Ablässe

Aber dieselbe Religion, welche die Schätze der göttlichen Erbarmungen ausschließt, verwaltet sie auch mit Klugheit. Sie hütet sich wohl, in die Rechte der ewigen Gerechtigkeit einzugreifen. Um diese Rechte zu handhaben, versöhnt sie den Sünder dann erst mit seinem Gott, wenn sie ihn gehörig geprüft hat; und in der Buße, die sie ihm auferlegt, verschafft sie ihm Mittel, dieser Gerechtigkeit Genüge zu leisten.

Nun aber überschreitet die weltliche Behörde niemals ihre Gewalt, wenn sie die dem Frevel schuldige Strafe nachlässt, oder dieselbe in eine Andere verwandelt. Und die Kirche, welche die Gewalt empfangen hat, den Sünder zu binden und ihm kanonische Strafen aufzulegen, sollte nicht einen Teil dieser Strafe, oder je zuweilen auch die ganze Strafe nachlassen können? Warum will man denn dieser Kirche ihre Milde als Verbrechen anschreiben?


Der Missbrauch dieser Gewalt ist in den Händen einiger ihrer Diener ungeheuer *) gewesen, das stellen wir keineswegs in Abrede; allein hat wohl diese Gewalt, von ihren gehörigen Schranken begrenzt, etwas ungeheures und empörendes?

*) „Die Erpressungen aller Art, vorzüglich die Ablassbriefe, der ungeheuerste Missbrauch der empörendsten Gewalt Darstellung etc. S. 35.

Niemand darf Anspruch auf die Ablässe machen, als wer durch die Tränen einer aufrichtigen Reue von seinen Sünden gereinigt und würdig befunden worden, an dem heil. Tische seines Erlösers und seines Gottes zu sitzen. Was hat nun die Gesellschaft zu befürchten von einer weisen Spendung dieser Gnaden und Wohltaten? Es lag nie in dem Sinne der Kirche, von der Gott schuldigen Genugtuung zu entbinden; sie will bloß der menschlichen Schwäche nachhelfen, und sie unterstützen, die Schuldenlast der Gottheit abzutragen.