Heutige Verfassung der Juden in Mecklenburg-Strelitz

Im Stargardschen Kreise wohnen die meisten Juden in Altstrelitz, einer 1/4 Meile von Neustrelitz entfernten Stadt. Im Herbst 1810 waren daselbst 485 Juden. Sie haben dort eine Synagoge, einen Oberrabbiner, und überhaupt eine Gemeinheitsverfassung. Auch in Neustrelitz, wo 4 jüdische Familien sind, in Mirow, in Fürstenberg und Wiesenberg ist eine Synagoge und Gemeinheitsverfassung. In Altstrelitz ist das jüdische Gericht für die Juden des Stargardischen Kreises, in welchem auf den Herzoglichen Domainengütern einige Juden Loh- und Papiermühlen, auch in Altstrelitz eine Leder- und Tabaksfabrik und eine Metbrauerei angelegt haben. Im Fürstentum Ratzeburg ist nur ein Schutzjude, nämlich in der Stadt Schönberg.

Die Herzoglich Mecklenburg-Strelitzische Regierung hat seit fast einem halben Jahrhundert gegen die Juden sehr liberale und humane Grundsätze aufgestellt, und ihren Zustand auf alle Art sehr erleichtert, weshalb auch mehrere wohlhabende jüdische Familien ins Land zogen, wie denn z. B. die Witwe und Kinder des berühmten Moses Mendelssohn nach dem Tode dieses Mannes sich in Neustrelitz niederließen.


Der jetzt regierende Herzog Karl hat sich auch die moralische Bildung dieses Volkes sehr angelegen sein lassen, und Jahrelang eine eigne Kommission angeordnet gehabt, um die kirchliche und Gemeinheitsverfassung der Juden zu verbessern. Mit dieser Kommission war Anfangs der nachherige Reichskammergerichtsassessor Frhr. von Kamptz, so lange er in Strelitzischen Diensten war und nachher der jetzige Minister von Oerzen beauftragt.

Die Judenschaften zu Altstrelitz und zu Fürstenberg haben eigne landesherrlich bestätigte Reglements und Ordnungen, wodurch ihre innere Verfassung bestimmt ist, auf deren Beobachtung das Kollegium der Ältesten wacht, und daher ein jus exequenti hat.

Wenn gleich die Juden einzeln nicht mehr kanzleisässig sind, sondern unter den Niedergerichten stehen, falls sie nicht einen Titel haben, mit welchem die Kanzleisässigkeit verbunden ist, so steht doch das Kollegium der Judenältesten als solches unmittelbar unter den Landesgerichten.

Die Juden haben einen nicht unbeträchtlichen Handel sowohl im Lande als außerhalb desselben, Wechselgeschäfte und dergleichen, allein noch keine städtische, bürgerliche, zünftige Gewerbe, obgleich einige die oben gedachten Fabriken angelegt haben.

Die Judenschulen im Lande sind der Gegenstand vieler Verbesserungsversuche gewesen; die Judenkinder gehen aber, wie schon erinnert worden, ziemlich allgemein in die christlichen Schulen.

Die Aufnahme der Juden geschieht durch die Landesregenten.

Gegen den Aufenthalt unvergleiteter Juden sind 1717, 1764, 1772, 1777 und 1781 Verordnungen erschienen.

Den Städten wurde zwar 1754 zugesagt, dass weiter keine Juden als die in Altstrelitz konzessionierten aufgenommen werden sollten, allein das ist implicite durch den Landesvergleich vom 18. April 1755 §. 377 und durch die Observanz aufgehoben.

Die Statuten der Judenschaft zu Altstrelitz sind am 24. Februar 1768, und jene der Judenschaft zu Fürstenberg am 4. März 1779 landesherrlich bestätigt worden.

Schon durch Verordnungen von 1779 und 1781 ist bestimmt, dass die Mecklenburg-Schwerinischen Juden von Erlegung des Leibzolles befreit sein sollen, wenn die Strelizischen Juden im Schwerinischen die nämliche Freiheit genießen.

Der jüdische Richter und Vizerabbiner zu Altstrelitz ist befugt, alle unter der Gemeinde vorfallende Streitigkeiten, welche aus jüdischen Gesetzen entschieden werden müssen, nach ihren Statuten beizulegen, auch wenn über kleine Schuldposten Streit entsteht, solche zur Ersparung der Kosten abzumachen, welches jedoch nur von geringen Schulden armer Leute, und auf den Fall zu verstehen ist, dass sie sich dem Erkenntnis freiwillig unterwerfen und damit zufrieden sind. S. Verordnung vom 29. Junius 1780.

Nach den Verordnungen von 1771, und 1792 findet die in den Städten des Stargardischen Kreises geltende eheliche Gütergemeinschaft auch unter den Juden des Herzogtums Mecklenburg-Strelitz statt.