Abschnitt 4

Der stargardische Arm.


Die Färbung des Armes mit Silber war zwei bis drei Jahrhunderte hindurch immer mehr zur Geltung gekommen und beliebt, da sie auch zu den heraldischen Regeln der neuern Zeiten (nur Metall auf Farbe zu legen) paßte und den unruhigen Wechsel mehrerer willkürlicher Farben verhinderte.


So ist denn der Arm für die Herrschaft Stargard, mit Berücksichtigung der ältesten Formen und der historischen Entwickelung, bis auf den heutigen Tag also gebildet und bestimmt:

in rothem Felde ein rechts gekehrter, mit der innern
Fläche nach vorne gekehrter, weiblicher, mit einem
weiblichen Puffärmel bekleideter und mit einer
fliegenden Schleife um den untern Saum des Aermels
umbundener Arm, alles silbern gefärbt, welcher aus
einer kleinen silbernen Wolke ragt und einen goldenen
Ring mit einem Diamanten mit dem Daumen und dem
Zeigefinger in die Höhe hält.

Die bedeutendste Thätigkeit für die richtige Gestaltung 10) und Färbung des meklenburgischen Wappens entfaltete sich unter dem jetzt regierenden Großherzoge Friedrich Franz II. Der große Schloßbau zu Schwerin gab unzählige Male Veranlassung, das Wappen und seine einzelnen Theile zu bilden und gute Vorbilder dazu zu erforschen. Herrschende Ansicht erforderte es, das allgemein Verbreitete und Bestehende nicht ganz zu verwerfen und nichts ganz Neues einzuführen, sondern das Bestehende nach seiner geschichtlichen Herleitung und Entwickelung in richtige Formen zu bringen. Am Schlusse des Schloßbaues erforderte es die Nothwendigkeit, zur Herstellung des großen gefärbten Wappens über dem Throne im Thronsaale alle Forschungen zusammenzufassen und nach den ältesten richtigen Bildern und Bestimmungen und der historischen Entwickelung ein großes, vollständiges Wappen herzustellen. Se. Königliche Hoheit der Großherzog gab mir Allergnädigst den Befehl zu dieser Arbeit, zu deren Entwerfung ich den als Künstler und Heraldiker bewährten Maler Milde zu Lübeck wählte, mit welchem ich im engsten Vertrauen mit sorgfältigster Berücksichtigung des sechshundertjährigen Apparats die schwierige Arbeit unternahm. Im Anfange des J. 1857 vollendete Milde nach meinen Angaben und unter meinem Beirath die Zeichnung eines großen Wappens mit Schildhaltern, Krone und Helmzierden, 4 Fuß hoch, und der dirigirende Baumeister, Geheime Oberbaurath Stüler zu Berlin, billigte den Entwurf, nachdem er in der Stellung der Helmzierden und in der Bewegung der Helmdecken und der Schildhalter einige mehr ansprechende Veränderungen vorgenommen hatte. Se. Königliche Hoheit der Großherzog genehmigte schließlich die ganze, auch in Farben ausgeführte Zeichnung. Die Ausführung ward der Sorgfalt des Hauses C. R. Brunnarius (aus Schwaben) zu Paris (maison spéciale pour l'ameublement de palais), welches schon viele Kunstwerke für das Schloß geliefert hatte, anvertraut; dieses hat denn das große Wappen in Gold, Silber und Farben auf eine so prachtvolle und meisterhafte Weise in Paris sticken lassen, daß diese Stickerei zu den ausgezeichnetsten Arbeiten dieser Art gehört. Das Wappen, wie es jetzt im Thronsaale hängt, ward noch im J. 1857 ausgeführt.

Dieses Allerhöchst gebilligte Wappen 11) über dem Throne im Thronsaale des Schlosses zu Schwerin ist jetzt zur Richtschnur für das meklenburgische Wappen aufgestellt. Ich gebe daher hier nach demselben, mit Zugabe von geschichtlichen Erläuterungen, eine Blasonirung des meklenburgischen Wappens.




10) Ein großer Theil der Verschlechterung des Wappens fällt auf den sonst so sehr verdienten Gatterer, dessen Werke so sehr verbreitet sind, indem er nicht allein ein ganz schlecht gezeichnetes Wappen in Umlauf brachte, sondern auch sehr vieles in dem Wappen falsch blasonirte und historisirte. Freilich fehlte es an genügenden Vorarbeiten.
11) Alle Wappentheile ganz auf die ursprünglichen, ältesten Formen zurückzuführen, schien unthunlich, da die Ausbildung und Verbreitung seit mehr als 399 Jahren auch ihre factische Berechtigung hat und zu tief eingewurzelt ist.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber das mecklenburgische Wappen