Abschnitt 1

Der stargardische Arm.


Daß der sogenannte „stargardische Arm“ durch den Herzog Magnus II. in das meklenburgische Wappen eingeführt worden sei, ist ziemlich allgemein angenommen, jedoch ist es noch nicht ausgemacht, was dieser Arm zu bedeuten habe. Ich will hier nicht auf ältere Annahmen eingehen, z. B. daß der Arm mit dem Ringe zum Andenken an die Erwerbung der Herrschaft Stargard aufgenommen sei, indem die Fürstin Beatrix ihrem Gemahle, dem Fürsten Heinrich II. dem Löwen, das Land zugebracht habe, - sondern gerades Weges in die Sache eingehen. Alte Nachrichten sind über dieses Schildzeichen gar nicht vorhanden, so viel ich auch überall seit einem Vierteljahrhundert darnach geforscht 3) habe; es scheint, als wenn sich alle Geschichtschreiber gefürchtet haben, eine Sache zu berühren, die sie nicht aufzuhellen im Stande waren. Die Sache läßt sich also nur auf dem Wege der geschichtlichen Combination erledigen.


Ausgemacht ist es, daß der Herzog Magnus II. (1477 † 1503) das fünfschildige Wappen annahm und namentlich den Arm in dasselbe einführte. Es entstehen nun zwei Fragen: wann der Herzog den Arm aufgenommen und was der Arm zu bedeuten habe.

Die erste Frage ist, wann der Herzog das Wappen aufgenommen habe. Man muß bei Beantwortung dieser Frage bemerken, daß der Herzog mehrere Siegel hatte und diese mit seinen Brüdern, namentlich mit seinem Bruder Balthasar, in gleichen oder ähnlichen Formen führte. Der Herzog Magnus, ein kräftiger Mann, war angehaucht von dem ritterlichen Geiste des Kaisers Maximilian I., welcher äußern ritterlichen Turnierglanz liebte. Daher kam es auch, daß Herzog Magnus mehrere Siegel und namentlich oft ein sehr großes, sogenanntes „größtes“ oder „Majestäts-Siegel“ führte, welches mit schildhaltenden Engeln, Helmdecken, hohen wallenden Pfauenfedern, geschlungenen Bändern reich verziert ist. Zu bemerken ist jedoch, daß schon sein Vater, der Herzog Heinrich, ein ziemlich großes Siegel mit Schildhaltern und Helm führte und dieses z. B. 1458 sein „majesteten ingesegel“ nennt.

Der Herzog Magnus und sein Bruder Herzog Balthasar führen drei verschiedene Siegel:

1) Ein kleines Siegel (in mehrern, wenigstens zwei Stempeln) mit drei Schilden. Im Jahre 1480 führen z. B. die drei Brüder Albrecht, Magnus und Balthasar jeder ein gleich gestaltetes kleines Siegel mit drei neben einander gestellten Schilden; der Herzog Balthasar hat z. B. 1495 auf einem andern kleinen Siegel die drei Felder in Einem Schilde vereinigt. Diese kleinen dreischildigen Siegel führen die Herzöge zu gewöhnlichen Ausfertigungen noch lange nach der Annahme des fünfschildigen Siegels, z. B. noch häufig im J. 1494 und sicher noch im Januar 1495.

2) Ein mittleres Siegel mit dem fünfschildigen Wappen, welches auf dem Siegel des Herzogs Magnus von einem Engel, auf dem Siegel des Herzogs Balthasar von zwei Greifen gehalten wird. Diese Siegel führen die Herzoge sicher schon an einer Urkunde des rostocker Domstifts vom Andreastage 1483 und an einer Urkunde des Klosters Wanzka vom Johannistage 1488.

3) Ein großes Siegel mit dem fünffchildigen Wappen, welches auf dem Siegel des Herzogs Magnus von zwei Engeln, auf dem Siegel des Herzogs Balthasar von zwei Greifen gehalten wird, mit einem großen Helmschmucke, dem Helme für Meklenburg. Dieses Siegel führen die Herzoge sicher schon an einer Urkunde des Klosters Rehna vom 24. Nov. 1489 und wiederholt an andern Urkunden in den Jahren 1495 und 1496. Die Herzoge nennen dieses Siegel häufig ihr „grotestes ingesegele“ (vgl. auch Lisch Maltzan. Urk. IV, S. 214) und auch mitunter ihr „majesteten ingesegele“ z. B. am 28. Oct. 1496.

Es ist also erweislich, daß die Herzoge das fünfschildige Siegel schon im J. 1483 angenommen hatten. Hiernach kann also die Nachricht, welche Lambert Slagghert in seiner Chronik des Klosters Ribnitz (1502-1532) giebt, die einzige vorhandene alte Nachricht, nicht richtig sein:

„Anno 1494. Maximilianus de Keyser dorch Vordenst
des Herrn Hertich Magnus tho Mekelenborch heft em
gegeuen de Hand myt ener Dwelen (Handtuch) ofte den
Armen myt enem gulden Vinger in der Hand in sin
Wapent, welker nen Vorste ofte Hertoge vor em heft
ghevoret, vnd also is vorendert worden der Vorsten tho
Mekelenborch er Wapent van Tyden tho Tyden“.




3) In Wien hat trotz vieler Nachforschungen kein Wappenbrief gefunden werden können.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber das mecklenburgische Wappen