Die Umbildung der Heeresverfassung.

Das Wesen des Lehnsheeres besteht darin, dass der Grundherr seine Hintersassen führt. So bequem dies für den Grundbesitz war, so unmöglich wurde dadurch eine taktische Gliederung; und unter den Mannschaften fehlte jener Wetteifer, der in gleichmäßig gegliederten Massen der Tüchtigkeit und Beförderung ein Feld bietet, und eben dadurch die Tüchtigkeit entwickelt. Noch die Schlacht bei Hastings (Senlac) gibt das Bild einer ganz rohen Kriegsführung. Außerdem machte die Gemessenheit der Lehnsdienste das Lehnsheer für lange Kämpfe, und für einen dauernden, inneren Landesdienst ungenügend.

Schon die ersten Plantagenets beginnen daher mit der Organisation einer Grafschaftsmiliz, welche durch die Beibehaltung der angelsächsischen Gemeindeverfassung möglich wurde.


Schon Heinrich II. verordnet, dass jeder Freisasse nach dem Wert seines Guts oder beweglichen Vermögens stets mit angemessenen Waffen und Rüstungsstücken versehen sein soll. Nach einem Statut 13 Edw. I. soll jeder Mann zwischen 15 und 60 Jahren abgeschätzt werden und schwören, Rüstung zu halten nach dem Wert seines Vermögens; ab15 £ oder darüber in Grundrenten, oder 40 Mark in beweglichem Vermögen, einen Brustharnisch, eine eiserne Brustplatte, ein Schwert, ein Messer und ein Pferd; bei geringerem Vermögen weniger kostbare Rüstung. In jeder Hundertschaft wird ein Offizier, Constabularius, gewählt; die Zehntschaft hat ihren Unterconstabler; der Führer des Ganzen ist der Sheriff, der in Notfällen die ganze Macht, das posse comitatus, aufbietet. Werden Milizen mobil gemacht, so ernennt der König die Kommandierenden durch Commission (seit Elisabeth werden daraus stehende Kommissarien, die Lord -Lieutenants). Das Gesetz ordnet die Art der Bewaffnung und führt alljährlich zweimalige Heerschau ein. Als in der späteren Zeit die innere Ruhe des Landes befestigt, die Fehden mit Schottland seltener wurden und zuletzt aufhörten, wurde auch diese Landwehrverfassung schlaffer, von Zeit zu Zeit durch neue Gesetze aufgefrischt, und allmälig so umgestaltet, dass den Constables zuletzt nur polizeiliche Funktionen übrig geblieben sind. — Diese Milizen bilden nun zugleich die Vorschule für ein regelmäßiges Heer. Gegen einen Geldsold waren die kampftüchtigsten und kampflustigsten Elemente daraus, Ritter und Hintersassen, leicht zusammenzubringen. Das Dasein einer stehenden Grafschaftsmiliz, so unvollkommen sie auch sein mochte, machte es überhaupt möglich, nach Bedürfnis geworbene Truppen zusammenzuziehen und aufzulösen; während in der normannischen Zeit die aufgelösten Söldnerhaufen das Land verwüsteten und das unbewaffnete Landvolk brandschatzten. — Gesetze unter Eduard I. und Eduard III. beschränken aber auch die willkürliche Verwendung der Miliz, und machen ungewöhnliche Zumutungen von der Genehmigung des Parlaments abhängig.

Unter diesen Umständen zog es schon Heinrich II. in seinem fünften Regierungsjahre bei dem Kriegszuge nach Toulouse vor, von jedem Ritterlehn 3 £ in Geld statt der Naturalkriegsdienste zu erheben. Ein solches Schildgeld (scutagium), von 60,000 Ritterlehnen erhoben, ergab damals eine Summe, mit welcher ein ansehnliches Heer zu werben war. Das Lehnswesen verwandelt sich dadurch bald in ein großes System von Schildgeldern (scutagia), Anfallsgeldern (relevia), nutzbaren Vormundschaften, Consensgeldern und maritagia, außerordentlichen Hilfsgeldern und vorbehaltenen Rückfallsrechten, welche hauptsächlich das Finanzsystem des Mittelalters und mehrere Jahrhunderte hindurch einen fortlaufenden Gegenstand der Gesetzgebung und Landesbeschwerden bilden.

Auch die Heere, mit denen die englischen Könige in Frankreich kämpften, bestanden aus Mietstruppen, zum Teil freilich Rittern und Gentlemen, welche jedoch nicht von Lehns wegen, sondern um Sold dienten. So schiffte sich Eduard 1346 ein mit einem Heer von 4000 Gewappneten, 10,000 Bogenschützen, 10,000 Wallisern und 6000 Mann irländischer leichter Truppen; und schon lange vorher ergeben die Nachrichten über die einzelnen Feldzüge der englischen Könige eine ähnliche Zusammensetzung. Wenn die Lehnsvasallen auch noch die „Schlachtlinie“ bildeten, d. h. die Linie der schwerbewaffneten Reiterei, so bestand jedenfalls die Hauptmasse aus leichteren neuorganisierten Truppen. Nur in den Fehden gegen Schottland wurden öfter noch die Naturalkriegsdienste des Lehnsheeres aufgeboten; zum letzten Male, und erfolglos, im Jahre 1640.

Da nun aber die Soldtruppen nach hergestelltem Frieden sofort aufgelöst wurden, so bestand die bewaffnete Macht Englands Jahrhunderte lang tatsächlich nur aus Milizen. Das stehende Heer, mit welchem Heinrich VIII. die Reformation unternahm, bestand aus 50 Leibtrabanten!

Der Satz des englischen Rechts, dass der König das unmittelbare Haupt aller bewaffneten Macht im Lande sei, (wieder bestätigt durch 13 Car. n. c. 6.) erhält seinen praktischen Sinn durch den Gegensatz des, Lehnswesens, d. h. die militärische Ordnung wird nicht mehr bestimmt durch die Gliederung des Besitzes, durch die Gutsabhängigkeit des Soldaten vom Führer; vielmehr ist die alleinige, ungeteilte Befugnis des Staats zur Ordnung aller bewaffneten Macht damit anerkannt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ueber Adel und Ritterschaft in England.