Wenn man diesem gedrückten Volke, welches kein Vaterland hat ...

Wenn man diesem gedrückten Volke, welches kein Vaterland hat, dessen Tätigkeit allenthalben beschränkt ist, welches nirgend seine Talente frei äußern kann, an dessen Tugend nicht geglaubt wird, und für welches es fast keine Ehre geben soll, wenn man ihm vorwerfen will, dass es nur auf den Handel sich beschränkt — so fragt doch: wer hat den Juden von der Ehre, dem Staate im Frieden und Kriege zu dienen, ausgeschlossen; — wer hat ihm die erste der Beschäftigungen, den Ackerbau, fast allenthalben entzogen; — wer hat bewirkt, dass die Zünfte sich herabgesetzt glauben würden, wenn sie einen Beschnittenen zum Genossen aufnehmen sollten, — wer hat jeden Weg ihnen versperrt —? Höret immer und immer die Antwort: dass christliche Regierungen es waren und sind, und fühlet dann nur stärker die schreiende Ungerechtigkeit, mit welcher Ihr Euch über die Folgen Eurer eignen Handlungen beklagen wollet. In jener Zeit, als die Juden zuerst von allen Wegen, welche zur bürgerlichen Ehre führen, ausgeschlossen wurden, betraten sie um so eifriger diejenigen, welche zum Gewinn führen. Aus dem Römischen Reiche brachten sie mehr Kenntnisse und Kultur herüber, als die herrschenden Nationen in dem ersten Zeitalter der neuen Staaten besaßen. Nicht durch rohe Sitten und Fehden wurden sie verwildert; nicht durch scholastische Mönchsphilosophie und Aberglauben aufgehalten. Wenn man die Kenntnisse des damaligen Arabischen Spaniens gegen die des rechtgläubigen Europas vergleicht, so wird es sehr wahrscheinlich, dass es eine Zeit gab, wo die größte Europäische Aufklärung bei den Beschnittenen gefunden wurde. Diese ihre größere Kultur und Kenntnis musste ihnen notwendig Vorzüge im Handel vor den herrschenden Nationen des christlichen Europa geben, deren edlerer Teil sich den Handel zur Schande rechnete, und deren mittlere Stände, teils aus Unkunde, teils aus Furcht vor den Räubereien des Adels, erst in späteren Zeiten erhebliche Handels-Unternehmungen wagten. Die Seltenheit und Unsicherheit derselben musste ihren Gewinn erhöhen, und durch ihre Geschicklichkeit wurden sie fähig, Reichtümer zu erwerben, welche, ein Gegenstand des Neides der Fürsten und des Volkes, von jenen, unter religiösen Vorwänden, von diesem mit durch die Priester befeuerter und geheiligter Wut, ihnen abgenommen wurden. Erst in jener Zeit, als man sie unpolitisch zwang, ausschlussweise durch den Handel sich, zu nähren, zeigte die übertriebene Neigung zum Gewinne und eine Liebe zum Wucher sich bei ihnen, welche keineswegs eigentümliche Modifikation des Jüdischen Nationalcharakters war, sondern nur Folge des Gewerbes, auf welches man sie ausschlussweise beschränkte, und Folge des Druckes, mit welchem man ihren Gewinn ihnen wieder zu entziehen, oder gar offenbar zu rauben suchte. Nichts ist natürlicher, als dass der Geist der Juden durch eine Beschäftigung, welcher sie sich, seit vielen Jahrhunderten, widmen mussten, die vom Vater auf den Sohn gleichsam vererbt wird, eine gewisse eigentümliche Bildung erhalten mussten. So wie der Charakter der Bauern, den Garve so meisterhaft entwickelt hat, sich von einer Generation zur andern fortpflanzte, so pflanzte sich auch der Charakter der Juden fort. Gewinn und Verlust ist der einzige Kreis, in dem sich der Jude fast in allen Staaten umher drehen durfte. Harte Abgaben und Bedrückungen der Christen schmälern diesen Gewinn, welchen er um so eifriger festhalten muss, um seinen Kindern, welche auch nur wieder Kaufleute werden dürfen, mit mehrerer Sicherheit einen Nahrungszweig öffnen zu können. Während christliche Familien selten einer Art von Beschäftigung durch viele Generationen treu bleiben, also die Grundsätze vieler sich bei ihnen mischen und eine die andere näher bestimmen und schwächen, ist der Jude, schon seit vielen Jahrhunderten, gezwungen, einzig vom Handel zu leben. Liebe des Gewinns muss bei ihm lebhafter sein, da er das einzige Mittel seiner Erhaltung ist; die kleinen Künste der Übervorteilung müssen gekannter von ihm sein, da sie so lange geübt worden, und es liegt völlig in der Natur der Sache selbst, dass eine Beschäftigung, welche, seit mehr als einem Jahrtausend, die einzige der Nation war, den Charakter derselben einseitig bestimmen und ihre fehlerhaften Eindrücke mit ungeschwächter Kraft ihr mitteilen musste. Wenn diese Einseitigkeit, wenn die Folge derselben getadelt wird, wer trägt die Schuld, als der, welcher die Nation in einen einzigen engen Kreis bannte, welchen sie nicht verlassen durfte? Hebet den unnatürlichen Druck von diesem unglücklichen Volke, und Ihr werdet bald lernen, dass es keine Kunst, kein Geschäft, kein Gewerbe gibt, zu welchem die Nation nicht Fügsamkeit und Bildungsfähigkeit besäße: so wie die Erfahrung lehrt, dass in allen Ländern, wo man, zur Ehre der Wahrheit, der Menschlichkeit, der echten Staatsklugheit, die Juden zum Range der Bürger erhoben hat, Flor der Industrie, gemeinnütziger Betrieb und Produktion befördert, vergrößert und ausgebreitet worden ist. Im grauen Altertum nicht nur, sondern auch im Mittelalter, bauten Juden den Acker. Der alte Jüdische Staat war ganz auf den Ackerbau gegründet und sogar das Mosaische Gesetz dem Handel nicht günstig. Palästina machten die Juden zur Kornkammer. Im zwölften Jahrhunderte trieben sie in der Nähe von Ninive den Landbau und ihrer zweihundert bewohnten und bebauten den Parnass, auf welchem sie Gemüse zogen. Die, welche am Cap Spartel, westwärts vom Tanger, leben, nähren sich von Tabakpflanzungen, deren Produkte nach Guinea gebracht werden. Am Kaukasischen Gebirge, in Rustan, Cuban und andern Landschaften, wohnen sie in Dörfern, und ernähren sich von Ackerbau und Viehzucht. Seit undenklichen Zeiten sind sie in Polen mit dem Ackerbau beschäftigt, und in Surinam erschienen sie von jeher, als, die Wichtigsten aller Grundeigentümer. In den Armeen der Griechen und Römer dienten Juden, welche, namentlich Caesar, wegen ihrer Kriegsdienste, lobt und bemerkt, dass sie in der Schlacht gegen den Mithridates den Sieg bewirkten. Herodes schickte dem Antonius Hilfstruppen, die aus fünf Kohorten Römern und fünf Kohorten Juden bestanden. Kaiser Adolph von Nassau führte, gegen das Ende des dreizehnten Jahrhunderts, in einem Kriege gegen Frankreich, dreißigtausend Juden bei seiner Armee. Im Jahre 1190 kommandierte Salomon Ben Jechain die Armee in Portugal, ebenso glücklich, als rühmlich. Im Jahre 1346 befestigten sich die Juden zu Burgos und verteidigten sich glücklich gegen die Anfälle des Mörders ihres Regenten. Im Jahre 1648 verteidigten sie Prag gegen die Schweden und im Jahre 1686 Ofen gegen die Österreicher.