Abschnitt 2

Ueber
das Treffen bei Walsmühlen
am 5./6. März 1719.


Doch hielt ihn dies nicht ab, den Herzog um die Erlaubniß zur Offensive zu bitten, weil er hoffe, die Hannoveraner einzeln zu schlagen; noch besser wäre es, wenn der Herzog selbst kommen und die bei Rostock stehenden Regimenter (Flohr und Krapff, jedes 10 Compagnien mit 1400 M. Solletat, und v. Vietinghoff-Dragoner, 5 Compagnien, ca. 400 M.) mitbringen wollte. Dem Generallieutenant v. Bülow ließ er sogar sagen, daß er angreifen würde, wenn dessen Truppen weiter vorrückten; aber dies brachte ihm nur eine abweisende Antwort ein, und er wagte dies auch nicht zu thun, als sich ihm dazu am 4. März bei Waschow, eine kleine Meile westlich von Wittenburg, eine günstige Gelegenheit bot. Als noch am selben Tage Abends bestimmte Befehle des Herzogs vom 3. und 4. (derselbe hatte inzwischen von General v. Bülow eine kaiserliche Resolution empfangen) den Generalmajor erreichten, bei weiterem Vorrücken der Commissions-Truppen auf Rostock zurückzugehen und sich nicht abschneiden zu lassen; und als dann am 5. Recognoscirungen den Weitermarsch „der Gäste oder fremden Truppen“ in gefährlichster Richtung unzweifelhaft machten: da verließ v. Schwerin am Nachmittage Wittenburg und Umgegend auf der Straße über Walsmühlen nach Schwerin. Im Zurückgehen passirten seine Truppen die Stellung des hannoverschen Dragoner-Regiments Wendt, ohne daß ein ernster Conflict entstanden wäre. Als v. Schwerin jedoch gegen Mitternacht an der Spitze des Regiments Tilly vor dem Défilé von Walsmühlen erschien, war die Brücke über die Sude nicht nur abgebrochen, sondern es wurde auch der gegen die Stellung des Nächstcommandirenden als Geißel erbetene freie Durchzug „ungestüm“ abgeschlagen. Während der Verhandlungen erfolgte dann sogar eine Salve aus dem zur größeren Hälfte auf dem linken Ufer des Flüßchens liegenden, zur Vertheidigung eingerichteten Dorfe, so daß 5 Russen fielen. Der Kampf wurde hierauf allgemein; das Regiment Tilly verwendete seine Artillerie, warf Handgranaten und setzte über das kleine, noch mit Eis bedeckte Flüßchen an mehreren Stellen, so daß der selbst verwundete Oberst de Lueur nach tapferer Gegenwehr und großem Verluste (11 Offiziere, 106 Mann waren todt und verwundet, auch die Fahne ging verloren) das Dorf räumen mußte und vermuthlich auf die Rothemühle zurückeilte. Von hannoverscher Seite wird dagegen behauptet, daß aus dem Dorfe nicht geschossen worden, vielmehr der umfassende Angriff sofort erfolgt sei, nachdem Oberst de Lueur die Passage wiederholt verweigert hatte. Jedenfalls hatte General v. Schwerin alle Ursache, den Paß für seine Truppen und die unter dem Schutze des Dragoner-Regiments Lilliestreng folgende große Bagage- und Proviant-Colonne frei zu bekommen. Nach beendetem 1- bis 2 stündigem Nachtgefechte wurde die Brücke hergestellt und zunächst von der übrigen meklenburgischen Infanterie und dann vom Leib-Regiment benutzt. Noch war letzteres im Defiliren begriffen, als seine Queue von dem hannoverschen Regiment Wendt, welches herbeigeeilt war und die Train-Colonne durchbrochen hatte, angefallen wurde, und mit ihm durch das Dorf jagte. Es gelang jedoch dem Generalmajor v. Schwerin durch einen persönlich geführten Gegenangriff, unterstützt von Infanteriefeuer, die feindlichen Dragoner noch auf dem durch die Niederung führenden Damm aufzuhalten und über die Brücke zurückzutreiben, so daß nun auch die meklenburgische Bagage folgen konnte, worauf er die Brücke neuerdings abbrechen ließ. Gegen Anbruch des Morgens war dies geschehen, das Dorf und das sehr durchschnittene Terrain an der Sude besetzt, die übrigen meklenburgischen Truppen auf einer südwestlich bei Walsmühlen gelegenen Plaine gesammelt; die Train-Colonne marschirte ohne Aufenthalt nach Schwerin zu.


Inzwischen hatte Generallieutenant v. Bülow in Gammelin Kenntniß von dem bei Walsmühlen vorgefallenen erhalten. Er concentrirte unverweilt die 3 Regimenter Wendt, St. Laurent und Schlütter (8 Escadrons), ging über die Sude (wohl bei Rothemühle), um das Regiment de Lueur aufzunehmen, und ließ anreiten, als ihm bei Hellwerden die Meldung zuging, daß Meklenburger und Russen auf der Plaine südwestlich von Walsmühlen stünden. Andererseits befahl General v. Schwerin, vom Vorgehen der hannoverschen Cavallerie durch vorgesandte Patrouillen benachrichtigt, die Truppen zum Gefecht aufzustellen; Lilliestreng-Dragoner als Avantgarde vor der Front, als rechter Flügel diente das besetzte Walsmühlen mit seinen Hecken u. s. w., in's Centrum rückte die russische Infanterie mit 4 Regimentsstücken (und wahrscheinlich 3 meklenburgischen Feldkanonen), auf den linken Flügel das Leib-Regiment. Noch war aber der Aufmarsch nicht völlig beendet, als das letztgenannte Regiment attaquirt wurde; dieses hielt sich jedoch so gut, daß die Hannoveraner zurückweichen mußten und eine zweite Attaque nicht unternahmen. Dem entgegen wollen dieselben erst angegriffen haben, nachdem sich die feindliche Reiterei rechts gezogen, um ihre Infanterie und Artillerie freizumachen, und nachdem sie von dieser beschossen worden wären; dann aber hätten sie jene völlig in die Flucht geschlagen und wären erst hierauf außerhalb Geschützwirkung zurückgegangen. Die Wahrheit dürfte sein, daß die hannoversche Cavallerie während ihres Vorgehens zur Attaque vom Artillerie- und Infanteriefeuer zu leiden hatte, ein lebhaftes Handgemenge stattfand, dem sich das eben erst mit requirirten Pferden beritten gemachte Regiment Lilliestreng sehr bald und eilig entzog, während das Leib-Regiment um so tapferer focht (es waren alle seine 3 Stabsoffiziere verwundet), und daß das Zurückweichen der Hannoveraner nicht eben freiwillig erfolgte, da sie 2 verwundete Stabsoffiziere in den Händen ihrer Gegner ließen. Es scheint übrigens, als sei auch bei Walsmühlen selbst gefochten worden, obschon kein Bericht dessen erwähnt; denn in den Verlustlisten der Hannoveraner kommen das Dragoner-Regiment Bülow (es stand am 4. bei Waschow) und das Infanterie-Regiment Belling, auf Seite der Meklenburger aber das Bataillon Zülow vor.

Nach dem Gefechte blieb General v. Schwerin noch 2 Stunden stehen und marschierte dann ungestört nach Schwerin ab, wo er gegen Mittag einrückte und sofort an den inzwischen nach Potsdam gegangenen Herzog berichtete. Andererseits sammelte General v. Bülow noch am 6. März das Gros seiner Truppen in und bei Wittenburg, und setzte sich von da erst am 10. gegen Schwerin in Marsch, welches die meklenburgischen Truppen mit Hinterlassung einer schwachen Besatzung geräumt hatten, um sich befehlsmäßig auf Rostock zurückzuziehen.