Linnen dregt de Buer“ (pfui, Leinwand trägt der Bauer). Das Hemde ist am Halse mit daumendicken Knöpfen von Silber oder Bernstein geschlossen, und die Enden des Halstuchs (Slippen) hangen im Nacken nieder wie bei Frauen. Ein dreieckiger Hut, von dem ein schwarzer Flor fast bis zu den Knien niederschwebt, schmückt den Begleiter des Todten; dann ist die Oberjacke (Wams) schwarz, hinten sehr faltenreich, eben nicht lang, mit weiten Aermeln. Zur andern Zeit sind andere Hüte gebräuchlich.

Die Frauen tragen alltäglich rothe oder blaue, wollene Röcke, bunte oder einfache, gaschene Jopen (Kamisöler) mit langem Schooße, hinten spitz ausgehende Mützen (Hillen - Hüllen) mit langen Schleifen, häufig Spanhüte, rothe oder graue Strümpfe mit bunten Zwicheln, und gehen auf den Socken (Säcken); nur an Sonntagen zeigen sie sich auf schwarzen oder bemalten Pantoffeln. Dann wird auch anstatt der Mütze eine glatte, weiße Haube gewählt, die an den Ohrenvorsteht, an der Stirne zurücktritt; dann werden 7 Röcke von denen die unteren länger sind, angezogen, der oberste braun oder gestreift, hinten kraus, mit buntem Bande besetzt; dann ist das Kamisol grau, das Halstuch weiß, auf der Brust sich sich kreuzend, hinten zusammenlaufend, die Schürze von Taffet, der kleine, sametmanchesterne Muff mit etwa 4 Zoll langen, herabhangenden Fransen besetzt, die Handschuhe mit blumichten Klappen. - Die Braut nimmt am Sonntage vor der Trauung, an dem sie zum Abendmahle geht, und am Hochzeittage das Heuken (vielleicht von aufhocken abzuleiten?) um, ein Stück Pappe, mit schwarzem Sametmanchester oder Laken bezogen, oben mit schwarzen Spitzen besetzt, etwa 1 1/2 Fuß lang und breit, und sehr hart und steif. Es wird auf den Rücken gelegt, umfaßt einen Teil der Arme, und wird vorne zugesteckt. Jede Bewegung der Arme, z. B. beim Essen, wird durch das Heuken behindert. Unter demselben wird um den Hals ein weißer, eingefalteter Kragen (Barthel oder Barthelkragen) gebunden, und das schwarze Kopfzeug ist mit Spitzen besetzt. - Die Fischländer sind den Warnemündern in Hinsicht der Kleidung ziemlich ähnlich.