Schlesien

In Beziehung auf die Regulierung der bürgerlichen Verhältnisse der Juden, war den Ständen allergnädigst anheim gegeben worden, ihre Wünsche und Vorschläge anzubringen.

In Gemäßheit dieser Allerhöchsten Ermächtigung haben die Stände das Gesetz vom 17. März 1812, so wie dessen Einwirkung auf die Umbildung der Juden, und deren Stellung zu den christlichen Einwohnern des Staats einer unbefangenen Prüfung unterwerfen; das Ergebnis derselben schien dem von dem Gesetz gehofften Erfolge nicht zu entsprechen.


Die unsittliche einseitige Richtung des Judenwesens, welche frühere Bedrückung zum Teil entschuldigen konnte, wurde nicht zum Besseren gelenkt gefunden, die Aussöhnung mit den christlichen Staatsbürgern, die Erweckung des Gemeingeistes und Burgersinns, das Ergreifen gemeinnütziger Erwerbszweige wurde vermisst, dagegen der Hang, durch Wucher und Schacher unerlaubten Gewinn zu suchen, im Schankgewerbe den Unverstand des leichtsinnigen Landmanns zu benutzen, und durch Umgehung der Staatsauflagen sich beim Handel in Vorteil gegen den christlichen Kaufmann zu setzen, nicht vermindert erachtet.

Die Ursachen dieser verfehlten Wirkung des Gesetzes glaubten die Stände vorzüglich in der Gewalt zu finden, welche die theokratische Verfassung dieses Volks auf ihre Ansichten, ihre Sitten und ihre Lebensweise ausübte. Zu einer Umbildung desselben erschien daher kräftigeres Eingreifen in das jüdische Erziehungswesen entschieden notwendig.

Diesem zu Folge müssten alle Rabbiner und Assessoren inländische Universitäten besucht, auch insbesondere Philosophie namentlich Moral-Philosophie und orientalische Sprachen gründlich studiert haben, auch diese, so wie überhaupt alle jüdische Lehrer, ihr Amt nur nach einer vollständigen Prüfung über ihre Fähigkeiten antreten dürfen.

Die Juden würden ferner durch ernste Maßregeln zur Errichtung der für ihre Ausbildung erforderlichen Schulen, mit welchen in den größeren Städten Gewerbsschulen zu verknüpfen wären, anzuhalten, und wo Vereinzelung dies nicht erlaubt, genötigt sein, ihre Kinder in christliche Schulen zuschicken, auch müsste der Unterricht in jüdischen Schulen ohne Ausnahme nur in deutscher Sprache erteilt werden.

Als eine dem Zweck entsprechende aber allerdings durchgreifende Maßregel erkannte der Landtag auch das Verbot für die Juden, christliches Gesinde zu halten, welches jedoch für Ammen nicht Anwendung finden sollte. Auch eine Beschränkung in dem Hange vorherrschend den Handels-Erwerb zu ergreifen, und gänzliche Untersagung alles Hausierhandels, schien zu ihrer Entjudung angemessen.

An diese Maßregel sollte sich ein Wegweisen von dem Betriebe der Branntweinbrennereien und des Ausschanks anschließen, aus welchen zugleich die Ausschließung von dem Besitz von Rittergütern und Erbscholtiseien folgte.

Letztens glaubte der Landtag noch entschiedene und durchgreifende Bestimmungen gegen die hervorstechendste ihrer unsittlichen Richtungen, den Wuchergeist erforderlich, und fand diese in der den Juden bei Darlehns-Geschäften aufzulegenden Verpflichtung, gleich bei Zahlung des Darlehns auch den Beweis über die vollständig gezahlte Valuta zu führen.

Diese Beschränkungen, welche nur zum Zweck der Umbildung der Juden noch auf einige Zeit in Anwendung kommen dürften, und welche sich daher auf die Masse dieses Volks beziehen müssten, sollen jedoch die Überzeugung nicht ausschließen, dass viele jüdische Individuen sich von der volkstümlichen Befangenheit bereits losgerissen haben, und jetzt und später in ihrer sittlichen und staatsbürgerlichen Ausbildung derselben voreilen; für solche, welche daher durch Gemeinsinn, durch Aufopferung und patriotische Handlungen dem Gemeindebesten bedeutende Vorteile zuwenden, glaubten die Stände Befreiung von den aufgeführten Beschränkungen als Aufmunterung und Belohnung angemessen.

Auch bezogen sich die vorstehenden ehrfurchtsvollen Andeutungen nur auf das Herzogtum Schlesien und die Grafschaft Glatz, in welchen Landesteilen das Gesetz vom 17ten März 1812 zur Ausführung gekommen ist, indem die Landtags Abgeordneten des Preußischen Markgraftums Ober-Lausitz sich dahin vereinigt hatten. Seine Majestät den König ehrfurchtsvoll zu bitten:

die gegenwärtig über die bürgerlichen Verhältnisse der Juden daselbst noch bestehende Gesetzgebung allergnädigst unverändert zu belassen*).

*) In der Ober- Lausitz gilt noch die Sächsische Gesetzgebung über das Judenwesen, durch welche die Erscheinung eines Juden in den Sächsischen Städten, Dresden und Leipzig ausgenommen, fast eben so selten ist, als die eines Sachsen in Jerusalem. Wir haben aus diesem aufgeklärten und gewerbefleißigen Lande bis jetzt noch keinen Wunsch vernommen, dass diese Gesetzgebung geändert werden möge.

Darin sprach sich jedoch der einstimmige Wunsch aller Stände des Landtags aus, dass dem Einwandern der Juden, sowohl aus fremden Staaten, als auch aus andern Preußischen Provinzen in die zum schlesischen Provinzial-Landtage verbundenen Landesteile durch allergnädigste Anordnung strenger Maßregeln kräftig gesteuert werden möchte.

[i]Heinrich Fürst zu Anhalt-Cöthen-Pleß.