2. Die Atmosphäre

Die Verteilung der Wärme und des Lichts durch die Atmosphäre ist uns in so weit bekannt, als wir wissen, daß außer der Emulation derselben in den Äquatorialgegenden und ihrer Abnahme nach den Polargegenden zu, die Temperatur der Luft in den höhern Regionen der Atmosphäre sich mehr und mehr vermindert, selbst bis zur ewigen Schneetemperatur, und zwar in dem Verhältnisse, daß bei 252 Fuß Höhe das Thermometer um 1° Fahrenh. fällt, bei 258 Fuß Höhe mehr um noch einen Grad; bei 258 Fuß Höhe mehr um einen dritten Grad und so fort. Die Ursachen dieser größeren Kälte in den höheren Regionen sind vorzüglich folgende zwei. Erstens die vollkommene Permeabilität der Atmosphäre für die Sonnenstrahlen, welche durch sie hindurchstrahlen ohne sie zu erwärmen, und zweitens die Vermehrung der Wärme-Kapazität der Luft in Proportion zu ihrer größeren Verdünnung. Mit der Abnahme der Temperatur in höheren Regionen steht die Schneelinie in enger Beziehung. Sie folgt natürlich der Erstreckung der mittleren Temperatur von 32° Fahrenh., anfangend von dem Niveau des Meers in den Polargegenden und dann fortwährend steigend bis zum Äquator. Das Auftreten der Schneelinie ist in der Wirklichkeit jedoch manchen Unregelmäßigkeiten unterworfen. Am beständigsten ist sie unter dem Äquator, in der Regel in einer Höhe von 15 — 16.000 Fuß. Mit der Entfernung vom Äquator zeigt das Auftreten der Schneelinie immer größere Unregelmäßigkeit. Die Gletscher der Gebirge in gemäßigten Zonen treten oft tief unter ihrer Grenze auf. Dieser ewige Schnee auf den Gipfeln der Berge ist von der größten Wichtigkeit in der Ökonomie der Natur, besonders in wärmern Klimaten, wo er die reiche Quelle unzähliger Flüsse wird.

Einen äußerst wichtigen Einfluß auf die gleichmäßige Verteilung der Temperatur haben die atmosphärischen Strömungen, die man als allgemeinere, welche sich mehr oder weniger über den ganzen Erdball erstrecken, und als solche, die durch vorübergehende Änderungen in der Temperaturverteilung entstehen und auf einzelne Lokalitäten beschränkt sind, unterscheidet.


Die allgemeinen Strömungen der Atmosphäre hängen vorzüglich von der ungleichen Temperatur des Äquators und der Pole, und von der täglichen Achsendrehung der Erde ab. Was das erstere anlangt, so wird der Leser sich erinnern, daß oben angegeben wurde, der Druck der ganzen Atmosphäre käme dem einer Quecksilbersäule von etwa 30 Zoll Höhe gleich; ferner, daß die mittlere Temperatur der Atmosphäre in der Nähe des Äquators und über dem Meeresspiegel über 80° F. beträgt, während sie in den Polargegenden beständig unter 32° F., dem Gefrierpunkte des Wassers ist. Da sich nun die Luft durch Wärme ausdehnt und spezifisch leichter wird, so ist es natürlich, daß eine bestimmte Masse Luft, die sich an den Polen an der Meeresoberfläche befindet, bedeutend schwerer sein muß, als eine gleiche Luftmasse über der Meeresfläche unter dem Äquator. Die schwerere und kältere Luft an den Polen wird daher eine Tendenz haben, von den Polen nach dem Äquator zu über die Erdoberfläche hinzuströmen und die leichtere Luft unter dem Äquator zu verdrängen; während diese, so von ihrem Platze geschoben, vermöge ihrer Leichtigkeit in die Höhe steigen und oberhalb der kaltem Luft nach beiden Polen zurückströmen wird, um das Gleichgewicht zu erhalten. Bei der Beständigkeit der Wärme des Äquators und der Kälte der Pole bleibt gleichfalls die Tendenz zu wechseln stets dieselbe, und so auch die Luftströmungen ununterbrochen.

Diese Luftströmungen machen das eine primäre Element der Winde aus und sind die großen Mittel zur Egalisierung der Temperatur über dem Erdballe. Wäre die Erde ohne alle Bewegung und frei von aller Unregelmäßigkeit, so müßten natürlich die Strömungen oder Winde in der Nähe ihrer Oberfläche in der nördlichen Hemisphäre ganz nördlich und in der südlichen Hemisphäre ganz südlich sein, wobei ihre Schnelligkeit, in jedem einzelnen Falle, von den Polen nach dem Äquator zu allmählich abnehmen und am Äquator selbst beständige Windstille sein würde.

Allein die beständige Achsendrehung der Erde von Westen nach Osten bewirkt eine Abweichung der Luftströmungen von ihrem nördlichen und südlichen Kurse nach Osten hin; und diese östlich gerichtete Abweichung macht das andere primäre Element der Winde aus.

In Bezug hierauf nun erinnere der Leser sich daran, daß bei der Rotation der Erde die stärkste Schwungkraft am Äquator und die möglichst geringe an den Polen statt findet, so daß, während die Pole ruhig sind, die Schnelligkeit des Umschwunges für irgend einen gegebenen Ort unter dem Äquator etwa 1000 englische Meilen in einer Stunde beträgt, nach den Polen zu von diesem Extreme gradatim ablassend. Diese Achsenbewegung bewirkt nun folgendermaßen eine östliche Strömung in der Atmosphäre. Gesetzt, es gäbe keine Luftströmungen von Norden und Süden dem Äquator zu, und die Erde drehte sich um ihre Achse wie jetzt, so müsste eins von folgenden zwei Dingen sich ereignen. Entweder nimmt die Erde bei ihrer Achsendrehung die sie umgebende Atmosphäre mit sich fort, und in diesem Falle würde eine beständige Windstille über ihrer Oberfläche sein; oder die Erde dreht sich innerhalb der Atmosphäre um sich selbst, und läßt diese hinter sich zurück so wie sie ist, und in diesem Falle würde eine deutliche Strömung (Wind) auf der ganzen Erdoberfläche in einer der Erdbewegung entgegengesetzten Richtung, also von Osten nach Westen, entstehen; welcher Wind, wenn wir annehmen, daß die Atmosphäre nicht mit der Erde sich fortbewegt, am Äquator natürlich am stärksten sein würde. Nun aber finden beide angegebenen Umstände ununterbrochen statt, und geben die Veranlassung zu allem Wechsel in den östlichen Strömungen auf der Erdoberfläche, welche mit den oben beschriebenen nördlichen und südlichen Luftströmungen sich verbinden und die Strömungen bewirken, welche unter dem Namen der Passatwinde bekannt sind*).

*) Die Theorie von der Entstehung der Passatwinde wurde vor etwa einem Jahrhundert von Mr. Hadley zuerst aufgestellt. Philos. Transact. XXXIX. Pag. 58.

Diesen großen atmosphärischen Strömungen kann man die Schwankungen des Barometers und alle die unzähligen Modifikationen zuschreiben, welche den verschiedenen Lokalitäten, je nachdem sie aus Meer oder Land, Bergen oder Ebenen bestehen, eigentümlich sind. Und dieselben Elemente, welche im Großen diese allgemeinen Luftströmungen bewirken, veranlassen, nur in verschiedenen Formen und Graden beständig fortwirkend, auch die endlose Verschiedenheit unter den Winden überhaupt, wie wir sie in der Natur wahrnehme», und von denen hier nur der See- und Land-Winde erwähnt werden soll.' Diese entstehen dadurch, daß die durch die Sonne vorzugsweise erwärmte Oberfläche des Festlandes bei Tage ihre Temperatur der über ihr befindlichen Atmosphäre mitteilt. Diese erwärmte Luftschicht wird dadurch spezifisch leichter, und steigt folglich in die Höhe, während die kältere und schwerere Luft von der umgebenden See herzuströmt, um ihre Stelle einzunehmen, und auf diese Weise die Strömung hervorbringt, welche man Seewind (sea-breeze) nennt. Des Nachts hingegen tritt das Entgegengesetzte ein, die mehr gleichförmig bleibende Temperatur der Gewässer hat in Beziehung auf die Temperatur des benachbarten festen Landes das Übergewicht gewonnen und so tritt die entgegengesetzte Wirkung, ein Landwind (Land-breeze) ein. An den Küsten und auf den Inseln heißer Klimate gewähren diese Abwechselungen eine höchst angenehme Temperatur-Verschiedenheit. —

Nicht minder wichtig zur Formierung des Klimas, als die hier angeführten Eigentümlichkeiten der Luftmassen in der Atmosphäre, sind die Erscheinungen, welche von dem Wassergehalte der Atmosphäre abhängen, und die wir gewöhnlich das Wetter nennen.

Das Wasser nimmt die elastische Form in größerem oder geringerem Grade bei jeder Temperatur an. Vermöge der Tendenz des Wassers in dieser Form in die Höhe zu steigen, liefern nun nicht nur der Ozean, sondern auch Eis und Schnee der Atmosphäre ununterbrochen ihren Beitrag an Feuchtigkeit; und es wird diese wichtige Flüssigkeit, welche für die Existenz der Vegetabilien und Animalien gleich unentbehrlich ist, über die ganze Erdoberfläche verteilt. Die Prozesse, vermittelst welcher die Atmosphäre unter dem Einflusse der Temperatur Wasser in sich aufnimmt und wieder ausscheidet, sind unter den Namen des Evaporations- [Verdampfung] und Kondensations-Prozesses bekannt. — Das Verhältnis worin Wasserdunst mit der Atmosphäre gemischt erscheint, ist nicht immer gleich und wird allein durch die Lufttemperatur reguliert, indes kann die Atmosphäre nur bis zu einem gewissen Quantum an Wasserdunst aufnehmen, und man nennt sie dann mit Dunst gesättigt. Dieser Sättigungspunkt wird aber nie ganz erreicht, weil der von der Luft mittelst der Evaporation aufgenommene Wasserdunst stets früher durch den Kondensationsprozess in Gewölk verwandelt und entweder als Regen ausgeschieden, oder in der Luft wieder aufgelöst wird. Das Endresultat dieser Prozesse aber ist, daß das Wasser über der ganzen Erdoberfläche beständig in Dunstform zur Atmosphäre aufsteigt, um von dort als Regen wieder zur Erdoberfläche zurückzukehren. Damit dieser Vorgang allmählich geschehe und weder eine unablässige, noch eine plötzliche übermäßige Ausscheidung des evaporierten Wassers aus der Atmosphäre statt finde, bilden sich Wolken als Depots für den in der Atmosphäre enthaltenen Wasserdunst, welche zugleich dazu dienen, Wassermassen von den Meeren und dem Ozean her mittelst der Winde zu transportieren, um sie tief im Innern der Kontinente zu deponieren, wohin sonst nie Wasser zur Speisung der Flüsse und Tränkung der Erde gelangen würde. Wir finden daher auch die Luft über den Meeren dem der Breite und Temperatur angemessenen Saturationspunkte [Sättigung] im Allgemeinen weit näher oder mit andern Worten: reicher an Wasser in Dunstform, als die Landatmosphäre.

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Wenden wir nun die bei der Betrachtung der verschiedenen kosmischen und tellurischen Einflüsse, die überhaupt zur Formation klimatischer Unterschiede beitragen gewonnenen Resultate zur Beantwortung der am Anfange des Kapitels aufgeworfenen Fragen an, so glaube ich die Ursache der anerkannten Salubrität der Seeluft in denselben Umständen suchen zu müssen, welche auch den Vorzug des Insularklimas vor dem Kontinentalklima begründen. Sie konzentrieren sich aber in Bezug auf die Atmosphäre hauptsächlich auf folgende zwei:

l. Die auffallend größere Gleichmäßigkeit in der Temperatur derselben, wofür die beweisenden Data p.98 u. 99 angegeben worden sind. Zwar bezogen sich dieselben dort nur auf kleinere Inseln insofern diese ganz die Lufttemperatur der sie umgebenden großen Meeresfläche teilen, allein auch an den Küsten des Festlandes laßt sich ein Gleiches, wenn auch nur in geringerem Grade und mehr von dem Einflusse der See- oder Landrichtung der Winde abhängig, wahrnehmen. Der Beweise übrigens für die größere Salubrität eines Klimas überhaupt, dessen Temperatur eine konstante Gleichmäßigkeit zeigt, in Vergleich mit demjenigen, dessen Temperatur einem steten und raschen Weckst! unterliegt, wird es weiter nicht bedürfen. Mit der Anerkennung dieses Umstandes als eine der wesentlichen Ursachen der Salubrität der See-Atmosphäre wird zugleich der große Vorzug eingestanden, den in dieser Beziehung alle diejenigen Seebäder, welche auf Inseln liegen, vor denen voraus haben, weiche an der Küste des Festlandes sich befinden.

2. Der größere Gehalt an Feuchtigkeit in der Form von Wasserdunst. Das Meer ist in einem beständigen Evaporationsprozesse auf seiner Oberfläche begriffen, und die auf ihm ruhende Atmosphäre daher weit reichlicher mit wässerigen Teilen imprägniert, als die über dem festen Lande befindliche Atmosphäre. Daß dieser Umstand aber ganz vorzüglich zu der großem Respirabilität der Seeluft beitrage, scheint mir auf folgende Weise am einfachsten und wahrscheinlichsten erklärt.

Bei dem Respirationsprozesse hat die eingeatmete atmosphärische Luft nach ihrem Eintritte in die Mund- und Nasenhöhle erst einen bedeutenden Weg zurückzulegen, bevor sie bis in die Luftzellchen der Lungensubstanz gelangt. Teils nun durch die Länge dieses Weges, teils auch durch die Langsamkeit, mit welcher die allmähliche Zumischung der, mittelst der Inspirationen veranstalteten, neuen Zufuhr an sauerstoffhaltiger Luft in der Lungensubstanz ununterbrochen und nicht direkt abhängig von jedem einzelnen Ein- und Ausatmen vorgeht, wird es möglich gemacht, diese eingeatmete Luft, bevor sie durch Oxygenation des Blutes als letztes Erfordernis zur Beendigung des Sanguifikationsprozesses dient, erst auf gewisse Weise zu assimilieren. Diese Assimilation besteht vorzüglich in einer Änderung des Saturationsgrades und auch der Temperatur der Luft. Beides wird durch die Tätigkeit der Schleimhäute sämtlicher Luftwege vermittelt, auf ganz ähnliche Weise, wie die Nahrungsmittel auf ihrem Wege durch Mundhöhle, Schlund und Speiseröhre assimiliert werden, indem sie mit den Feuchtigkeiten dieser Teile sich verbinden und die Temperatur des Körpers annehmen, bevor sie dem eigentlichen Verdauungsprozesse anheimfallen. —

So nimmt die Luft auf ihrem Wege zu den Luftzellchen die Temperatur des Körpers an, und unter deren Einflusse die von der Schleimhaut sezernierten Feuchtigkeiten in sich auf. Je trockener daher die atmosphärische Luft und je bedeutender der Unterschied ist zwischen ihrer Temperatur und der des Körpers, desto mehr wird die assimilierende Tätigkeit der Schleimhaut der Luftwege in Anspruch genommen und desto unangenehmer ist das mit dem Respirieren verbundene Gefühl; je feuchter dagegen die eingeatmete Luft und je ahn-, licher ihre Temperatur der des Körpers ist, desto geringer die assimilierende Tätigkeit der Schleimhaut, desto leichter die Respiration, und desto angenehmer und wohltuender das mit dem Atmen verbundene Gefühl. — Wer kennt nicht die beklemmende, ja oft selbst bis zum schrinnenden Schmerz in Luftröhre und Bronchien sich steigernde Empfindung bei anhaltendem, austrocknendem Ostwinde, sowohl in glühender Sommerhitze, wie in eisiger Winterkälte? Und wer dagegen wird je des empfundenen Wohlbehagens und des wahrhaft wohltuenden Gefühls vergessen, der einmal zu Schiffe oder auf Inseln reine Seeluft geatmet hat?

Die wesentliche Ursache der größeren Respirabilität und Salubrität der Seeluft scheint mir daher ohne Zweifel vorzugsweise in ihrem größeren Feuchtigkeitsgehalte zu liegen, da auch bei ganz gleichen Temperaturgraden möglichst reiner Landluft und Seeluft sich die letztere stets mit viel mehr Wohlbehagen und ungleich größerer Leichtigkeit atmen laßt, als die erstere*).

*) Als sich von selbst ergebend will ich nur anmerkungsweise hier des wichtigen Einflusses erwähnen, welchen die große Reinheit oder der gänzliche Mangel an schädlichen, von der Oberfläche des festen Landes exhalierten [ausgeatmete] Dünsten, Gasarten und sonstigen Stoffen in der über der Meeresoberfläche befindlichen Atmosphäre auf die größere Salubrität der Seeluft ausübt; während die Landluft nur selten ganz frei von einer plus minus Zumischung schädlicher Stoffe ist, die sogar in manchen Gegenden ununterbrochen, in andern zu gewissen Jahrszeiten periodisch sich einstellend, bisweilen aber auch zufällig und plötzlich über große Länderstrecken sich verbreitend, und selbst Meere überspringend, statt findet. Bekanntlich beruht gerade hierauf eins der Hauptmomente für die Entwickelung vieler endemischer Krankheiten, ob auch immer der epidemischen, namentlich derjenigen, über deren miasmatischen oder kontagiösen Charakter der Streit noch nicht entschieden ist, steht dahin. — Als ein schätzenswerter Beitrag hierzu scheint mir jedoch noch folgende beachtungswerte Mitteilung Prouts, als eines zuverlässigen und sehr gewissenhaften Beobachters, hier einen Platz zu verdienen. Er sagt 1. c. S. 353: „die zufällig durch die Atmosphäre verbreiteten Stoffe, welche in einem aufgelösten Zustande (in a state of solution) zu sein scheinen, können wir nur selten durch unsere Sinne wahrnehmen, außer vielleicht in einzelnen Fällen durch den Geruchssinn.

Als einen Beweis für das Vorhandensein solcher Stoffe in der Atmosphäre, will ich hier einer sehr merkwürdigen Beobachtung erwähnen, welche dem Verfasser dieser Abhandlung während des letztlichen Grassierens der asiatischen Cholera sich darbot. Schon mehre Jahre hindurch mit Untersuchungen der Atmosphäre beschäftigt, hatte er mehr als sechs Wochen vor Ausbruch der Cholera in London angefangen, täglich Versuche anzustellen, das Gewicht einer gegebenen Menge Luft, bei stets gleicher Temperatur und gleichem Drucke, mit größtmöglichster Genauigkeit zu bestimmen. Eines Tages, am 9. Februar 1832, schien plötzlich das Gewicht der Luft den gewöhnlichen Grad zu überschreiten. Da diese Gewichtszunahme damals für das Resultat irgend einer zufälligen Irrung oder eines Derangements in dem angewandten Apparate angesehen wurde, so wurden in der Absicht, die eigentliche Ursache davon ausfindig zu machen, die folgenden Beobachtungen mit der allerstrengsten Genauigkeit angestellt; allein weder eine Irrung, noch ein Derangement des Apparates irgend einer Art war zu entdecken. An den unmittelbar darauf folgenden Tagen blieb das Gewicht der Luft noch fortwährend über dem frühern Grade, obgleich nicht ganz so hoch, als am 9. Februar, wo man diese Abweichung zuerst bemerkt hatte. Die Luft behielt ihr vermehrtes Gewicht die ganze Zeit hindurch bei, in welcher diese Versuche fortgesetzt wurden, nämlich etwa sechs Wochen länger. Die Vermehrung des Gewichts der Luft, welche bei diesen Versuchen wahrgenommen wurde, war gering, aber entschieden und faktisch. Die Methode, nach welcher die Versuche angestellt wurden, ließ keine Irrung zu, wenigstens nicht bis zu einem so bedeutenden Grade, als die Gewichtszunahme betrug, ohne daß die Ursache solcher Irrung ersichtlich geworden wäre. Es scheint daher nur eine rationelle Erklärungsweise zu geben für diese Gewichtszunahme der Luft zu London im Febr. 1832; die Annahme nämlich der Verbreitung (diffusion) irgend eines gasförmigen Stoffes durch die unteren Schichten der Atmosphäre dieser Stadt, welcher bedeutend schwerer war, als die von ihm verdrängte Luftschicht. — Am 9. Februar sprang der Wind, welcher bisher West gewesen war, nach Ost um, und blieb bis zu Ende des Monats meistens in dieser Richtung. Nun aber wurden genau gleichzeitig mit dem Wechsel des Windes die ersten Cholera fälle in London gemeldet, und von diesem Augenblicke an verbreitete sich die Krankheit mehr und mehr.

Daß die asiatische Cholera die Folge des eigentümlichen Zustandes der Atmosphäre war, kann man nicht mit Gewißheit behaupten; allein mehre Gründe veranlassen den Verfasser dieser Abhandlung zu glauben, daß die giftige Krankheit, welche Cholera genannt wurde, demselben Stoffe zuzuschreiben war, welcher die gleichzeitige Gewichtszunahme der Luft hervorbrachte. Die Entwicklung dieser Gründe gehört hier nicht her; und es wird die Angabe genügen, daß sie vorzüglich auf merkwürdigen Veränderungen gewisser Sekretionen des menschlichen Körpers beruhen, welche während der Dauer der Epidemie als fast allgemein vorkommend beobachtet wurden; und daß man ganz analoge Veränderungen derselben Sekretionen bei denen beobachtet hat, welche der sogenannten Malaria vielfach ausgesetzt gewesen sind. Der fremde Stoff daher, welcher im Februar 1832 in der Atmosphäre von London verbreitet war, ist wahrscheinlich eine Art von Malaria (a variety of malaria) gewesen“.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber das Seebaden und das Norderneyer Seebad