Abschnitt 2

Über die niedreren Stände
auf dem
flachen Lande in
Mecklenburg-Schwerin


Nördlich, von Ribnitz an längs der Ostsee, kleiden sich die Männer zur Arbeit und am Sonntage in schwarzgefärbte Leinwand, zuweilen jetzt auch schon in graue. Die bomsiedenen Brusttücher knöpfen sie höher zu und die Beinkleider werden weiter. Das obere Brusttuch ist


gemeinhin am Sonntage von Tuch, mit Aermeln, darüber dann ein tuchener Rock von dunkelgrauer oder blauer Farbe. Bei Klüz findet man schon andere Zeuge, Manchester Die meisten Männer tragen das Haar hinten rund (über dem Kessel) abgeschnitten, und das vordere mit einem bleiernen oder messingenen Kamme hintenüber gekämmt. Die Frauen gehen fast ganz wie ihre Nachbarinnen, bedecken aber mehr ihre Reize, obgleich sie alltäglich die Jope, besonders um Doberan, geöffnet tragen. Sie tadeln wie die andern einen schlanken weiblichen Wuchs; daher ein allgemein bekannter Vers:

lang un schmall
hätt keen Gefall;
kort und dick
giwt keenen Schick;
äwer so van miener Maat,
ach, dat ziert dei ganze Straat.

d. h. lang und schmal hat kein Gefallen; kurz und dick gibt keinen Schick; aber so von meinem Maße, ach, das ziert die ganze Straße. - Man hat deshalb Beispiele, daß sie 7 Röcke, die vorzüglich hier sehr kurz sind, über einander tragen, deren jeder gewöhnlich unten und oben 6 Ellen weit und aus dem Grunde oben in viele Falten gelegt ist. Das Bindleib ist meistenteils mit einem fingerdicken Wulste an den Hüften versehen, um die Röcke zu tragen. Mit vielem Bande ist Jope und Rock besetzt. Das Haar legen sie hinten aufwärts und scheiteln es gewöhnlich vorne, lassen dann aber gerne auf der Stirne eine kleine Locke frei schweben. Die Mütze ist hinten rund und der Strich hat die verschiedensten Formen, zuweilen in die Höhe gerichtet, nordöstlich (Rövershagen) an der Stirne eingezogen und an den Backen weit herausstehend. Nordöstlich sind auch die Strohhüte häufig hinten offen, und die, überall an der Ostsee kurzen Jacken hinten sehr faltenreich. - Fast überall werden in Nordmecklenburg Schuhe mit hohen, spitzen Absätzen gewählt und blaue, zuweilen auch rote Strümpfe mit bunten Zwicheln. - Die Schäfer ziehen im ganzen Lande hellblaue Röcke vor.

Außerdem sind noch einzelne Gegenden in Mecklenburg, wo die Kleidung mehr und minder abweicht - Poel, die westliche Gegend um Rostock, Warnemünde und Fischland, die Gegend um Bützow und einige Dörfer bei Rhena.

Der Bauer auf Poel wählt einen dunkelgrauen, tuchenen Rock für den Sonntag. Derselbe ist ohne Kragen, bis oben zugeknöpft; er giebt dem Besitzer einen langen Hals und gefälligen Wuchs. Die Beinkleider sind zuweilen man-chesterne. - Die Frauen, deren Tracht sich bis Redentin verbreitet, haben an Feiertagen gewöhnlich gaschene, sehr kurze, faltige und dicke, unten mit Band besetzte Röcke, eben solche Jopen, mit krausem Besatze oben geschmückt, das Halstuch im Nacken tief niedergesteckt, daher einen von der Sonne sehr gebräunten Hals, Mützen wie gewöhnlich, den Strich stark geblauet und vorne ganz in die Höhe stehend, einen Hut von gleicher Stellung, damit das Gesicht frei sei, das Haar über der Stirne gekräuselt, blaue Strümpfe mit Zwicheln, Schuhe ohne hohen Absatz, vorne weit ausgeschnitten. Sie gehen gerne auf Pantoffeln.

In den Gemeinden Biestow, Buchholz, und in den Dörfern Sievershagen, Bargeshagen, Wilsen, Stöbelow, Gr. u. Kl. Grenz bei Rostock ist die sogenannte schwarze Tracht gebräuchlich, die sich, aber nicht in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit, auch den zunächst liegenden Dorfschaften mitteilt, bis sie sich in die andere, sogenannte bunte Tracht verliert. Die Männer tragen sehr weite, kurze Beinkleider von schwarzer, oft feiner Leinwand (5 Ellen werden zu einem Beinkleide genommen; der große Schulze zu Biestow soll 9 Ellen gebraucht haben), wobei nur 2 große Knöpfe, zuweilen auch nur ein einziger, den Gürtel (Quadder) und die handbreite, an einer Seite angenähte Klappe zugleich befestigen, und an den Seiten sehr große Schlitztaschen (Ficken) sich finden; lederne Senkel und Riemen schnüren das Beinkleid unter den Knieen zu. Die Weste (Krupin) von Bomsied ist gleichfalls schwarz, vorne bis zur Herzgrube mit einer Reihe daumendicker Knöpfe von Prinzmetall geschmückt, und von da an bis zum Beinkleide mit schwarzen Knöpfen besetzt, die nicht knöpfbar sind. Diese untere Hälfte hat ganz das Ansehen eines breiten Gürtels. Die Krupin (d. h. Kriech hinein) wird an der linken Seite zugeheftet. Ein dickes, buntkattunenes Tuch wird um den Hals geschürzt. Ueber die Krupin kommt eine schwarze Jacke (Schwubbjacke und Butrund im Scherze genannt), sehr weit, mit langem, etwas faltigem Schoße, stets vorne geöffnet, und über diese bei Reisen, früher mehr, jetzt seltener, ein langer, schwarzer Talar (Wams) 1). Beim höhern Putze wählt man statt der Krupin eine bomsiedene, schwarz-weißgestreifte Jacke, und im Hägerorte 2) eine rotgestreifte, oft mit 3 Arten rot, und statt der Schwubbjacke einen sehr langen, schwarztuchnen Rock, hinten vom Schoße an mit zahllosen, eingelegten Falten. - Das Haar ist stets gescheitelt und hinten rund abgeschnitten, der Hut mit rundem Kopfe und ziemlich breitem Rande, bei verheiratheten mit einer schwarzen, bei unverheirateten mit einer kreideweißen Schnur umschürzt.




1) Vielleicht das alte Hoiken? D. Red
2) Hägerort heißt der Winkel bei Warnemünde, wo die Namen der Dörfer sich meistens auf hagen enden.