Ueber die ehemalige und jetzige Lage der Juden Deutschland

Eine historisch publizistische Untersuchung
Autor: Spieker, Christian Wilhelm Dr. (1780-1858) deutscher Theologe, Professor, Feldprediger, Superintendent, Freimaurer, theologischer Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1809
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Juden, Judentum, Deutschland, Mittelalter, jüdische Geschichte, römisches Reich, fränkisches Reich, Kammerknechtschaft, Judenschutz, Schutzjuden, Schutzherrlichkeit, Judenprivilegien, Judenhass, Judenverfolgung, Antisemitismus, deutsche Geschichte
Aus der Vorrede

Schon seit einer langen Reihe von Jahren sammle ich Materialien zu einer Geschichte der Juden in Deutschland, die, so mühsam auch die Bearbeitung derselben ist, doch in vielfacher Rücksicht ein hohes Interesse gewährt. Durch eine plötzliche Ortsveränderung wurde ich aber in dieser Arbeit gestört, und da mir eine reiche öffentliche Bibliothek und mehrere ansehnliche Privatbibliotheken nicht mehr offen stehen, auch andere Geschäfte jetzt die Zeit meiner Muße in Anspruch nehmen, so habe ich den Plan zur Bearbeitung jener Geschichte ganz aufgegeben. Damit aber meine Mühe nicht ganz verloren sei, habe ich die bisher gesammelten Materialien in dieser Schrift, in möglichster Kürze aufgestellt. Vielleicht erspare ich dadurch einem künftigen Geschichtsschreiber dieser unglücklichen Nation einige Mühe. Nur aus diesem Gesichtspunkte bitte ich gegenwärtiges Buch zu beurteilen. Eine vollständige, pragmatisch bearbeitete, den Geschichtsforscher völlig befriedigende Geschichte der Juden in Deutschland wollte und konnte ich jetzt noch nicht schreiben.

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Inhaltsverzeichnis
  1. Allgemeine Bekanntmachungen über die Geschichte, Verfolgungen und Schicksale der Juden, besonders in Deutschland
  2. Von den Verhältnissen, in welchen die Juden in Deutschland, vor und nach den Zeiten der goldenen Bulle, zum deutschen Kaiser standen
  3. Von den Verhältnissen, in welchen die Juden zu den verschiedenen Ständen des deutschen Reichs standen
  4. Von den Abgaben, welche die Juden ehedem dem Kaiser und den Ständen in Deutschland entrichten mussten. Nebst einer kurzen Geschichte der Juden unter den römischen Kaisern
  5. Über die jetzige Lage dir Juden, besonders in Deutschland.
    1. In England
    2. In Frankreich
    3. In Deutschland überhaupt
    4. In den Preußischen Staaten
    5. In den Österreichischen Staaten
    6. Im Königreich Westfalen
    7. Im Königreich Bayern
    8. Im Königreich Sachsen
    9. Im Großherzogtum Baden
    10. In den Staaten des Fürst-Primas
Es regt sich jetzt allenthalben, und auch an vielen Orten unsers deutschen Vaterlandes, ein, für die bürgerliche und sittliche Verbesserung der Juden, sehr heilsamer Geist. Man will diesem armen Volke, das so lange unter dem furchtbarsten Joche der Knechtschaft seufzt und Jahrtausende lang die schmachvollsten Drangsale erduldete, die so lange vorenthaltenen Rechte der Menschheit wiedergeben, und es Teil nehmen lassen an allen Wohltaten des bürgerlichen Vereins. Zu diesem löblichen Zwecke wollte ich auch gern mein Scherflein beitragen, und dadurch, dass ich meinen Mitchristen zeigte, wie schwer und grausam sich oft unsere Väter, durch einen wilden Fanatismus geblendet, an dem Israelitischen Volke versündigt haben: wollte ich sie ermuntern, durch einen menschenfreundlichen, humanen Sinn an den den Nachkommen wieder gut zu machen, was wir leider bei ihren Vorfahren nicht ungeschehen machen können. Ich würde mich für meine Arbeit reichlich belohnt fühlen, wenn ich diesen Zweck nicht ganz verfehlte...

"Keine Geschichte erregt ein so vielseitiges uns mannigfaches Interesse, als die des jüdischen Volks. Denn wo ist ein Volk, das ein so hohes Alter hat, und das für seine früheste Geschichte so ehrwürdige Dokumente aufweisen kann, als das jüdische? Welche Nation hat sich unter so verschiedenen Himmelsstrichen, unter so mannigfachen, wechselvollen Schicksalen, unter den grausamsten und fürchterlichsten Verfolgungen, Jahrtausende hindurch sich originell und charakteristisch erhalten, als die jüdische? — Ach leider kann man nur mit Schaudern und gerechtem Unwillen auf die traurigen Schicksale der unglücklichen jüdischen Glaubensgenossen hinblicken. Bei ihrer Behandlung wurden oft die heiligsten Rechte der Menschheit freventlich mit Füßen getreten, und leider fühlt noch jetzt ein großer Teil dieser armen, verspotteten, der Wut des blinden Volks, der Religionsschwärmerei phantastischer Priester, der Willkür grausamer Despoten und den Irrungen eigener Verblendung Preis gegebenen Nation den schweren Druck, unter dem sie ehedem, durch alle Teile der Welt zerstreut, und nur durch den gehässigen Namen der Juden wieder vereint, seufzte..."

Spieker, Christian Wilhelm (1780-1858) Prof. d. Theologie, Schriftsteller, Oberpfarrer

Spieker, Christian Wilhelm (1780-1858) Prof. d. Theologie, Schriftsteller, Oberpfarrer