Ueber die Arabische Dichtkunst und das Verhältnis des Islam zum Christentum

Eine im wissenschaftlichen Verein zu Berlin am 9. Februar 1850 gehaltene Vorlesung
Autor: Dieterici, Friedrich Heinrich Dr. (1821-1903) deutscher Orientalist, Erscheinungsjahr: 1850
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Arabische Dichtkunst, Arabische Sprichwörter, Arabische Dichter, Wüste, Lebensfrische
Vorwort.

Ist es gleich für einen jungen Mann, dessen wissenschaftlicher Ruf noch nicht gegründet ist, höchst bedenklich eine kleinere Arbeit zu veröffentlichen, welche schon ihrer Bestimmung gemäss sich nicht ganz streng auf dem wissenschaftlichen Felde bewegen kann, so habe ich mich doch, von der gütigen Nachsicht der Zuhörer ermutigt, dazu entschlossen. — Denn es handelt sich hier darum, die Entwickelung eines wilden Völkerstammes darzustellen, der auf der einen Seite manche Beziehungspunkte zu der die Welt überwindenden Religion bietet, während er auf der andern Seite in sittlicher Beziehung grade in direkten Widerspruch dazu tritt. —

Bei meinen Reisen durch die bewohnten und die wüsten Strecken des Ostens, zu einer Zeit als die wildesten Stürme der Leidenschaften den heimatlichen Weltteil durchtobten; bei meinem Weilen an jenen Orten der heiligen Schrift, die Tränen unserer Erinnerung abringen, hat sich der Gedanke stets mir aufgedrängt, dass die Entwickelung der Weltgeschichte die Enthüllung der göttlichen Vaterliebe in der Menschheit sei, und dass bei der jetzigen Zerrüttung unserer Verhältnisse und dem Zerknicken so vieler Hoffnung, uns kein Trost und keine Hoffnung bleibt, als das Vertrauen auf Gottes Vaterhand. Nur wenn dieser Gedanke in unserem Volke Macht gewinnt und eine wahre christliche Liebe die getrennten Fugen der Kirche und des Staates wieder verbindet, wird der Tiger der Revolutionen verstummen, kann ein neues kräftiges Leben aus der deutschen Eiche wieder hervorkeimen. —

Die beseligende Macht des Gedankens der Liebe geschichtlich nachzuweisen, war ein Zweck meiner Vorlesung, die ich hiermit dem Publikum, wenn auch mit schüchterner Hand, doch mit froher Zuversicht übergebe.

Berlin. Fr. Dieterici
An ihrer südwestlichen Grenze breitet die schöne Asia, die ewig grünende jugendliche Mutter des ältesten Menschengeschlechts, ein weites Land hin in das Meer, das ganz entgegengesetzt ihrer sonstigen Lebensfrische, als ein Abbild des Todes uns entgegentritt. Dies ist die weite Wüste Arabien. — Nirgends zeichnete die Natur ihre Kontraste so grell, als in der Gegend der Welt, welche die Vorsehung zur Bühne der ältesten Weltgeschichte erkor, als in den Ländern, wo aus dem dunklen Meer der Vergessenheit die hehre Gestalt der Bildung emporstieg. Nur durch einen schmalen Meeresarm wird Arabien, die Wüste, von Ägypten getrennt, von der durch den Nil getränkten blähenden Furche, in der schon in der ältesten Vorzeit der sinnreiche Ägypter jene gewaltigen Ruinenstädte hervorrief, die, von geheimnisvoller Schrift belebt, noch heute dein Wanderer als ein unerreichtes Muster der Größe entgegentreten. — Im Osten, jenseits des Meerbusens, liegt Indien, das, vom Ganges durchflutet, ein wohlgeordnetes Leben im Anfang der Geschichte schuf, der hier ruhig entwickelte Geist lies hier jene Weisheitslehren der Veda1) erstrahlen und strömte durch Hellas, der Tochter Indiens, Vermittlung die klassische Bildung auf die ganze Welt hin aus. — Im Norden Arabiens liegt die Gebirgsau Palästina, von der sich die Steppen des Hauran bis zur schäumenden Woge des Euphrat bin erstrecken. Diese stromlosen Steppen wurden vom Nomaden Abraham durchwandert. In ihm durchzuckte der Gedanke von der Allmacht Gottes wie ein blendender Blitzstrahl den dunklen Lauf der Geschichte, und eine heilige Harmonie, der Gedanke von der Liebe Gottes, durchtönte die Stille. Diese beiden Gedanken, mit aller Wärme des Gemüts erfasst, sollten hier die Grundlagen eines Gottesstaates bilden, der in Christo vollendet, durch den Segen der Liebe die Bildung des Herzens begründete.2)

Abraham hatte zwei Söhne, den einen von einer mit Mühsal beladenen Magd, den andern von seiner Gattin. Während Isaak der Erbe der Verheißung ward und seine Nachkommen Palästina bewohnen sollten, ward die kummervolle Hagar mit ihrem Kinde in die unwirtliche Wüste Verstoßen. — Die Nachkommen des Ismael sind die Araber, ihr Leben und ihre Dichtung zu begreifen müssen wir auf die Wüste hinschauen, in der die erste Periode vor Muhammed, so wie die zweite von Muhammed fällt, während erst die dritte, die nach Muhammed, in der zivilisierten Welt sich bewegt.

Wie der Blume Leben genau dem Boden entspricht, aus dem sie ihre Nahrung saugt, und ihr Kelch genau die Strahlenglut anzeigt die sie genährt, so ist auch die Poesie der Völker genau mit ihrer Heimath verwachsen. Wenn die persische Dichtung, die in den Gärten von Schirâs erblühte, wie von zarten Mondesstrahlen gewebt, uns in dem Rosengarten eines Sadi und unter dem Nachtigallenschlag eines Hafiz wandeln lässt, wirft uns die arabische Dichtung mitten in die Wüste, deren einförmige Stille nur von der Beduinen kühnem Waffenruf, von der Schwerdter Klang, vom Geschwirr der Lanze und dem Hufgedröhn der wilden Rosse erklingt

Arabien ist nur an seinem Rande von einem grünen Saum umringt, wie wenn die tückische Natur ihr verderbliches Grab mit einem Kranze hätte schmücken wollen. Hat man diesen Saum überschritten, wogt rings umher die Welle des Sandes, kein grüner Punkt lässt das irrende Auge ru ...

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[8]abzuringen. — Die Segnungen der staatlichen Ordnung und des friedlichen Ackerbaues sind ihm nicht bekannt, unstät und rastlos zieht er in der Öde einher. Hier herrscht kein Recht als die Kraft seiner Faust, hier kennt man keine Religion als des Schicksals rätselhafte Schwingen, hier gilt kein Gesetz als das der Natur. — Wir wollen das Leben des Arabers verfolgen, um den Geist der alten Wüstenpoesie vor Muhammed zu schildern. —

Im unheimlichen Grauen reitet ein nächtlicher Streiter durch die Schatten der Hügel, er ist auf einer Blutfehde das Blut eines Verwandten zu rächen. Die lange hagere Gestalt ist fast fleischlos, doch die Muskeln und Sehnen haben stählerne Kraft, nur ein Mantel deckt den hageren Leib, sein Haupt ist nur durch eine Hülle geschützt, die mit einem Stirnband festgehalten wird. Er zeigt ein dunkel gebräuntes Antlitz, die breite Stirn scheint kühn und verwegen das Schicksal selbst herauszufordern und das wild funkelnde Auge zerteilt mit seinen Blitzen die dunklen Schleier der Nacht. Sein treues Ross passt wohl zu ihm, mager und nicht gepflegt, scheint es den Anstrengungen erliegen zu müssen, doch ist es mit seinem Herrn in Entbehrung und mühevoller Arbeit groß geworden, sein Fuß hat unverwüstliche Kraft, in wildem Feuer starrt sein Auge, die weit aufgerissenen Nüstern streckt es dem Abendwind entgegen, der mit seinen Mähnen spielt — Schon durchtönt der Hyänen und der Wölfe Schrei die nächtliche Stille, das sind die Begleiter des nächtlichen Wüstenwanderers. Wie der Held singt:

„Gesellen find ich außer Euch den Panther mit der Mähne,
den Wolf, den abgehärteten, die struppige Hyäne.“ —

Ruhig kühn wendet Ross und Reiter das Auge dem Gebrülle nach, sie sind wohl vertraut mit ihren nächtlichen Begleitern, und liegt gleich der Wüstenpfad voll von bleichenden Gerippen der auf der gefährlichen Streife verkommenen Streiter, er schreitet lachend über die Leichen hinweg, das Schicksal ist ja jedem bestimmt. So sagt der alte Recke Taabat Scharran:

Und wenn ich lebte noch so lang ich wusste doch mir träfe
des Todes kalter Speer einmal mit einem Blitz die Schläfe.

Dem Helden liegt am Leben nichts, nur so lange wünscht er noch zu atmen, bis er seinen Ohm gerächt; durch sein wildes Wüstenleben tönt eine melancholische Trauerharmonie von dem Tode seines Verwandten.

So dichtet der vorerwähnte kühne Streiter Taabat Scharran:

In der Talschlucht uner einer Felsenwand
Liegt ein Toter, dessen Blut dahin nicht schwand,
Als er ging legt er auf mich die Bürde schwer
Mit der Bürde schreit’ ich aufrecht grad einher.
Ja getroffen hat uns eine Kunde hart,
Eine große, durch die klein das Größte ward,
Eines Helden machte Schicksalsraub mich bar.
Dessen Schützling vor Beschämung sicher war. — 3)

Er lugt durch die Finsternis, in weiter Ferne erspäht er ein Feuer, das muss der Feind sein, die Mörder seines Ohm, das Ziel der langen, gefährlichen Reise ist erreicht, das Blut glüht in seinen Adern, das Auge sprüht in Rachefeuer. Da stürzt er sich auf sie mit der leichten Lanze und dem schweren Schwert, und die Leichen von zwei Stämmen müssen das Blut sühnen, womit man. den Verwegenen gereizt. — So heißt es in dem vorerwähnten. Gedichte:

Doch nun haben wir die Rach’ ihm angefrischt
Und von den zwei Stämmen ist nicht viel entwischt,
Die Hyän’ jetzt ob Hundheils Erschlagnen lacht
Und der Wolf hat fröhlich sein Gesicht gemacht. —

Das Leben der Wüste entwickelt sich in Gegensätzen, so ist auch der Gesichtskreis des Wüstenbewohners nicht so dunkel, dass er nicht von einem Stern durchbrochen würde. Der blutbefleckte Streiter findet auf seiner Heimkehr die Spuren eines früheren Lagers, da steigen aus den stürmisch bewegten Wogen seiner Erinnerung glänzende Gestalten empor, denn einst hatte seine Liebe hier geweilt, und so weit sie auch jetzt sein mag, fliegt doch auf der Dichtung Schwingen sein Geist ihr zu, selbst die Träne überwältigt sein kühnes Auge, auch seinen Heldenmut kann Liebeskummer zur Schwermut. wandeln. — Man vergleiche die Verse Hamasa.4)

Frag nur dort die Ralsamstaude, wo sie wächst im Sandeswall,
Frag sie nur wie oft ich grüßte deiner Wohnung Trümmerfall,
Ob beim Anblick deiner Wohnung mir das Auge reich
Ward an Tränen, dem gelösten Perlenstrange gleich.
Alle Leute seh’ ich hoffen Frühlingsweide, Frühlingslust,
Aber meine Frühlingshoffnung ist wo du dich niedertust;
Alle Leute seh’ ich fürchten Jahresmisswachs, Jahresnot,
Aber meine Jahresfurcht ist nur wo mir dein Weggehn droht.

Der wilde Leu der Wüste wird, durch eine zarte Hand gezähmt, ein schwaches trauernd Reh, so sagt ein unglücklicher Dichter:

,,Ich ging von dir wie das Reh das der Pfeil getroffen,
Hin sich schleppen mag es noch, doch den Tod nur hoffen.“

Die Wüste scheint belebt durch blühende Gefilde der erotischen Poesie, die genährt sind von dem warmen Strahl der Liebe und getränkt vom reinen Strom der Hoffnung. Wie ein diamantner Tautropfen im Blumenkelch die Sonnenstrahlen, konzentriert der Gedanke an die Liebe ein Strahlen seines besseren Ichs, wie ein alter arabischer Vers sagt: Die Liebe ist dreierlei, Liebe ein Herzensband, Lieb eine Heuchelei und Lieb ein Todesbrand. —

Aber begleiten Wir unsern rauen Streiter zur Heimat. —

In weiter Ferne zeigt sich ihm ein Nebelstreif, dort hinter dem öden Berge sind seine Zelte aufgeschlagen, dort Weidet sein Vieh, die Heimat witternd, stürmt sein treues Ross dahin. Am Berge sitzt die bangende Mutter, ob der Sturm des Schicksals, ob der Feinde Speer seine männliche Kraft geknickt. So singt die Mutter des Taabat Scharran:


„Wüsst ich was den Untergang dir gebracht und welch Gebiet
Ob du Kranker unbesucht starbest, ob dich Feind verriet
Oder dich ein Unfall traf der die Beute stets ersieht
Schicksal lauert überall auf den Mann wohin er sieht
Ach dass dich vom Tod mein Leben lös’te das ich gerne biet.“ —

Jetzt erscheint der Ersehnte, die Freunde scharen sich um ihn und zum muntern Freudenmahl kommt der Arme wie der Reiche des Stammes. Dann beginnt der Held zu singen und der raue Mann pflegt mit inniger Liebe die zarte Blume der Poesie, sein sturmumwalltes Haupt kann nichts mehr zieren als der schone Kranz der Dichtung. Sein Herz strömt über von den Gedanken die ihm die liebsten sind.

Er singt vom kühnen Heldenmut und zarter Mädchen Liebe.
Er singt vom Band der Freundschaft und hohem Edelsinn.
Er singt vom Blute der Feinde und von dem sicheren Schutz des Gastfreundes.

Kein Makel kann den Adel seines Stammes mehr treffen, als der Geiz und kein Vorwurf ist ihm so hart, als des Gastrechts Verletzung. Naht ein Flüchtling seinem Hause, schlachtet er sein letztes. Schaaf, selbst wenn der Unbekannte sein Feind wäre, er bietet ihm den besten Platz in seinem Zelt und ist bereit mit Speer und Lanze den Fremdling zu schützen, sein Blut mag verrinnen, wenn ihn nur nicht der Makel trifft, das heilige Gastrecht nicht zu schützen. So lässt das unstäte Wüstenleben keine ruhige Entwickelung zu. Stürmische Wut und heiße Liebe, die festeste Freundschaft und heftiger Groll, große Freigebigkeit und wilde Raubsucht, alles bewegt sich rasch durcheinander, doch über alle diese Charakterzüge schwebt eine dunkele Gestalt, die düstere Schicksalsmacht überschattet sie mit rätselhaften Schwingen. Die karge Stiefmutter, die Wüste, lies den Nachkommen des verstoßenen Ismael nicht die liebende Vorsehung Gottes erkennen und baute ihm nicht die Himmelsbrücke zu seinem himmlischen Vater.

Den Glanzpunkt der arabischen Dichtung vor Huhammed bilden die sogenannten Muallakat. Es heißt nämlich, dass in der Zeit vor Muhammed die Horden der Wüste bei Okkadh zusammengekommen wären, und dort hätten nach Vollendung der Geschäfte und der Reiterspiele auch die Dichter der verschiedenen Stämme in ihren Gesängen gewetteifert. Die Dichtungen, welche allen am meisten gefallen, wären dann in Gold verziert an der Kaaba5) aufgehängt worden, bis der letzte dieser Dichter, Lebid, sein Gedicht selbst heruntergenommen habe, als Muhammed seine Sure, die Kuh genannt, dort angeschlagen. Man zählt gewöhnlich 7 solcher Gedichte, die man mit dem Namen der Muallakat, der aufgehängten, oder der Mudbahabat, der vergoldeten, beehrt. Diese Gedichte gelten als die Krone der arabischen Dichtung und waren schon Goethe im westöstlichen Divan bekannt. — Vier von diesen Liedern sind auch politische Streitdichtungen zu nennen. Es hatten nämlich in der Zeit kurz vor Muhammed gewaltige Kriegsstürme die Wüste durchtobt und der Zwietracht Fackel hatte gewaltigen Kriegsbrand entzündet. Der Tod eines Kamels und Ungerechtigkeit bei einem Pferderennen halte die Bruderstämme der Bekriten und Taglebiten, und den Stamm von Abs und Dhubjan, die so blühend einst gewesen, durch Krieg geknickt. Das Wort Muhalhals war erfüllt:

Wir werden Euch besuchen Haus von Bekr,
Was auch das eigne Herz dagegen spricht,
Mit Schwertern, die der Saft der Schädel rötet,
Wann sie vom Feger kommen hell und licht —
Wir weinen über Euch wenn wir Euch töten,
Und töten Euch, als kümmert es uns nicht. —

Schon sahen die Stämme die offene Kluft des Verderbens vor sich, in welche die Blutrache sie zu stürzen drohte, edle Männer sühnten das Blut mit je hundert Kamelen für einen Erschlagenen, doch wäre der Funke wieder entflammt; halte man sich nicht entschieden, die Sache vor einen Schiedsrichter, den König von Hira, zu bringen. — Da sandten die Stämme nicht ihre größten Diplomaten oder Juristen, sondern ihre besten Dichter als ihre Vertreter, dem dichterischen Talente vertrauten sie ihr und ihrer Kinder Wohl an. Die Poesie hat sonst nichts mit der Politik zu schaffen, dennoch aber war diese dichterische Politik mit der segensreichen Friedenspalme gekrönt. Es zeigt sich in diesen Gedachten der hohe Stolz des wilden Wüstensohnes, doch ist er begleitet von dem Trauerflor, wenn sie der früheren Blute ihres Stammes gedenken. Es geht durch alle diese Gedichte derselbe Charakter und dieselbe Eintheilung, aber doch schimmert bei allen ihre Eigentümlichkeit durch. — Der Dichter hebt an mit dem Gedanken an die Geliebte, deren verlassene Wohnstätte er mit tiefem Kummer begrüßt. — Gleich darauf folgt die Schilderung des Dromedares oder seines Rosses, auf dem er die schreckenvolle Wüste durchschneidet. — Freilich scheint uns eine solche Zusammenstellung sonderbar, aber im Leben des Arabers stimmt sie wohl zusammen. Das Ross ist des Kämpfers treuster Freund, die Liebe ist seines Lebens Freude, des Lebens Mühe wechselt mit der Freude in der Wüste wie Tag und Nacht. Der Gedanke an die Geliebte ist die Blume in seines Lebens Öde, man verzeihe daher dem Araber und nenne nicht, wie mancher Witzling, seine Dichtung eine Kamels-Poesie. Dann geht der Dichter zu seines Stammes Schilderung über, er mall ihren Heldenmut im Schlachtgetümmel und ihren Edelsinn zur Friedenszeit, er schließt dann mit Weisheitslehren, die in ihrem lyrischen Gewande einer Pindarischcn Ode nicht unwürdig sind. Das ganze Lebensdrama wird überschattet von der düstern Macht des grausen Schicksals. —

Die 7 Muallakat zeigen aber bei aller Ähnlichkeit des Stoffes und aller Einförmigkeit der Behandlung doch einen verschiedenen Charakter. — Das Gedicht des Zohair, sagt Jones und nach ihm Goethe, sei scharf, ernst, keusch, voll moralischer Wurde und ernster Sprüche. Vergl. die Verse:

Wer seine Ehre wahret mit Huld, der ehret sie,
Und wer nicht Tadel scheuet, entgeht dem Tadel nie. —
Der Torheit eines Greisen folgt keine Weisheit nach
Doch wenn ein Jüngling thöret, so werd er weis' hernach.

Antara, sein Gegner, ist dagegen stolz, drohend, treffend, prächtig, nicht ohne Schönheit der Beschreibungen und Bilder; — so ruft er der bangenden Geliebten zu:

Eine Trank ist ja der Tod
Und leeren muss ich bald den Becher den er bot. —

Amru, der Dichter für den Stamm Bekr, ist heftig, erhaben, ruhmredig; Hareth hingegen, der Taglebit, voll Weisheit, Scharfsinn und Würde. Amrulkais Gedicht ist weich, froh, glänzend, zierlich, mannigfaltig und anmutig; Tarafas hingegen kühn, aufgeregt, aufspringend und doch mit Fröhlichkeit durchwebt. Lebid, der letzte, leicht, zierlich und zart. — Man vergleiche die Verse:

„Was hilft es uns zu sagen wenn uns der Zeitlauf schied
Von dessen Weh betroffen einmal sich jeder sieht
Der Mensch was ist er anders als wie ein Flämmchen blinkt
Das wie es sich erhoben in Asche niedersinkt“ — 6)

Was alle diese Gedichte einander so gleich macht, ist ihr eigentümliches Wesen; denn wie das Leben der Nomaden unstät und ohne Ruh ist, so zeigt auch ihre Dichtung nicht den ruhigen erzählenden Verlauf, sondern nur an einander gereihte, doch von einander unabhängige poetische Schilderungen. Vertrauten die anderen Völker den Ruhm ihrer Helden dem ruhigen Strome des Epos, so lies das Gemüt des Semiten das nicht zu, der rasche Wellenschlag ihres Gefühls schafft keine ruhige Erzählung, schafft nur lyrische Heldengedichte, weshalb der sinnreiche Araber seine Dichter die Perlensticker der Gedanken nennt, der eine Perle an die andere reiht.

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Nun schildert der Dichter, den edlen Feind zu rühren, dessen Heldenmut:

Du gabst Dein Leben preis’ kein andres ist ihm gleich,
Dein mutig Herz hat feige Furcht ja nie gekannt;
Im Kampf erhob sich Deines Rosses breite Brust,
Dass es den Stamm von Aus und Atib niederrannt,
Wie niederschlägt ein Wetterschlag der Vögel Flug,
So hat das Schicksal seinen Schlag auf sie gesandt
Und nichts entkommt, es sei ein Renner zügellos
Im Lauf, der Speere Flug er eilend überwand,
Es sei ein Schütze, der gefärbt beträufelt ist
Vom Blute, welches abnässt von der Speere Rand.

Erst jetzt wagt der Dichter sich an den Edelmut des Feindes zu wenden:

„Jetzt da sich Deine Güt’ auf alle ausgedehnt,
Sei auch dem Bruder Schâs die Wohltat zuerkannt —
Den Bruder gib mir frei, nicht war ihm einer gleich
In seinem Stamm, ich hab als edel ihn gekannt,
Versage nicht dem weit Herkommenden das Glück,
Ein Fremdling ward ich ohne ihn im Stamm genannt.“)

In dieser Weise dichtete der Araber vor mehr denn tausend Jahr, in dieser Weise singt noch heule der wilde Beduine und bei meiner langen Wüstenreise hatte ich kein größeres Vergnügen als am Abend in der stillen Öde mich zu den Beduinen zu lagern und unter dem prächtig, gestirnten Himmelszelt ihrem Gesänge zu lauschen. —

Wir treten jetzt zu der Periode, in der die wilden Horden der Wüste zu einer kräftigen Macht zusammengeschart, die Öde verlassend, sich durch die Gefilde der Welt ergossen, um mit dem glühenden Schwerte und den blutigen Spuren ihrer Feuerwut in das Geschichtsbuch sich einzutragen. — Diese mächtige Erregung der Wüstenvölker ging von Muhammed aus. — An der Spitze von Handelskaravanen durchstreifte er die Wüsten Arabiens und die Steppen Syriens, hier ward er mit dem Christentum und Judentum bekannt. Die weiten Öden die er durchwanderte, die golden funkelnden Sterne des orientalischen Himmels, die düstre Schicksalsmacht die über das wilde Leben die rätselhaften Schwingen breitet, ließen Muhammed nicht ruhen, und den Gedanken an die Einheit und Allmacht Gottes erfasste er, dem wilden Götzendienst der Araber gegenüber, mit der ganzen Glut eines orientalischen Gemüts. Das Christentum schien ihm diese Lehre nur getrübt zu haben, die damals so schroffe Dreieinigkeitslehre schreckte ihn zurück, denn der Allmächtige, der Ewige hat keinen Sohn und wird nicht geboren, Jesus ist zwar ein von der Jungfrau geborner Prophet, aber nicht Gottes Sohn.8) Doch im neuen Testament wird ein Paraklet verheißen und die letzte Offenbarung zu bringen, das heißt die absolute Einheitslehre zu verbreiten, meinte Muhammed sei sein Beruf.

Auch Muhammeds Hoffnungen, von den Juden als Messias anerkannt zu werden, scheiterten und von dem bittern Hohn der Rabbinen gereizt, lies er später in blinder Wut viele hundert Juden hinrichten.9) Von beiden Religionen zurückgestoßen, schaute Muhammed Jahrtausende hinauf zu Abraham, dem Vertrauten des Herrn, dem Stammvater der Araber durch Ismael. Er war ihm weder Jude noch Christ, er war der erste rechtgläubige Muslim. Die nach ihm getrübte Lehre von der absoluten Einheit Gottes wieder herzustellen, habe Gott ihn gesandt und deshalb sei er das Siegel, der Höchste der Propheten. — Dieser Gedanke war die Angel um die sein Leben sich drehte, dieser Gedanke bestürmte ihn so, dass oft der schwache Leib zusammenbrach und er in Krämpfe verfiel, dieser Gedanke stählte seinen Mut, dass er, in 13 gefahrvollen Jahren verspottet und verfolgt, bei seinem Bekenntnis beharrte. War er oft von Gefahren umringt und ohne alle Hoffnung, stachelte dieser Gedanke seine Phantasie, dass er sich zu Gott in den höchsten Himmel erhoben wähnte.10)

Der Gedanke von der Allmacht Gottes greift mächtig in das Getriebe des menschlichen Geistes, doch soll er ein sittlich belebender werden, muss sich der Gedanke von Gottes Liebe mit ihm einen. Wie eine düstere Schreckenswolke begleitet der Gedanke von der Allmacht Gottes das Menschengeschlecht auf seinen Pfaden. Nur mit Bangen schaut der Mensch dahin, er ist vom Himmel ewig geschieden, wenn ihm nicht die Liebe dahin die Brücke baut. Dies beweist deutlich die Entwickelung des Stammes Abraham. Beide Völkerstämme, der vom Isaak und der vom Ismael, treten mit dem Gedanken von der Einheit Gottes auf die Bühne der Weltgeschichte. — Doch ist im allen Testament jene düstre Schreckenswolke immer mehr umkränzt mit dem goldnen Saum vom Strahle der göttlichen Liebe, bis die düstre Wolke, immer mehr durchglüht, in Christo klar erglänzte, um in Gott unseren Vater zu erkennen und mit Bruderliebe den Mitmenschen zu umfangen. Die Liebe Gottes, und von ihr ausgehend die Bruderliebe, sind der Kern der viele Jahrtausende währenden Offenbarung, sind der Quell jeder geistigen und sittlichen Entwickelung. — Mehr denn zwei Jahrtausende nach Abraham trat Muhammed unter den natürlichen Brüdern der Hebräer auf. Er wollte die reine Lehre Abrahams wieder herstellen, doch dem verstoßenen Wüstenbewohner ist der Gedanke von der Liebe Gottes fremd. Furchtbar schön zieht die Allmachtswolke an seinem Horizont herauf, nur schreckende Blitze sendet sie auf das bange Menschengeschlecht, und ohne den Strahl der Liebe raubt sie dem Menschen alle sittliche Freiheit und fesselt ihn mit knechtischer Furcht. — Jedes Band das durch den Gedanken an Gottes Vaterliebe uns alle zur Bruderliebe, zur wahren Sittlichkeit verbindet, ist hier zerschnitten, eine stumpfe Anerkennung Gottes und des Propheten genügt zum Heil, der düstre Schicksalsglaube macht den Menschen hart gegen seinen Mitbruder, und eine wilde Sinnlichkeit belebt den Menschen hier auf Erden und sein6 Phantasie für die Zukunft. — Selbst in Muhammed hatte der Gedanke von der Allmacht Gottes nicht die Kraft ihn von der schnödesten Sinnenlust, von der schändlichsten Racheglut zu befreien. Anstatt das Rachefeuer seiner Nation zu dämpfen, hat er's geschürt, des Menschen Würde

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viel vermag, der in Ansehen steht bei dem Besitzer des Thrones dem die Engel gehorchen und der untrüglich ist.“

Die sinnliche Auffassung des Paradieses lehrt uns Sure 56:

„Am Auferstehungstage kann niemand Gott mehr leugnen, er erniedrigt den einen und erhöht den andern, die Erde wird erschüttert und die zertrümmerten Berge zerfliegen in Staub. Es giebt da drei Klassen: die Rechten, die Seligen und die Linken — wehe ihnen — dann die Guten die vorangegangen sind, diese sitzen auf golddurchwirkten Polstern, unsterbliche Jünglinge bieten ihnen Becher Weins der den Geist nicht trübt, Jungfrauen mit großen schwarzen Augen sind ihr Lohn. Unter dornenlosen Lotos, dichten Bananenbäumen, bei immer fließendem Wasser lagern sie.

Auch für die Gefährten der Rechten schufen wir liebliche Huri, die stets Jungfrauen bleiben und nie altern. Doch wehe den Gefährten der Linken im glühenden Wasser, im Schatten schwarzer Rauchwolken hässlich ohne Kühlung, sie verharrten in Sünde und sprachen: sind wir nur noch Knochen und Staub, wie sollen wir dann auferstehen“.

Wohl muss es uns Wunder nehmen, wie eine Religion von so unsittlichen Elementen zu einer solchen Macht gelangen konnte, wie der Islam erreichte. — Aber wohl wird uns alles klar, wenn wir den Zustand der christlichen Staaten des Ostens um jene Zeit ins Auge fassen. Das Erblühen und Verblühen eines Staates hängt rein von seiner sittlichen Kraft ab. Die Sittlichkeit eines christlichen Staates ist aber begründet in der Glut, mit der man den Gedanken der göttlichen Liebe erfasst. — Doch welche düstere Gestalten zeigt uns das griechische Christentum in Byzanz. Eine Herrschaft liebeleerer Pharisäer. Der sogenannte Glauben war in ihren selbstischen Händen nur ein Deckmantel der scheußlichsten Sünden. Der einzige erhabene Charakter dieser Zeit, der edle Chrysostomus, verschmachtete in den Steppen Bithyniens, weil er die erhabene christliche Liebe höher schätzte als die Gunst des orthodoxen, aber sündigen Kaiserhofs. Wohl mag daher der Halbmond auf den Zinnen des Orients, wohl mögen die schlanken Minaret in dem aus der Marmorawelle auftauchenden Byzanz noch heute den Christen lehren, dass wenn er in Glaubenswut das Band christlicher Liebe zerschneidet, er mit den blutigen Schaufeln der Selbstsucht dem erhabenen Christentum das Grab gräbt. — Wohl ist es wie ein Weltgericht, dass christliche Völker die in Christo zwar der Verheißung des Isaak waren teilhaftig geworden, die aber das heilige Kleinod der Liebe vergaßen, von dem Racheschwert des wilden Sohnes des verflossenen Ismael sollten gestraft werden, dem war nie die Liebe gelehrt und doch bewahrte er, den seinen Bruder schändlich verfolgenden Christen gegenüber, den altarabischen Edelsinn und Freundschaftsgeist. — Doch wir wollen das Auge von der für uns so traurigen Zeit der Verbreitung des Islam abwenden, von jener Zeit, in der der natürliche Sohn des Abraham die zwar bevorzugte, aber schmählich entartete Nachkommenschaft des Isaak strafte und wollen nur noch mit wenigen Worten der nachislamitischen Poesie erwähnen. — Das Feuerschwert des Islam hatte ein mächtiges Reich gestiftet, das mit aller Pracht umkleidet an dem Ufer des Tigris als ein hellstrahlender Stern des Orients erglänzte. Wem schweben nicht aus seinen Jugendjahren die goldenen Träume der tausend und einen Nacht noch vor, wem ist nicht das feenartige Bagdad und Basra unter Harun al Rashid bekannt? Die Dichtung und Bildung waren die Hauptzierde der Kalifen Throne. Viele Wissenschaften, wie die Geschichte, die Astronomie, Mathematik, die Philosophie, selbst die Naturwissenschaften verdankten grade in dieser Zeit viel der arabischen Bildung. Auch hallten die Paläste von den Gesängen der Dichter wieder, aber wie üppig auch die Dichtung hier wucherte, mit der allarabischen Dichtung kann sie nimmer wetteifern. Die arabische Poesie war in der Wüste erblüht, und genährt vom Hauche der Freiheit hatte sie ihren Kelch den wilden Schicksalsstürmen trotzend entfallet, sie verkümmerte im Staube vor dem Krone der orientalischen Despoten, und ward sie gleich sorgsam gepflegt und mit allem niedlichen Schmuck verziert, der mächtigen Klang der kühnen Wüstenhelden konnte der gesinnungslose Lobesdichter ihr nicht wieder verleihen. Die spätere Dichtung ist nur dem Lobe der Tyrannen geweiht, und bezeichnete auch jetzt noch der Araber seine Dichtung mit den Perlenreihen der Rede, fand sich doch manches Glas unter der edlen Kette.

Der berühmteste unter den Lobesdichtern ist Mutanabbi. In früher Jugend von Stolz gestachelt will er sich für einen Propheten ausgeben, dann dafür gestraft, zieht er herum durch seine Lobgedichte irgend einen Grossen zu rühren, wie der Kunstrichter Tsaâlibi schildert, er lobte den Nahen und Fernen, er machte Jagd auf die Krähe, wie auf die Nachtigall. Seifuddaula, ein Heldenkönig in Aleppo, überhäufte ihn dann mit Wohltaten und ihn besingen die meisten seiner Kasiden. —

Tsaâlibi, der Kunstrichter, spendet zwar dem Mutanabbi ein großes Lob. Er erstrahlte wie ein Glanzstern am Himmel, er war die Mittelperle im Dichtungsgeschmeide seiner Zeit, seine Gedichte durchliefen alle Gegenden, die wüsten wie die bewohnten, die Nacht sang seine Verse und der Tag behielt sie im Gedächtnis. Doch hindert ihn das nicht auch seine Fehler zu erwähnen, denn „der Sterne Glanz zeigt sich in ihrer Pracht, weil sie nur aufgehen in der dunklen Nacht“ und die Verschiedenheit seiner Verse zu bezeichnen, fallt Tsaâlibi folgendes urteil: „Während er den köstlichsten Schmuck schmiedet und die schönsten Perlenschnüre aufreiht, die reizendsten bunten Stoffe zusammenwebt, dass er uns wandeln lässt im Rosengarten der Gedanken — sieh da wirft er dazwischen mit sehr gesuchten Metaphern, verstrickten Worten, verwickelten Gedanken, gesuchtem Tiefsinn und pedantischem Ausdruck, so verwischt er jene Schönheiten und lässt auf Süßigkeit widerliche Bitterkeit folgen. Dadurch giebt er sich den Pfeilen des Tadlers und den Lanzenstichen der Kritiker bloß — ihn charakterisiere der Vers — eine Braut bist du mit blendender Schönheit, doch täglich bekommst du die fallende Sucht. Dies Urteil gilt für die ganze spätere Poesie, wiewohl manches Zierliche und Schöne uns in den verwickelten Gedanken dieser Dichtung erfrischt. So schildert ein Dichter die Freigebigkeit eines Königs mit den Versen:

Wer mit der Wolke vergleicht dein wohlwollend Herz,
Der hat nicht richtig sein Urteil gegeben;
Du gibst mit lachender Miene reiches Geschenk,
Nur tränenden Augs gibt fruchtend sie Leben. —

Auch manche schöne Naturschilderung ist eine glänzende Gestalt in diesem Dichtungsgewebe. So die Schilderung eines Regenbogens von Seifuddaula dem Dichterkönig:

„Ich rief den schönen Schenken mir zum Morgentrunk,
Er kam mit Schlaf in seinen Augen noch gegangen —
Umkreisend bot er Becher Weins den Sternen gleich,
Ein Becher schwand, der andre stillte das Verlangen;
Der Südwind spannte aus den dunklen Teppich weit,
Vom Äther an, dess Säume bis zur Erde hangen,
Ihn hatte schön gestickt des Wolkenengels Kunst,
Das Gelb vom Rot, das Grün vom Weis umfangen,
Der Schleppe von Gewändern gleich die schön gestickt,
Eins kürzer als das andre an dem Mädchen prangen.“11)

Der Neumond wird geschildert:

,,Ein Nachen ist’s, von Silber schön gezimmert,
Auf dem die Last der grauen Ambra schimmert.“

Den Glanzpunkt der späteren Kunstdichtung bilden die Makamen des Hariri, die Novellen von Abu Seid, die Rükkert so meisterhaft übertragen hat. Die Feinheit und die Gewandtheit der Rede hat hier die höchste Spitze erreicht, in jeder Reihe der gereimten Prosa ein Redespiel, in jedem Vers der Dichtung eine Gedankenperle. Seine Worte sind vergleichbar dem Halsringe der Tauben, der Brust der weißen Falken, den Flügeln der Pfauen, dem Halse der Gazellen und dem Winken schöner Augensterne. Wie es in seiner Vorrede heißt: Seine Rede ist besetzt mit dem Edelstein des Ausdrucks, gestickt mit den Perlen des Gedankenausschmucks, bereichert mit Rätseln und Sprichwörtern, Redespitzen und Stichwörtern, Schriftstellen und Gemeinplätzen und besonderen Sprachschätzen, abwechselnd mit muntern Ausbrüchen und feierlichen Aussprüchen, mit Possen der Vertraulichkeit und Glossen der Erbaulichkeit, mit Witzreden die lachen, und Strafreden die weinen machen. —

Zwar ist der Hauptheld dieser Dichtung, Abu Seid, ein Gauner, der durch allerlei Ränke immer seinen Vorteil erhascht, kein achtungswerter Charakter. Auch ist das Ganze mehr ein Gewebe eleganten Scharfsinns, als der Dichtung erhabener Schwung; dennoch aber sind auch in diesem Leben noch edle Klänge von der alten Wüstennatur. Die scheidende Sonne der arabischen Dichtung wirft noch einige innig durchglühte Purpurstrahlen auf die schon dunkelnden Gefilde des geistigen Todes, wenn auch dieses Sündenhaupt mit inniger Liebe an seine Heimat denkt und die Zerbrechlichkeit des Menschenglückes schildert. Wohl mag man das Hinschwinden der arabischen Dichtung mit dem Ende der zweiten Makame bezeichnen. Hareth ben Henmian erkennt den alten Abu Seid in der Bibliothek von Basra trotz des ergrauten Hauptes - „denn sieh es war von Serug' unser Scheich, den hat ich nicht erkannt sogleich — weil in der dunklen Nacht von seinem Haar, inzwischen Mondlicht geworden war — ich sprach, was hat deines Hauptes Wälder gelichtet und deine Wangen in Furchen geschichtet. Hätt ich dich nicht erkannt an der schlauen Art, nimmer hätt ich dich erkannt am grauen Bart — da hub er an:

Grau macht die Zeit, die gräuliche,
Trau nicht auf die untreuliche,
Sie lacht dir einen Augenblick
Und grinst dann die abscheuliche;
Die Jahre führen übers Haupt
Dir manches Unerfreuliche,
Die Sturme rütteln dir am Haus,
Baufällig wird das bäuliche;
Dein Auge trübt sich, ungetrübt,
Blickt droben nur das Bläuliche. —

Da hemmt er sein Wort und räumte den Ort, nahm Aller Herzen mit sich fort.“ —

Dieterici, Friedrich Heinrich Dr. (1821-1903) deutscher Orientalist

Dieterici, Friedrich Heinrich Dr. (1821-1903) deutscher Orientalist

arabisches Ehepaar auf der Reise

arabisches Ehepaar auf der Reise

Zwei stolze Araber.

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Eseltreiber

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Hause-Krieger zu Pferde

Hause-Krieger zu Pferde

Ein grüner Flecken in der Sahara.

Ein grüner Flecken in der Sahara.

Karawane vom Sandsturm überrascht.

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