Die Ritterkämpfe als Festspiele

Gottfried von Preuilly, ein Ritter aus Anjou, der um 1066 lebte, wird von den Zeitgenossen der Erfinder der Tourniere genannt. Da Ritterkämpfe als Festspiele schon seit den Zeiten Ludwigs des Frommen öfters erwähnt werden, so kann jene Nachricht nur die Bedeutung haben, dass Gottfried jenen Ritterspielen durch Einführung eines bestimmten Zeremoniells und gewisser Kampfregeln eine geordnete Gestalt zu geben suchte. Auch in dieser verbesserten Form fanden sie starken Widerspruch. Die häufigen Unglücksfälle und die Ausbrüche wilder Leidenschaft, zu denen sie Veranlassung gaben, bestimmten die Kirche ihnen entschieden entgegenzutreten; von mehreren Päpsten wurden sie verboten und das Konzil des Laterans im Jahre 1139 versagte, indem es jenes Verbot erneuerte, den in einem Tourniere Getöteten ein christliches Begräbnis. In England schloss sich diesem Verbote der Kirche lange Zeit auch das der Könige an, und dasselbe wurde unter den Königen Stephan und Heinrich II. so strenge aufrecht gehalten, dass Englische Ritter nur außerhalb Landes jene Spiele zu üben wagten. Erst der Ritterkönig Richard Löwenherz erlaubte sie unter dem Vorgeben, dass die Englischen Ritter im ernsten Kampfe zu sehr den Franzosen nachständen; doch machte auch er sie von der Erlaubnis der Könige abhängig und knüpfte daran die Erhebung einer Steuer. Seitdem nun darauf die Tourniere in diesem Lande häufiger in Gebrauch kamen, verbreitete sich von dort eine Abart dieser Tourniere, das Fest der Artushöfe oder der Tafelrunden, Ritterspiele, welche in offenbarem Zusammenhange mit den Tafelrunden der Bretagne und von Wales bald fast in allen Ritterstaaten zur Mode wurden und einen bestimmten Zeitraum hindurch mit besonderer Vorliebe gepflegt wurden.

Es ist uns zwar nur eine mäßige Anzahl meistens kurzer und unvollständiger Berichte über diese Artushöfe überliefert worden; doch reicht die Vergleichung derselben aus, um eine ungefähre Vorstellung von der Eigentümlichkeit derselben zu gewinnen.


Die erste Erwähnung des Festes finde ich in einer Parlamentsakte vom 20. Juli 1232, in welcher das Englische Parlament wegen der damaligen unruhigen Zeiten das Tournier bei der Tafelrunde, also eine damals schon allgemein bekannte Kampfweise, verbietet. Drei Jahre später bemerkt eine Belgische Chronik, viele Flandrische Barone hätten, als sie bei Hesdin bei der oder für die Tafelrunde ihre Kriegsspiele übten, sich zu einem Kreuzzuge entschlossen. Der Englische Mönch, Mathäus von Paris, erzählt vom Jahre 1252: In diesem Jahre versammelten sich mehrere Ritter, um ihre Tüchtigkeit in ritterlichen Künsten, nicht in jenem Lanzenkampfe, welches Tournier, sondern in dem Ritterspiele, welches die runde Tafel heißt, im Kampfe gegen einander zu bewähren. Es fand sich eine vornehme und zahlreiche Schaar sowohl aus Süd- und Nord-England als auch vom Festlande neben der Abtei Waldon (südlich von Cambridge) am 15. September zusammen. Am ersten und zweiten Tage führten einige Englische Ritter ihre Scherze, wie jenes Ritterspiel sie fordert, mit einer so ungewöhnlichen Kundgebung von Tüchtigkeit, Kraft und Anmut aus, dass alle Fremden, die zugegen waren, von Bewunderung erfüllt wurden. Als aber am dritten Tage zwei der tapfersten Ritter, Hernald de Mountain und Roger von Lamburn, mit allen ritterlichen Waffen ausgestattet und auf kostbar ausgeschmückten Kampfrossen gegen einander sprengten, stieß Roger seine Lanze, deren Spitze, wie es die Kampfordnung forderte, stumpf gemacht war, Hernald, dem der Halsharnisch fehlte, unter dem Halse in die Kehle und durchschnitt die Ader, so dass jener tödlich verwundet zu Boden stürzte und unter den Klagen der Anwesenden sein Leben aushauchte. Roger büßte seine Schuld, indem er sich zu einer Wallfahrt mit dem Kreuze bezeichnete. Viele Engländer jedoch, die jener ritterlichen Genossenschaft angehörten, namentlich der Graf von Glocester, zürnten auf Roger, da die aus der Wunde hervorgezogene Lanzenspitze wie eine Pflugschaar gestaltet, den Verdacht eines beabsichtigten Mordes um so mehr erweckte, als Hernald dem Roger schon in einem früheren Tourniere den Schenkel zerbrochen hatte.

1274 hält König Eduard I. selbst, als er den Söhnen Roger Mortimers den Ritterschlag erteilt, in Kenilworth eine Tafelrunde.

Im Herbste 1279 veranstaltete der alte Mortimer, als er vom Waffendienste Abschied nahm, ebendaselbst dieselbe Festlichkeit, deren Vorgänge so beschrieben werden: 100 Ritter und ebenso viele Damen, die auf seine Einladung aus verschiedenen Reichen gekommen waren, folgten ihm nach Kenilworth, in dessen Tore sie lustige Lieder singend einzogen und woselbst auf seine Kosten vier Tage lang ein glanzvolles Lanzenrennen verbunden mit luxuriösen Schwelgereien, was die damaligen Ritter, wie der damit unzufriedene Berichterstatter hinzufügt, eine Tafelrunde nannten, stattfand. Auch dieses Spiel endete blutig, indem der älteste Sohn des Lords Maurice Berkeley getötet wurde. Nichtsdestoweniger führt der Gastgeber, nachdem ihm am vierten Tage ein goldener Löwe als Siegespreis zuerkannt war, sein ganzes Gefolge auf seine Kosten nach Warwick zu anderen Festen.

Als Eduard I. 1284 Wales vollständig erobert hatte, huldigt er der nationalen Romantik seiner neuen Untertanen, indem er im Juni mitten in ihrem Lande am Fuße des Snowdon unter dem Zuströmen unzähliger Fremden in der kostbarsten Weise die Tafelrunde feiert; erneuert wird es im folgenden Jahre unter Tanz und Lanzenspiel von Edelleuten aus England und dem Kontinente. 1287 hält derselbe mit dem Könige Alfonso III. von Arragonien eine Zusammenkunft auf Oleron, welche mit einer Hochzeit endigt, indem Alfonso sich mit Eduards Tochter Eleonore vermählt. Darauf wurden, erzählt der Katalonier Raimund Muntaner, die bisherigen Festlichkeiten durch neue großartigere überboten. Der Bräutigam lässt nämlich ein großes Gastmahl anrichten, welches aller Fremden Bewunderung auf sich zieht, dann folgen Lanzen- und andere Waffenspiele, hierauf Tafelrunden, zuletzt Tanz. Einen Monat dauert dieses Fest, dessen Kosten einen Tag um den andern von einem der beiden Könige bestritten werden.

Derselbe augenscheinlich für dergleichen Spiele übermäßig eingenommene Zeuge bezeichnet die Tafelrunde, welche der Seeheld Roger da Loria, bei einem Besuche, mit welchem das Königspaar von Castilien und König Jayme von Arragonien 1291 ihn beehren, ausrufen lässt, wegen des dabei entfalteten Glanzes und wegen der großen Zahl der vornehmen Gäste und Zuschauer als eines der merkwürdigsten Dinge, die je gesehen sind. Eigentümlich erscheint in seiner Beschreibung derselben, dass der Admiral innerhalb der für das Waffenspiel aufgesteckten Schranken einen hölzernen Turm erbauen lässt, von welchem aus er die ankommenden Gäste begrüßt. Sogleich am ersten Tage jedoch, an welchem er es sich vorbehalten hatte, allein jedem zum Kampfe sich meldenden die Spitze zu bieten, nimmt das Spiel eine ernste Wendung. Es stellt sich am Turme ein berühmter fahrender Ritter, Berlinghieri Agostino d'Anguera aus Murcia, Kavalier des Königs von Castilien, ein. Sobald seine Ankunft durch einen Stoß ins Horn am Turme kund gegeben ist, tritt der Admiral aus demselben heraus, und nachdem der Gast von den zwei dargebotenen Lanzen eine ausgewählt hat, ergreift Roger die andere und der Kampf beginnt. Während jedoch die Lanze des Ritters von Murcia am Schilde des Admirals zerschellt, trifft dieser mit der seinen das Visier des Gegners mit solcher Kraft, dass der Helm desselben vom Haupte fort eine weite Strecke hin geschleudert, seine Nase von den Lanzensplittern für Lebenszeit aus ihrer natürlichen Lage gerückt wird, das Blut aus allen Teilen des Gesichts herausströmt, und der Verwundete selbst betäubt zu Boden fällt. Beide Könige eilen zu ihm und beweisen ihm ihre Teilnahme; er erholt sich auch; doch befehlen jene, dass die Tafel alsbald aufgehoben werde aus Furcht, es könnte über diesen Vorfall zu ernstem Kampfe kommen.

Auf noch blutigere Weise endet die Tafelrunde, die der Herzog Johann von Brabant 1295 in seinem Lande feiert, indem beim ersten Kampf der Herzog selbst von einem Französischen Ritter mit der Lanze durchbohrt wird und noch desselben Tages stirbt.

Wenige Jahre später, um 1310, erklärt Papst Clemens V., in einem gegen die Tourniere erlassenen Verbote: Auch bei denjenigen Einzelkämpfen (justis), welche in einigen Gegenden Tafelrunden genannt werden, sind dieselben Nachteile und Gefahren zu befürchten wie bei den Tournieren, und deshalb unterliegen sie demselben Verbote.

Auch in Deutschland waren inzwischen diese Spiele bekannt geworden, haben hier aber augenscheinlich wenig Anklang gefunden. Ausgeführt finden wir sie tatsächlich nur einmal, und zwar in den Zeiten, wo sie überhaupt zuerst aufkamen, um 1240 in großartigem Maßstabe von dem Dichter des Frauendienstes, dem wunderlichen Ritter Ulrich von Lichtenstein, vorausgesetzt freilich, dass man alle Narrheiten, die dieser in seinem Gedichte mit großer Behaglichkeit erzählt, für bare Münze nehmen darf. Nachdem er, trotzdem dass er Weib und Kind hat, um einer spröden Geliebten willen sich alles mögliche Leid angetan, sich die Lippe hat zerschneiden und einen Finger abhauen lassen und zuletzt in Frauenkleidern als Göttin Venus mit entsprechendem Gefolge in Italien und -Süddeutschland umhergezogen ist, gibt er die Spröde auf, aber nur um einer andern Geliebten sich zuzuwenden, zu deren Ehren er eine Reise als König Artus antritt. Von Kopf bis Fuß in ein scharlachrotes Kostüm gekleidet, so dass selbst sein Ross bis auf die Hufen mit einer scharlachroten Decke umhüllt ist, kündigt er sich überall als den Britenkönig an, der aus dem Paradiese kommt um jeden, welcher 3 Speere ohne Fehle mit ihm verstechen will, in seine Tafelrunde aufzunehmen. Durch die Österreichischen Lande ziehend schlägt er an geeigneten Orten sein Lager auf, um die Kämpen zu empfangen; jeder Ritter, der die Probe besteht, erhält von ihm einen Namen der alten Artusgenossen; es entsteht ein Lanzelot, Parcifal, Ither, Gawain, Erec, Ywain, Tristan und Segramur, die dann auch seinem Zuge sich anschlossen. In der Nähe von Wien angekommen, woselbst Herzog Friedrich von Österreich, dem der verkleidete Artus scherzend seine Schätze freigebig zur Verfügung stellt, drei Speere mit ihm zu verstechen sich erbietet, und der Österreichische Adel in Haufen von 40—70 Rittern ihm entgegenströmt, ordnet er ein mehrtägiges Fest an. Auf der Ebene bei Kezlindorf wird das Zelt der Tafelrunde aufgeschlagen; in einiger Entfernung werden rings um dasselbe herum vier Banner aufgerichtet, die durch eine seidene gelbblaue Schnur mit einander verbunden, den Ring oder den Kampfplatz einschließen, zu welchem zwei Eingänge offen gehalten sind. Außerhalb des Ringes ist das Feld mit 200 Speeren ausgeschmückt, auf deren jedem ein Fähnchen mit König Artus Wappen flattert. Am ersten Tage treten Gawain, Iwain und Lanzelot aus dem Zelte, um den Ring gegen die ankommenden Kämpen zu verteidigen; auch diese Gäste suchen, wie die Artusritter selbst, vor Allem durch die Eigentümlichkeit ihres kostbaren Waffenschmuckes zu glänzen. Bis zur Nacht wird gekämpft, dann ruhen die Helden, um am Morgen, nachdem eine Messe zur Einleitung gesungen worden, den Kampf fortzusetzen, den König Artus an einem Tage ganz allein besteht, an den andern durch seine Ritter ausfechten lässt. Selbst am fünften Tage ist die Kampfluft noch nicht gestillt, obgleich manche Finger wund geschlagen sind und mancher Kämpfer besinnungslos niedergefallen ist. Zu einem Festschmause aber kommt es nicht, da der Herzog am fünften Tage die Umwandlung dieser Kämpfe in ein Tournier verlangt und auch das Tournier, für welches sich die Ritter der Tafelrunde mit ihren Gegnern zu vier großen Schaaren zusammenstellen, aus einander geben heißt.

Beweist dieses Beispiel zwar die frühe Bekanntschaft der deutschen Ritter mit diesen Festen, so ist doch nicht die geringste nachweisbare Spur, dass Herrn Ulrichs Vorbild jemals Nacheiferung in Deutschland gefunden hat. Wie fremd und missliebig hier das Fest im 14. Jahrhundert gewesen ist, kann man aus dem scharfen Urteil eines Zeitgenossen deutlich erkennen. Peter von Zittau, Abt des Böhmischen Klosters Königssal erzählt: In diesem Jahr (1319) kamen zum König Johann von Böhmen mehr durch Narrheit als durch Ritterlichkeit getrieben einige Jünglinge, Söhne von Baronen, und sagten: Herr König! Durch Tournier- und Lanzenspiele, sowie durch andere ritterliche Übungen wird Euer Ruhm verbreitet und Euer Name auf der ganzen Erde bewundert werden. Kündigt daher eine Tafelrunde, d. h. einen Artushof an, und Ihr werdet davon für ewige Zeiten Ruhm davontragen. Der König nun, durch solche kindischen Ratschläge verleitet, schreibt an alle Fürsten, Grafen und Edelleute in Deutschland und macht ihnen in Briefen und Urkunden große Anerbietungen. Auch lässt er sich, um solche Torheit zu feiern, von den Städten und Klosterleuten große Summen Geldes zahlen, und im Tiergarten bei Prag wird zu jenem öffentlichen Schauspiel ein hölzernes Gebäude errichtet. Nun kam das fest Johannis des Täufers, zu welchem die Festlichkeit anberaumt war, heran; aber, fügt der Erzähler frohlockend hinzu, die Sache nahm ein klägliches Ende; aus anderen Ländern kam kein Edelmann herbei und der Gastgeber hatte sich in der ganzen Welt lächerlich gemacht.

In den nächsten zwanzig Jahren wird dieses festes selten gedacht, bis der Ausbruch des Englisch-Französischen Krieges um 1340 neue Regsamkeit für dasselbe in Frankreich und England hervorruft. 1344 ladet König Eduard III. zum 19. Januar die einheimischen und fremden Edelleute zu den Lanzenrennen und andern Zweikämpfen, welche er zu ihrer Erheiterung angeordnet habe, unter sicherem Geleite nach Windsor ein. Das Fest wurde dort auch bei Anwesenheit von 300 Rittern und ebenso vielen Edeldamen gehalten und im folgenden Jahre wiederholt. Für diesen Zweck, erzählt der Zeitgenosse John Capgrave, erneuerte König Eduard die runde Tafel zu Windsor, welche zuerst von Artur erbaut war, und ein anderer Zeitgenosse Thomas Walsingham fügt hinzu: Der König berief mehrere Künstler in das Schloss zu Windsor und begann hier ein Haus zu bauen, welches die Tafelrunde heißen sollte. Auf der Grundfläche betrug der Zwischenraum vom Mittelpunkte bis zum Umkreise 100 Fuß und der ganze Durchmesser somit 200 Fuß. Anfangs wurden wöchentlich für den Bau 200 Pfund verwendet, später wurden die Ausgaben wegen des Krieges auf 20 Pfund wöchentlich vermindert. Aus den noch vorhandenen Rechnungen ergibt sich, dass der Prior von Morton zu diesem Bau 52 Eichen aus den Wäldern bei Reading lieferte. Zu derselben Zeit jedoch, wo dieser Neubau ausgeführt wurde, besteht bereits unter der Ritterschaft der Grafschaft Lincoln eine Verbindung, deren Haupt des Königs Vetter Graf Heinrich v. Derby ist, welche alljährlich Montag in der Pfingstwoche ihre besondere Tafelrunde hält. König Eduard bestätigt nicht nur 1345 diese Stiftung, sondern erteilt allen Rittern, die das Fest zu Lincoln besuchen, in Betracht des Nutzens und des Alters dieser Waffenspiele freies Geleit, und bedingt sich nur aus, dass der Festtag zu verlegen sei, wenn er selbst etwa an demselben eine Tafelrunde zu halten beabsichtige. Dieser neue Eifer für die Tafelrunden hing damals augenscheinlich zum Teil mit dem Bestreben der Engländer zusammen, fremde Soldritter in ihren Dienst zu ziehen. Denn, erzählt Walsingham, in derselben Zeit begann König Philipp Valois von Frankreich gleichfalls eine runde Tafel in seinem Lande zu erbauen, um die Ritterschaft von Deutschland und Italien von der Tafel des Königs von England zu sich abzulenken. Aber auch nachdem der Sieg bei Crecy und die Eroberung von Calais einen längeren Frieden herbeigeführt hatte, werden die Artusfeste in England, freilich in einer immer mehr sich verändernden Form fortgesetzt. Bald nach einem am 24. Juli 1348 beim Kirchgange der Königin nach Geburt ihres Sohnes William in Windsor gefeierten Feste, auf welchem der König und der Prinz von Wales mit ihrem gleichgekleideten Gefolge mit Kniebändern von Gold und blauer Seide, deren jedes die Devise: hony soit qui mal y pense trägt, erscheinen, ist die bis dahin anscheinend wechselnde Gesellschaft der Tafelrunde in Windsor in einen nur den höchsten Kreisen der Ritterschaft zugänglichen Ritterorden vom Hosenbande umgewandelt, dessen Mitglieder auf die Zahl von 25 beschränkt, fortan sichtlich den h. Georg statt des Artus als ihren Schirmherrn anerkennen, indem das Gemach der Tafelrunde sich in eine S. Georgshalle verwandelt, neben welcher am 6. August 1348 eine S. Georgskapelle eingeweiht wird, für deren Dienst 8 weltliche Kanoniker angestellt werden und der S. Georgentag (23. April) fortan den Festlichkeiten der Brüderschaft gewidmet wird, unter welchen die Lanzenspiele je mehr und mehr in den Hintergrund treten, während in den Statuten des Ordens allerlei ganz neue religiöse Zwecke, z. B. die Unterstützung von 12 armen Rittern, denen die Mittel zum Unterhalte fehlen, und die alljährige Feier von Seelmessen für die verstorbenen Brüder zum Vorschein kommen. Welche besonderen Beweggründe diese Veränderung veranlasst haben, haben auch die neuesten gründlichen Forschungen über die Stiftung des Hosenbandordens nicht ermitteln können - man gewinnt vielmehr aus denselben die Überzeugung, dass diese Umwandlung des Artusfestes in ein S. Georgenfest, oder, was hier dasselbe bedeutet, die Umwandlung eines in wechselnden Lokalen von wechselnden Teilnehmern gefeierten rein weltlichen Festes in ein Fest, das innerhalb eines dazu errichteten festen Gebäudes unter Einmischung religiöser Tendenzen von einer geschlossenen Brüderschaft gegeben wurde, allmählich und seit längerer Zeit schon vorbereitet, jetzt erst vollständig und zwar nicht bloß in Windsor allein, sondern, worauf die erwähnte Urkunde hindeutet, auch in Lincoln zur Ausführung gekommen ist.

Nur noch einmal meines Wissens wird gegen Ende des 14. Jahrhunderts ein Artusfest, aber schon ausdrücklich nur als Nachbildung eines in ritterlichen Kreisen nicht mehr üblichen Festes vom zeitgenössischen Biographen des Französischen Ritters Jean Boucicaut genannt. Dieser wunderliche Abenteurer, der in allen ritterlichen Künsten, sowohl in denen der Waffen und des Gesanges, als in denen der Courtoisie geübt und erfahren keine Gelegenheit zur Betätigung seines Rittersinnes verabsäumte und zu diesem Zwecke zweimal nach Preußen und einmal ins heilige Land, ja sogar zum Türkischen Sultan Amurath mit der Anfrage auszieht, ob er ihm nicht gegen andere Sarazenen Beschäftigung geben könne, erlässt 1388, als ihn der Frieden in Frankreich langweilt, in alle Nachbarlande die Ankündigung, dass er in Begleitung zweier Ritter in S. Ingelbert zwischen Boulogne und Calais 10 Tage lang zum Kampfe mit jedem, der sich mit ihm messen wolle, bereit sein, werde. Auf einer Ebene lässt er bei jenem Orte drei Zelte errichten; neben jedem derselben steht eine große Ulme, an deren Zweigen sich zwei Wappenschilde, die des Friedens und des Krieges, und neben denselben zugleich fünf scharfe und fünf abgestumpfte Lanzen befinden, an deren Stamme aber ein Horn hängt. Wer den Kampf verlangt, muss in das Horn stoßen und durch Anschlagen an das bezügliche Schild kundgeben, ob er im Scherz oder Ernst den Kampf geführt wissen wolle. Überdies hatte Boucicaut reiche Vorräte von sehr guten Weinen und allerlei ausgesuchten Lebensmitteln hinbringen lassen, so dass , er, wie sein Biograph bemerkt, mit Allen, die herbeikamen, gleichsam Tafelrunde halten konnte (comme pour tenir table ronde). Es fand sich eine zahlreiche Gesellschaft ein, selbst König Carl IV. war inkognito zugegen. Boucicaut zeichnete sich ebenso sehr durch den Glanz und den Reichtum seiner Gewänder wie durch seine unvergleichliche Kampflust aus; vom 20. März bis zum 20. April fanden tägliche Lanzenrennen statt; viele Ritter zogen mit schweren Wunden ab, Boucicaut und seine zwei Genossen blieben unversehrt; die Stadt Paris empfing ihn mit einem Jubel, als hätte er einen Sieg über die Engländer erfochten.

Aus diesen vorgelegten zeitgenössischen Berichten ergibt sich:

1) der Artushof oder die Tafelrunde ist der Name einer Festlichkeit, welche zwischen den Jahren 1220 und 1350 innerhalb der ritterlichen und fürstlichen Kreise mit großer Vorliebe gefeiert wurde, dann aber aus der Mode kam und in diesen Kreisen bis auf den Namen verschwunden ist,
2) der Name bezeichnet in dieser Zeit in der Regel die Gesamtheit aller zu einem Artusfeste erforderlichen Vergnügungen, zuweilen auch nur einzelne Bestandteile desselben, namentlich das Lanzenstechen, das Festmahl oder den Raum, auf welchem das Fest stattfindet, welcher letztere, wie es scheint, in der Regel in einem bald beweglichen, bald festen Gebäude von kreisrunder Form angelegt war;
3) das Fest unterscheidet sich von ähnlichen Festen hauptsächlich durch die im Kostüme, in den Schmausereien und im Zeremoniell des Kampfes erstrebte Nachbildung der in den damaligen Rittergedichten geschilderten Tafelrunden, wobei auffallender Weise der Gesang am wenigsten in Betracht kommt. Die Hauptbestandteile sind ein großer Schmaus am Anfange oder Ende der Festlichkeiten, der Einzelkampf im Lanzenrennen (das tjostieren, la joute) im Gegensatze zu den in den damaligen Tournieren üblichen Kämpfen ganzer Haufen gegen einander und Tänze meist am Schlusse des Festes;
4) die Artushöfe sind nachweislich während jener Periode in England, Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Spanien gefeiert worden, mit der geringsten Anerkennung in Deutschland, mit der größten und zugleich mit dem Gepräge eines Nationalfestes in England. Hier nimmt das Fest, als es bereits aus der Mode zu kommen anfängt, durch die eigentümliche Beziehung zum h. Georg, eine veränderte Form und Tendenz an, in welcher es innerhalb des Ritterordens vom Hosenbande sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat;
5) auch in seiner Blütezeit wird das Fest von allen nicht dem Ritterstande ungehörigen Berichterstattern getadelt und zwar teils wegen der in ihm herrschenden sinnlosen und übertriebenen Schwelgerei, teils wegen der rohen Leidenschaftlichkeit, die in den Kampfspielen hervortrat und in Folge deren sie in der Regel mit Verwundungen, nicht selten mit Todschlag endigten, endlich aber auch wegen des ganz unkirchlichen Charakters des Festes, dem jede innerliche Beziehung zur Religion und ihren Instituten mangelte, welchem Mangel erst in der letzten Zeit die Englische Ritterschaft abzuhelfen sich bemühte. Trotz dieser außerhalb der Ritterschaft dagegen herrschenden Abneigung fanden jene Ritterspiele in der angegebenen Periode von 1220—1350 bei den ihr zunächst stehenden vornehmen Kreisen der städtischen Bürgergemeinden in Flandern und einigen Teilen Deutschlands, wenn auch in beschränktem Umfange, Eingang.

In Flandern, wo die auf Reichtum und Selbstständigkeit trotzende Bürgerschaft einem gleich übermütigen Adel entgegenstand, überboten sich beide Stände in der Schaustellung ihrer Macht. Hier waren schon im 13. Jahrhundert Bürgertourniere üblich, zu welchen nur die Patrizier der Stadt und der Landadel, wenn er wollte, Zutritt hatte. Ein solches Tournier fand z. B. in Lille alljährlich am ersten Sonntag in den Fasten unter dem Namen des Festes des Dornenkönigs (roi de l’épinette) statt, bei welchem der Hauptsieger das Vorrecht genoss, dem heiligen Dorne, welchen die Gräfin Johanna von Flandern den Dominikanern in Lille zum Geschenk gemacht hatte, seine Devotion beweisen zu dürfen. Neben den Tournieren kamen um 1300 hier auch die Tafelrunden auf, die namentlich in Gent, Ipern, Tournay und Louvain gefeiert wurden. Unter allen Festen, mit welchen König Philipp IV. von Frankreich um 1299 bei seinem Besuche in dem überwundenen Flandern in den dortigen Städten empfangen wurde, galt als das glänzendste die Tafelrunde, welche ihm, nach der Sitte des Landes, wie der Italiener Villani erzählt, zu Guidendal gegeben wurde, zu welcher auch Barone aus Deutschland und England herbeikamen. Nach einer andern Tafelrunde der Brügge’schen Bürgerschaft, bei welcher seine Gemahlin, die böse Königin Johanna zugegen war, erklärte die Fürstin, sie sei hier von 1.000 andern Königinnen umgeben gewesen, die ihr an Glanz gleichgekommen seien. Diese Feste werden hier in der Regel von Genossenschaften gegeben, welche, zu andern Zwecken zusammengetreten, nebenher auch an jenen ritterlichen Lustbarkeiten sich erfreuten, und da die Artusromane in diesem Lande in Übersetzungen weit verbreitet waren — wie denn z. B. ein gefeierter Ritter, Michel de Haeren, der in der Schlacht bei Bouvines 1214 unter den Fahnen von Frankreich gekämpft hatte, den Tristan übersetzte, so waren die Tafelrunden hier im Wesentlichen maskierte Tourniere, bei denen man Szenen aus Artusromanen darstellte oder in der Tracht der Helden der Artussage Stechspiele feierte. Die berühmteste unter den für solche Feste tätigen Verbindungen war die Ritterbrüderschaft des weißen Löwen in Tournay; sie bestand aus 31 Bürgern, die sich alle Sonntage der Reihe nach ein Gastmahl gaben. Bei dem Schmause ging es freilich zeremoniös her. Trompetenstöße kündigten die einzelnen Gänge der Tafel an, Fahnen wurden ausgesteckt, Herolde und Spielleute in Tätigkeit gesetzt. Das Fest wiederholte sich, wenn einer von ihnen Taufe oder Hochzeit hielt oder einem fremden Gaste besondere Ehre erzeigen wollte. 1361 schreiben sie ein besonderes Artusfest, das der 31 Könige aus; in den bekannten Formen wird das Fest Jahr- und Tag vorher in allen Nachbarstädten bis Paris hin angekündigt und werden die Kampfgesetze mitgeteilt, denen jede zur Teilnahme bereitwillige Stadt ihr Siegel unterdrücken musste. Die Stadt Tournay beherbergt die Gäste; die 31 tragen die übrigen Kosten des Festes. Diese selbst erscheinen zu Anfang desselben als ebenso viele Ritter der Tafelrunde in ausgewählten Masken mit Kronen, Phantasiewappen und Devisen, von denen uns die staunenden Zeitgenossen eine genaue Beschreibung und Abbildung hinterlassen haben. Jeder hat sich einen jener ungeheuerlichen Namen der Artusromane ausgewählt. Nach den üblichen Einleitungen schreiten die 31 Ritter nebst den 116 als Gäste herbeigekommenen Kämpfern zum Lanzenrennen, welches mehrere Tage fortgesetzt arge Verwundungen an Menschen und Rossen zur Folge hat und mit der Verteilung zweier Preise, eines goldenen Adlers und eines Pferdes, an zwei der eingeladenen Kämpfer endigt.

Feste ähnlichen Charakters haben in jener Periode auch in einigen Städten Deutschlands stattgefunden; über eines derselben, das zur Pfingstzeit 1285 in Magdeburg gefeiert wird, gibt die Magdeburger Schöppenchronik einen interessanten Bericht. Dort dichtet ein gelehrter Konstabel Brun von Stovenbeke auf die Bitte seiner Kollegen am Stadtregimente ein Festspiel, in welchem der Artussage bereits die Sage vom h. Grale beigemischt ist, und bringt dasselbe mit einem Lanzenrennen in Verbindung, bei welchem in engem Anschluss an die heidnische Sage dem Sieger eine schöne Magdeburgerin, die als Frau Fee beim Feste figurierte, zum Preise versprochen wurde. Die Kaufleute der Nachbarstädte, welche zum Feste in elegant abgefassten Briefen eingeladen waren und in allerlei Mummereien verkleidet ankamen, mussten schon beim Einritte in das Tor im Speerkampfe mit zwei Magdeburger Konstablern, die sich ihnen entgegenstellten, ihre Ritterlichkeit bewähren, wurden auf den Markt geführt, wo ein neben dem Grale aufgerichteter Baum die Schilde aller dem Grale geweihten Kostabels enthielt. Am folgenden Tage ziehen, nachdem eine Messe gehört und ein Schmaus gehalten worden, die Teilnehmer des Festes aufs Neue vor den Gral; jeder kampflustige Fremde berührt mit dem Speere eines der dort aufgehängten Schilde, worauf dessen Besitzer zum Stechspiele hervortritt. Das Fest endigt damit, dass dem Hauptsieger, einem alten Kaufmanne in Goslar die Frau Fee als Preis zuerkannt wird, dieser aber sie mit einer reichen Mitgift ausgestattet einem ehrbaren Manne zur Frau gibt, unter dessen Leitung das zuchtlose Weib zu einer guten Hausfrau wird.

Ähnlichen Charakters mögen die Tafelrunden gewesen sein, deren ebendamals in Hildelsheim und anderen Sächsischen Städten gedacht wird; doch haben sie sämtlich die Zeiten der ritterlichen Tafelrunden nicht überdauert und ermangeln nicht nur gleich den ritterlichen Festen jeder religiösen Beziehung, sondern entbehren auch eines von den Rittern wenigstens stets festgehaltenen lokalen Mittelpunktes, eines Artushofes, weshalb bei ihnen auch nur von Tafelrunden, nie von Artushöfen die Rede ist.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber den Ursprung der Preußischen Artushöfe
Lanzenstechen

Lanzenstechen

Lanzenstechen

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Huldigung

Huldigung

Rittermahl

Rittermahl

Beratschlagung

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