Über den Nutzen des Badens

Über den Nutzen, selbst über die Unentbehrlichkeit des Badens im allgemeinen, sind jetzt alle gebildete Ärzte mit einander völlig einverstanden; es herrscht hierüber nur eine Stimme, die zum Wohl der Menschheit gewiss in alle Zukunft entscheidend bleiben wird; nur in Ansehung der Fragen, durch welche Temperatur, und durch welchen Zusatz fremder Bestandteile das Wasser vorzügliche Wirksamkeit gewinnen könne, gibt es noch eine Verschiedenheit der Meinungen.

Einige Ärzte wollen den warmen, andere den kalten Bädern unbedingt den Vorzug geben; einige wollen im beigemischten Stahl, oder im Schwefel, noch andre nur im Seewasser vorzüglich heilsame Kräfte finden.


Sie alle können Recht haben, und haben es gewiss, doch nur dann, wenn jeder von ihnen die besonderen Fälle aushebt, in welchen das von ihm gepriesene Bad vorzugsweise oder ausschließlich anpassend ist.

Nachdem der scharfsinnige Professor Reich auf die Wirksamkeit der Salzsäure aufmerksam gemacht hat, scheint es, dass die neuere Chemie noch wichtige Aufschlüsse über die Verwandtschaft dieser Säure mit unsern Säften geben werde, und dass das Seewasser manchen Quellen ein bedeutendes Übergewicht abgewinnen dürfte. Der Erfahrung zufolge leistet es fast alles, was jene nur zu leisten vermögen, in einem ganz besondern Grade.

In Ansehung der Temperatur haben wir die Autoritäten mehr gegen, als für uns, indem bis auf Floyer und Ferro, unsers Wissens, keiner die vorsichtig gebrauchten kalten Bäder im allgemeinen so sehr empfohlen hat, als mehrjährige zahlreiche Beobachtungen über den Erfolg des Seebades, über den Ungrund mancher gangbaren Besorgnisse, über die glücklichsten dadurch bewirkten Revolutionen des Körpers, besonders des Nervensystems aufs deutlichste für die häufigere Anwendung des kalten Seebades entscheiden dürften.

Weit entfernt von allem Parteigeist, der immer, vorzüglich aber dann sehr sträflich ist, wenn es darauf ankommt, über Leben und Gesundheit seine Meinung zu äußern, eben so fern von allen Rücksichten, die nicht unsre beste Überzeugung uns gebietet, müssen wir gestehen, dass, mit Ausnahme einzelner Fälle, wir nur dem kalten Seebade die belebende und stärkende Kraft beimessen können, die der meistens geschwächte Badende davon erwartet.

Eine erschöpfende wissenschaftliche Erörterung dieses Gegenstandes hier zu liefern, kann und darf unsre Absicht nicht sein, da diese Blätter eigentlich nur die Bestimmung haben, von dem Entstehen und Gedeihen einer neuen, auf Beförderung allgemeinen Menschenwohls berechneten Anstalt Nachricht zu geben, und sie dadurch gemeinnütziger zu machen; inzwischen dürfen wir doch nicht unterlassen, auf das Wesentlichste, wodurch jene unsre Überzeugung entstanden ist, und begründet werden musste, in gedrängter Kürze hinzudeuten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber die Privat-Seebadeanstalt bei Travemünde 1