Naturwissenschaftliche Prinzipe

V. A. Wir kehren zu der Besprechung jener Art von Zusammenfassungen einzelner Erfahrungen zurück, die wir Naturgesetze nennen, und wollen uns heute mit solchen Gebilden beschäftigen, die man gelegentlich wohl auch als Prinzipien bezeichnet. Dieselben nehmen den früher besprochenen Gesetzen, ohne sich von ihnen im Wesen auch nur irgendwie zu unterscheiden, doch insofern eine ganz eigentümliche Stellung ein, als sie sehr allgemein, sehr umfassend sind, also einen sehr weiten Gültigkeitsbereich haben, und weiter auch dadurch, dass ihre Richtigkeit gewöhnlich lange Zeit hindurch mehr geahnt als erkannt wird. Sie gleichen in dieser Hinsicht allen großen, weltbewegenden Gedanken, die auch einen sehr langen Prozess der Reifung durchmachen und gleich diesen gelingt ihre Erkennung und klare Formulierung nur ganz auserwählten Menschen mit weitem und scharfem Blick. Sie werden, wie wir sagten, mehr geahnt als erkannt und sie lassen sich, wollen wir hinzufügen, wegen ihrer Allgemeinheit eigentlich nie strikte beweisen, wenigstens nicht mit Bezug auf ihren ganzen Gültigkeitsbereich.

Es sei zunächst an das Entwicklungs- oder Evolutionsprinzip erinnert, das seit seiner Aufstellung und eingehenden experimentellen Behandlung durch Darwin sich in den Naturwissenschaften sowohl als auch vielen anderen Wissenszweigen als ungeheuer fruchtbar erwiesen hat. Es umfasst, wie als bekannt vorausgesetzt werden kann, das Vererbungsprinzip, das Prinzip der Anpassung an die natürlichen Lebensbedingungen, das Prinzip der natürlichen Zuchtwahl usw. Seit seiner Aufstellung durch Darwin hat dieses Prinzip Gegner gehabt, und zwar sehr bedeutende Gegner — es sei Virchow genannt — deren Zahl allerdings von Jahr zu Jahr abnimmt. Nun dürfte ja wohl heute kein Einsichtiger mehr daran zweifeln, daß Anpassung, Vererbung, Zuchtwahl in der Welt der Lebewesen eine ganz außerordentlich große Rolle spielen, dafür lassen sich ja direkte Beweise erbringen aus der Natur sowohl wie durch das Experiment; als solche können die ganz außerordentlichen Erfolge der englischen Züchter gelten. Es beschränkt sich daher der Streit nur auf den Umfang, in welchem dieses Prinzip das organische Leben in der Natur beherrscht.


Um den Nachweis zu erbringen, daß es wirklich die außerordentlich umfassende Bedeutung hat, die man ihm von einer Seite zuschreibt, müßten wir über ein unendlich viel reicheres Beobachtungsmaterial verfügen, das sich vielleicht nie mehr wird auftreiben lassen.

Es wurde ein besonders hervorstechender Fall gewählt, um die hier herrschenden eigentümlichen Verhältnisse zu verdeutlichen. Ich brauche wohl nicht näher darauf hinzuweisen, daß sich das Evolutionsprinzip als leitender Gedanke bei Untersuchungen auf den verschiedensten Wissensgebieten als äußerst fruchtbar erwiesen hat.

Die Newtonsche Lehre von der Gravitation ist gewiss ein Naturgesetz von der allgemeinsten Bedeutung, indem es nicht nur für unsere Erde gilt, sondern auch die Bewegungen der Himmelskörper mit umfasst. Gleichwohl lässt sich unschwer angeben, welche einzelnen Fälle diesem Gesetze einzureihen sind, mit anderen Worten, es kann nicht leicht ein Streit darüber entstehen, wie weit seine Herrschaft reicht. Das Evolutionsprinzip dagegen hat seit jeher — bis in unsere Tage — die heftigsten Gegner gehabt und das ist nur dadurch erklärlich, daß man demselben eine größere oder kleinere Rolle in der Welt der Lebewesen zuschreibt. Sie sehen also, und das ist bezeichnend, daß sich in derartigen Prinzipien immer auch ein hypothetisches Element verbirgt, das sie jedoch durchaus nicht auf gleiche Stufe mit den früher besprochenen Hypothesen stellt. Während etwa die Molekular- und Atomhypothese auf einer vollkommen unbewiesenen Voraussetzung sich aufbaut, die sich im besten Falle mit einiger Wahrscheinlichkeit aus Erfahrungen folgern lässt, gründet sich die Darwinsche Hypothese auf exakte Experimente und Beobachtungen, die sich jederzeit wiederholen lassen; das Ungewisse, Hypothetische erstreckt sich nur auf die Bedeutung, die man den beobachteten Tatsachen für die Gesamtentwicklung der Lebewesen zuzumessen gewillt ist.

Es sei ferner auf die drei von Newton aufgestellten Prinzipien aufmerksam gemacht, deren Bedeutung, wenigstens was das erste derselben anbetrifft, ausschließlich auf das Gebiet der Mechanik beschränkt bleibt. Dasselbe — eigentlich schon von Galilei entdeckt — ist unter dem Namen Gesetz der Trägheit oder des Beharrungsvermögens bekannt; es wurde von Newton in folgenden Worten ausgesprochen: Jeder Körper verharrt in seinem Zustande der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung in geradliniger Bahn, solange er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, diesen Zustand zu ändern, d. h. jeder Körper verharrt im Zustande der Ruhe, wenn er nicht durch eine Kraft veranlasst wird, den Zustand der Ruhe aufzugeben, und ein Körper, welcher den Anstoß zu einer Bewegung erhalten hat, bleibt im Zustande der Bewegung, und zwar gleichförmiger gerader Bewegung, wenn nicht andere Kräfte ihn zwingen, diese Art der Bewegung aufzugeben. Ein Beispiel für dieses Verharren der Körper in dem einmal angenommenen Zustand sind die Himmelskörper, die mit der größten Regelmäßigkeit ihre Bewegungen seit Jahrtausenden ausführen. Auf der Erde werden alle Bewegungen durch Reibung, andere Kräfte usw. aufgehoben, aber eine Kanonenkugel müsste in der Richtung und mit der Geschwindigkeit, mit welcher sie das Geschützrohr verlässt, in alle Ewigkeit in den Weltenraum hinausfliegen, wenn nicht der Widerstand der Luft ihre Geschwindigkeit allmählich verminderte und die Schwerkraft sie endlich zur Erde herabzöge. Sie sehen, daß es sich hier schon um ein sehr allgemeines Naturgesetz handelt, dessen Gültigkeitsbereich aber noch verhältnismäßig leicht festgestellt werden kann.

Das dritte der Newtonschen Prinzipien lautet: Wirkung und Gegenwirkung sind einander gleich. Ein schwerer Körper drückt auf seine Unterlage und erleidet von ihr einen entgegengesetzt nach oben gerichteten Druck von derselben Größe. Die Körper unserer Umgebung werden von der Erde angezogen, ziehen hinwiederum die Erde mit einer gleich großen, aber entgegengesetzt gerichteten Kraft an; dasselbe Verhältnis besteht zwischen einem Magneten und einem Stück weichen Eisens. Ein sehr bekanntes Beispiel für unser Prinzip ist der Rückschlag bei Gewehren und Geschützen usw. Obwohl nun dieses Gesetz von Newton ursprünglich nur für mechanische Vorgänge aufgestellt wurde, lässt sich leicht zeigen, daß es einen sehr weiten Gültigkeitsbereich hat, daß wir ihm überall in der Elektrizitätslehre begegnen, daß es in der Chemie eine hervorragende Rolle spielt. Aber es hat möglicherweise eine noch viel allgemeinere Bedeutung. Ich erinnere nur daran, daß wir von Gegenwirkung, von Reaktion auch in der belebten Welt sprechen, bei Krankheiten, bei der Verwendung von Medikamenten, im politischen und geistigen Leben usf. Hier lässt sich der Bereich schon sehr schwer feststellen, dazu bedarf es der umfassendsten und eingehendsten Untersuchungen auf den verschiedensten Gebieten.

Wir haben damit das Wesen der naturwissenschaftlichen Prinzipien wohl in ihrem Wesen genugsam erkannt. Es handelt sich, um es noch einmal zu wiederholen, um sehr umfassende Naturgesetze, welche nicht nur einem bestimmten Gebiete von Erscheinungen, sondern mehreren solchen gelten. Infolge ihrer großen Spannweite lässt sich die Grenze ihres Gültigkeitsbereiches gewöhnlich nur schwer nach den eingehendsten Studien auf den betreffenden Einzelgebieten feststellen. Als besonderes Charakteristikum haben wir erwähnt, daß sie, anfangs mehr geahnt als sicher erkannt werden, das zeigt z. B. die Geschichte des Entwicklungsprinzips: Darwin hat eine ganze Reihe von Vorgängern gehabt, die den Gedanken mehr oder weniger deutlich ausgesprochen haben, Lamark, Geoffroy St. Hilaire, Oken, Goethe. Erst Darwin war es vorbehalten, einen wenigstens großen Teil der Fruchtbarkeit dieses Gedankens zu heben.

Bevor wir nun weiter fortfahren, möchte ich Sie noch aufmerksam machen auf die ganz außerordentliche Anregung, die solche allgemeine Naturgesetze gewähren: auf das treibende Element, das sie enthalten. An jedes derselben knüpft sich sofort eine Fülle von Fragen auf den verschiedensten Gebieten, sie bringen dieselben einander näher und das ist bei der heutigen weitgediehenen Arbeitsteilung in den Naturwissenschaften und dem daraus resultierenden Mangel an Übersicht für den einzelneu von unschätzbarem Werte.

Wir wenden uns nun der Besprechung zweier ganz außerordentlich wichtiger Gesetze zu, von denen das eine in der Mitte des vorigen Jahrhunderts entdeckt wurde, das andere, trotzdem es eigentlich eine Ergänzung des ersten bildet, lange vor diesem auf einem speziellen Gebiete, der Wärmelehre, aufgestellt wurde.

Das erste dieser Gesetze ist Ihnen vielleicht schon unter dem Namen des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft bekannt; wir werden sehen, daß es uns einen Begriff von ganz ungewöhnlicher Bedeutung zeitigt, welcher in Verbindung mit der außerordentlichen Wichtigkeit dieses Gesetzes es wohl rechtfertigen würde, von der Entdeckung desselben angefangen eine neue Periode in der Entwicklung der Naturwissenschaften zu datieren.

Lassen Sie uns die Entwicklung dieses Prinzipes vom geschichtlichen und sachlichen Standpunkte verfolgen. Von den verschiedenen Gebieten der Physik hat sich die Mechanik, die Lehre vom Gleichgewicht und den Bewegungen der Körper am ersten zu größerer Bedeutung entwickelt. In engster Verbindung damit steht die gleichzeitige Entfaltung einer praktischen Wissenschaft, die wir als technische Mechanik bezeichnen können. Sie hat im Laufe des 17., besonders 18. Jahrhunderts ganz außerordentlich große Erfolge zu verzeichnen; aus jener Zeit stammen jene wundervollen und äußerst komplizierten Automaten, von denen uns noch hie und da in einem Ballet oder einer Operette berichtet wird. Besonders berühmt in dieser Hinsicht waren Vater und Sohn Droz, von welchen der erstere einen Schreibautomaten konstruierte, der letztere einen Automaten baute, ein junges Mädchen darstellend, das verschiedene Stücke auf dem Klavier spielte, dabei dem Notenblatte mit Augen und Kopf folgte und nach beendigtem Spiele aufstand und die Gesellschaft grüßte. Man nahm es mit diesen Dingen recht sehr ernst und betrachtete sie nicht etwa bloß als geistvolle Spielereien, wie wir sie heute auffassen würden. Vater Droz wurde der Zauberei verdächtig und mußte eine Zeitlang in den Kerkern der spanischen Inquisition schmachten und das scheint, wenn man diesen Ausdruck überhaupt gebrauchen darf, insofern berechtigt, als jene Erfinder wohl nicht so ungeheuer viel Zeit und Mühe aufgewendet hätten, wenn sie nicht von der Hoffnung beseelt gewesen wären, mit ihren Hebeln, Rädern und Schrauben wirkliche Menschen zu machen. Gleichwie Paracelsus allen Ernstes daran dachte, den künstlichen Menschen (Homunculus) in der Retorte zu erzeugen.

In jener Zeit lebt auch ein anderes uraltes Bestreben, das mit dem besprochenen auf das innigste verwandt und aus derselben Quelle entsprungen ist, neu auf; das sich in zahllosen Versuchen äußernde Bestreben, ein sogenanntes Perpetuum mobile herzustellen, d. h. eine Maschine zu erfinden, welche, ohne aufgezogen zu werden, sich immerfort bewegt, also ihre Triebkraft aus sich selbst erzeugt. Eine solche Vorrichtung wäre nicht nur an und für sich eine geistreiche Erfindung, sie hätte ja auch, und das scheint man tatsächlich beabsichtigt zu haben, einen immensen praktischen Nutzen; denn man brauchte sie nur in entsprechender Weise, sagen wir mit einem Spinnrad u. dgl., zu verbinden und sie würde ohne Kosten Verrichtungen besorgen, die wir entweder aus eigener Kraft leisten oder durch Maschinen leisten lassen, deren Betrieb mit einem Aufwand an Heizmaterial (Kohle, Benzin, Gas u. dgl.) verbunden ist. An diesem Problem versuchten sich die findigsten Köpfe jener Zeit, unter anderen auch der früher genannte ältere Droz. Die Bemühungen dieser Männer kamen, als man sich mit voreiligen Verheißungen immer wieder getäuscht sah, immer mehr und mehr in Verruf und wurden, geradeso wie die Goldmacherkunst, das Suchen nach dem Stein der Weisen, schließlich das Handwerk von Schwindlern und Abenteurern. Man kam dazu, einzusehen, daß die Aufgabe unmöglich gelöst werden kann; sowohl die fruchtlosen Versuche hatten dieses Resultat ergeben als auch die mathematische Mechanik, welche inzwischen soweit fortgeschritten war, daß sie aus ihren Lehrsätzen die Konstruktion eines Perpetuum mobile wenigstens unter Benutzung von nur mechanischen Kräften als undurchführbar erklären konnte. Doch die Bemühungen, dieses Wunderding zu schaffen — ich kann Sie dabei an eine in unserer ersten Vorlesung gebrauchte Äußerung erinnern — waren durchaus nicht vergebens. „Auf dem Boden,“ sagt Nernst, „der durch die zerstörten Illusionen unglücklicher Erfinder reichlich gedüngt war, wuchs als ein „Baum der Erkenntnis“ eines der wichtigsten Naturgesetze, eben jenes Gesetz von der Erhaltung der Kraft.“

Lassen Sie uns zunächst einen der wichtigsten Begriffe der Mechanik, den Begriff der Arbeit, näher erörtern. Er spielt in der Geschichte unseres Gesetzes eine große Rolle, insofern man auch hier, wie wir dies bisher immer zu sehen Gelegenheit hatten, von mechanischen Dingen als den anschaulichsten und naheliegendsten ausging und sich erst später zu einer allgemeineren und höheren Auffassung aufschwang.

Der Begriff der Arbeit ist in das Gebiet der Mechanik offenbar herübergenommen aus dem gewöhnlichen Leben, in welchem man mit diesem Namen die verschiedensten Dinge bezeichnet, vornehmlich alle diejenigen Verrichtungen, welche dem Individuum und der Allgemeinheit zugute kommen. Nun in dieser Fassung können wir den Begriff nicht brauchen, wir müssen ihn für unsere Zwecke etwas genauer begrenzen. Vor allem anderen seien, wenn auch nicht prinzipiell, so doch als in den Rahmen unserer Betrachtungen nicht passend, alle geistigen Arbeiten ausgeschlossen und weiter sei auch von dem Nebengedanken der Nützlichkeit abgesehen, so zwar, daß wir bei menschlicher Betätigung als Arbeit alle jene Verrichtungen bezeichnen wollen, welche durch unsere Muskelkraft geleistet werden. Ganz ebenso verstehen wir auf dem Gebiete der Mechanik unter Arbeit die Leistungen der mechanischen Kräfte, der anziehenden und abstoßenden Kräfte, der Fliehkraft usw. Einige Beispiele mögen uns helfen, den so gewonnenen Begriff klar zu erfassen und zu behalten. Betrachten wir etwa diejenige Art von Wanduhren, welche durch ein Gewicht getrieben werden. Dieses Gewicht folgt dem Zuge der Schwerkraft, sinkt herab und setzt dabei das Uhrwerk in Gang. Entsprechend unseren Ausführungen werden wir sagen, die Schwerkraft leistet Arbeit, indem sie fortdauernd die Widerstände überwindet, welche der Bewegung der Räder durch die Reibung^ der Achsen und Zähne sowie den Luftwiderstand entgegengesetzt werden. Ganz ähnlich bei einer Taschenuhr: hier ist die treibende Kraft durch eine gespannte Feder repräsentiert, welche dieselben Verrichtungen besorgt wie das herabsinkende Gewicht. Wir werden auch hier von Arbeit sprechen, und zwar von einer Arbeit, die die Spannkraft der Feder leistet.

Wird eine Glasstange mit einem Lappen gerieben, so erhält sie die Fähigkeit, kleine Körperchen, Papierschnitzel, Kork oder Hollundermarkkügelchen anzuziehen; man kann dementsprechend sagen, daß die anziehenden elektrischen Kräfte Arbeit leisten. Lassen Sie uns weiter an eine Gasmasse denken, welche in einem Gefäße eingeschlossen ist, etwa in einem Zylinder mit beweglichem Kolben. Das Gas übt auf die Gefäßwände, wie wir wissen, einen Druck aus, den man den Gasdruck oder die Spannkraft des Gases nennt. Wir können uns denken, daß dem Gasdruck durch auf dem Kolben aufliegende Gewichte das Gleichgewicht gehalten wird. Erwärmt man das Gas, so wächst seine Spannkraft, es wird den Kolben samt Gewichten heben und leistet dabei Arbeit.

Denken Sie weiter an eine Mahlmühle, welche durch Wasserkraft oder durch Wind betrieben wird. Im ersten Falle dreht das herabfallende Wasser ein Schaufelrad, dessen Bewegungen auf das Mahlwerk übertragen werden, im zweiten Falle ist es die Kraft des Windes, welche das Flügelrad der Windmühle bewegt, in beiden Fällen wird Arbeit geleistet; bei der Wassermühle von dem herabfallenden Wasser, also der Schwerkraft, bei der Windmühle von der Kraft des Windes.

Nun, diese Beispiele werden wohl vollständig ausreichen, uns den Begriff der Arbeit zu verdeutlichen; aber es ist vielleicht nützlich, auf einen möglichen Zweifel aufmerksam zu machen; wir haben es in allen besprochenen Fällen mit einer wirklichen Leistung einer Kraft zu tun gehabt, d. h. wir konnten immer angeben, daß die betreffende Kraft einen Widerstand überwindet und gerade diesen Vorgang wollen wir Arbeit nennen: Bei der Pendeluhr war es das Gewicht beziehungsweise die Schwerkraft, welche Arbeit leistet, indem sie den Widerstand des Räderwerkes überwindet: heben wir ein Gewicht, so leisten unsere Muskelkräfte Arbeit, indem sie die Schwerkraft überwinden; das herabfallende Wasser leistet in der Mühle Arbeit, indem es das schwere Schaufelrad dreht und den Widerstand, den die Mahlsteine der Fortbewegung entgegensetzen, überwindet. Es knüpft sich an unsere Betrachtungen unmittelbar die Frage, ob eine sich betätigende Kraft, die keinen Widerstand überwindet, auch Arbeit leistet. Wenn man beispielsweise einen Stein durch eine luftleer gepumpte Röhre fallen lässt, so haben wir es offenbar mit einer Leistung der Schwerkraft zu tun, ohne dass diese gegen einen Widerstand zu arbeiten hätte. Oder aber, wenn man eine gespannte Feder losschnellen, eine zusammengedrückte Gasmasse, etwa den Dampf im Kessel durch Offnen eines Ventiles sich plötzlich ausdehnen lässt. Es scheint, dass wir in den genannten Fällen nicht von Arbeit sprechen können; doch wir wollen diese Frage vorläufig noch offen lassen, da sich ihre Beantwortung aus den folgenden Betrachtungen von selbst ergeben wird.

Aus dem Begriffe der Arbeit hat sich der der Arbeitsfähigkeit entwickelt. Man kann diese Eigenschaft der Arbeitsfähigkeit, um bei den bereits besprochenen Beispielen zu bleiben, einer gespannten Feder, einem gehobenen Gewichte zuschreiben, sie alle haben die Fähigkeit, Arbeit zu leisten, in ihnen ist eine gewisse Menge Arbeit, ein Vorrat von Arbeit aufgehäuft, den wir ohne weiteres nutzbar machen können. Das wird bei der gespannten Feder der Fall sein, wenn wir sie in ein Uhrwerk einsetzen, bei der gestauten Wassermasse, wenn wir sie in passender Weise über ein Schaufelrad fließen lassen usw., desgleichen bei dem gehobenen Gewichte, bei einer zusammengedrückten Gasmasse, wenn wir für eine entsprechende Auslösung ihrer Arbeitsfähigkeit sorgen.

Doch wir wollen gleich darauf achten, dass sich keine falsche oder besser gesagt unberechtigte Vorstellung von diesen Dingen in uns festsetzt. Wir haben den Ausdruck gebraucht, dass in allen den genannten Vorrichtungen eine gewisse Menge von Arbeit aufgehäuft sei; das soll nur figürlich gesprochen sein und nicht etwa dem Gedanken entspringen, dass Arbeit oder Arbeitsfähigkeit etwas Substanzielles ist; wir würden damit in den Fehler verfallen, der der Wärmestoff der elektrischen Fluidumhypothese usw. zugrunde liegt. Wir wollen uns im Gegenteil vor Augen halten, dass es sich bei der Arbeitsfähigkeit eines Gebildes geradeso wie bei den Wärme- und elektrischen Erscheinungen um Eigenschaften, um Zustände handelt. Es hat an Verkennung dieses Umstandes nicht gefehlt. .

Die bisherigen Betrachtungen haben ergeben, dass man unter Arbeit die Leistung einer Kraft und unter Arbeitsfähigkeit eines Gebildes, einen Zustand desselben zu verstehen hat, dessen Änderung zu einer Arbeitsleistung führt. Nun, das Wesentliche, worauf es uns ankommt, ist die Erkenntnis, dass jedes Gebilde in dem Maße, als Arbeit geleistet wird, seine Arbeitsfähigkeit einbüßt, ein scheinbar durchaus selbstverständlicher Satz, dessen klare Formulierung und bewusste Anwendung jedoch als eine wissenschaftliche Großtat aller ersten Ranges anzusehen ist. Die Arbeitsfähigkeit des gehobenen Gewichtes, der gespannten Feder der Uhr verschwindet in dem Maße, als durch den Betrieb des Gehwerkes Arbeit geleistet wird. Die gestaute Wassermasse büßt ihre Arbeitsfähigkeit ein, indem sie beim Herabfallen die Mühle treibt, die zusammengedrückte Gasmasse, indem sie sich beim Heben der Gewichte ausdehnt. Bezeichnen wir also mit Arbeitsfähigkeit einen Zustand eines Gebildes, so ergibt sich, dass letzteres in dem Maße, als Arbeit geleistet wird, in einen anderen Zustand — wir könnten uns versucht fühlen, zu sagen — der Unarbeitsfähigkeit übergeht.

Wir kehren zum Perpetuum mobile zurück. Es handelte sich um eine Maschine, die sich nicht nur fortdauernd bewegt, sondern auch fortwährend Arbeit abgibt, die also Arbeit aus nichts schafft. Das widerspricht der Erkenntnis, die wir gewonnen haben, denn es hat sich ja ergeben, dass Arbeit nur dort geleistet werden kann, wo Arbeitsfähigkeit verloren geht. Ein Perpetuum mobile wäre also nur dann möglich, wenn wir unendlich viel Arbeitsfähigkeit in einer derartigen Maschine von vornherein aufzuspeichern in der Lage wären — nun an diese Möglichkeit hat gewiss keiner der Erfinder gedacht — oder aber, wenn sich Arbeit aus nichts gewinnen ließe. Dass das nicht möglich ist, das haben uns unsere Betrachtungen gezeigt, das widerspricht einem Naturgesetz. Es sei, um einem eventuellen Irrtum vorzubeugen, hervorgehoben, dass wir die Unmöglichkeit des Perpetuum mobile nur dann behaupten, wenn wir darunter eine Maschine verstehen, welche Arbeit aus nichts erzeugt oder ihre Triebkraft immer fort aus sich selbst gewinnt. Soll jedoch mit diesem Namen eine Vorrichtung bezeichnet werden, welche sich nur fortdauernd bewegt, so lässt sich eine solche zwar auch nicht konstruieren, sie kann aber prinzipiell ganz wohl gedacht werden, sie widerspricht unserem Gesetze durchaus nicht. Der einzige Grund, warum sie sich nicht ersinnen lässt, ist der, dass auf unserer Erde alle Bewegungen schließlich durch Reibung aufgebraucht werden. Denken wir etwa an ein Pendel oder an eine chinesische Pagode — im Sinne der Mechanik auch nur ein Pendel — so hätten wir eine derartige Maschine; das Pendel steht schließlich stille, weil der Pendelkörper (Pendellinse) Luftwiderstand zu überwinden hat und die Aufhängevorrichtung mit Reibung arbeitet. Beides lässt sich aber auf ein Minimum herabdrücken. Ein Beispiel für ein derartiges Perpetuum mobile sind die Himmelskörper, die sich schon seit Jahrmillionen auf ihren gewohnten Bahnen bewegen und diese Bewegung aller Wahrscheinlichkeit nach durch weitere Jahrmillionen ausführen werden.

Wenn wir auf dem engbegrenzten Gebiet mechanischer Erscheinungen bleiben wie bisher, so können wir hauptsächlich zwei Arten von Arbeitsfähigkeit oder Energie unterscheiden, die für uns von besonderer Wichtigkeit sind. Zunächst einmal diejenige bewegter Massen, die man auch als Bewegungsenergie, kinetische Energie, lebendige Kraft oder Wucht bezeichnet. Sie ist einem freifallenden Körper, einer abgeschossenen Flinten- oder Kanonenkugel, einem in Bewegung befindlichen Eisenbahnzug etc. eigen; in allen den genannten Fällen haben wir es mit Gebilden zu tun, die infolge ihres Bewegungszustandes imstande sind, Arbeit zu leisten. Die Arbeitsfähigkeit ist desto größer, je größer die Masse und die Geschwindigkeit des bewegten Körpers ist, eine Beziehung, die wir ja aus unserer täglichen Erfahrung genau kennen; eine eingehendere Betrachtung sagt, dass sie mit dem Quadrat der Geschwindigkeit wächst, d, h. wenn die Geschwindigkeit 2-, 3-, 4mal so groß ist, steigt die Arbeitsfähigkeit nicht auf das 2-, 3-, 4-, sondern 4-, 9-, 16fache an.

Eine andere Art der Arbeitsfähigkeit ist die, welche ein Gebilde vermöge seiner Lage oder der Anordnung seiner Teile besitzt und die man dementsprechend auch Energie der Lage oder potentielle Energie genannt hat. Wir werden dieselbe, um bei den bereits gebrauchten Beispielen zu bleiben, dem gehobenen Gewicht, der gestauten Wassermasse, der zusammengedrückten Gasmasse, der gespannten Feder etc. zuschreiben. In allen diesen Fällen können wir uns vorstellen, dass wir etwa durch Aufwand von Muskelarbeit die Gebilde in den Zustand gebracht haben, in welchem ihnen potentielle Arbeitsfähigkeit zukommt, dass wir also das Gewicht mit unseren Armen gehoben, die Feder gespannt, die Gasmasse zusammengedrückt haben. So sehen wir, dass die von uns geleistete Arbeit nicht umsonst getan war, dass wir sie gleichsam unsichtbar in den Gebilden aufgehäuft, dass wir in denselben durch die geleistete Arbeit Arbeitstätigkeit aufgestapelt haben. Haben wir also früher gefunden, dass dort, wo Arbeit verbraucht wird, dies auf Kosten der vorhandenen Arbeitsfähigkeit geschieht, so werden wir jetzt diesen Satz dahin ergänzen, dass vorhandene Arbeitsfähigkeit eines Gebildes als das Ergebnis einer aufgewendeten Arbeit angesehen werden kann, dass also zwischen Arbeit und Arbeitsfähigkeit in dem Sinne eine enge Beziehung besteht, als sich beide Größen substituieren, für einander eintreten können. Dieses Verhältnis besteht natürlich nicht bloß zwischen Arbeit und potentieller Energie, sondern eben so gut zwischen ersterer und der Arbeitsfähigkeit bewegter Massen; aufgewendete Muskelarbeit kann geradeso dazu dienen, eine Feder in den gespannten Zustand zu versetzen wie einer Masse Geschwindigkeit zu erteilen.

Unseren Weg fortsetzend, ziehen wir speziell die potentielle Arbeitsfähigkeit einer gehobenen Last in Betracht, Es ist wohl ganz klar, dass dieselbe um so größer ist, je größer diese Last und anderseits aber auch um so größer ist, je höher der Körper gehoben wird. Das stimmt ja vollkommen mit unseren Erfahrungen über die zu diesem Behufe aufzuwendende Muskelarbeit; d. h. wir werden die einem gehobenen Körper eigentümliche potentielle Energie darzustellen haben als das Produkt aus Gewicht dieses Körpers und seiner Erhebung über der Erdoberfläche.

Lassen Sie uns nun an ein Beispiel anknüpfen, welches wir vor wenigen Minuten zum Gegenstand unserer Betrachtungen gemacht haben, an das Pendel, das wir uns als sogenanntes mathematisches Pendel aus einer Bleikugel herstellen können, die mittels eines Fadens an einem Nagel befestigt wird. Erteilt man dem Pendel einen Stoß, so schwingt es aus, wobei seine Geschwindigkeit immer kleiner wird, erreicht einen höchsten Punkt (Umkehrpunkt), wo seine Geschwindigkeit Null wird und tritt den Rückweg an, dabei nimmt seine Geschwindigkeit fortdauernd zu und wird am größten in seiner normalen Ruhelage; von da ab bewegt es sich, wieder langsamer werdend, nach der andern Seite bis zu dem zweiten Umkehrpunkt, wo seine Geschwindigkeit abermals Null wird usw. Wenn wir nun die gewonnene Erkenntnis auf diesen Fall anwenden, so hätten wir zu sagen, dass das Pendel eine Vorrichtung ist, bei deren Bewegung fortdauernd ein Ersatz von potentieller Energie durch kinetische erfolgt und umgekehrt. Denn betrachten wir das schwingende Pendel etwa an einem seiner Umkehrspunkte, so besitzt es als gehobene Last potentielle Arbeitsfähigkeit, Energie der Lage; in diesem Punkte ist seine Geschwindigkeit gleich Null. Im nächsten Augenblicke aber bewegt es sich nach abwärts und büßt dadurch an der genannten Energieart ein, dafür aber erlangt es diejenige bewegter Massen, lebendige Kraft. Je tiefer es sinkt, desto kleiner seine potentielle, desto größer seine kinetische Energie, in der normalen Ruhelage wird erstere gleich Null und die letztere erreicht ihren höchsten Wert. Von da ab bewegt es sich wieder nach aufwärts, wobei das Entgegengesetzte stattfindet. Die Geschwindigkeit wird bis zum Umkehrpunkte immer kleiner, erreicht dort den Wert Null, die potentielle Energie steigt dementsprechend und erlangt ihren größten Wert, wo die Pendelkugel sich am höchsten über ihre Ruhelage erhebt. Genau dieselben Betrachtungen können wir auch mit Bezug auf eine gehobene Last, eine gestaute Wassermasse etc. anwenden; beide Gebilde besitzen potentielle Energie, die in dem Maße verloren geht, als Bewegung nach abwärts eintritt, dafür aber erscheint kinetische Energie.

Wenn wir die bis jetzt gewonnenen Resultate überblicken, so zeigt sich, dass zwischen den Größen Arbeit und Arbeitsfähigkeit sowie zwischen den Arbeitsfähigkeiten verschiedener Art sehr merkwürdige Beziehungen herrschen. Selbst wenn wir uns auf dem engbegrenzten Gebiete der mechanischen Vorgänge bewegen, hat es den Anschein, dass es sich ganz ähnlich wie bei dem von Lavoisier zuerst bewusst und auf Grund von sorgfältigen Experimentaluntersuchungen ausgesprochenen Gesetz von der Erhaltung der Materie auch hier um ein Erhaltungsgesetz handelt, welches besagt, dass mechanische Vorgänge so ablaufen, dass Arbeit nur auf Kosten von vorhandener Arbeitsfähigkeit geleistet, dass aufgewendete Arbeit in Form von Arbeitsfähigkeit wiedererscheint und dass schließlich dort, wo kinetische Energie verschwindet, an ihrer Stelle potentielle auftreten kann und umgekehrt. Sie sehen, dass es sich um ein Gesetz von größter Bedeutung handelt, dessen ganzen Gültigkeitsbereich wir allerdings noch lange nicht erschöpft haben. Wir haben bisher nur von mechanischen Dingen gesprochen und auf diesem Gebiete war das Gesetz auch schon lange bekannt, bevor es in seiner Allgemeinheit ausgesprochen wurde. Wir finden, dass es hier teils bewusst, teils unbewusst gebraucht wird, ohne dass man seine allgemeine Bedeutung eingesehen hätte, so z. B. von Job. Bernoulli, Newton u. a.

Bei Besprechung der sogenannten mechanischen Wärmetheorie, jener Hypothese, welche die Wärme als einen Bewegungszustand der kleinsten Teilchen auffasst, haben wir auf die mannigfachen Beziehungen zwischen Wärme und Bewegung hingewiesen. Aus der schier unabsehbaren Fülle derselben haben wir die Verwendung des Feuerbohrers, die Möglichkeit, ein Stück Eisen durch bloßes Bearbeiten mit dem Hammer glühend heiß zu machen, hervorgehoben, haben der großen Hitze beim Kanonenbohren Erwähnung getan etc. In der Tat, wo immer wir in der Natur hinblicken, können wir beobachten, dass Bewegungen durch Reibung verzehrt werden und hierbei Wärme in um so größerem Maße auftritt, je größer Masse und Geschwindigkeit des bewegten Körpers waren. Hält man sich nun vor Augen, dass jeder bewegte Körper kinetische Energie besitzt, deren Größe sich aus denselben Bestimmungsstücken, nämlich Masse und Geschwindigkeit, berechnet und berücksichtigt man weiter, dass nicht nur bei der Vernichtung von Arbeitsfähigkeit der Bewegung — Wärme auftritt, sondern auch umgekehrt, in letzter Linie die Wärme der verbrennenden Kohlen es ist, welche unsere Dampfmaschinen treibt und mit Hilfe derselben erlaubt, jede beliebige Arbeitsleistung zu verrichten, so liegt der Schluss nahe, dass Wärme in einer sehr nahen Beziehung zu den Größen der kinetischen und potentiellen Energie steht beziehungsweise ein gleichwertiges Glied in der Kette derselben bildet. An das angeführte Beispiel ließen sich zur Bekräftigung dieser Auffassung noch beliebig viele andere anreihen, doch sei nur eines erwähnt. Wir erinnern uns jener Vorrichtung, die uns bei unseren Betrachtungen schon einigemal gedient hat, einer in einem zylindrischen Gefäß mit beweglichem Stempel eingesperrten Gasmasse. Denken wir uns, dass durch auf dem Stempel liegende Gewichte dem Gasdruck das Gleichgewicht gehalten wird und erwärmen nun, so dehnt sich das Gas aus, seine Spannkraft wächst, es hebt Stempel und Gewichte empor, es leistet also Arbeit. Überhaupt bildet das Verhalten der Gase ein vorzügliches Versuchsobjekt, um die Beziehungen von Arbeit, Arbeitsfähigkeit und Wärme zu studieren.

Lässt man ein zusammengedrücktes Gas sich entspannen, so zeigt die Erfahrung, dass ausnahmslos Abkühlung eintritt; im Sinne der in Rede stehenden Beziehungen bedeutet dieses Resultat, dass auf Kosten der Wärme des Gases Arbeit geleistet wird, indem sich dasselbe gegen den äußeren Atmosphärendruck ausdehnt; lässt man die Ausdehnung in einem luftleeren Raum erfolgen, so fällt diese Arbeitsleistung fort und die Erfahrung lehrt auch, dass in diesem Falle eine Abkühlung der Gasmasse nicht stattfindet.

Durch unsere bisherigen Betrachtungen beantwortet sich die Frage von selbst, die wir früher offen gelassen haben, ob eine Kraft, die sich, ohne Widerstand zu finden, betätigt, auch Arbeit leistet, wie dieses der Fall ist, wenn ein Körper im luftleeren Raum fällt, wenn eine gespannte Feder losschnellt, eine zusammengedrückte Gasmasse sich plötzlich ausdehnt. Bei dem erstgenannten Vorgang werden wir uns zu äußern haben: Die Schwerkraft leistet Arbeit, die als kinetische Arbeitsfähigkeit erscheint; sobald der Körper durch Begrenzung der Fallbahn an weiterer Bewegung gehindert wird, verliert er seine lebendige Kraft und sofern wir es mit einem unelastischen Körper zu tun haben, können wir die beim Anprall auftretende Wärmeentwicklung als Äquivalent ansehen. Ganz ebenso erledigt sich der zweite der genannten Fälle usw.

Sie sehen also, dass es sich um Beziehungen von der größten Tragweite handelt, deren klare Erfassung eine außerordentliche Bedeutung für die gedankliche Beherrschung der Naturvorgänge besitzt. Wie bereits erwähnt, hatte man, soweit mechanische Erscheinungen in Betracht kommen, diese Beziehungen unbewusst angewendet, ja zum Teil auch erkannt, die Allgemeingültigkeit derselben für das ganze Gebiet der exakten Naturwissenschaften wurde aber erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, und zwar merkwürdigerweise beinahe gleichzeitig von drei, wir können sogar sagen von vier Männern entdeckt. Es ist das eine Erscheinung, der wir in der Geschichte der Naturwissenschaften nicht gerade selten begegnen und die darauf hindeutet, dass die allgemeine Entwicklung einer Zeit große Gedanken zur Reife bringt und diese sowie große Erfindungen und Entdeckungen, so unauflöslich sie auch an bedeutende Menschen gebunden sind, doch nicht allzu ängstlich mit einem bestimmten Individuum verknüpft werden dürfen. Die Zeit für die klare Erfassung unserer Beziehungen war gekommen, es drängte die ganze Entwicklung der Naturwissenschaften zur Aufstellung des Gesetzes, aber die Tat zu vollbringen, die eine große gedankliche Leistung bedeutet, waren nur die besten Köpfe der Zeit imstande.

Von den vier Männern, die wir erwähnten, ist wohl in erster Linie der Heilbronner Arzt Julius Robert Mayer zu nennen, mit dessen Namen die Entdeckung unseres Gesetzes gewöhnlich verknüpft wird und das mit vollem Recht, insofern, als Mayer wohl von den allgemeinsten Gesichtspunkten ausgehend zu seiner Entdeckung gelangt war und er dieselbe in ihrer ganzen Tragweite am besten erkannt hat. Mayer war nichts weniger als ein geschulter Physiker, im Gegenteil, er hatte namentlich zu Anfang mit seinen mangelhaften Kenntnissen auf dem Gebiete der exakten Naturwissenschaften zu kämpfen und eignete sich dieselben erst im Laufe seiner Untersuchungen an. Um so mehr müssen wir seinen weiten Blick anstaunen, der es ihm erlaubte, aus einigen wenigen Tatsachen, an denen andere achtlos vorübergegangen waren, eines der wichtigsten Prinzipien der Forschung zu erschauen, zu formulieren und trotz der heftigsten Angriffe selbst von Seite berufener Physiker zu verteidigen. Es offenbart sich hier wohl in glänzender Weise, eine wie mächtige Förderung die wissenschaftliche Forschung durch die schöpferische Phantasie erfährt, wie gerade das intuitive Erschauen genialer Menschen den Wissenschaften neue Bahnen weist und die Wege ebnet.

Fast gleichzeitig wurde das Gesetz von dem Physiologen und Physiker Hermann v. Helmholtz, dem gefeierten Gelehrten der Berliner Universität, ferner von dem genialen englischen Bierbrauer James Prescott Joule aufgestellt; als vierter im Bunde wäre noch der dänische Ingenieur Colding zu nennen.

Trotzdem nun, wie erwähnt, die neue Anschauung längst vorbereitet war, wurde sie von den Zeitgenossen jener Männer anfangs durchaus nicht etwa begeistert aufgenommen. Ja im Gegenteil, selbst berufene Fachleute waren vielfach nicht in der Lage, die Tragweite der Ideen zu würdigen und so sehen wir dass Mayers erste Arbeit von der damals bedeutendsten wissenschaftlichen Zeitschrift zurückgewiesen wurde und er sich damit begnügen mußte, einen Auszug in einem andern Journal abzudrucken. Auch Helmholtz und Joule scheinen mit derartigen Schwierigkeiten gekämpft zu haben. „Allmählich aber erkennt man, dass die neue Ansicht längst wohl vorbereitet und spruchreif war, nur dass wenige bevorzugte Geister das viel früher wahrgenommen hatten als die anderen, wodurch sich aber die Opposition der Majorität ergab. Mit dem Nachweis der Fruchtbarkeit der neuen Ansicht, mit ihrem Erfolg wächst das Vertrauen zu derselben. Die Majorität der Menschen, welche die Ansicht verwendet, kann auf das gründliche Studium derselben nicht eingehen; sie nimmt den Erfolg für die Begründung.“ (Mach.)

Wie bereits erwähnt, war Mayer nicht nur zeitlich der erste Entdecker des Gesetzes, sondern auch derjenige, welcher von den allgemeinsten Gesichtspunkten zu demselben gelangt war. Im Jahre 1840 hielt er sich als holländischer Schiffsarzt in Java auf und studierte daselbst den Einfluss des heißen Klimas auf den Organismus. Die Beobachtung, dass in diesen Gegenden das Venenblut bei Aderlässen eine dem arteriellen Blut ähnliche Färbung besitzt, führte ihn zu der Vermutung, dass infolge des in den heißen Klimaten viel geringeren Wärmeverlustes, welchen der Organismus nach außen erleidet, sich das Bedürfnis nach organischer (d. h. vom Organismus produzierter) Wärme vermindert und zu einem geringeren Verbrauch an organischem Brennstoff als in kälterer Umgebung führt.

Im Verfolge dieses Gedankens gelangte er zur Anschauung, dass nicht nur die animalische Wärme, sondern auch die vom Organismus hervorgebrachte Bewegung und Arbeit auf Kosten des in demselben sieh vollziehenden Verbrennungsprozesses geleistet werde.

Wenn nun auch Robert Mayer, wie wir sehen, durchaus deduktiv verfahren ist, d. h. von einem kühnen, großangelegten Gedanken ausging, so dürfen wir ihm doch durchaus nicht, wie dies wohl gelegentlich geschehen ist, den Vorwurf machen, dass er sich lediglich auf vage Spekulation stützte; er war im Gegenteil von jenem echt wissenschaftlichen Geist beseelt, der in letzter Linie immer wieder zur Erfahrung zurückkehrt, der zwar in großen, leitenden Gedanken das treibende Motiv der Wissenschaften würdigt, aber auch erkennt, dass in einer unbefangenen, besonnenen Naturbeobachtung das einzige Mittel gelegen ist, diese Ideen in einer die Menschheit fördernden Weise nutzbar zu machen. So sehen wir denn, dass er in einer für die damalige Zeit genial zu nennenden Art daran geht, zu ermitteln, wie groß der Arbeitswert der Wärme ist, d. h. festzustellen, wie viel Arbeit von einer bestimmten Wärmemenge geleistet, welche Wärmemenge umgekehrt durch Verbrauch einer gegebenen Arbeitsmenge produziert werden kann. Er verfuhr in folgender Weise: Denken Sie sich zwei Gasmassen, zwei gleiche Mengen desselben Gases, beide in Gefäße eingeschlossen, geradeso wie früher in Zylinder mit beweglichem Kolben. In dem einen derselben wollen wir uns einen Riegel so vorgeschoben denken, dass die Beweglichkeit des Kolbens aufgehoben wird, während die des andern bewahrt bleibt. Nun wollen wir diese beiden Gasmassen um eine bestimmte Anzahl von Celsiusgraden erwärmt denken. Man wusste schon lange vor Entdeckung unseres Gesetzes, dass man einer Gasmasse, welche sich bei der Erwärmung ausdehnen kann, viel mehr Wärme zuführen muss, um sie auf eine bestimmte Temperatur zu bringen, als wenn die Ausdehnung verhindert wird. Im Sinne des Mayerschen Gedankens ist das auch durchaus natürlich; denn bei der Ausdehnung muss das Gas den auf ihm lastenden Atmosphärendruck überwinden, es muss Arbeit leisten. In diesem Falle wird also die zugeführte Wärmemenge nicht nur zur Erhöhung der Temperatur des Gases, sondern auch zu einer Arbeitsleistung verwendet, die im zweiten Falle wegfällt.

Aus den ihm zur Verfügung stehenden Daten über die Wärmemengen, die in dem einen und andern Falle gebraucht werden, um das Gas um 1° C zu erwärmen, und aus der bei der Ausdehnung gegen den Luftdruck geleisteten Arbeit konnte er das gesuchte Verhältnis zwischen Wärme und Arbeit ermitteln. Er fand eine Zahl, die infolge der Ungenauigkeit der damals bekannten Daten wesentlich zu klein ausfiel, deren Ermittlung aber immerhin für seine Anschauung einen wesentlichen Erfolg bedeutete.

In einem gewissen Gegensatze zu Robert Mayer steht Hermann v. Helmholtz. Ist ersterer der kühne Eroberer, der selbst mit unzureichenden Mitteln an eine gewaltige Aufgabe herantritt, so erblicken wir in letzterem den genialen Organisator, der alle Register seines Faches spielend beherrscht und aus dem neueroberten Gebiet, indem er es dem Mutterlande angliedert, für letzteres so viel Gewinn als möglich zu ziehen sucht. Mayer ist eine durchaus impulsive Natur, die mit Feuereifer den einmal erfassten Gedanken verfolgt, Helmholtz, der besonnene Gelehrte, dem wir die erste theoretische Durcharbeitung der gesamten Physik vom Standpunkte des neuen Gesetzes verdanken.

Das Verdienst, die ersten experimentellen Bestätigungen durch eine Reihe von messenden Versuchen, die sowohl was Klarheit in der Anlage als auch Feinheit in der Durchführung anlangt, unsere aufrichtige Bewunderung verdienen, erbracht zu haben, gebührt Joule. Von dem Jahre 1843 an beschäftigte er sich längere Zeit hindurch damit, das Quantum Wärme zu messen, welches bei der Vernichtung von Bewegung durch Reibung erzeugt wird. Er hat bei seinen zahlreichen diesbezüglichen Versuchen zwischen beiden immer ein festes Verhältnis gefunden. Einer von den vielen Versuchen, die er anstellte, sei kurz beschrieben: In einem mit Quecksilber gefüllten Gefäße befanden sich zwei konische Eisenringe, von denen der eine in dem andern durch herabsinkende Gewichte mit Reibung bewegt werden konnte. Die bei dem Herabsinken der Gewichte verloren gehende potentielle Energie, die aufgewendete Arbeit wird durch Reibung in Wärme umgesetzt, deren Menge aus der Temperaturerhöhung des Quecksilbers ermittelt werden konnte. Er fand nun bei allen seinen Versuchen, dass diejenige Wärmemenge, welche in der Physik als Einheit gebraucht wird, die Kalorie, d. h. die Wärmemenge, welche einem Kilogramm Wassers zugeführt werden muss, um seine Temperatur um 1° C zu erhöhen, erzeugt wird, bei Verbrauch einer Arbeitsmenge von 425 Meterkilogrammen, d. h. wenn bei dem beschriebenen Versuche 425 Kilogrammgewichte um 1 Meter sinken oder 1 Kilogrammgewicht um 425 Meter etc. Joule gebührt weiter das hervorragende Verdienst, die Ausgestaltung der neuen Idee durch Einbeziehung der elektrischen Erscheinungen sehr wesentlich gefördert zu haben. Bevor wir das Allerwesentlichste erwähnen, ist es vielleicht gut, dass wir uns darüber orientieren, was wir unter elektrischer Arbeitsfähigkeit zu verstehen haben. Der Begriff Elektrizität wird etwas vage mit verschiedenem Sinn gebraucht und bedeutet durchaus nicht immer elektrische Arbeitsfähigkeit, sondern sehr häufig auch Elektrizitätsmenge. Über das Verhältnis dieser beiden Größen können wir uns am besten eine klare Vorstellung bilden, wenn wir auf die seinerzeit gebrauchte Analogie mit fließendem Wasser zurückgreifen. Gerade so wie die Arbeitsfähigkeit einer gestauten und abfließenden Wassermasse einerseits von dem Gewicht derselben, anderseits von der Fallhöhe abhängt, so bestimmt sich auch die Arbeitsfähigkeit eines elektrischen Stromes aus der bewegten Elektrizitätsmenge und einer der Fallhöhe korrespondierenden Größe, der elektrischen Spannung, unter deren Einfluss die Elektrizitätsbewegung statt hat; in beiden Fällen ändert sich die gegebene Wasserbeziehungsweise Elektrizitätsmenge nicht, wohl aber die Arbeitsfähigkeiten, indem einerseits die Fallhöhe, anderseits die elektrische Spannung bei der Bewegung abnehmen.

Die elektrische Arbeitsfähigkeit oder Energie nun ist vor allen anderen dadurch ausgezeichnet, dass es äußerst leicht fällt, ganz nach unserem Belieben bei ihrer Vernichtung andere Arbeitsfähigkeiten zu erhalten und das ist auch der Grund, warum auf diesem Gebiete in den letzten Jahrzehnten so ungeheure Erfolge in praktischer Hinsicht erzielt wurden.

Besonders innig sind die Beziehungen zwischen elektrischer und Wärmeenergie. Schickt man einen Strom durch ein Drahtstück, so tritt in demselben für die gesamte verloren gegangene elektrische Arbeitsfähigkeit Wärme auf, die man zu Ehren des Erforschers dieser Beziehungen als Joulesche Wärme bezeichnet. Von derselben macht man den umfassendsten praktischen Gebrauch bei allen elektrischen Ofen und Beleuchtungsvorrichtungen. Ebenso leicht und sicher handhaben wir heute die Umsetzung von elektrischer in mechanische Energie und umgekehrt. Wir schicken — um uns bildlich auszudrücken — die Arbeit unserer Dampfmaschinen oder sonstigen Motoren in elektrische Maschinen, Dynamos, welche uns für die verloren gegangene mechanische Energie elektrische wiedergeben; diese letztere kann entweder, wie oben angedeutet, in Licht und Wärme umgesetzt werden oder aber, wie dies z. B. in den Straßenbahnen der Fall ist, in eben solchen elektrischen Maschinen in mechanische Arbeit zurückverwandelt werden. Eine solche Vorrichtung, eine Dynamomaschine stellt also eine Anordnung vor, die uns erlaubt, nach Belieben elektrische in mechanische Arbeitsfähigkeit und umgekehrt zu verwandeln. Drehen wir die Maschine durch Aufwand von Muskel- oder Maschinenkraft, so liefert sie Strom, schicken wir umgekehrt Strom in sie hinein, so dreht sie sich und ist fähig, mechanische Arbeit zu leisten. Seit einer Reihe von Jahren beginnt man immer mehr und mehr die großen Mengen von mechanischer Energie, die uns die Natur in den Wasserfällen zur Verfügung stellt, auszubeuten. Das großartigste Beispiel dieser Art ist wohl die Ausnutzung der Niagarafälle, wo gegenwärtig viele tausend Pferdekräfte durch Turbinen nutzbar gemacht und zum Betrieb von elektrischen Maschinen verwendet werden. Infolge der besonderen Eigentümlichkeit der Elektrizität, sich durch Metalldrähte ohne besonders großen Verlust auf große Entfernungen weiter leiten zu lassen, bietet uns diese Beziehung von mechanischer und elektrischer Energie ein Mittel, Kräfte auf weite Strecken bis zu dem Orte, wo sie gebraucht werden, zu transportieren. Ein sehr interessantes Beispiel dieser Art bot die Frankfurter elektrische Ausstellung. Es wurden bei Lauffen dem Neckar 300 Pferdekräfte entnommen beziehungsweise durch Turbinen für den Betrieb von Dynamomaschinen nutzbar gemacht; die von denselben gelieferte elektrische Energie wurde über 175 Kilometer bis zur Frankfurter Ausstellung geleitet und dort in elektrische Motoren geschickt, welche ein Pumpwerk in Bewegung setzten, mit dessen Hilfe Wasser gehoben wurde. Man konnte auf diese Weise einen Wasserfall von beinahe derselben Höhe erzeugen, wie jener am Neckar, der zum Betrieb der Dynamos gedient hatte.

Von dem größten Interesse sind die Beziehungen zwischen chemischer und elektrischer Energie, deren erste Beleuchtung wir gleichfalls Joule verdanken. Nichts hindert uns von chemischer Arbeitsfähigkeit zu sprechen, obwohl wir von dieser Größe durchaus keine anschauliche Vorstellung besitzen, sie im Gegenteil auf einem ziemlich umständlichen Weg erschließen müssen; jedenfalls ist uns dieselbe lange nicht so vertraut wie die mechanischen oder elektrischen Energien, an welch' letztere wir wenigstens durch die großen praktischen Erfolge der letzten Zeit immer wieder erinnert werden. Um uns jedoch den Arbeitswert, den wir zwei oder mehreren verbindungsfähigen Stoffen zuschreiben können, vor Augen zu führen, brauchen wir nur an die mechanischen Wirkungen zu denken, die unter Umständen mit ihrer Vereinigung oder chemischen Umsetzung verbunden sind: die Bestandteile des Schießpulvers, Kohle, Schwefel und Salpeter sind bei ihrer Umsetzung imstande, große Arbeitsleistungen zu vollbringen, die in den Gewehren und Kanonen dazu verwendet werden, um Projektile mit großer Gewalt fortzuschleudern; Explosivstoffe werden in bedeutender Menge zur Verrichtung gewaltiger mechanischer Effekte gebraucht; die bei der Verbrennung der Kohle, d. h. ihrer Vereinigung mit dem Sauerstoff der Luft zu Kohlensäure, frei werdende chemische Energie ist es im Grunde genommen, welche unsere Dampfmaschinen treibt und auf diesem Wege im großartigsten Maßstab zu Arbeitsleistungen nutzbar gemacht wird.

Gerade so wie wir bei dem Verschwinden mechanischer und elektrischer Arbeitsfähigkeit für gewöhnlich Ablösung derselben durch Wärme konstatieren konnten, so finden wir auch, dass, wenn nicht besondere Vorrichtungen getroffen werden, verloren gehende chemische Energie immer von dem Auftreten von Wärme begleitet ist; das lässt sich bei allen Umsetzungen, die wir in den Laboratorien sich vollziehen lassen, beobachten, so zwar, dass wir in Ermangelung einer direkten Messbarkeit der erst genannten Größe die letztgenannte als Maß für die erstere benutzen.

Doch mit Hilfe besonderer Vorrichtungen, der galvanischen Elemente, gelingt es leicht, chemische Umsetzungen so verlaufen zu lassen, dass die verloren gehende chemische Energie entweder gar nicht oder nur zu verschwindendem Betrag als Wärme wieder erscheint, sondern an ihrer Steile elektrische Arbeitsfähigkeit geliefert wird. Lassen Sie uns an ein Beispiel anknüpfen. Bringt man metallisches Zink in eine Lösung des schön blau gefärbten Kupfervitriols — das schwefelsaure Salz des Kupfers — so geht eine Umsetzung in dem Sinne vor sich, dass das Zink seinen metallischen Zustand verlässt und in die Form des schwefelsaueren Salzes, des Zinkvitriols, übergeht, während gleichzeitig Kupfer aus seiner Verbindung als Metall niedergeschlagen wird. Die Umsetzung ist von einer sehr bedeutenden Entbindung von Wärme begleitet. Man kann dieselbe jedoch vollkommen hintanhalten und mit Hilfe einer besonderen Anordnung bewirken, dass an Stelle der verloren gehenden chemischen Energie elektrische auftritt, d. h. dass der chemische Prozess, wie man sich ausdrückt, elektromotorisch wirksam gemacht wird. Es geschieht das in dem nach seinem Erfinder so genannten Daniellelement, welches in folgender Weise zusammengesetzt ist: In einem Glasgefäße befindet sich ein Zinkzylinder, der von einer Zinkvitriollösung umspült wird, in der Mitte des Gefäßes steht eine poröse Tonzelle, welche als Diaphragma, d. h. Scheidewand, dient und einen Kupferzylinder in Kupfervitriollösung enthält. Eine solche Vorrichtung gibt uns Strom, daher auch elektrische Energie, die wir ihrerseits wieder in beliebiger Weise zum Betrieb eines Motors, zur Speisung von Glühlampen etc. etc. verwenden können. Oder aber lässt sich der von dem Element gelieferte Strom dazu verwenden, um chemische Änderungen hervorzubringen; im Sinne unseres Gesetzes gesprochen heißt das, es wird elektrische Energie in chemische verwandelt; z. B. kann durch den Strom Wasser in seine Komponenten Sauer- und Wasserstoff zerlegt werden, bei deren Wiedervereinigung wir nach Belieben entweder Wärme oder infolge der Explosivität des Gasgemenges auch mechanische Arbeit erhalten können. Lässt man das Element arbeiten, so erkennt man bald, dass der früher beschriebene chemische Prozess sich in ihm abspielt, d. h. dass Zink in Lösung geht und Kupfer als Metall auf dem Kupferzylinder niedergeschlagen wird, ohne dass jedoch diese Umsetzung von einer merklichen Wärmetönung begleitet wäre.

Von den mannigfaltigen Beziehungen, die uns unser Forschungsprinzip einheitlich zusammenzufassen erlaubt, haben wir bis jetzt eine Reihe ganz außer acht gelassen, die gerade im Haushalte der Natur von der allumfassendsten Bedeutung sind, die Beziehungen der Energie des Lichtes, der sogenannten strahlenden Energie zu Wärme und chemischer Energie. Es lässt sich leicht zeigen, dass das ganze Leben auf der Erde in letzter Linie auf das Licht der Sonne angewiesen ist, indem die Pflanzen dasselbe begierig aufsaugen und nur mit seiner Hilfe imstande sind, ihren Leib aus der Kohlensäure und dem Wasserdampf der Atmosphäre aufzubauen und Tier sowohl als Mensch wieder direkt oder indirekt von pflanzlicher Nahrung leben. Auch sonst spielt das Licht vermöge seiner leichten Umsetzbarkeit in Wärme eine ganz ungeheuere Rolle mit Bezug auf den Kreislauf des Wassers, von welchem alle Fruchtbarkeit abhängt, mit Bezug auf Klima etc. etc. Bedenken wir weiter, dass auch die Kohle ein pflanzliches Produkt darstellt, in welchem Sonnenenergie aufgespeichert ist, und dass die Kohle es ist, die uns beinahe alle unsere Kulturbedürfnisse vermittelt, so erkennen wir, dass die Sonne sich mit Recht abgöttischer Verehrung erfreut, die in dem instinktiven Verlangen aller Lebewesen nach Licht zum Ausdrucke kommt und sich in der Scheu vor der Nacht ausspricht die die jugendliche Phantasie mit Gespenstern und bösen Geistern aller Art bevölkert.

Nachdem wir uns nun über das Wesentliche orientiert haben, wollen wir einige kritische Bemerkungen anschließen. Unser Gesetz hat von seinen beiden hauptsächlich in Betracht kommenden Entdeckern Robert Mayer und Hermann v. Helmholtz den Namen Gesetz von der Erhaltung der Kraft bekommen. Wir sahen, dass es sich allerdings um ein Erhaltungsgesetz handelt, dasselbe betrifft aber nicht die Naturkräfte, sondern andere immaterielle Größen, welche nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern auch im praktischen Leben eine sehr wichtige Rolle spielen und die wir als Arbeitsfähigkeiten oder Energien bezeichnet haben. Eine gestaute Wassermasse, ein gehobenes Gewicht, eine gespannte Feder besitzen Arbeitsfähigkeit, aber auch Wärme stellt Arbeitsfähigkeit oder Energie vor. Alle diese Energien stehen in der Beziehung zueinander, dass eine für die andere eintreten kann; es lassen sich immer Vorrichtungen ersinnen, in welchen eine bestimmte Art von Arbeitsfähigkeit verschwindet und von einer andern ersetzt wird. Mit Rücksieht darauf, dass man jeden derartigen Vorgang rückgängig machen kann, d. h. dass man die Energieart, von welcher man ausgegangen ist, in demselben Betrag zurückerhalten kann — ich erinnere an die genaue Besprechung der Pendelbewegung sowie die leichte Verwandelbarkeit von elektrischer in mechanische Energie und umgekehrt — hat man geschlossen, dass alle Energien Größen gleicher Art sind, die gegebenenfalls in gleichem Maße gemessen werden können. Man hat das Prinzip dementsprechend so zum Ausdruck gebracht, dass man sagte, es gibt eine immaterielle Größe, die man Energie nennt, welche bei allen Vorgängen in der Natur konstant ihren Wert beibehält und nur ihre Erscheinungsform ändert, d. h. bei jedem Vorgang in der Natur kommt eine bestimmte Menge Arbeitsfähigkeit oder Energie in Betracht, welche nicht vermehrt oder vermindert werden, wohl aber je nach der Art des Vorganges verschiedene Formen annehmen kann. Also ein Gesetz ganz ähnlich dem uns schon bekannten Gesetze von der Erhaltung der Materie. Von anderer Seite wurde mit Rücksicht darauf, dass unser Gesetz nicht nur für unsere Erde gilt, sondern auch für das Weltall, die Formulierung gewählt: die Energie des Weltalls ist konstant; eine gewiss sehr bestechende Form des Ausdruckes, welche jedoch durchaus nicht mehr besagt, wie die früher angegebene.

Sie sehen also ein eigentümliches, merkwürdiges Spiel, ein ewiger Wechsel von Energien, bei dem wir berechtigt sind, anzunehmen, dass nichts verloren geht, indem das Verschwinden einer Art von dem Auftreten einer andern Art begleitet ist, deren Menge wir als gleichwertig ansehen können. Betrachtet man die Sache von diesem Standpunkte aus, so ist es gewiss naheliegend und fällt nicht schwer, so gut wie alles Naturgeschehen mit Hilfe unseres Forschungsprinzips einheitlich zusammenzufassen und in diesem ewig währenden Ablösungsprozess der Energien das wichtigste Objekt wissenschaftlicher Untersuchung zu erblicken. Dieser Gedanke hat tatsächlich seine Vertreter gefunden (Energetiker), die außer seiner in die Augen fallenden Nützlichkeit auch eine Reihe von anderen Gründen für seine Annahme geltend gemacht haben. Davon sei später die Rede. Jedenfalls erkennen Sie, dass dieser Gesichtspunkt aber nichts weniger als derjenige der materialistischen Weltauffassung ist; diese letztere baut sich in letzter Linie auf dem Gedanken auf, dass jedes Naturgeschehen sich auf Bewegung der Moleküle zurückführen lasse; ihr Gott ist die bewegte Materie, die alle sogenannten Rätsel erklären soll. Die eben angedeutete energetische Weltauffassung dagegen fußt auf jenem Spiel immaterieller Größen, die wir Energien nennen. Haben die extremen Vertreter der erstgenannten Anschauung nicht gezaudert, auch die geistigen Funktionen in den Kreis ihrer Betrachtung zu ziehen und sie für Ausflüsse, besondere Bewegungen der Hirnmoleküle zu erklären, so hat es auch unter den Bekennern der andern Richtung nicht an solchen gefehlt, die ohne weiteres den Gültigkeitsbereich des Energieprinzips in dem angedeuteten Sinne erweitern wollten. Sie sehen also auch hier, dass, wie schon früher betont, das Gebiet, welches von einem Forschungsprinzip beherrscht wird, nicht von vornherein feststeht, sondern sich langsam erweitert und über die Grenzen gelegentlich große Unsicherheit herrscht.

Stehen nun auch die Folgerungen, die aus dem Energiegesetz gezogen worden sind, zu der materialistisch-mechanistischen Weltanschauung in scharfem Gegensatze, so ist es merkwürdig, dass letztere ganz außerordentlich fördernd gewirkt hat. Unser Forschungsprinzip knüpft an einen rein mechanischen Begriff, den der Arbeit, an und die reiche und gründliche Durcharbeitung der Mechanik war es, die erlaubte, unser Gesetz auf diesem beschränkten Gebiet klar und deutlich zu erkennen, zu einer Zeit, wo es in seiner Allgemeinheit noch gar nicht ausgesprochen werden konnte. Umgekehrt sehen wir auch unter dem Einflusse des Energieprinzips die mechanische Deutung während einer gewissen Periode der Entwicklung immer allgemeiner werden. Die mannigfachen Beziehungen zwischen Wärme und Bewegung erschienen im Lichte der Mayerschen Entdeckung als äußerst durchsichtig und verständlich; man sagte, die sichtbare Bewegung geht verloren, sie verwandelt sich in eine unsichtbare Bewegung der Moleküle, die wir Wärme nennen, und in ähnlicher Weise trachtete man auch andere Energien als rein mechanische zu deuten. Ist auf diese Weise das Energieprinzip den Bestrebungen der materialistisch-mechanistischen Weltauffassung auch sehr gelegen gekommen, so ist doch hervorzuheben, dass R. Mayer selbst dieser letzteren durchaus nicht huldigte, er im Gegenteil die im Aufblühen begriffene mechanische Wärmetheorie mit den Worten verurteilt: Die Bewegung müsse notwendig aufhören, Bewegung zu sein, wenn sie sich in Wärme umwandelt.

Der Einheitsgedanke, der sich in der eben erwähnten Annahme ausspricht, dass es nur eine, und zwar mechanische Energie gibt, kehrt in anderer Form bei den schon genannten Energetikern wieder und gelangt in der Form zum Ausdruck, dass es nur eine einzige Energie oder Energie schlechtweg gibt, die „ihre Erscheinungsform auf das vielfältigste wechselt“. Sie erkennen, dass sich in diesen Worten die Substanzauffassung geltend macht, die uns schon so oft begegnet ist. Gerade so wie die alten Naturphilosophen in dem ewigen Wechsel des Stofflichen das Bleibende festhalten wollten und auf diese Weise zu der Annahme einer Urmaterie kamen, die ihre Erscheinungsform ändert, gerade so gründen sich unsere landläufigen Anschauungen auf die Materie, als das Beharrende, das Bleibende, das Unveränderliche, das von allem Wechsel Unberührte. Es ist dieselbe Grundannahme, welche das Fundament der Atomtheorie bildet und in der Auffassung zum Ausdruck gelangt, dass beispielsweise bei der Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser in den Wassermolekülen die Sauerstoff- und Wasserstoffatome noch als solche enthalten, also auch nur in eine andere Form übergegangen sind.

Wir trafen diese Substanzierung gleichfalls bei den verschiedenen Fluidumtheorien an. So wie in allen den angeführten Fällen erweist sich die gekennzeichnete Auffassung, auch insofern es sich um Energie mit den verschiedenen Erscheinungsformen handelt, als über die Erfahrung hinausgehend, als eine Annahme, deren Richtigkeit sich überhaupt niemals prüfen lässt und die daher, so zweckmäßig sie auch in mancher Hinsicht sein mag, besser vermieden wird. Das Gezwungene dieser Vorstellung ergibt sich, wenn wir die übliche Ausdrucksweise genau betrachten, etwa: eine gehobene Last besitzt oder enthält potentielle Energie, die sich beim Herabsinken in kinetische Energie verwandelt; eine gespannte Feder, eine zusammengepresste Gasmasse hat Arbeitsfähigkeit etc. etc. Eine unbefangene Auffassung erlaubt uns nur zu sagen, dass es sich um Zustandsänderungen handelt, die in gewisser Art und Weise mit Hinsicht auf den Begriff der Arbeit verlaufen.

Für eine richtige Würdigung unseres Prinzips ist es offenbar von der allergrößten Wichtigkeit, sich stets vor Augen zu halten, wie wir zu demselben gekommen sind. Nun wie aus unserer ganzen Darstellung ersichtlich, bildet eben jener Begriff der Arbeit den Ausgangspunkt und das Gesetz selbst wird häufig als ein solches von der Erhaltung der Arbeit bezeichnet.

Eine aufmerksame Betrachtung ergibt aber sofort, dass wir im gewöhnlichen Leben unter Arbeit etwas ganz anderes verstehen als dasjenige ist, dem unsere jetzigen Besprechungen gelten. Wenn wir auch von Arbeit ausgegangen sind, so hat sich im Verlauf der Darlegung des Gesetzes dieser Begriff differenziert, so zwar, dass wir jetzt wohl mit Recht von sozialer und physikalischer Arbeit sprechen dürfen. Die erstere kann etwa definiert werden als jede körperliche oder geistige Betätigung, die ein für den einzelnen oder die Gesamtheit nützliches Resultat ergibt. Diese Arbeit steht natürlich in sehr naher Beziehung zu der physikalischen, über welche wir ja hinlänglich informiert sind. Nun die Nichtbeachtung dieses Unterschiedes dürfte in manchen Fällen für den in der naturwissenschaftlichen Denkweise Ungeübten Schwierigkeiten mit Bezug auf die Auffassung von Naturvorgängen ergeben. Wir lassen beispielsweise eine Dampfmaschine ein Sägewerk betreiben; es fragt sich nun, wo haben wir das Äquivalent für die von der Dampfmaschine geleistete verbrauchte Arbeit zu suchen. Man könnte leicht geneigt sein, anzunehmen, dass wir dieses Äquivalent in dem Zerschneiden der Holzstämme zu Brettern, in der durch das Sägewerk bewirkten Formänderung des Holzes zu finden haben. Tatsächlich bezeichnen wir im gewöhnlichen Leben diese letztere als die geleistete Arbeit, als dasjenige, was für unsere Zwecke dienlich ist. Im Sinne unseres Gesetzes aber ist dieses Resultat ohne Bedeutung, wir haben vielmehr die Sache so darzustellen, dass die mechanische Arbeitsfähigkeit der Dampfmaschine verschwindet und beim Zerkleinern des Holzes durch Reibung in Wärme umgesetzt wird. Lässt man dagegen die Dampfmaschine etwa eine Last heben oder eine Feder spannen, so fallen physikalische und soziale Arbeit zusammen, wenigstens so weit, als bei diesen Vorgängen nicht auch Wärme auftritt, und das ist in nur sehr untergeordnetem Maße der Fall. Aber auch beim Heben einer Last, sagen wir etwa beim Transportieren von Bausteinen in die Höhe der arbeitenden Maurer, tritt der Unterschied deutlich zutage, indem die potentielle Energie der gehobenen Steine für uns offenbar gar nicht in Betracht kommt und jedenfalls nicht ausgenutzt wird.

Ähnliche Beispiele lassen sich in sehr großer Zahl vorbringen, zum mindesten können wir gleiche Aussagen in beinahe allen den Fällen machen, wo Bewegung durch Reibung aufgezehrt wird. Die dabei auftretende Wärme ist, wo sie nicht als solche benutzt wird, und das kommt sehr selten vor, für uns ganz wertlos, oft sogar lästig; wir betrachten dementsprechend nur die begleitenden Änderungen als Äquivalent der geleisteten Arbeit. Sie sehen also, dass es nur im physikalischen Sinne, nicht aber im sozialen ein Gesetz von der Erhaltung der Arbeit gibt. Wie sehr jedoch Arbeit in letzterer Bedeutung in die ganze naturwissenschaftliche Betrachtungsweise hineinspielt, wie wenig man sich im Grunde genommen von diesem Begriff emanzipieren kann, lässt sich z. B. an der folgenden Definition für Energie erkennen: Energie ist: „Arbeit oder alles, was aus Arbeit entsteht und sich in Arbeit umwandeln lässt.“ (Ostwald, Vorl. über Naturphilosophie, S. 158.) Wären wir nicht in der angedeuteten Richtung befangen, so würden wir umgekehrt sagen: Arbeit oder alles usw. ist Energie.

Diese eigentümlichen Verhältnisse kommen auch zum Ausdruck in einem zweiten Energiegesetz, das, obwohl es eine wesentliche Ergänzung des besprochenen Gesetzes bildet, merkwürdigerweise vor diesem im Jahre 1824 von dem französischen Offizier Sadi Carnot an einem ganz speziellen Beispiel entdeckt wurde. Er fand, dass in einer Dampfmaschine, wenn sie auch noch so vollkommen konstruiert ist, einem Naturgesetz zufolge nicht die gesamte, von der verbrennenden Kohle gelieferte Wärme in Arbeit verwandelt werden kann, sondern ein Teil derselben als solche von dem Dampfkessel zum Kondensator der Maschine übergeht und das Kühlwasser desselben erwärmt. Die weitere Verfolgung dieser äußerst wichtigen Entdeckung hat zu dem Ergebnis geführt, dass die Verwandlung einer Energie in eine andere im allgemeinen insofern einer Beschränkung unterliegt, als diese Umwandlung nicht immer vollständig erfolgen kann. Bewegung lässt sich durch Reibung vollständig in Wärme umsetzen, aber der umgekehrte Vorgang ist nur teilweise möglich. Und ähnliche Verhältnisse, wenn auch nicht so durchsichtig, begegnen uns auch bei den Beziehungen anderer Energiearten zueinander. Helmholtz hat sich infolgedessen veranlasst gesehen, die bei irgendeinem Vorgang ins Spiel kommende Energiemenge in zwei Teile zu sondern, in einen frei verwandelbaren und einen nicht verwandelbaren, der, soweit unsere Erfahrungen reichen, immer Wärme ist, welche für Leistung von Arbeit nicht weiter in Betracht kommt. Bei einer weiteren Verwandlung des früher frei genannten Energiebetrages geht wieder ein Teil in Wärme über, die für Arbeitsleistung nicht ausnutzbar ist usw., so zwar, dass, wie sie sehen, die Menge der freien, der verwandelbaren Energie in der Natur immer abnimmt, die der nicht verwandelbaren, für Arbeit verlorenen, wächst. Man nennt diesen für alle Naturvorgänge als ganzes charakteristischen Ablauf die Zerstreuung oder Verwüstung der Energie. Sind wir also von dem Begriff der Arbeit ausgegangen und haben Energie als Arbeit oder Arbeitsfähigkeit definiert, so kommen wir unter Mitberücksichtigung der geschilderten Verhältnisse zu dem Ergebnis, dass, wenn wir jede Wärmemenge als Energie bezeichnen wollen, auch die nicht weiter verwandelbare, die Begriffe Arbeit und Arbeitsfähigkeit im Zusammenhange mit dem übrigen nur eine untergeordnete Rolle spielen und jedenfalls nicht mit Energie identifiziert werden dürfen. Es ist dann jede Arbeit und Arbeitsfähigkeit Energie, aber nicht umgekehrt, und der Ausgangspunkt unserer Auseinandersetzungen hat damit eigentlich nur mehr beschränkte Richtigkeit.

Ich glaube, Sie durch die angestellten Betrachtungen auf die außerordentliche Fruchtbarkeit der naturwissenschaftlichen Prinzipien, aber auch auf die Schwierigkeit ihrer Anwendung, auf die Möglichkeit sehr schwerwiegender Trugschlüsse aufmerksam gemacht zu haben. Jedes derartige Prinzip stützt sich im Anfang auf eine verhältnismäßig kleine Zahl von Einzelerfahrungen und trägt daher bei seinem großen, vorausgesetzten Gültigkeitsbereich notwendig den Charakter einer vorzeitigen Verallgemeinerung in sich, der bei denjenigen Gebilden, die wir als Naturgesetze bezeichnen, sich durchaus nicht geltend macht, obzwar im Grunde genommen zwischen beiden eigentlich kein wesentlicher Unterschied besteht. Infolge der ihnen anhaftenden Unsicherheit erhalten sie nicht selten etwas Dogmatisches, das Gepräge einer vorgefassten Meinung, wie das beispielsweise der Fall ist bei dem längst überwundenen Zweckprinzip, d. h. der Meinung und Betrachtungsart, welche in jeder Einrichtung der Natur das Mittel für die Erreichung irgendeines Zweckes sieht.

Wenn nun den Prinzipien immer eine gewisse Unsicherheit eigen ist, die wir bei den Naturgesetzen im engeren Sinne kaum empfinden, so dürfen sie doch nicht mit den früher besprochenen Hypothesen mit ihren aller Erfahrung von vornherein widersprechenden Grundannahmen auf eine Stufe gestellt werden. Wir können ihren Wert, ihre Berechtigung nicht besser würdigen, als mit den schönen Worten, die Goethe in seiner Farbenlehre gebraucht: „Ist es doch eine höchst wunderliche Forderung, die wohl manchmal gemacht, aber auch selbst von denen, die sie machen, nicht erfüllt wird: Erfahrungen solle man ohne irgendein theoretisches Band vortragen und dem Leser, dem Schüler überlassen, sich selbst nach Belieben irgendeine Überzeugung zu bilden. Jedes Ansehen geht über in ein Betrachten, jedes Betrachten in ein Sinnen, jedes Sinnen in ein Verknüpfen und so kann man sagen, dass wir schon bei jedem aufmerksamen Blick in die Welt theoretisieren. Dieses aber mit Bewusstsein, mit Selbstkenntnis, mit Freiheit und, um uns eines gewagten Wortes zu bedienen, mit Ironie zu tun und vorzunehmen, eine solche Gewandtheit ist nötig, wenn die Abstraktion, vor der wir uns fürchten, unschädlich und das Erfahrungsresultat, das wir hoffen, recht lebendig und nützlich werden soll.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber die Grundlagen der exakten Naturwissenschaften