Young, Edward - Über die Einwanderung des Jahres 1870

Herr Edward Young, Chef des statistischen Bureaus in Washington, spricht sich über diesen Gegenstand in seinem neuesten, vom Finanzminister Boutwell erstatteten Berichte über die Einwanderung des Jahres 1870 (S. N.-Y. Tribune vom 20. April 1871) folgender Maßen aus:

„Der große Gegensatz zwischen Tagelöhner und Professionisten (skilled and unskilled Cabor) zwischen Fleiß und Faulheit, zwischen ökonomischem Gedeihen und Nichtgedeihen, bezeichnet einen bedeutenden Unterschied in dem Kapitalwerte der dem Lande zuströmenden Einwanderer. Der Tagelöhner, welcher den Wald der Kultur unterwirft oder die Prärien urbar macht, ist von viel größerem Nutzen für das Land, als sein Genosse, welcher in den großen Städten hängen bleibt. Wenn wir Frauen und Kinder abziehen die kein besonderes Geschäft haben, so sind ungefähr 46% von der ganzen Einwanderung für eine der verschiedenen Berufsarten erzogen. Fast die Hälfte von ihnen sind Professionisten und Arbeiter, welche ihr Handwerk unter dem in der alten Welt überwiegenden strengen Systeme gelernt haben und sicher kommen, um auf uns die Wahrheit ihrer Erfahrung und Geschicklichkeit zu übertragen, ohne die Rückzahlung der dahier aufgewandten Kosten zu verlangen. In derselben Weise sind die ländlichen Arbeiter und Dienstboten in der nötigen Zucht aufgewachsen, welche sie zur Erfüllung ihrer Pflichten namentlich zur Arbeit an inneren Verbesserungen (Eisenbahnen, Kanälen usw.) befähigt. Fast 10% der Einwanderer bestehen aus Kaufleuten und Handelsleuten, welche zweifelsohne sowohl bedeutendes Kapital als Erfahrung mitbringen, während die geringere Zahl von Professionisten, zusammengesetzt aus Architekten, Ingenieuren, Erfindern und Männern von guter Erziehung und mehr oder minder großem Talent, unseren weit ausgedehnten Gebiete nicht allein bares Vermögen, sondern auch künstlerischen ästhetischen, geistigen und normalen Reichtum zuführen. Was das Alter dieser Einwanderer betrifft, so sind nur 25% über vierzig Jahre alt, so dass 60% übrig bleiben, welche zur Zeit ihrer Ankunft in der Blüte ihres Lebens stehen, und bereit sind ihren Beruf auszuüben. Im Verhältnis der Geschlechter überwiegt das männliche bedeutend das weibliche. Dieses Verhältnis wechselt bei den verschiedenen Nationalitäten, unter den Chinesen bilden die Weiber nur 7% der Einwanderung, während sie bei den Irländern 46% ausmachen und für die Gesamtzahl sich auf etwa 40% belaufen.


Die Löhne für Tagelöhner und gewöhnliche Arbeiter erreichen im ganzen Lande einen jährlichen Durchschnitt von 400 Doll. Angenommen, dass die Familien dieser Leute aus je vier Personen bestehen, so haben wir 100 Doll., welche jedes Individuum produziert und verzehren darf. Die jährlichen Ausgaben einer Arbeiterfamilie, welche aus zwei Erwachsenen und zwei kleinen Kindern besteht, werden wie folgt geschätzt: Für Tee, Kaffee, Zucker und andere fremde Waren, welche der Regierung einen Eingangszoll von etwa 60% zahlen, 60 Doll., für Mehl, Fleisch und Butter etwa 150 Doll., für Miete 50 Doll., für Feuer und Licht 30 Doll., für Gemüse und Kartoffeln 30 Doll., für Milch, Eier etc. 20 Doll., für Kleider, Haushaltungsgerät etc. 60 Dollars. Da die meisten der hier spezifizierten Ausgaben für inländische Bedürfnisse gemacht werden, welche eine Reihe von Gewinnen für den Detaillisten, den Grossisten, den Produzenten und Beförderer abwerfen, so bildet das Total dieser Nettogewinne den Durchschnittsbetrag, welchen eine solche Familie zum National-Vermögen beiträgt.

Die Summe von 800 Dollars scheint der durchschnittlich volle Kapitalwert jedes Einwanderers zu sein. Nach diesem Verhältnis haben die im Laufe des letzten Jahres an unseren Küsten Gelandeten unseren Volkswohlstand um mehr als 285 Millionen Dollars vermehrt, während innerhalb des lehren halben Jahrhunderts der Zuwachs aus dieser Quelle 6.243.880.800 Dollars ausmacht. Es ist unmöglich, den Wert jener Einwanderer vollständig abzuschätzen welche ihre Bildung, ihren feinen Geschmack, ihre künstlerische Geschicklichkeit und ihren erfinderischen Geist mitbrachten. Im Jahre 1839 landete im New-Yorker Hafen im Dampfer „British Queen“ von London ein schwedischer Einwanderer, den wir jetzt alle als Kapitän John Ericsson kennen. Wie viel war er dem Lande am 9. März 1862 wert? (Tag des ersten Gefechtes des „Monitor“ gegen den Rebellen-Dampfer „Merrimac“ bei Hampton Roads). Belief sich die Summe auf 800, 800.000 oder 8.000.000 Dollars?“

Schließlich noch die Bemerkung, dass, wenn man in dieser Weise die Berechnung auf alle Deutschen ausdehnen wollte, welche als Gelehrter Offiziere, Künstler, Ingenieure, Politiker, Baumeister etc. den Vereinigten Staaten genützt haben, dass dann ein Band von vielen hundert Seiten nicht ausreichen würden, das bloße Namensverzeichnis zu geben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber Auswanderung