A. Die Temperatur der Erde und ihrer Oberfläche, insofern sie von der Sonne abhängt

Die Temperatur der Erde wird ohne Frage im Allgemeinen von dem Platze, welchen sie im Universum einnimmt, mehr insbesondere aber von ihrer Stellung zur Sonne reguliert. Dieser Stellung entsprechen sehr deutlich die Eigentümlichkeiten der Bildungsteile der Erde, insofern einige fest, andere flüssig und noch andere gasförmig den Umständen gemäß erscheinen. —

Die von der Sonne uns zukommende Wärme, wie das Licht, sind beide sehr ungleich über die Erdoberfläche verteilt, und es ist eine jedermann bekannte Thatsache, daß die Temperatur der Erdoberfläche allmählich abnimmt, je weiter wir uns von dem Äquator ab, nach Norden oder Süden zu, den Polen nahern. Außer diesen mehr im Allgemeinen auf die Temperatur influenzierenden Umständen, tragen zu ihrer spezielleren Verschiedenheit an einzelnen Punkten der Erde noch andere bei, von denen ich hier namentlich anführen will:


1. Die Beschaffenheit der Erdoberfläche, insofern sie aus Wasser oder trockenem Lande besteht.

2. Die größere oder geringere Erhebung derselben über den Meeresspiegel.

3. Die besondere Konfiguration und die geographischen Beziehungen jedes einzelnen Ortes; je nachdem er gegen Süden oder Norden, geschützt oder exponiert liegt; ferner die Mischung und Beschaffenheit des Erdbodens, besonders seine Farbe und die Eigentümlichkeit seines Gefüges, wovon vorzüglich seine Absorptionskraft und seine Ausstrahlungskraft in Bezug auf Wärme und Licht abhängt, so wie seine größere oder geringere Empfänglichkeit für Feuchtigkeit; ferner die Nähe oder die Entfernung von Meeren; das Vorherrschen gewisser Winde, dir Häufigkeit von Wolken und Nebel.

Diese und andere unzählige Umstände tragen zur Influenzierung auf die Temperaturen der verschiedenen Orte bei und machen diese in der Tat eben so verschieden, als die Orte selbst.

Beobachten wir an irgend einem Orte bei dem Anfange jeder Stunde eines beliebigen Tages das Thermometer, so zeigt uns, wie bekannt, vielleicht jede einzelne Beobachtung einen andern Grad der Temperatur an. So entsteht die Frage: welche Temperatur haben wir für den gegebenen Ort als die charakteristische Temperatur dieses Tages zu betrachten? Die Antwort darauf ist: diejenige Temperatur, welcher Art sie auch sein mag, die in der Mitte, gleich weit von den Extremen liegt; oder wie sie gewöhnlich genannt wird, die mittlere Temperatur des Ganzen. Wir finden sie dadurch aus, daß wir die erhaltenen Resultate alle zusammen zählen und die Summen durch die Zahl der gemachten Beobachtungen dividieren; auf diese Weise erhalten wir die mittlere Temperatur eines Tages durch Addieren der Zahlenresultate der zu verschiedenen Stunden des Tages beobachteten Temperaturen, und durch Dividieren der Summe mit der Zahl der Beobachtungen. Ebenso verfährt man, um die mittlere Temperatur eines Ortes von einer Woche, einem Monate, einem Jahre zu bekommen, wobei noch zu bemerken ist, daß das Mittelresultat um so genauer sein wird, je mehr Beobachtungen man angestellt hat.

Noch ist zu erwähnen, daß die Meteorologen unter dem Ausdruck Temperatur stets die der Luft zunächst der Erdoberfläche verstehen, welche von einem Thermometer angezeigt ist, das vollkommen gegen die Sonne und andere fremde Einflüsse geschützt ist. —

Die wahrscheinliche mittlere Temperatur der Pole ist stets ein interessanter Gegenstand meteorologischer Forschung gewesen, nichts desto weniger wissen wir darüber bis jetzt nichts Gewisses weiter, als daß wir bei den Versuchen, die Temperatur des Nordpols zu berechnen, sehr verschiedene Resultate erhalten werden, je nachdem wir die Temperatur der alten Welt oder die in der neuen beobachtete dabei zum Grunde legen. Die Temperatur der alten Welt deutet darauf hin, daß die Polartemperatur etwa + 10° Fahrenheit betrage, während die der neuen Welt sie bedeutend unter Null vermuten läßt. Man hat daraus gefolgert, daß es zwei Punkte oder Pole der größeren Kälte gebe, welche unter ungefähr 80° nördlicher Breite und 95° östlicher und 100° westlicher Länge lägen, so daß folglich der geographische Pol des Erdballs nicht der kälteste Punkt der arktischen Hemisphäre ist. Ob diese Deduktion wirklich begründet ist oder nicht, müssen künftige Beobachtungen entscheiden.

Die niedrigsten Temperaturgrade, worüber wir authentische Beobachtungen besitzen, sind die von Kapitän Parry auf Melville Island angestellten, wo das Thermometer im Schiffe oft auf — 50°F. und in einiger Entfernung vom Schiffe selbst auf 55° unter Null beobachtet wurde. Der höchste Kältegrad, welcher bis jetzt künstlich hervorgebracht worden ist, war 91° unter Null. —

Eben so, wie die jährliche mittlere Temperatur der Polargegenden noch ein meteorologisches Problem von großem Interesse ist, so auch die der Äquatorialgegenden. Humboldt bestimmte nach einer sehr ausgedehnten Generalisierung die mittlere Äquatorial-Temperatur auf 81½°F., und auch Andere haben dies angenommen. Jedoch neuerdings sind Versuche gemacht, darzutun, daß diese Temperatur sich 3° oder 4° unter der Wirklichkeit befinde; in Erwiderung worauf Humboldt jedoch bei seiner frühern Meinung geblieben ist. Da unter dem Äquator nur etwa 1/6 des ganzen Umfanges des Erdballs aus trockenem Lande besteht, so ist die allgemeine Äquatorial-Temperatur, so wie wir sie in der Wirklichkeit finden, vielleicht niedriger, als sie nach theoretischen Grundsätzen sein müsste; und sicherlich viel niedriger, als sie nach den Observationen sein müsste, welche auf dem Kontinente in der Nachbarschaft des Äquators angestellt worden sind. So ist die mittlere Temperatur von Pondichery, unter 11°, 55' nördlicher Breite, wenigstens 85° F.; und wollte man von dieser Temperatur die des Äquators nach gewöhnlichen Prinzipien abnehmen, so würde die Deduktion gewiß viel über die Wirklichkeit betragen. — Die Sache ist die, daß uns für die vollkommen genügende Bestimmung der Äquatorialtemperatur eben so gut die nöthigen Daten fehlen, wie für die der Polartemperatur. —

Die Beobachtungen über den höchsten Temperaturgrad, welche wir besitzen, sind nicht ganz zuverlässig, und nur als approximativ anzusehen. So soll das Thermometer zu Benares auf 100°, 113° und selbst auf 118° F. gestanden haben; zu Sierra Leone hat es, auf den Erdboden placiert, eine Temperatur von 138° angezeigt. Humboldt gibt gleichfalls viele Angaben über die Temperatur der Erdoberfläche an, die bis zu 118°, 128° und 129° hinaufstieg, und bei einer Gelegenheit fand er die Temperatur eines lockern und groben Granitsandes bis zu 140° steigen, während das Thermometer zu derselben Zeit in der Sonne nur eine Temperatur von ungefähr 97° anzeigte. —

Rücksichtlich der Temperatur hat man nun die Erdoberfläche beider Hemisphären zwischen den Polen und dem Äquator genauer und naturgemäßer eingeteilt, als dieses durch die alte Einteilung in Zonen geschehen war; man nennt diese neue die Isothermal-Einteilung. Nach dieser Einteilung gehören alle die Orte auf unserm Erdballe, welche ein und dieselbe mittlere jährliche Temperatur haben, in eine Klasse; und man nennt die Linien, welche auf einer Karte durch solch eine Serie von Orten gezogen werden, Isothermallinien oder Linien von gleicher Temperatur. Der Lauf dieser Linien kann natürlich keineswegs gleichmäßig sein, so daß, wenn z. B. zwei Reisende ausreisten, der eine von London, der andere von Paris, und jeder von ihnen besuchte alle die Orte der nördlichen Hemisphäre, welche dieselbe mittlere jährliche Temperatur haben, wie jene beiden Städte, die Linien ihrer Reiseroute oder die Isothermallinien dieser beiden Städte nicht nur nicht parallel laufen würden mit der Breite, in welcher ein jeder dieser gleich temperierten Orte liegt, sondern auch nicht parallel mit einander. Eben so würde es mit irgend sonst zwei Orten des Erdballs der Fall sein. Da es demnach eben so viele Isothermallinien gibt als Orte, und ihre Abweichungen unter einander eben so zahlreich sind, als ihre Anzahl, so haben die Geographen sie in Gürtel oder Zonen gruppiert; und Humboldt, dem wir das Meiste, was für diesen Gegenstand geschehen ist, verdanken, hat unsere nördliche Hemisphäre in folgende sechs Isothermalzonen geteilt:

Zur bessern Verdeutlichung wollen wir hier kurz den Verlauf der nördlichsten dieser Linien, der Isothermallinie von 32° F. angeben:

Wenn wir diese wichtige Linie in ihrem Verlaufe von dem östlichen Sibirien (130° östlicher Länge) aus verfolgen, so werden wir finden, daß sie in diesem Meridian fast am 59° nördlicher Breite anfängt, von wo ab sie eine allmähliche Biegung nach Norden macht und die Parallele des 60° nördlicher Breite fast unter dem 96° östlicher Länge kreuzt. Von hier geht sie noch immer nordwärts und kreuzt den arktischen Kreis im 43° östlicher Länge, erreicht seine nördlichste Ausbiegung etwa im 67½° Breite und 10° östlicher Länge. Von dieser ihrer nördlichsten Grenze nimmt die Linie dann eine allmähliche Richtung nach Süden; durchkreuzt wieder den arktischen Kreis und zwar diesmal im 15° westlicher Länge, und durchschneidet, indem sie durch das Nord-West-Ende der Insel Island geht, die Parallele des 60° im 42° westlicher Länge. Von hier wendet sich die Linie weiter südwärts zu dem 54° der Breite, ein wenig im Norden der Tafelbay in Labrador; und langt, allmählich sich senkend in ihrem Verlaufe, im 100° westlicher Länge mitten in dem neuen Kontinente von Nordamerika an. Die Isothermallinie von 32° F. schweift daher durch einen Raum von 14° bis 15° Breite, während ihr westliches Ende im Innern Nordamerikas 5° bis 6° dem Äquator näher ist, als ihr östliches Ende in Sibirien, — ein schlagender Beweis für die größere Kälte des neuen Kontinents in gleichem Breitengrade. Die übrigen Isothermallinien haben in ihrem Verlaufe das Eigentümliche, daß sie allmählich ihre konvexe Biegung nach Norden mehr und mehr verlieren, je näher sie dem Äquator zu liegen kommen, so daß die Isothermallinie von 77° F. nur wenig von einer geraden Linie abweicht und mit dem Wendekreise des Krebses zusammenfällt. —

Bei dieser Isothermaleinteilung der Erdoberfläche der Hemisphären hat man die mittleren Temperaturen des ganzen Jahrs zusammen gestellt, allein eben so gut läßt sich dasselbe Prinzip auf irgend einen einzelnen Teil des Jahres, eine Jahrs zeit anwenden, um z.B. die entgegengesetzten Temperaturen des Sommers und des Winters zu bestimmen. Solche Klassifikationen sind oft von der größesten Wichtigkeit, um uns in den Stand zu setzen, den Charakter eines einzelnen Landes zu schätzen. Die Linien, welche man durch Orte gezogen hat, die gleiche Sommertemperatur haben, nennt man Isotherallinien, und die, welche man durch Orte von gleicher Wintertemperatur gezogen hat, Isocheimallinien.

Um eine summarische Skizze von der Verteilung der Temperatur über die nördliche Hemisphäre, so wie sie in Wirklichkeit statt findet, zu geben, will ich mich der Worte Humboldts bedienen:

Ganz Europa, sagt dieser ausgezeichnete Naturforscher, hat, im Vergleiche mit Amerika und Asien, ein Inselklima; und auf ein und derselben Isothermallinie werden die Sommer heißer und die Winter kälter, je weiter wir vom Meridian des Montblanc nach Osten oder nach Westen gehen. Man kann Europa als die westliche Verlängerung des alten Kontinents ansehen; und die westlichem Teile aller Kontinente sind nicht nur wärmer, unter gleichen Breiten, als die östlichen; sondern selbst in den Isothermalzonen sind die Winter härter und die Sommer heißer an den östlichen Küsten als an den westlichen beider Kontinente. Der nördliche Teil von China, so wie die atlantische Seite der vereinigten Staaten weist Jahreszeiten auf, die sich streng entgegenstehen; während die Küsten von Neu-Kalifornien und die Mündung des Columbia fast gleich temperierte Winter und Sommer haben. Wir finden in New-York den Sommer von Rom und den Winter von Kopenhagen; in Quebec den Sommer von Paris und den Winter von St. Petersburg; in Peking, wo die Mitteltemperatur des Jahrs die der Küsten der Bretagne ist, übersteigt die sengende Hitze des Sommers die von Kairo, und die Winter sind so streng, wie zu Upsala. So herrscht dieselbe Sommertemperatur zu Moskau im Herzen von Rußland, wie an den Mündungen der Loire, obgleich ein Unterschied von 11° Breite statt findet; eine Tatsache, welche schlagend die Wirkung der Ausstrahlung der Erde auf einem weiten Kontinente ohne Berge beweißt. Diese Analogie zwischen den östlichen Küsten von Asien und Amerika zeigt hinreichend, fährt Humboldt fort, daß die Ungleichmäßigkeiten der Jahrszeiten abhängig seien von der Verlängerung und Ausdehnung der Kontinente nach den Polen zu; von der Größe der Meere in Beziehung zu ihren Küsten, und von der Häufigkeit der Nordwestwinde; keineswegs aber von der Nachbarschaft eines Plateau oder einer Erhöhung der zunächst liegenden Länder. Die große Länderfläche Asiens erstreckt sich nicht über 32° Breite, und im Innern des neuen Kontinents befindet sich das ganze ungeheure Becken, welches von der Alleghanykette und den Rocky-Gebirgen begrenzt wird, nicht mehr als zwischen 656 und 920 Fuß über dem Meeresspiegel.

Was die Temperaturen der südlichen Hemisphäre anlangt, so hängt ihre Verschiedenheit von der der nördlichen jedoch nicht von irgend einem materiellen Unterschiede in dem Verhältnisse der Sonnenwärme und des Sonnenlichts ab, sondern von der sehr ungleichen Verteilung des Meers und des Landes in beiden Hemisphären; indem die geringe Masse Land in der südlichen Hemisphäre zur Egalisierung der Jahrszeiten beiträgt. Nach Humboldts Angaben zu schließen, ist es mehr die Verteilung der Wärme auf die verschiedenen Jahrszeiten, als die absolute Höhe derselben während des ganzen Jahrs, welche den südlichen Klimaten einen eigentümlichen Charakter gibt, und sie im allgemeinen dem Charakter der Inselklimate nähert. — Die mittlere Temperatur kennt man über den 51° südlicher Breite nicht genau; indes ist kein Grund vorhanden, zu glauben, daß die Isothermallinie von 32° vom Südpol weiter entfernt liege, als dies der Fall am Nordpol ist; und einige Umstände, die indes nicht ganz zuverlässig sind, scheinen sogar auf den ersten Blick zu beweisen, daß sie dem Südpole vielmehr näher sei, als sie dem Nordpole ist.

Was die Temperatur des Südpols selbst anlangt, so fehlen uns zu ihrer genauen Schätzung leider in eben dem Grade die Mittel, wie dies bei dem Nordpole der Fall ist.

So viel über die allgemeine Verteilung der Temperatur über beide Hemisphären. —


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber das Seebaden und das Norderneyer Seebad