Die Freiheit der religiösen Vereinigung

Etwas ganz anderes als diese persönliche Religionsfreiheit ist nun freilich die Freiheit der religiösen Vereinigung. Diese überschreitet bereits das Gebiet der innern persönlichen Entwickelung und tritt in das Gebiet der öffentlichen Lebensordnung. Das aber ist die Aufgabe und Verantwortung der Obrigkeit; hier besteht zugleich die Rücksicht auf öffentliches Ärgernis und öffentliche Verführung, und hat darum die Obrigkeit im bestimmten Fall die richtige Ausgleichung je nach dem Inhalte der betreffenden Religion und je nach den Verhältnissen des Landes zu treffen, und ist keineswegs unbedingte und unbegrenzte Freiheit solcher Vereinigung eine Forderung aus der christlichen Toleranz. Wie nun aber auch die Obrigkeit religiöse Vereinigungen beschränken und untersagen mag, so darf sie doch dieselben - ebenso wie den persönlichen Abfall und aus demselben Grunde - nicht zum Gegenstande peinlicher Bestrafung machen, nicht als ein Verbrechen gegen den wahren Glauben behandeln.

Wohl ist im alten Testament (5 Mos. 17, 5) verordnet, dass Götzendiener gesteinigt werden sollen, und darauf gründete nicht bloß der Staat des Mittelalters. sondern auch und noch bewusster der Staat der Puritaner die peinliche Bestrafung der Verbrechen wider den Glauben. Hieraus stellte namentlich der Schottische Reformator Knox die Forderung, dass die Königin (Maria Stuart) hingerichtet werden müsse, weil sie den Götzendienst der Messe treibe. Allein der Staat des alten Bundes ist nicht das Vorbild (Typus) der christlichen Staaten, sondern des zukünftigen Reiches Gottes. Denn im christlichen Staat ist das Reich der Gnade nicht offenbar, gleichwie im jüdischen Staate das Reich des Gesetzes offenbar war; sondern dieses wird nur dereinst im Staate Gottes offenbar werden. Es ist diese Verborgenheit der Beziehungen der Gnade, worin der Grund und die Rechtfertigung liegt, dass der Staat Verletzungen gegen den Glauben straflos lassen muss.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber christliche Toleranz