Ueber die Dummheit

Eine Umschau im Gebiete menschlicher Unzulänglichkeit
Autor: Loewenfeld, Leopold Dr. (1847-1876) deutscher Nerven-Arzt und Publizist, Erscheinungsjahr: 1909
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Dummheit, Aufklärung, Geistesartung, Gebiet menschlicher Unzulänglichkeiten, geistige Leistungen, Torheiten, Verkehrtheiten, Höchststehende, Beschränkteste, Intelligenteste, Kulturperioden, intellektueller Fortschritt der Massen
Rezension

Das vorliegende Werk darf einen Platz unter den beachtenswertesten literarischen Erscheinungen der Neuzeit beanspruchen. „Über die Dummheit“ lautet der Titel, und mancher Leser mag sich wohl fragen, was sich über ein so bekanntes Thema noch Neues und Interessantes sagen lässt. Es zeigt sich jedoch hier, wie so oft, dass das scheinbar Allen so wohl vertraute Gebiet noch weite Strecken umschließt, über die noch recht wenig bekannt ist und sachgemäße Aufklärung jedem Gebildeten erwünscht sein muss. Der Verfasser hat denn auch unsere Kenntnisse der Dummheit in vielen Beziehungen erweitert und überdies ihre Bedeutung für die verschiedensten Gebiete menschlicher Tätigkeit in fesselnder Weise dargetan. Indes war es dem Autor offenbar nicht hauptsächlich darum zu tun, die Geistesartung Jener, „die nicht alle werden“, zu analysieren und zu schildern. Das Ziel, das er sich gesteckt hat — und darauf weist schon der Untertitel „eine Umschau im Gebiete menschlicher Unzulänglichkeit“ hin — ist ein weit höheres und bedeutungsvolleres. Was er unternommen hat, ist nicht mehr und nicht weniger, als unserer auf ihre geistigen Leistungen so stolzen Zeit einen Spiegel vorzuhalten und zu zeigen, welches Maß von Torheiten und Verkehrtheiten sich noch in allen Kreisen von den sozial Niedersten bis zu den Höchststehendsten, von den Beschränktesten bis zu den Intelligentesten, im privaten wie im öffentlichen Leben kundgibt. Der Autor beschränkte indes seine Umschau nicht auf die Gegenwart. Wir haben . . .“ äußert er sich in den Schlussbemerkungen. „unsere Blicke in die Vergangenheit wie in die Zukunft schweifen lassen und dabei nichts entdeckt, was uns zu besonderem Stolze auf den gegenwärtigen Stand unserer Kultur und Intelligenz berechtigen könnte“, und dieser vielsagende Satz ist auch wohlbegründet. Der Autor hat durch ebenso eingehende wie scharfsinnige Untersuchungen nachgewiesen, dass es mit der Dummheit in der Vergangenheil nicht viel schlimmer stand als gegenwärtig, d. h. dass der intellektuelle Fortschritt der Massen nicht nur in den letzten Jahrhunderten, sondern selbst seit einer sehr fernen Kulturperiode (der jüngeren Steinzeit kein sehr erheblicher war und von einer geistigen Überlegenheit der heutigen Kulturvölker über die des klassischen Altertums (Griechen und Römer) keine Rede sein kann. Der Autor verabsäumt auch nicht, die Momente darzulegen, auf welche diese auffälligen Tatsachen zurückzuführen sind.