Aus dem Gesichtspunkte der Menschheit betrachtet

Aus dem Gesichtspunkte der Menschheit betrachtet, kann in der Tat nichts merkwürdiger sein, als eine aufgelöste, durch alle Teile der Welt zerstreute und durch den gemeinsamen Glauben ihrer Väter wieder vereinte Nation, deren Sitten, Gebräuche und Nationalgewohnheiten, unter allen Verhältnissen, in allen Gegenden der Erde, unvermischt geblieben sind und sich rein erhalten haben von jedem fremdartigen Zusätze. Eine Nation, welche, unter so verschiedenen wechselvollen Schicksalen, unter so grausamen und blutigen Verfolgungen, unter einem so unmenschlichen und harten Drucke, durch Jahrhunderte gelitten und geduldet hat, deren Integrität Folge einer tiefliegenden Bestimmung ist, die nur aus dem Zusammenhange der Weltgeschichte sich erklären lässt. In einem Augenblicke, da alle Herzen sich der neu aufgegangenen Sonne der Freiheit erfreuen, da ein Stern der Glorie und des Heils für das gesamte deutsche Vaterland aufgegangen ist, nach welchem wir alle schauen müssen, in einem Augenblicke, da uns das schöne Los zugefallen ist, mit der Hand, mit dem Herzen, mit den Waffen, mit Worten und Taten, mit großen Gesinnungen und edlem Stolze, Tugenden wieder zu erfassen, durch welche unsre Väter gepriesen waren, in einem solchen Augenblicke wird jene unglückliche, unschuldig verfolgte Nation mit größerer Zuversicht, wie je, ihre Augen zu der Sonne der Freiheit erheben, deren Strahlen, den Nebel von Religionshass, Vorurteilen und Aberglauben zuverlässig durchbrechen und zerteilen werden. Jetzt, oder nie, wird die Stunde kommen, wo sie den beglückenden Namen von Staatsbürgern erhalten werden; wo es ihnen vergönnt sein wird, bürgerliche Tugenden auszuüben, bürgerliche Pflichten zu erfüllen. Selbst erst aus dem Joche der Sklaverei gerettet, werden wir auf eben den Fluren, auf denen eben erst die jung gewordene Freiheit grünt, nicht selbst wieder zu Unterdrückern schuldloser Menschen werden. Zwar erheben schon laut genug, unwürdige Stimmen sich hier und da, welche es begehren; zwar haben, namentlich in der freien Hansestadt Lübeck, im jüngst verflossenen und jetzigen Jahre, die Verfolger dieser Nation unverhohlen in öffentlichen Blättern gepredigt; zwar haben eben diese am 31. Mai dieses Jahres dem Senate und der Bürgerschaft dieser Stadt eine Vorstellung überreicht, in welcher sie wörtlich darauf antragen:

Die Bekenner der Mosaischen Religion aus den Ringmauern der Stadt zu vertreiben, ihre Läden schließen zu lassen, und den Handel ihnen zu untersagen;


aber zur Ehre unserer Regierung, zur Ehre unserer Mitbürger, werden wir hoffen dürfen, dass eine solche Stimme im Jahrhunderte der Aufklärung verhallen werde, um nicht der Verachtung der Nachwelt Preis gegeben zu sein. Ist es wahr, — und wer möchte es leugnen? — dass wir in einer Zeit leben, wo die Erhaltung des Ganzen höhere Kraftäußerung, Übung richtigerer Begriffe, fordert, wo die Fortdauer des Staates und sein Flor nur durch Vereinigung aller Glieder und deren redliches Zusammenwirken erreicht werden kann, wo die Kraft verjährter Vorurteile und langjähriger Observanzen nicht mehr sich äußern darf; so wird man nicht länger verkennen wollen, dass, in staatswirtschaftlicher Hinsicht, gleichgültig sei, nach welchem System die Gottheit verehrt werde, und dass die Erfahrungen verflossener Zeiten und der blühendsten Völker längst uns überzeugen müssen, wie die Bekenner der verschiedensten Religionssysteme ruhig bei einander wohnen, leben, gedeihen, für den Staat wohltätig wirken, und insgesamt selig bei einander sterben können. Eine Angelegenheit dieser Art ist eine Sache der ganzen Menschheit; jedes für Wahrheit und Recht, jedes für die Tugend schlagende Herz fühlt sich zu ihrem Redner und Verteidiger berufen.