Das Badewasser und seine Bestandteile

Von ganz vorzüglicher Wichtigkeit ist es unstreitig bei Anlegung einer Brunnen- oder Badeanstalt, vor allen Dingen sorgfältig zu untersuchen, welche und wie viele Bestandteile das Wasser enthält, da nur hierdurch der Gebrauch bestimmt und die Wahrscheinlichkeit der Wirkungen berechnet werden kann.

Auch wir haben dies nicht verkannt und nicht versäumt. Wir haben in größerer und geringerer Entfernung Wasser aus der Ostsee schöpfen, und mit dem Wasser unseres Badeplatzes vergleichen lassen, und unsere Versuche haben ergeben, dass das letztere auf keine Weise irgend einem anderen im mindesten nachgesetzt werden darf, und dass die Nähe des Travenstroms die Güte desselben nicht im mindesten schwächt.


Das letztere ergibt sich schon sehr leicht aus einer nähern Kenntnis; des Lokalen, die, da man sie in der Fremde gänzlich entbehrt, und dann leicht zu irrigen Begriffen oder Vorurteilen verleitet werden kann, hier wohl mit wenigen Worten berührt zu werden verdient.

Das Wasser der Trave ist zwar bei Lübeck vollkommen süß, und bleibt es auch noch etwa 3 Meilen*) weit; dann aber ändert sich gleichsam mit einem male sein Geschmack, und es entsteht die sogenannte Salz-Trave, die schon eine Meile vor Travemünde ihren Anfang nimmt, die, so wie sie sich der See mehr und mehr nähert, immer salziger wird, und schon vor ihrem Ausfluss dem Seewasser selbst vollkommen gleich zu achten ist. Nur heftige Südwestwinde, die zur Badezeit fast niemals statt finden, können auf wenig Stunden eine Ausnahme machen. Doch auch nicht hier, sondern seitwärts von dem Ausflüsse der Trave, und ganz außer der Richtung ihres Stroms, liegt unser Badeplatz vor und in offener See.

*) Der Weg zu Wasser von Lübeck nach Travemünde wird für 4 Meilen gerechnet, der Weg zu lande beträgt nur 2 kleine Meilen.

Der Strom der Salz-Trave kann also den Salzgehalt des Badewassers nicht verringern, wenn er auswärts geht, denn er ist gewöhnlich äußerst schwach, und kaum bemerklich, ergießt wenig Wasser in die See und fast gar keins auf die Badestelle. Dringt aber ein Strom aus der See in die Mündung des Flusses, so kann er den Salzgehalt des in seiner Nähe befindlichen Badewassers beträchtlich verstärken. Weil das andringende Seewasser hier lange nicht den Widerstand findet, den ein nicht unterbrochener Damm der Küste ihm entgegen setzt; so stürzt es hier mit solcher Macht herbei, dass ein festes Bollwerk von Quadersteinen bisweilen von seiner Gewalt leidet; es strömt also mit mehr Wasser aus der Mitte und Tiefe des Meeres ans Ufer, als ohne diese Gewalt des Stromes dahin gelangen könnte. Sehr begreiflich ist, das Wasser mitten auf hohem Meere salziger, als nahe am flachen Ufer, und merkwürdige Versuche lehrten, dass das Seewasser in großer Tiefe mehr Kochsalz enthält, als an der Oberfläche.

So sehr diese Bemerkungen geeignet scheinen, jede Zweifel und Besorgnisse in Ansehung des schwächeren, Salzgehalts des Travemünder Badewassers zu heben, so viel Überzeugungskraft auch die berührten Gründe mit sich führen; so würde es dennoch kaum verzeihlich sein, sich allein auf sie zu beschränken.

Um eine sehr natürliche Frage vieler entfernten Ärzte nicht unbeantwortet zu lassen, um den strengern Forderungen der veredelten Heilkunde Genüge zu leisten, darf hier das vergleichende Resultat der chemischen Untersuchung des Travemünder Badewassers schwerlich fehlen. Hauptsächlich kann einem ziemlich ausgebreiteten Vorurteile, selbst dem laut genug geäußerten Vorwurf, dass dieses Badewasser an Salzgehalt wohl kaum einen Vergleich mit anderem Ostseewasser auszuhalten vermöge, nicht besser begegnet werden, als wenn jeder gebildete Nichtarzt in den Stand gesetzt wird, eine solche Vergleichung mit leichter Mühe selbst anzustellen. Ein unparteiischer Naturforscher, der sich durch Talente, Kenntnisse und Kunstfertigkeit in gleichem Grade auszeichnet, Herr Professor Pfaff in Kiel, hatte die Güte sich dieser eben so schwierigen als verdienstlichen Vorarbeit zu unterziehen. Zuerst erforschte er den Salzgehalt des Ostseewassers, das an einem Badeplatze geschöpft war, der mit Recht in ganz Deutschland als Muster angesehen wird.

Die spezifische Schwere desselben war 1,0299, die Schwere des destillierten Wassers zu 1,0000 angenommen. Bei der Anwendung gegenwirkender Mittel wurden vorzüglich folgende Erscheinungen wahrgenommen:

Farnambukpapier ward kaum etwas blau, die Lakmustinktur nicht merklich verändert. Zuckersäure gab einen ziemlich reichlichen Niederschlag, der sich als zuckersaurer Kalk verhielt. Ätzende Pottasche bildete einen weißen Niederschlag, der sich als Bittererde verhielt. Salzsaure Schwererde brachte eine sehr auffallende Trübung, hervor. Blausaures Alkali so wenig, als Galläpfeltinktur, bewirkten eine Farbenveränderung. Salpetersaures Silber veranlasste eine sehr auffallende Trübung. Diese, so wie andre gegenwirkende Mittel deuteten auf das Dasein von salzsauren und schwefelsauren Salzen, von Kalkerde und Bittererde.

Ein Pfund (von 16 Unzen) lieferte nach dem Abrauchen 73 Gran Rückstand. Dieser zeigte sich bei genauerer Untersuchung nach den bekannten Regeln zusammengesetzt aus

40 Granen Kochsalz
22 Granen salzsaurer Kalkerde
6 Granen salzsaurer Bittererde
4 Granen schwefelsaurer Kalkerde
1 Granen kohlensaurer Kalkerde
Summe 73 Grane.

An diese Analyse reihte sich die Prüfung des Travemünder Badewassers. Die spezifische Schwere desselben betrug 1,0113. Die gegenwirkenden Mittel zeigten im Wesentlichen die schon vorhin bemerkten Erscheinungen. Aus einem Pfunde (von 16 Unzen) wurden durchs Abrauchen 93 Gran Rückstand erhalten. Dieser zeigte sich zusammengesetzt aus

56 Granen Kochsalz
24 Granen salzsaurer Kalkerde
6 Granen salzsaurer Bitterde
6 Granen schwefelsaurer Kalkerde
1 Gran kohlensaurer Kalkerde
Summe 93 Grane.

Das untersuchte Wasser war im Herbst bei einem Landwinde geschöpft. Eine andre Quantität, die ein geschickter Lübecker Pharmazeutiker, Herr Guwe, zu seiner sorgfältigen chemischen Untersuchung anwandte, war im Frühjahr bei einem Seewinde auf der Travemünder Badestelle geschöpft.

Drei Pfunde oder 48 Unzen Seewasser enthielten 382 Gran fester Bestandteile.

Mit dieser Analyse stimmt die Untersuchung eines andern Ostseewassers überein, die im vorigen Jahre in zwei beliebten medizinischen Zeitschriften mitgeteilt wurde.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber die Privat-Seebadeanstalt bei Travemünde 1